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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Zweites Vierteljahr.

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Die deutsch-niederländische Telegraphenallianz
im fernen Osten

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t^M>on allen den großen und reichen Kolonien, die Holland in seiner
Blütezeit besessen hat, ist ihm, außer einigen kleinern und be¬
deutungslosen überseeischen Territorien, nur eine einzige geblieben,
allerdings die beste und wertvollste von allen: niederländisch-
! Indien. Holland ist seit den Tagen eines de Ruyter und Tromp,
wo seine stolze Seemacht zu derselben Zeit Engländern und Franzosen die
Zähne zeigte, zu einer Macht zweiten Ranges hinabgesunken. Es wurde von
seinem alten Nebenbuhler England völlig überflügelt und verlor seinen Handel
sowohl wie seinen Kolonialbesitz zum größern Teil an das Inselreich, dessen
zäher und weitsichtiger Energie das behagliche Phlegma des Holländers in
keiner Weise gewachsen war. Im Laufe der Zeit verlor Holland Südafrika,
Ceylon und manches andre wichtige Stück seines einstigen Kolonialreichs an
den britischen Löwen, und natürlich herrscht deshalb in den Niederlanden
dauernd eine gereizte Stimmung gegen England, die ganz besonders während
des Burcntrieges wiederholt Siedehitze erreichte.

Dem Groll über die Vergangenheit gesellt sich die Sorge um die Gegen¬
wart und die Zukunft des noch verblichnen Kolonialbesitzes. Die Holländer
sind sich vollkommen im klaren darüber, daß ihre Kolonien einem kriegerischen
Angriff Englands ziemlich wehrlos preisgegeben sind und bei der geringsten
Verwicklung dem länderhungrigen Nachbar als reife Frucht in den Schoß
fallen müssen. Trotzdem kann man kaum etwas tun, dem drohenden Unheil
zu begegnen, und muß die Dinge ihren Lauf gehn lassen.

Als im Bnrenkriege England seine erdrückende Übermacht im Weltkabel¬
verkehr sogar neutralen Mächten gegenüber in der schonungslosesten Weise
ausnutzte und den Tclegrmnmverkehr der Alten Welt mit Südwestafrika ganz
willkürlich beschränkte und zum Teil völlig unterbrach, erkannte man in
Holland, ebenso wie bei den andern Kolonialmächten des europäischen Kon¬
tinents, mit Schrecken, daß England nahezu sämtliche wichtigen Kabellinien
der Welt zur beliebigen Verfügung in Händen hielt, und daß man im Falle


Grenzboten II 1906 87


Die deutsch-niederländische Telegraphenallianz
im fernen Osten

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t^M>on allen den großen und reichen Kolonien, die Holland in seiner
Blütezeit besessen hat, ist ihm, außer einigen kleinern und be¬
deutungslosen überseeischen Territorien, nur eine einzige geblieben,
allerdings die beste und wertvollste von allen: niederländisch-
! Indien. Holland ist seit den Tagen eines de Ruyter und Tromp,
wo seine stolze Seemacht zu derselben Zeit Engländern und Franzosen die
Zähne zeigte, zu einer Macht zweiten Ranges hinabgesunken. Es wurde von
seinem alten Nebenbuhler England völlig überflügelt und verlor seinen Handel
sowohl wie seinen Kolonialbesitz zum größern Teil an das Inselreich, dessen
zäher und weitsichtiger Energie das behagliche Phlegma des Holländers in
keiner Weise gewachsen war. Im Laufe der Zeit verlor Holland Südafrika,
Ceylon und manches andre wichtige Stück seines einstigen Kolonialreichs an
den britischen Löwen, und natürlich herrscht deshalb in den Niederlanden
dauernd eine gereizte Stimmung gegen England, die ganz besonders während
des Burcntrieges wiederholt Siedehitze erreichte.

Dem Groll über die Vergangenheit gesellt sich die Sorge um die Gegen¬
wart und die Zukunft des noch verblichnen Kolonialbesitzes. Die Holländer
sind sich vollkommen im klaren darüber, daß ihre Kolonien einem kriegerischen
Angriff Englands ziemlich wehrlos preisgegeben sind und bei der geringsten
Verwicklung dem länderhungrigen Nachbar als reife Frucht in den Schoß
fallen müssen. Trotzdem kann man kaum etwas tun, dem drohenden Unheil
zu begegnen, und muß die Dinge ihren Lauf gehn lassen.

Als im Bnrenkriege England seine erdrückende Übermacht im Weltkabel¬
verkehr sogar neutralen Mächten gegenüber in der schonungslosesten Weise
ausnutzte und den Tclegrmnmverkehr der Alten Welt mit Südwestafrika ganz
willkürlich beschränkte und zum Teil völlig unterbrach, erkannte man in
Holland, ebenso wie bei den andern Kolonialmächten des europäischen Kon¬
tinents, mit Schrecken, daß England nahezu sämtliche wichtigen Kabellinien
der Welt zur beliebigen Verfügung in Händen hielt, und daß man im Falle


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[0301] [Abbildung] Die deutsch-niederländische Telegraphenallianz im fernen Osten ZM -<^IM t^M>on allen den großen und reichen Kolonien, die Holland in seiner Blütezeit besessen hat, ist ihm, außer einigen kleinern und be¬ deutungslosen überseeischen Territorien, nur eine einzige geblieben, allerdings die beste und wertvollste von allen: niederländisch- ! Indien. Holland ist seit den Tagen eines de Ruyter und Tromp, wo seine stolze Seemacht zu derselben Zeit Engländern und Franzosen die Zähne zeigte, zu einer Macht zweiten Ranges hinabgesunken. Es wurde von seinem alten Nebenbuhler England völlig überflügelt und verlor seinen Handel sowohl wie seinen Kolonialbesitz zum größern Teil an das Inselreich, dessen zäher und weitsichtiger Energie das behagliche Phlegma des Holländers in keiner Weise gewachsen war. Im Laufe der Zeit verlor Holland Südafrika, Ceylon und manches andre wichtige Stück seines einstigen Kolonialreichs an den britischen Löwen, und natürlich herrscht deshalb in den Niederlanden dauernd eine gereizte Stimmung gegen England, die ganz besonders während des Burcntrieges wiederholt Siedehitze erreichte. Dem Groll über die Vergangenheit gesellt sich die Sorge um die Gegen¬ wart und die Zukunft des noch verblichnen Kolonialbesitzes. Die Holländer sind sich vollkommen im klaren darüber, daß ihre Kolonien einem kriegerischen Angriff Englands ziemlich wehrlos preisgegeben sind und bei der geringsten Verwicklung dem länderhungrigen Nachbar als reife Frucht in den Schoß fallen müssen. Trotzdem kann man kaum etwas tun, dem drohenden Unheil zu begegnen, und muß die Dinge ihren Lauf gehn lassen. Als im Bnrenkriege England seine erdrückende Übermacht im Weltkabel¬ verkehr sogar neutralen Mächten gegenüber in der schonungslosesten Weise ausnutzte und den Tclegrmnmverkehr der Alten Welt mit Südwestafrika ganz willkürlich beschränkte und zum Teil völlig unterbrach, erkannte man in Holland, ebenso wie bei den andern Kolonialmächten des europäischen Kon¬ tinents, mit Schrecken, daß England nahezu sämtliche wichtigen Kabellinien der Welt zur beliebigen Verfügung in Händen hielt, und daß man im Falle Grenzboten II 1906 87

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299040/301>, abgerufen am 24.07.2024.