Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Zur Reform des Armenwesens

Holländisch-Indien, trotzdem sie die schwersten Bedingungen stellte, unter
anderm auch wieder ihre bekannte Forderung, daß sie nur Telegramme, die
aus Marconi-Apparaten kämen, anzunehmen brauche und alle andern Systeme
ignorieren dürfe. Der Minister selbst sprach sich Anfang Dezember 1904 in
der zweiten Kammer gegen eine Konzession auf solcher Grundlage aus, und
die zweite Kammer verwarf daraufhin das Abkommen. Inzwischen hatte das
deutsche Telefunkensystem (Slaby-Graf Arco) solche Fortschritte gemacht, daß
es in Holland als dem Marconi-System vollauf gleichwertig erachtet wurde.
Am 10. März 1905 erteilte daraufhin der Generalgouvemeur von Niederländisch-
Jndien der deutschen "Gesellschaft für drahtlose Telegraphie" die Erlaubnis
zur Errichtung zweier Stationen in Batavia und in Cheribon, die im Dezember
1905 schon dem Verkehr übergeben worden sind. Da das System Telefunken
inzwischen auch auf den holländischen Schiffen eingeführt worden ist, wo es
sich nach einer Angabe des holländischen Marineministers Cohen-Stuart vor¬
trefflich bewährt haben soll, da ferner die englische Marconi-Gesellschaft noch
nichts getan hat, ihre anfangs so vorteilhaft scheinende Position auszunutzen,
so dürfte der endgiltige Sieg des deutschen Telefunkensystems in Niederländisch-
Jndien nicht mehr zweifelhaft sein, und die englischen Monopolisierungs¬
bestrebungen dürften auch an dieser Stelle aus dem Felde geschlagen sein.

So herrscht denn im fernen Osten zwischen Deutschland und Holland nicht
nur in der Frage der Kabelpolitik, sondern auch in der Schaffung von Funken¬
telegraphenstationen ein höchst erfreuliches Einvernehmen, und man darf mit
Zuversicht hoffen, daß diese einem Defensivbündnis gleichende Telegraphen-
allianz beiden Nationen in gleicher Weise zum Segen gereichen wird.


R. Hennig


Zur Reform des Armenwesens

as Reichsarmengesetz, oder wie es offiziell genannt wird, das
Reichsgesetz über den Unterstützungswohnsitz vom 6. Juni 1870,
gehört zu den Gesetzen, die schon vom Augenblick ihrer Annahme
an mit der Gegnerschaft einer starken Minorität zu rechnen hatten.
Die Angriffe dieser Gegner sind auch im weitern Verlaufe der
Zeit nicht erlahmt, sondern immer stärker und nachdrücklicher geworden und
haben zu einer großen Zahl von Neformvorschlügen geführt, die zum Teil von
der Gesetzgebung aufgenommen worden sind. Auch jetzt liegt dem Reichstage
wiederum eine wichtige Novelle zum Unterstützungswohnsitzgesetze vor, die zweifel¬
los nicht ohne starken Widerstand und vermutlich nicht ohne gewisse Änderungen
Gesetz werden wird. Sie unterliegt zurzeit der Kommissionsberatung; es scheint
deshalb angebracht, das Für und das Wider nochmals objektiv zu erörtern.

Zum vollen Verständnis dieses Gesetzentwurfs wird jedoch ein Rückblick
auf die Entstehung und die Hauptgrundsätze des Reichsgesetzes vom 6. Juni 1870
unerläßlich sein.


Zur Reform des Armenwesens

Holländisch-Indien, trotzdem sie die schwersten Bedingungen stellte, unter
anderm auch wieder ihre bekannte Forderung, daß sie nur Telegramme, die
aus Marconi-Apparaten kämen, anzunehmen brauche und alle andern Systeme
ignorieren dürfe. Der Minister selbst sprach sich Anfang Dezember 1904 in
der zweiten Kammer gegen eine Konzession auf solcher Grundlage aus, und
die zweite Kammer verwarf daraufhin das Abkommen. Inzwischen hatte das
deutsche Telefunkensystem (Slaby-Graf Arco) solche Fortschritte gemacht, daß
es in Holland als dem Marconi-System vollauf gleichwertig erachtet wurde.
Am 10. März 1905 erteilte daraufhin der Generalgouvemeur von Niederländisch-
Jndien der deutschen „Gesellschaft für drahtlose Telegraphie" die Erlaubnis
zur Errichtung zweier Stationen in Batavia und in Cheribon, die im Dezember
1905 schon dem Verkehr übergeben worden sind. Da das System Telefunken
inzwischen auch auf den holländischen Schiffen eingeführt worden ist, wo es
sich nach einer Angabe des holländischen Marineministers Cohen-Stuart vor¬
trefflich bewährt haben soll, da ferner die englische Marconi-Gesellschaft noch
nichts getan hat, ihre anfangs so vorteilhaft scheinende Position auszunutzen,
so dürfte der endgiltige Sieg des deutschen Telefunkensystems in Niederländisch-
Jndien nicht mehr zweifelhaft sein, und die englischen Monopolisierungs¬
bestrebungen dürften auch an dieser Stelle aus dem Felde geschlagen sein.

