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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Zweites Vierteljahr.

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Der Fichtelberg

hier entwickelt, daß allmonatlich ganze Ochsenhcrden nach Franken, besonders
nach Ebermannstadt und nach Nürnberg, und jedes Jahr unzählige Schweine,
Schafe und Rinder auf die Bamberger Herbstmesse getrieben werden. Dann
liefert das Rinderfett einen wertvollen Ausfuhrartikel: in Füsser verpackt, wird
diese "Fichtelbergische Fettigkeit" ans Lastwagen, Schiffen und Flößen als markt¬
gängige Ware nach den großen Städten Deutschlands verfrachtet.

Den einstigen Reichtum des Gebirges an Erzen überschätzt Will offenbar,
wenn er meint, daß man vor drei Jahrhunderten hier mehr Gold und Silber,
Kupfer und Zinn gefunden habe als an irgendeinem andern Orte in Deutschland,
und wenn er die Wohlhabenheit der Nürnberger Burggrafen hauptsächlich auf
den Besitz ertragreicher Bergwerke im Fichtelgebirge zurückführt; er irrt ferner,
indem er den unruhigen Zeiten des Dreißigjährigen Krieges und der darauf¬
folgenden Kämpfe gegen Franzosen und Türken die Hauptschuld an dem Nieder¬
gang der Montanindustrie beimißt. Daß der Erzreichtum schon erschöpft sein
könne, will er nicht glauben und ist vielmehr wie Vrusch der Meinung, daß
Gott die Ausbeutung der unzweifelhaft noch vorhandnen Bodenschätze spätern,
bessern Zeiten vorbehalten habe. Aber immer noch liefert das Gebirge hier
und da Diamanten, Jaspisse, gold- und silberhaltiges Antimon, Kupfer, Alaun,
Marmor, rote und gelbe Erdfarben, wenn auch zum Teil nur in geringen
Mengen. Dagegen blüht der Bergbau auf Eisen und die Eisenindustrie mächtig
auf: in zahlreichen Hochöfen und Eisenhämmern namentlich des Nab- und des
Egertales wird das Erz geschmolzen und zugerichtet und wird dann zur Herstellung
von Geschützen und Kleinfeuerwaffeu, vou Öfen, Töpfen, Tiegeln, Pfannen,
Sägen, Beilen, Schaufeln, von Draht und Nägeln usw. verwandt, um in dieser
Form außer Landes geführt zu werden. Daneben beschäftigt die Verarbeitung
des Holzes zu Orgeln, Uhren und Geigen, die Herstellung von Glas- und
Porzellanwaren, das Pechsieden und Schmalzauslcissen wie die Flößerei, die
Arbeit in den Steinbrüchen und den Mühlwerken und das Hausiergewerbe einen
großen Teil der Bevölkerung. Im Vergleich zu der Ausfuhr ist die Einfuhr
nur gering: der Main bringt fränkische Weine ins Land, die Eger böhmischen
Hopfen, die Nab von der Donau her Salz, und die Saale allerlei Gewand¬
stoffe sowie Heringe und andre Seefische.

Daß die einfache Lebensweise und der Aufenthalt in der reinen Bergluft
einen günstigen Einfluß auf die Gesundheit der Bevölkerung ausübt, weiß Will
gleich Bruhns zu berichten und stimmt diesem auch darin bei, daß er meint,
am Fichtelberge wachse zwar viel ungeschlachtes Holz, und es mangle dortzulande
auch nicht an groben und rohen Leuten, aber im ganzen sei es doch ein kern-
hafter, tüchtiger Menschenschlag, der viel angebornes mechanisches Geschick habe.

Aus dem Sagenborn des Fichtelgebirges, der damals noch viel reichlicher
und reiner floß als heutzutage, hat Will nur gelegentlich geschöpft. So er¬
zählt er einmal, daß sich dem Volksglauben zufolge auf Johannistag der Schoß
des Gebirges an etlichen Orten auftue. Man braucht dann nur einige Stufen
hinabzusteigen, und man wird des Schlüssels zu den unterirdischen Schatzkammern
habhaft werden. Hier Hunger Gold- und Silbererze wie Eiszapfen und Edel¬
steine und Perlen wie Zwiebelbündel von den Wänden herab. Einst stieg an


Der Fichtelberg

hier entwickelt, daß allmonatlich ganze Ochsenhcrden nach Franken, besonders
nach Ebermannstadt und nach Nürnberg, und jedes Jahr unzählige Schweine,
Schafe und Rinder auf die Bamberger Herbstmesse getrieben werden. Dann
liefert das Rinderfett einen wertvollen Ausfuhrartikel: in Füsser verpackt, wird
diese „Fichtelbergische Fettigkeit" ans Lastwagen, Schiffen und Flößen als markt¬
gängige Ware nach den großen Städten Deutschlands verfrachtet.

