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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Zweites Vierteljahr.

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Rai'I der Lrste, König von Rumänien

Menschenfreundlichkeit und Güte, die nie auf den Rang und die Geburt allein
sahen, sondern auf das Individuelle im Meuschen, auf dessen Leistungen, geht
ein Zug, der ihm nicht minder zur Ehre gereicht, das ist seine Dankbarkeit
gegen jedermann. Ihm ist eigen, alles zu verstehn und alles zu verzeihen,
aber nicht alles zu vergessen. Wohl das Schlimme, das Unrecht, was man
ihm angetan hat, niemals aber das Gute. König Karl ist eine dankbare
Natur. Man darf sein Leben, vom menschlichen Standpunkt aus betrachtet,
mit einem Bilde bezeichnen. Als Karl von Hohenzollern nach Rumänien kam,
da stellte er an seinem Fürstenthrone neben dem Schilde des Landes, das er
von da an nie anders als seine Heimat, sein Vaterland betrachtet hat, auch
den blanken Schild des eignen Hauses auf. Heute nach vierzig Jahren ist
dieser Schild noch ebenso blank, glänzend und staubfrei wie damals. König
Karl hat ihn auch als Mensch rein gehalten, und so dürfen wir sagen: Karl
von Rumänien ist auch als Mensch betrachtet der Hochachtung seiner Mit¬
menschen im vollsten Sinne wert.

Es würde eine Lücke in unsrer kurzen Übersicht sein, wollten wir nicht
auch der Frau hier gedenken, die mit ihm, länger als es die Dauer eines
Menschenlebens ist, alle seine Mühen, seine Arbeiten, seine Hoffnungen, ihr
Scheitern und ihr Erfüllen geteilt hat. Seit dem 26. Mürz 1869 ist Königin
Elisabeth, Prinzessin von Wied, dem König angetraut. Wir sprechen hier
nicht von der geistigen Begabung, die der Königin als Carmen Shiva so
hohen Ruf erworben hat. Ganz besonders in den schweren Tagen des
Krieges 1877/78 hat auch sie die Herzen der Rumänen erobert: Fürst Karl
auf dem Schlachtfelde, Elisabeth am Lager der Verwundeten und in der Sorge
für die Hinterblicbnen.

Unter den vielen Geschenken, die zu der goldnen Hochzeit 1884 dem
Vater des Königs, dem Fürsten Karl Anton von Hohenzollern, gewidmet
wurden, war auch ein kostbarer Schrank, den König Karl und Königin Elisabeth
den Eltern gesandt hatten. Es war ein Bild aus diesem Schranke angebracht,
das König Karl in einem Kahne auf bewegter See im Königsmantel dar¬
stellte, wie er ruhig und fest am Steuer sitzt und in das sturmbewegte Meer
schaut. Der Kahn trug die Aufschrift: L^evis tranquilws in unclis. Und
unter dem Kahne hatte man -- es sind durchaus zutreffende Worte! -- die
Strophe aus Uhlauds "König Karls Meerfahrt" angebracht:


Aarl Theodor Jingeler


Rai'I der Lrste, König von Rumänien

Menschenfreundlichkeit und Güte, die nie auf den Rang und die Geburt allein
sahen, sondern auf das Individuelle im Meuschen, auf dessen Leistungen, geht
ein Zug, der ihm nicht minder zur Ehre gereicht, das ist seine Dankbarkeit
gegen jedermann. Ihm ist eigen, alles zu verstehn und alles zu verzeihen,
aber nicht alles zu vergessen. Wohl das Schlimme, das Unrecht, was man
ihm angetan hat, niemals aber das Gute. König Karl ist eine dankbare
Natur. Man darf sein Leben, vom menschlichen Standpunkt aus betrachtet,
mit einem Bilde bezeichnen. Als Karl von Hohenzollern nach Rumänien kam,
da stellte er an seinem Fürstenthrone neben dem Schilde des Landes, das er
von da an nie anders als seine Heimat, sein Vaterland betrachtet hat, auch
den blanken Schild des eignen Hauses auf. Heute nach vierzig Jahren ist
dieser Schild noch ebenso blank, glänzend und staubfrei wie damals. König
Karl hat ihn auch als Mensch rein gehalten, und so dürfen wir sagen: Karl
von Rumänien ist auch als Mensch betrachtet der Hochachtung seiner Mit¬
menschen im vollsten Sinne wert.

