Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Zweites Vierteljahr.Line französische Uriegsphantasie Kavallerie unterhalb Namur die Maas erreicht hat. Es sei ihm gelungen, bei Das Große Hauptquartier liegt Abends in Fosse, ungefähr in der Mitte 16. November. Heute haben wir bei Namur einen wirklichen Sieg er¬ 17. November. Während der Fahrt nach dem Ort seiner Bestimmung Line französische Uriegsphantasie Kavallerie unterhalb Namur die Maas erreicht hat. Es sei ihm gelungen, bei Das Große Hauptquartier liegt Abends in Fosse, ungefähr in der Mitte 16. November. Heute haben wir bei Namur einen wirklichen Sieg er¬ 17. November. Während der Fahrt nach dem Ort seiner Bestimmung <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0267" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/299308"/> <fw type="header" place="top"> Line französische Uriegsphantasie</fw><lb/> <p xml:id="ID_1178" prev="#ID_1177"> Kavallerie unterhalb Namur die Maas erreicht hat. Es sei ihm gelungen, bei<lb/> Namur etwa drei feindliche Armeekorps zurückzuwerfen, und er bedürfe nur<lb/> drei seiner fünf Armeekorps, sodaß er zwei dem Generalissimus zur Verfügung<lb/> stellen könne. „Sehr gut, sagt Brangere, ich werde demnach Ihre zwei Korps<lb/> auf das linke Ufer dirigieren. Dort, zwischen Sambre und Maas, steht ein<lb/> großer Teil der feindlichen Streitlrüfte. Zum Abzug bleiben ihnen nur die<lb/> Brücken über die Sambre. Von morgen an werde ich sie zwischen den beiden<lb/> Flüssen einschließen können."</p><lb/> <p xml:id="ID_1179"> Das Große Hauptquartier liegt Abends in Fosse, ungefähr in der Mitte<lb/> des Winkels, der von beiden Flüssen gebildet wird. Dorthin sind Abends<lb/> 11 Uhr die Armeekommandanten zusammenzuberufen. Abends trifft eine Depesche<lb/> ein: Die englisch-belgische Armee hat Brüssel wieder besetzt. Die Avantgarde<lb/> biwakiert vor Waterloo.</p><lb/> <p xml:id="ID_1180"> 16. November. Heute haben wir bei Namur einen wirklichen Sieg er¬<lb/> fochten. Zwei deutsche Korps von den sechs, die uns gegenüberstanden, sind<lb/> gänzlich geschlagen und in die Maas geworfen worden. Der Nest hat die<lb/> Sambre überschreiten können. Die Nacht hat eine vollständige Niederlage ver¬<lb/> hindert. Der Kaiser persönlich stand uns gegenüber. Während der Nacht<lb/> Einmarsch in Namur. Alle Befehle zur Ausnutzung des Sieges werden er¬<lb/> lassen. Der Feind darf nicht Zeit haben, zur Besinnung zu kommen. Um<lb/> Mitternacht läuft die Nachricht ein, daß ein Teil der deutschen Armee, die an<lb/> der Maas zurückgelassen worden war, mit ihrem Chef, dem Prinzen von Olden¬<lb/> burg, kapituliert hat. Zugleich erhält General Langeroy den Befehl, sofort zur<lb/> Übernahme des Kommandos der für ihn formierten Armee abzugehen; sie wird<lb/> den Namen „Armee vom Elsaß" führen. Vor Ablauf von vier Tagen sollen<lb/> fünf Korps und zwei Kavalleriedivisionen bei Belfort stehn.</p><lb/> <p xml:id="ID_1181" next="#ID_1182"> 17. November. Während der Fahrt nach dem Ort seiner Bestimmung<lb/> wirft der General einen Rückblick auf die Ereignisse der letzten vierzehn Tage.<lb/> Er gedenkt der großen Gefahr, die ihnen in dieser Zeit gedroht hat, und die<lb/> aus einer vorgefaßten Idee entstand. Seit fünfunddreißig Jahren hatte man<lb/> wie an einem Glaubensartikel daran festgehalten, daß der einzige wunde Punkt<lb/> der Grenze die 150 Kilometer lange Linie zwischen Verdun und Epinal sei.<lb/> Sie war mit Befestigungen versehen, die zum großen Teil illusorisch waren;<lb/> hinter dieser Barriere wollte man Dcckungstruppen ansammeln, genau ebenso<lb/> stark wie die in Elsaß-Lothringen stehenden. Auf dieser Idee beruhten alle<lb/> Mvbilisierungspläne, alle Entwürfe zur Versammlung der Truppen. Durch<lb/> die Bedrohung mit einer Invasion an dieser Stelle, sagt General Langeroy,<lb/> hatte uns der Feind hypnotisiert. Die Möglichkeit eines Einbruchs auf andern<lb/> Punkten der Grenze: Jura, Luxemburg, Belgien, erschien uns ausgeschlossen.