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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Zweites Vierteljahr.

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Memphis und die Pyramiden

der Prinzessin Nubhotcp ein Dahschur gefunden worden: goldne Brustschilder mit
eingelegten Steinen, die so fein sind, daß man sie kaum mit dem bloßen Auge
erkennt; goldne Ringe mit eingravierten Namen, Goldmuscheln, in die die Steine
in Form einer Lotosblume eingelegt sind. Auf einem goldnen Brustschilde
breitet ein Geier seiue Flügel über den Pharao aus. Einer der schönsten
Gegenstände ist eine Krone aus Golddraht, die aus einem Kranz von Lotos¬
blumen besteht. Erst kürzlich ist wieder ein großes Grab in Theben entdeckt
worden, das man Thutmose dem Vierten und der Königin Hatasu zuschreibt;
leider waren die Schätze, die man gefunden hat, noch nicht zur Schau gestellt;
sie standen in großen Kisten verpackt in der Halle des Museums.

Der erste größere Ausflug von Kairo führte uns zu den Ruinen von
Memphis. Frühmorgens mit dem ersten Zuge fuhren wir nach Bedrachem,
einem Fellachendorfe etwa zwanzig Kilometer südlich von Kairo, wo das ge¬
waltige Trümmerfeld von Memphis, das sich am linken Nilufer bis nach Kairo
hinaufzieht, beginnt. Voll froher Erwartung, die ältesten Kulturdenkmäler der
Erde zu sehen, bestiegen wir die Esel, die am Bahnhof in Bedrachem in großer
Zahl die Reisenden erwarten, und ritten durch prächtige Palmenwülder nach
Sakkarah, der Stätte des alten Memphis. Der Weg führt an den Ruinen
des Tempels des Sonnengottes Ptah vorbei, einst des höchsten Gottes der
Ägypter, als Memphis die Hauptstadt Ägyptens war. Der sagenhafte König
Menes, der der erste menschliche König Ägyptens gewesen sein soll, nachdem
die Götter selbst, Ptah an der Spitze, nach der ägyptischen Überlieferung das
Land regiert hatten, soll Memphis gegründet haben. Nach den Königslisten,
die der ägyptische Priester Manetho aufgestellt hat, und die uus in den be¬
rühmten Steintafeln in dem Tempel von Abydos erhalten sind, soll dies vor
siebentausend Jahren geschehen sein. Wir stehn auf den Trümmern der ältesten
Kulturstätte der Menschheit! Von Menes beginnt die endlose Reihe der
ägyptischen Könige, die mehr als viertausend Jahre lang das Land beherrschten.
Etwa zwei Jahrtausende lang hatten sie ihren Sitz in Memphis und schufen
dort in der Blütezeit der ägyptischen Kunst des alten Reiches die gewaltigen
Bauwerke, die noch heute die Menschheit mit Erstaunen erfüllen.

Vou dem großen Tempel des Ptah ist wenig übrig geblieben. Von Palmen
beschattet liegen zwei riesige Steinkolosse Ramses des Zweiten, die einst zu
Ehren des Pharaos im Tempel errichtet worden waren, am Boden; neben dem
einen, der acht Meter lang und aus Granit gemeißelt ist, steht die zwei Meter
hohe gewaltige Doppelkrone, die dem Pharao vom Kopfe fiel, als er stürzte.
Alles andre ist verschwunden; wollte man es wieder suchen, so fände man es
in den Fundamenten und Mauern der Häuser von Kairo, wohin es die Araber
geschleppt haben, die die Trümmer von Memphis beim Bau ihrer Stadt als
Steinbruch benutzten. Von Sakkarah überschaut man das ausgedehnte Toten¬
feld von Memphis; so weit der Blick reicht, reiht sich in der Wüste Grab an Grab.
Pyramide an Pyramide. Fortsetzung folg.)




Memphis und die Pyramiden

der Prinzessin Nubhotcp ein Dahschur gefunden worden: goldne Brustschilder mit
eingelegten Steinen, die so fein sind, daß man sie kaum mit dem bloßen Auge
erkennt; goldne Ringe mit eingravierten Namen, Goldmuscheln, in die die Steine
in Form einer Lotosblume eingelegt sind. Auf einem goldnen Brustschilde
breitet ein Geier seiue Flügel über den Pharao aus. Einer der schönsten
Gegenstände ist eine Krone aus Golddraht, die aus einem Kranz von Lotos¬
blumen besteht. Erst kürzlich ist wieder ein großes Grab in Theben entdeckt
worden, das man Thutmose dem Vierten und der Königin Hatasu zuschreibt;
leider waren die Schätze, die man gefunden hat, noch nicht zur Schau gestellt;
sie standen in großen Kisten verpackt in der Halle des Museums.