So herrscht denn im fernen Osten zwischen Deutschland und Holland nicht
nur in der Frage der Kabelpolitik, sondern auch in der Schaffung von Funken¬
telegraphenstationen ein höchst erfreuliches Einvernehmen, und man darf mit
Zuversicht hoffen, daß diese einem Defensivbündnis gleichende Telegraphen-
allianz beiden Nationen in gleicher Weise zum Segen gereichen wird.


R. Hennig


Zur Reform des Armenwesens

as Reichsarmengesetz, oder wie es offiziell genannt wird, das
Reichsgesetz über den Unterstützungswohnsitz vom 6. Juni 1870,
gehört zu den Gesetzen, die schon vom Augenblick ihrer Annahme
an mit der Gegnerschaft einer starken Minorität zu rechnen hatten.
Die Angriffe dieser Gegner sind auch im weitern Verlaufe der
Zeit nicht erlahmt, sondern immer stärker und nachdrücklicher geworden und
haben zu einer großen Zahl von Neformvorschlügen geführt, die zum Teil von
der Gesetzgebung aufgenommen worden sind. Auch jetzt liegt dem Reichstage
wiederum eine wichtige Novelle zum Unterstützungswohnsitzgesetze vor, die zweifel¬
los nicht ohne starken Widerstand und vermutlich nicht ohne gewisse Änderungen
Gesetz werden wird. Sie unterliegt zurzeit der Kommissionsberatung; es scheint
deshalb angebracht, das Für und das Wider nochmals objektiv zu erörtern.

