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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Zweites Vierteljahr.

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Die deutsch-niederländische Telegrapheiiallianz im fernen Gsten

kriegerischer Verwicklungen mit England binnen einigen Minuten sämtlicher
überseeischer Telegraphenverbindungen beraubt werden konnte.

Besonders der Verkehr zwischen Holländisch-Jndien und dem Mutterland
erfolgte von jeher ausnahmlos über britische Kabel- und Telegraphen¬
leitungen, und es war auch zunächst gar nicht daran zu denken, daß in dieser
Hinsicht je eine Änderung werde eintreten können, da vom Mittelmeere bis
nach Australien und nach China das englische Kabel ausschließlich die Meere
beherrschte. England hatte es jederzeit völlig in der Hand, den telegraphischen
Nachrichtenaustausch zwischen Holland und den Sundainseln nach Belieben zu
unterbinden, zu färben und zu entstellen, wenn es seinen Zwecken genehm war,
und daß die Londoner Politik vor solchen Mitteln nicht zurückschreckte, wenn
es auch nur einen kleinen Vorteil zu erringen galt, hatten andre Völker, ins¬
besondre aber die Franzosen, schon wiederholt aufs schmerzlichste erfahren.

Es haben ja zwischen der britischen und der holländischen Negierung seit
dem Burenkrieg immer leidlich gute oder doch wenigstens korrekte Beziehungen
bestanden, sodaß die Kabelbeherrschung durch die Engländer den Niederlanden
bisher wenigstens noch keine ernstlichen Unannehmlichkeiten und Verlegenheiten
gebracht hat; aber die Gefahr selbst ist dadurch natürlich nicht geringer ge¬
worden, und man war deshalb in Holland dauernd ernstlich darauf bedacht,
sich in der einen oder der andern Weise der unumschränkten englischen Kabel-
Herrschaft zu entziehn und auf nichtbritischen Telegraphenlinien eine neue Ver¬
bindung zwischen Hollündisch-Jndien und dem Mutterlande zu schaffen.

Zu diesem Zwecke schuf man sich zunächst ein ausgedehntes und klug an¬
gelegtes Netz von holländischen Regierungskabcln zwischen den verschiednen
Inseln des hinterindischen Archipels und bewirkte auf diese Weise, daß wenigstens
die wichtigsten Punkte des Kolonialreichs durch zuverlässige Telegraphenkabel
untereinander verbunden wurden. An die direkte Verlegung eines national-
holländischen Kabels von der Nordsee bis zur Sundastraße konnte man aus
verschiednen Gründen, technischen wie politischen und ökonomischen, ganz un¬
möglich denken. Denn sogar das so viel größere und reichere Frankreich, das
eine nationale Kabelverbindung mit seinen indochinesischen Besitzungen nicht
minder lebhaft wünscht als Holland mit seinen Kolonien, hat bisher den In¬
dischen Ozean immer noch nicht mit einem nationalen Kabel durchquert, trotzdem
daß ihm diese Aufgabe viel leichter als den Niederlanden fallen müßte, und
trotzdem daß man in Frankreich selbst zu wiederholten Malen ein solches Kabel
als unaufschiebbare nationale Ehrensache hingestellt hatte!

Da schufen sich im Jahre 1903 die Vereinigten Staaten ihr großes
pazifisches Kabel, das von San Francisco aus über Hawai, die Midwayinseln
und die Insel Gran (Marianengruppe) nach den Philippinen verlief. Wenn es
Holland gelang, einen telegraphischen Anschluß an dieses Kabel zu gewinnen,
etwa auf den Philippinen, so hatte man mit einem Schlage eine von allen
britischen Einflüssen freie Kabelverbindung zwischen Holland und den indischen
Kolonien, und zwar auf dem Wege über Emden-New Jork (deutsches Kabel)-
San Francisco (Überlandlinie der Union)-Manila (trcmspazifisches Kabel der
Union). Demgemäß plante man schon 1901 in Holland die Verlegung eines


Die deutsch-niederländische Telegrapheiiallianz im fernen Gsten

kriegerischer Verwicklungen mit England binnen einigen Minuten sämtlicher
überseeischer Telegraphenverbindungen beraubt werden konnte.

