Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Zweites Vierteljahr.Memphis und die Pyramiden Palmenwälder, Wiesen, Getreidefelder und Gärten wechseln miteinander ab; es Das ist das weite Gebiet der Nekropole von Memphis. Wie mag es Memphis und die Pyramiden Palmenwälder, Wiesen, Getreidefelder und Gärten wechseln miteinander ab; es Das ist das weite Gebiet der Nekropole von Memphis. Wie mag es <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0335" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/299376"/> <fw type="header" place="top"> Memphis und die Pyramiden</fw><lb/> <p xml:id="ID_1454" prev="#ID_1453"> Palmenwälder, Wiesen, Getreidefelder und Gärten wechseln miteinander ab; es<lb/> umrahmen sie zahlreiche Kanäle, in die der Nil sein befruchtendes Wasser gießt.<lb/> Vom dunkeln Wasser des Stromes heben sich die weißen Segel der langsam<lb/> dahinfahrenden Schiffe ab, aus dem Grün des Fruchtlandes leuchten die<lb/> Kuppeln der Moscheen in den Dörfern der Fellachen. Scharf gezogen sieht<lb/> man die Grenze zwischen dem bebauten Lande und der Wüste; unvermittelt<lb/> berühren sie sich; hier herrscht üppiges Leben, dort ewiger Tod. Inmitten der<lb/> Oase erhebt sich die Stadt der Lebenden, Kairo mit seinen Kuppeln und<lb/> Minarets, in der Wüste erstreckt sich weithin die Stadt der Toten, Memphis<lb/> mit seinen Gräbern und Pyramiden. Nie legten die Ägypter ihre Toten in<lb/> das Fruchtland des Nils: das Reich der Toten war die Wüste, wo kein Leben<lb/> dem Boden entsproß und kein Laut ihre Ruhe störte. Über die weite Nekro-<lb/> Pole eilt der Blick von Pyramide zu Pyramide. Im Westen liegen nahe bei<lb/> der Cheopspyramide die großen Pyramiden des Chefren und des Merlan,<lb/> beide sind kleiner als die des Cheops, aber die Pyramide des Chefren über¬<lb/> ragt diese noch, da sie höher steht. An der Spitze der Chefrenpyramide sind<lb/> noch die Steinplatten zu sehen, mit denen ihre Außenseiten abgedeckt waren.<lb/> Fern im Süden erblickt man die Pyramiden von Sakkarah und Abusir.</p><lb/> <p xml:id="ID_1455" next="#ID_1456"> Das ist das weite Gebiet der Nekropole von Memphis. Wie mag es<lb/> hier einst ausgesehen haben, wenn die Mumie eines Pharaos in feierlichem<lb/> Aufzuge von Memphis hergetragen wurde zur Beisetzung in der Pyramide,<lb/> welche Pracht wurde zu Ehren des verstorbnen Herrschers, der wie ein Gott<lb/> verehrt war, entfaltet, wie viele Opfertiere wurden von den Priestern, die Götter<lb/> zu versöhnen, geschlachtet! „Wie die Stadt der Lebenden hatte auch die der<lb/> Toten ein besondres Aussehen und Getriebe, und man möchte fast sagen, eigne<lb/> Lustbarkeiten; was ihr aber vor allem bei dem ganzen geräuschvollen Treiben<lb/> ein gesondertes Gepräge bewahrte, ihr Ansehen zu einem feierlichen machte, war<lb/> das ungeheure Maß der Pyramiden, der Schimmer ihrer in glühendem Tages¬<lb/> lichte funkelnden, buntpolierten Wände und ihr mit der Sonne kreisender<lb/> Niesenschatten, der, wenn er Morgens und Abends weit und breit Hunderte<lb/> von Gräbern überdeckte, auch so noch die Königswürde und ihre übermensch¬<lb/> liche Erhabenheit bekundete." Tief unten am Fuße der Pyramide reckt die<lb/> gigantische Sphinx ihr Haupt aus dem Sande empor, und um sie kribbelt und<lb/> wimnielt es wie von Ameisen: eine große Reisegesellschaft, auf Eseln und<lb/> Kamelen reitend, ist von Sakkarah herübergekommen. Doch unsern Beduinen<lb/> wird es allmählich zu langweilig, unsern staunenden Blicken zu folgen, auch<lb/> zieht sie die große Zahl der Reisenden dort unten mächtig an; ungeduldig<lb/> mahnen sie zum Aufbruch. Rasch wird noch die Camera eingestellt, und ein<lb/> kundiger Beduine knipst uns auf dem Gipfel der Pyramide stehend ab; dann<lb/> geht es nach unten. Der Abstieg geht zwar rascher vonstatten, doch ist er<lb/> kaum minder beschwerlich als der Aufstieg. Auf die Schultern der Beduinen<lb/> gestützt, springt man von Stufe zu Stufe hinab; für nicht ganz Schwindelfreie<lb/> ist der anhaltende Blick in die Tiefe höchst unerquicklich. Endlich sind wir an<lb/> der Stelle angelangt, wo der Eingang in die Pyramide freigelegt worden ist.<lb/> Unsre Knie zittern von den hundert Sprüngen, die wir gemacht haben; wir</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0335]
Memphis und die Pyramiden
Palmenwälder, Wiesen, Getreidefelder und Gärten wechseln miteinander ab; es
umrahmen sie zahlreiche Kanäle, in die der Nil sein befruchtendes Wasser gießt.