Der erste größere Ausflug von Kairo führte uns zu den Ruinen von
Memphis. Frühmorgens mit dem ersten Zuge fuhren wir nach Bedrachem,
einem Fellachendorfe etwa zwanzig Kilometer südlich von Kairo, wo das ge¬
waltige Trümmerfeld von Memphis, das sich am linken Nilufer bis nach Kairo
hinaufzieht, beginnt. Voll froher Erwartung, die ältesten Kulturdenkmäler der
Erde zu sehen, bestiegen wir die Esel, die am Bahnhof in Bedrachem in großer
Zahl die Reisenden erwarten, und ritten durch prächtige Palmenwülder nach
Sakkarah, der Stätte des alten Memphis. Der Weg führt an den Ruinen
des Tempels des Sonnengottes Ptah vorbei, einst des höchsten Gottes der
Ägypter, als Memphis die Hauptstadt Ägyptens war. Der sagenhafte König
Menes, der der erste menschliche König Ägyptens gewesen sein soll, nachdem
die Götter selbst, Ptah an der Spitze, nach der ägyptischen Überlieferung das
Land regiert hatten, soll Memphis gegründet haben. Nach den Königslisten,
die der ägyptische Priester Manetho aufgestellt hat, und die uus in den be¬
rühmten Steintafeln in dem Tempel von Abydos erhalten sind, soll dies vor
siebentausend Jahren geschehen sein. Wir stehn auf den Trümmern der ältesten
Kulturstätte der Menschheit! Von Menes beginnt die endlose Reihe der
ägyptischen Könige, die mehr als viertausend Jahre lang das Land beherrschten.
Etwa zwei Jahrtausende lang hatten sie ihren Sitz in Memphis und schufen
dort in der Blütezeit der ägyptischen Kunst des alten Reiches die gewaltigen
Bauwerke, die noch heute die Menschheit mit Erstaunen erfüllen.

Vou dem großen Tempel des Ptah ist wenig übrig geblieben. Von Palmen
beschattet liegen zwei riesige Steinkolosse Ramses des Zweiten, die einst zu
Ehren des Pharaos im Tempel errichtet worden waren, am Boden; neben dem
einen, der acht Meter lang und aus Granit gemeißelt ist, steht die zwei Meter
hohe gewaltige Doppelkrone, die dem Pharao vom Kopfe fiel, als er stürzte.
Alles andre ist verschwunden; wollte man es wieder suchen, so fände man es
in den Fundamenten und Mauern der Häuser von Kairo, wohin es die Araber
geschleppt haben, die die Trümmer von Memphis beim Bau ihrer Stadt als
Steinbruch benutzten. Von Sakkarah überschaut man das ausgedehnte Toten¬
feld von Memphis; so weit der Blick reicht, reiht sich in der Wüste Grab an Grab.
Pyramide an Pyramide. Fortsetzung folg.)




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[0221] Memphis und die Pyramiden der Prinzessin Nubhotcp ein Dahschur gefunden worden: goldne Brustschilder mit eingelegten Steinen, die so fein sind, daß man sie kaum mit dem bloßen Auge erkennt; goldne Ringe mit eingravierten Namen, Goldmuscheln, in die die Steine in Form einer Lotosblume eingelegt sind. Auf einem goldnen Brustschilde breitet ein Geier seiue Flügel über den Pharao aus. Einer der schönsten Gegenstände ist eine Krone aus Golddraht, die aus einem Kranz von Lotos¬ blumen besteht. Erst kürzlich ist wieder ein großes Grab in Theben entdeckt worden, das man Thutmose dem Vierten und der Königin Hatasu zuschreibt; leider waren die Schätze, die man gefunden hat, noch nicht zur Schau gestellt; sie standen in großen Kisten verpackt in der Halle des Museums. Der erste größere Ausflug von Kairo führte uns zu den Ruinen von Memphis. Frühmorgens mit dem ersten Zuge fuhren wir nach Bedrachem, einem Fellachendorfe etwa zwanzig Kilometer südlich von Kairo, wo das ge¬ waltige Trümmerfeld von Memphis, das sich am linken Nilufer bis nach Kairo hinaufzieht, beginnt. Voll froher Erwartung, die ältesten Kulturdenkmäler der Erde zu sehen, bestiegen wir die Esel, die am Bahnhof in Bedrachem in großer Zahl die Reisenden erwarten, und ritten durch prächtige Palmenwülder nach Sakkarah, der Stätte des alten Memphis. Der Weg führt an den Ruinen des Tempels des Sonnengottes Ptah vorbei, einst des höchsten Gottes der Ägypter, als Memphis die Hauptstadt Ägyptens war. Der sagenhafte König Menes, der der erste menschliche König Ägyptens gewesen sein soll, nachdem die Götter selbst, Ptah an der Spitze, nach der ägyptischen Überlieferung das Land regiert hatten, soll Memphis gegründet haben. Nach den Königslisten, die der ägyptische Priester Manetho aufgestellt hat, und die uus in den be¬ rühmten Steintafeln in dem Tempel von Abydos erhalten sind, soll dies vor siebentausend Jahren geschehen sein. Wir stehn auf den Trümmern der ältesten Kulturstätte der Menschheit! Von Menes beginnt die endlose Reihe der ägyptischen Könige, die mehr als viertausend Jahre lang das Land beherrschten. Etwa zwei Jahrtausende lang hatten sie ihren Sitz in Memphis und schufen dort in der Blütezeit der ägyptischen Kunst des alten Reiches die gewaltigen Bauwerke, die noch heute die Menschheit mit Erstaunen erfüllen. Vou dem großen Tempel des Ptah ist wenig übrig geblieben. Von Palmen beschattet liegen zwei riesige Steinkolosse Ramses des Zweiten, die einst zu Ehren des Pharaos im Tempel errichtet worden waren, am Boden; neben dem einen, der acht Meter lang und aus Granit gemeißelt ist, steht die zwei Meter hohe gewaltige Doppelkrone, die dem Pharao vom Kopfe fiel, als er stürzte. Alles andre ist verschwunden; wollte man es wieder suchen, so fände man es in den Fundamenten und Mauern der Häuser von Kairo, wohin es die Araber geschleppt haben, die die Trümmer von Memphis beim Bau ihrer Stadt als Steinbruch benutzten. Von Sakkarah überschaut man das ausgedehnte Toten¬ feld von Memphis; so weit der Blick reicht, reiht sich in der Wüste Grab an Grab. Pyramide an Pyramide. Fortsetzung folg.)

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299040/221>, abgerufen am 25.07.2024.