Besonders der Verkehr zwischen Holländisch-Jndien und dem Mutterland
erfolgte von jeher ausnahmlos über britische Kabel- und Telegraphen¬
leitungen, und es war auch zunächst gar nicht daran zu denken, daß in dieser
Hinsicht je eine Änderung werde eintreten können, da vom Mittelmeere bis
nach Australien und nach China das englische Kabel ausschließlich die Meere
beherrschte. England hatte es jederzeit völlig in der Hand, den telegraphischen
Nachrichtenaustausch zwischen Holland und den Sundainseln nach Belieben zu
unterbinden, zu färben und zu entstellen, wenn es seinen Zwecken genehm war,
und daß die Londoner Politik vor solchen Mitteln nicht zurückschreckte, wenn
es auch nur einen kleinen Vorteil zu erringen galt, hatten andre Völker, ins¬
besondre aber die Franzosen, schon wiederholt aufs schmerzlichste erfahren.

Es haben ja zwischen der britischen und der holländischen Negierung seit
dem Burenkrieg immer leidlich gute oder doch wenigstens korrekte Beziehungen
bestanden, sodaß die Kabelbeherrschung durch die Engländer den Niederlanden
bisher wenigstens noch keine ernstlichen Unannehmlichkeiten und Verlegenheiten
gebracht hat; aber die Gefahr selbst ist dadurch natürlich nicht geringer ge¬
worden, und man war deshalb in Holland dauernd ernstlich darauf bedacht,
sich in der einen oder der andern Weise der unumschränkten englischen Kabel-
Herrschaft zu entziehn und auf nichtbritischen Telegraphenlinien eine neue Ver¬
bindung zwischen Hollündisch-Jndien und dem Mutterlande zu schaffen.

Zu diesem Zwecke schuf man sich zunächst ein ausgedehntes und klug an¬
gelegtes Netz von holländischen Regierungskabcln zwischen den verschiednen
Inseln des hinterindischen Archipels und bewirkte auf diese Weise, daß wenigstens
die wichtigsten Punkte des Kolonialreichs durch zuverlässige Telegraphenkabel
untereinander verbunden wurden. An die direkte Verlegung eines national-
holländischen Kabels von der Nordsee bis zur Sundastraße konnte man aus
verschiednen Gründen, technischen wie politischen und ökonomischen, ganz un¬
möglich denken. Denn sogar das so viel größere und reichere Frankreich, das
eine nationale Kabelverbindung mit seinen indochinesischen Besitzungen nicht
minder lebhaft wünscht als Holland mit seinen Kolonien, hat bisher den In¬
dischen Ozean immer noch nicht mit einem nationalen Kabel durchquert, trotzdem
daß ihm diese Aufgabe viel leichter als den Niederlanden fallen müßte, und
trotzdem daß man in Frankreich selbst zu wiederholten Malen ein solches Kabel
als unaufschiebbare nationale Ehrensache hingestellt hatte!

Da schufen sich im Jahre 1903 die Vereinigten Staaten ihr großes
pazifisches Kabel, das von San Francisco aus über Hawai, die Midwayinseln
und die Insel Gran (Marianengruppe) nach den Philippinen verlief. Wenn es
Holland gelang, einen telegraphischen Anschluß an dieses Kabel zu gewinnen,
etwa auf den Philippinen, so hatte man mit einem Schlage eine von allen
britischen Einflüssen freie Kabelverbindung zwischen Holland und den indischen
Kolonien, und zwar auf dem Wege über Emden-New Jork (deutsches Kabel)-
San Francisco (Überlandlinie der Union)-Manila (trcmspazifisches Kabel der
Union). Demgemäß plante man schon 1901 in Holland die Verlegung eines


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299040/302>, abgerufen am 24.07.2024.