Zum vollen Verständnis dieses Gesetzentwurfs wird jedoch ein Rückblick
auf die Entstehung und die Hauptgrundsätze des Reichsgesetzes vom 6. Juni 1870
unerläßlich sein.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0305" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/299346"/>
          <fw type="header" place="top"> Zur Reform des Armenwesens</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1359" prev="#ID_1358"> Holländisch-Indien, trotzdem sie die schwersten Bedingungen stellte, unter<lb/>
anderm auch wieder ihre bekannte Forderung, daß sie nur Telegramme, die<lb/>
aus Marconi-Apparaten kämen, anzunehmen brauche und alle andern Systeme<lb/>
ignorieren dürfe. Der Minister selbst sprach sich Anfang Dezember 1904 in<lb/>
der zweiten Kammer gegen eine Konzession auf solcher Grundlage aus, und<lb/>
die zweite Kammer verwarf daraufhin das Abkommen. Inzwischen hatte das<lb/>
deutsche Telefunkensystem (Slaby-Graf Arco) solche Fortschritte gemacht, daß<lb/>
es in Holland als dem Marconi-System vollauf gleichwertig erachtet wurde.<lb/>
Am 10. März 1905 erteilte daraufhin der Generalgouvemeur von Niederländisch-<lb/>
Jndien der deutschen &#x201E;Gesellschaft für drahtlose Telegraphie" die Erlaubnis<lb/>
zur Errichtung zweier Stationen in Batavia und in Cheribon, die im Dezember<lb/>
1905 schon dem Verkehr übergeben worden sind. Da das System Telefunken<lb/>
inzwischen auch auf den holländischen Schiffen eingeführt worden ist, wo es<lb/>
sich nach einer Angabe des holländischen Marineministers Cohen-Stuart vor¬<lb/>
trefflich bewährt haben soll, da ferner die englische Marconi-Gesellschaft noch<lb/>
nichts getan hat, ihre anfangs so vorteilhaft scheinende Position auszunutzen,<lb/>
so dürfte der endgiltige Sieg des deutschen Telefunkensystems in Niederländisch-<lb/>
Jndien nicht mehr zweifelhaft sein, und die englischen Monopolisierungs¬<lb/>
bestrebungen dürften auch an dieser Stelle aus dem Felde geschlagen sein.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1360"> So herrscht denn im fernen Osten zwischen Deutschland und Holland nicht<lb/>
nur in der Frage der Kabelpolitik, sondern auch in der Schaffung von Funken¬<lb/>
telegraphenstationen ein höchst erfreuliches Einvernehmen, und man darf mit<lb/>
Zuversicht hoffen, daß diese einem Defensivbündnis gleichende Telegraphen-<lb/>
allianz beiden Nationen in gleicher Weise zum Segen gereichen wird.</p><lb/>
          <note type="byline"> R. Hennig</note><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Zur Reform des Armenwesens</head><lb/>
          <p xml:id="ID_1361"> as Reichsarmengesetz, oder wie es offiziell genannt wird, das<lb/>
Reichsgesetz über den Unterstützungswohnsitz vom 6. Juni 1870,<lb/>
gehört zu den Gesetzen, die schon vom Augenblick ihrer Annahme<lb/>
an mit der Gegnerschaft einer starken Minorität zu rechnen hatten.<lb/>
Die Angriffe dieser Gegner sind auch im weitern Verlaufe der<lb/>
Zeit nicht erlahmt, sondern immer stärker und nachdrücklicher geworden und<lb/>
haben zu einer großen Zahl von Neformvorschlügen geführt, die zum Teil von<lb/>
der Gesetzgebung aufgenommen worden sind. Auch jetzt liegt dem Reichstage<lb/>
wiederum eine wichtige Novelle zum Unterstützungswohnsitzgesetze vor, die zweifel¬<lb/>
los nicht ohne starken Widerstand und vermutlich nicht ohne gewisse Änderungen<lb/>
Gesetz werden wird. Sie unterliegt zurzeit der Kommissionsberatung; es scheint<lb/>
deshalb angebracht, das Für und das Wider nochmals objektiv zu erörtern.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1362"> Zum vollen Verständnis dieses Gesetzentwurfs wird jedoch ein Rückblick<lb/>
auf die Entstehung und die Hauptgrundsätze des Reichsgesetzes vom 6. Juni 1870<lb/>
unerläßlich sein.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0305] Zur Reform des Armenwesens Holländisch-Indien, trotzdem sie die schwersten Bedingungen stellte, unter anderm auch wieder ihre bekannte Forderung, daß sie nur Telegramme, die aus Marconi-Apparaten kämen, anzunehmen brauche und alle andern Systeme ignorieren dürfe. Der Minister selbst sprach sich Anfang Dezember 1904 in der zweiten Kammer gegen eine Konzession auf solcher Grundlage aus, und die zweite Kammer verwarf daraufhin das Abkommen. Inzwischen hatte das deutsche Telefunkensystem (Slaby-Graf Arco) solche Fortschritte gemacht, daß es in Holland als dem Marconi-System vollauf gleichwertig erachtet wurde. Am 10. März 1905 erteilte daraufhin der Generalgouvemeur von Niederländisch- Jndien der deutschen „Gesellschaft für drahtlose Telegraphie" die Erlaubnis zur Errichtung zweier Stationen in Batavia und in Cheribon, die im Dezember 1905 schon dem Verkehr übergeben worden sind. Da das System Telefunken inzwischen auch auf den holländischen Schiffen eingeführt worden ist, wo es sich nach einer Angabe des holländischen Marineministers Cohen-Stuart vor¬ trefflich bewährt haben soll, da ferner die englische Marconi-Gesellschaft noch nichts getan hat, ihre anfangs so vorteilhaft scheinende Position auszunutzen, so dürfte der endgiltige Sieg des deutschen Telefunkensystems in Niederländisch- Jndien nicht mehr zweifelhaft sein, und die englischen Monopolisierungs¬ bestrebungen dürften auch an dieser Stelle aus dem Felde geschlagen sein. So herrscht denn im fernen Osten zwischen Deutschland und Holland nicht nur in der Frage der Kabelpolitik, sondern auch in der Schaffung von Funken¬ telegraphenstationen ein höchst erfreuliches Einvernehmen, und man darf mit Zuversicht hoffen, daß diese einem Defensivbündnis gleichende Telegraphen- allianz beiden Nationen in gleicher Weise zum Segen gereichen wird. R. Hennig Zur Reform des Armenwesens as Reichsarmengesetz, oder wie es offiziell genannt wird, das Reichsgesetz über den Unterstützungswohnsitz vom 6. Juni 1870, gehört zu den Gesetzen, die schon vom Augenblick ihrer Annahme an mit der Gegnerschaft einer starken Minorität zu rechnen hatten. Die Angriffe dieser Gegner sind auch im weitern Verlaufe der Zeit nicht erlahmt, sondern immer stärker und nachdrücklicher geworden und haben zu einer großen Zahl von Neformvorschlügen geführt, die zum Teil von der Gesetzgebung aufgenommen worden sind. Auch jetzt liegt dem Reichstage wiederum eine wichtige Novelle zum Unterstützungswohnsitzgesetze vor, die zweifel¬ los nicht ohne starken Widerstand und vermutlich nicht ohne gewisse Änderungen Gesetz werden wird. Sie unterliegt zurzeit der Kommissionsberatung; es scheint deshalb angebracht, das Für und das Wider nochmals objektiv zu erörtern. Zum vollen Verständnis dieses Gesetzentwurfs wird jedoch ein Rückblick auf die Entstehung und die Hauptgrundsätze des Reichsgesetzes vom 6. Juni 1870 unerläßlich sein.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299040
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299040/305
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299040/305>, abgerufen am 24.07.2024.