Vom dunkeln Wasser des Stromes heben sich die weißen Segel der langsam
dahinfahrenden Schiffe ab, aus dem Grün des Fruchtlandes leuchten die
Kuppeln der Moscheen in den Dörfern der Fellachen. Scharf gezogen sieht
man die Grenze zwischen dem bebauten Lande und der Wüste; unvermittelt
berühren sie sich; hier herrscht üppiges Leben, dort ewiger Tod. Inmitten der
Oase erhebt sich die Stadt der Lebenden, Kairo mit seinen Kuppeln und
Minarets, in der Wüste erstreckt sich weithin die Stadt der Toten, Memphis
mit seinen Gräbern und Pyramiden. Nie legten die Ägypter ihre Toten in
das Fruchtland des Nils: das Reich der Toten war die Wüste, wo kein Leben
dem Boden entsproß und kein Laut ihre Ruhe störte. Über die weite Nekro-
Pole eilt der Blick von Pyramide zu Pyramide. Im Westen liegen nahe bei
der Cheopspyramide die großen Pyramiden des Chefren und des Merlan,
beide sind kleiner als die des Cheops, aber die Pyramide des Chefren über¬
ragt diese noch, da sie höher steht. An der Spitze der Chefrenpyramide sind
noch die Steinplatten zu sehen, mit denen ihre Außenseiten abgedeckt waren.
Fern im Süden erblickt man die Pyramiden von Sakkarah und Abusir.
Das ist das weite Gebiet der Nekropole von Memphis. Wie mag es
hier einst ausgesehen haben, wenn die Mumie eines Pharaos in feierlichem
Aufzuge von Memphis hergetragen wurde zur Beisetzung in der Pyramide,
welche Pracht wurde zu Ehren des verstorbnen Herrschers, der wie ein Gott
verehrt war, entfaltet, wie viele Opfertiere wurden von den Priestern, die Götter
zu versöhnen, geschlachtet! „Wie die Stadt der Lebenden hatte auch die der
Toten ein besondres Aussehen und Getriebe, und man möchte fast sagen, eigne
Lustbarkeiten; was ihr aber vor allem bei dem ganzen geräuschvollen Treiben
ein gesondertes Gepräge bewahrte, ihr Ansehen zu einem feierlichen machte, war
das ungeheure Maß der Pyramiden, der Schimmer ihrer in glühendem Tages¬
lichte funkelnden, buntpolierten Wände und ihr mit der Sonne kreisender
Niesenschatten, der, wenn er Morgens und Abends weit und breit Hunderte
von Gräbern überdeckte, auch so noch die Königswürde und ihre übermensch¬
liche Erhabenheit bekundete." Tief unten am Fuße der Pyramide reckt die
gigantische Sphinx ihr Haupt aus dem Sande empor, und um sie kribbelt und
wimnielt es wie von Ameisen: eine große Reisegesellschaft, auf Eseln und
Kamelen reitend, ist von Sakkarah herübergekommen. Doch unsern Beduinen
wird es allmählich zu langweilig, unsern staunenden Blicken zu folgen, auch
zieht sie die große Zahl der Reisenden dort unten mächtig an; ungeduldig
mahnen sie zum Aufbruch. Rasch wird noch die Camera eingestellt, und ein
kundiger Beduine knipst uns auf dem Gipfel der Pyramide stehend ab; dann
geht es nach unten. Der Abstieg geht zwar rascher vonstatten, doch ist er
kaum minder beschwerlich als der Aufstieg. Auf die Schultern der Beduinen
gestützt, springt man von Stufe zu Stufe hinab; für nicht ganz Schwindelfreie
ist der anhaltende Blick in die Tiefe höchst unerquicklich. Endlich sind wir an
der Stelle angelangt, wo der Eingang in die Pyramide freigelegt worden ist.
Unsre Knie zittern von den hundert Sprüngen, die wir gemacht haben; wir
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