<lb/> Wir verließen uns auf die Neutralität der Grenzländer, eine eingebildete Barriere,<lb/> die ein entschlossener Feind nie zögern wird, zu verletzen. Diese Neutralität<lb/> der Nachbarn benutzten wir als Vorwand, diese Grenzen nicht zu sichern. Und<lb/> dies trotzdem, daß der Gesamtplan, den General Riviere aufgestellt hat zur<lb/> Verteidigung der Grenzen, eine Reihe von verschanzten Lagern im Norden von<lb/> Verdun bis ans Meer lind im Süden bis zur Rhone ins Auge faßt. Die<lb/> finanzielle Unmöglichkeit, diesen Niesenplan durchzuführen, brachte es dahin, daß</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0267]
Line französische Uriegsphantasie
Kavallerie unterhalb Namur die Maas erreicht hat. Es sei ihm gelungen, bei
Namur etwa drei feindliche Armeekorps zurückzuwerfen, und er bedürfe nur
drei seiner fünf Armeekorps, sodaß er zwei dem Generalissimus zur Verfügung
stellen könne. „Sehr gut, sagt Brangere, ich werde demnach Ihre zwei Korps
auf das linke Ufer dirigieren. Dort, zwischen Sambre und Maas, steht ein
großer Teil der feindlichen Streitlrüfte. Zum Abzug bleiben ihnen nur die
Brücken über die Sambre. Von morgen an werde ich sie zwischen den beiden
Flüssen einschließen können."
Das Große Hauptquartier liegt Abends in Fosse, ungefähr in der Mitte
des Winkels, der von beiden Flüssen gebildet wird. Dorthin sind Abends
11 Uhr die Armeekommandanten zusammenzuberufen. Abends trifft eine Depesche
ein: Die englisch-belgische Armee hat Brüssel wieder besetzt. Die Avantgarde
biwakiert vor Waterloo.
16. November. Heute haben wir bei Namur einen wirklichen Sieg er¬
fochten. Zwei deutsche Korps von den sechs, die uns gegenüberstanden, sind
gänzlich geschlagen und in die Maas geworfen worden. Der Nest hat die
Sambre überschreiten können. Die Nacht hat eine vollständige Niederlage ver¬
hindert. Der Kaiser persönlich stand uns gegenüber. Während der Nacht
Einmarsch in Namur. Alle Befehle zur Ausnutzung des Sieges werden er¬
lassen. Der Feind darf nicht Zeit haben, zur Besinnung zu kommen. Um
Mitternacht läuft die Nachricht ein, daß ein Teil der deutschen Armee, die an
der Maas zurückgelassen worden war, mit ihrem Chef, dem Prinzen von Olden¬
burg, kapituliert hat. Zugleich erhält General Langeroy den Befehl, sofort zur
Übernahme des Kommandos der für ihn formierten Armee abzugehen; sie wird
den Namen „Armee vom Elsaß" führen. Vor Ablauf von vier Tagen sollen
fünf Korps und zwei Kavalleriedivisionen bei Belfort stehn.
17. November. Während der Fahrt nach dem Ort seiner Bestimmung
wirft der General einen Rückblick auf die Ereignisse der letzten vierzehn Tage.
Er gedenkt der großen Gefahr, die ihnen in dieser Zeit gedroht hat, und die
aus einer vorgefaßten Idee entstand. Seit fünfunddreißig Jahren hatte man
wie an einem Glaubensartikel daran festgehalten, daß der einzige wunde Punkt
der Grenze die 150 Kilometer lange Linie zwischen Verdun und Epinal sei.
Sie war mit Befestigungen versehen, die zum großen Teil illusorisch waren;
hinter dieser Barriere wollte man Dcckungstruppen ansammeln, genau ebenso
stark wie die in Elsaß-Lothringen stehenden. Auf dieser Idee beruhten alle
Mvbilisierungspläne, alle Entwürfe zur Versammlung der Truppen. Durch
die Bedrohung mit einer Invasion an dieser Stelle, sagt General Langeroy,
hatte uns der Feind hypnotisiert. Die Möglichkeit eines Einbruchs auf andern
Punkten der Grenze: Jura, Luxemburg, Belgien, erschien uns ausgeschlossen.
Wir verließen uns auf die Neutralität der Grenzländer, eine eingebildete Barriere,
die ein entschlossener Feind nie zögern wird, zu verletzen. Diese Neutralität
der Nachbarn benutzten wir als Vorwand, diese Grenzen nicht zu sichern. Und
dies trotzdem, daß der Gesamtplan, den General Riviere aufgestellt hat zur
Verteidigung der Grenzen, eine Reihe von verschanzten Lagern im Norden von
Verdun bis ans Meer lind im Süden bis zur Rhone ins Auge faßt. Die
finanzielle Unmöglichkeit, diesen Niesenplan durchzuführen, brachte es dahin, daß
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