Es würde eine Lücke in unsrer kurzen Übersicht sein, wollten wir nicht
auch der Frau hier gedenken, die mit ihm, länger als es die Dauer eines
Menschenlebens ist, alle seine Mühen, seine Arbeiten, seine Hoffnungen, ihr
Scheitern und ihr Erfüllen geteilt hat. Seit dem 26. Mürz 1869 ist Königin
Elisabeth, Prinzessin von Wied, dem König angetraut. Wir sprechen hier
nicht von der geistigen Begabung, die der Königin als Carmen Shiva so
hohen Ruf erworben hat. Ganz besonders in den schweren Tagen des
Krieges 1877/78 hat auch sie die Herzen der Rumänen erobert: Fürst Karl
auf dem Schlachtfelde, Elisabeth am Lager der Verwundeten und in der Sorge
für die Hinterblicbnen.

Unter den vielen Geschenken, die zu der goldnen Hochzeit 1884 dem
Vater des Königs, dem Fürsten Karl Anton von Hohenzollern, gewidmet
wurden, war auch ein kostbarer Schrank, den König Karl und Königin Elisabeth
den Eltern gesandt hatten. Es war ein Bild aus diesem Schranke angebracht,
das König Karl in einem Kahne auf bewegter See im Königsmantel dar¬
stellte, wie er ruhig und fest am Steuer sitzt und in das sturmbewegte Meer
schaut. Der Kahn trug die Aufschrift: L^evis tranquilws in unclis. Und
unter dem Kahne hatte man — es sind durchaus zutreffende Worte! — die
Strophe aus Uhlauds „König Karls Meerfahrt" angebracht:


Aarl Theodor Jingeler


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[0194] Rai'I der Lrste, König von Rumänien Menschenfreundlichkeit und Güte, die nie auf den Rang und die Geburt allein sahen, sondern auf das Individuelle im Meuschen, auf dessen Leistungen, geht ein Zug, der ihm nicht minder zur Ehre gereicht, das ist seine Dankbarkeit gegen jedermann. Ihm ist eigen, alles zu verstehn und alles zu verzeihen, aber nicht alles zu vergessen. Wohl das Schlimme, das Unrecht, was man ihm angetan hat, niemals aber das Gute. König Karl ist eine dankbare Natur. Man darf sein Leben, vom menschlichen Standpunkt aus betrachtet, mit einem Bilde bezeichnen. Als Karl von Hohenzollern nach Rumänien kam, da stellte er an seinem Fürstenthrone neben dem Schilde des Landes, das er von da an nie anders als seine Heimat, sein Vaterland betrachtet hat, auch den blanken Schild des eignen Hauses auf. Heute nach vierzig Jahren ist dieser Schild noch ebenso blank, glänzend und staubfrei wie damals. König Karl hat ihn auch als Mensch rein gehalten, und so dürfen wir sagen: Karl von Rumänien ist auch als Mensch betrachtet der Hochachtung seiner Mit¬ menschen im vollsten Sinne wert. Es würde eine Lücke in unsrer kurzen Übersicht sein, wollten wir nicht auch der Frau hier gedenken, die mit ihm, länger als es die Dauer eines Menschenlebens ist, alle seine Mühen, seine Arbeiten, seine Hoffnungen, ihr Scheitern und ihr Erfüllen geteilt hat. Seit dem 26. Mürz 1869 ist Königin Elisabeth, Prinzessin von Wied, dem König angetraut. Wir sprechen hier nicht von der geistigen Begabung, die der Königin als Carmen Shiva so hohen Ruf erworben hat. Ganz besonders in den schweren Tagen des Krieges 1877/78 hat auch sie die Herzen der Rumänen erobert: Fürst Karl auf dem Schlachtfelde, Elisabeth am Lager der Verwundeten und in der Sorge für die Hinterblicbnen. Unter den vielen Geschenken, die zu der goldnen Hochzeit 1884 dem Vater des Königs, dem Fürsten Karl Anton von Hohenzollern, gewidmet wurden, war auch ein kostbarer Schrank, den König Karl und Königin Elisabeth den Eltern gesandt hatten. Es war ein Bild aus diesem Schranke angebracht, das König Karl in einem Kahne auf bewegter See im Königsmantel dar¬ stellte, wie er ruhig und fest am Steuer sitzt und in das sturmbewegte Meer schaut. Der Kahn trug die Aufschrift: L^evis tranquilws in unclis. Und unter dem Kahne hatte man — es sind durchaus zutreffende Worte! — die Strophe aus Uhlauds „König Karls Meerfahrt" angebracht: Aarl Theodor Jingeler

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299040/194>, abgerufen am 24.07.2024.