Den einstigen Reichtum des Gebirges an Erzen überschätzt Will offenbar,
wenn er meint, daß man vor drei Jahrhunderten hier mehr Gold und Silber,
Kupfer und Zinn gefunden habe als an irgendeinem andern Orte in Deutschland,
und wenn er die Wohlhabenheit der Nürnberger Burggrafen hauptsächlich auf
den Besitz ertragreicher Bergwerke im Fichtelgebirge zurückführt; er irrt ferner,
indem er den unruhigen Zeiten des Dreißigjährigen Krieges und der darauf¬
folgenden Kämpfe gegen Franzosen und Türken die Hauptschuld an dem Nieder¬
gang der Montanindustrie beimißt. Daß der Erzreichtum schon erschöpft sein
könne, will er nicht glauben und ist vielmehr wie Vrusch der Meinung, daß
Gott die Ausbeutung der unzweifelhaft noch vorhandnen Bodenschätze spätern,
bessern Zeiten vorbehalten habe. Aber immer noch liefert das Gebirge hier
und da Diamanten, Jaspisse, gold- und silberhaltiges Antimon, Kupfer, Alaun,
Marmor, rote und gelbe Erdfarben, wenn auch zum Teil nur in geringen
Mengen. Dagegen blüht der Bergbau auf Eisen und die Eisenindustrie mächtig
auf: in zahlreichen Hochöfen und Eisenhämmern namentlich des Nab- und des
Egertales wird das Erz geschmolzen und zugerichtet und wird dann zur Herstellung
von Geschützen und Kleinfeuerwaffeu, vou Öfen, Töpfen, Tiegeln, Pfannen,
Sägen, Beilen, Schaufeln, von Draht und Nägeln usw. verwandt, um in dieser
Form außer Landes geführt zu werden. Daneben beschäftigt die Verarbeitung
des Holzes zu Orgeln, Uhren und Geigen, die Herstellung von Glas- und
Porzellanwaren, das Pechsieden und Schmalzauslcissen wie die Flößerei, die
Arbeit in den Steinbrüchen und den Mühlwerken und das Hausiergewerbe einen
großen Teil der Bevölkerung. Im Vergleich zu der Ausfuhr ist die Einfuhr
nur gering: der Main bringt fränkische Weine ins Land, die Eger böhmischen
Hopfen, die Nab von der Donau her Salz, und die Saale allerlei Gewand¬
stoffe sowie Heringe und andre Seefische.

Daß die einfache Lebensweise und der Aufenthalt in der reinen Bergluft
einen günstigen Einfluß auf die Gesundheit der Bevölkerung ausübt, weiß Will
gleich Bruhns zu berichten und stimmt diesem auch darin bei, daß er meint,
am Fichtelberge wachse zwar viel ungeschlachtes Holz, und es mangle dortzulande
auch nicht an groben und rohen Leuten, aber im ganzen sei es doch ein kern-
hafter, tüchtiger Menschenschlag, der viel angebornes mechanisches Geschick habe.

Aus dem Sagenborn des Fichtelgebirges, der damals noch viel reichlicher
und reiner floß als heutzutage, hat Will nur gelegentlich geschöpft. So er¬
zählt er einmal, daß sich dem Volksglauben zufolge auf Johannistag der Schoß
des Gebirges an etlichen Orten auftue. Man braucht dann nur einige Stufen
hinabzusteigen, und man wird des Schlüssels zu den unterirdischen Schatzkammern
habhaft werden. Hier Hunger Gold- und Silbererze wie Eiszapfen und Edel¬
steine und Perlen wie Zwiebelbündel von den Wänden herab. Einst stieg an


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[0108] Der Fichtelberg hier entwickelt, daß allmonatlich ganze Ochsenhcrden nach Franken, besonders nach Ebermannstadt und nach Nürnberg, und jedes Jahr unzählige Schweine, Schafe und Rinder auf die Bamberger Herbstmesse getrieben werden. Dann liefert das Rinderfett einen wertvollen Ausfuhrartikel: in Füsser verpackt, wird diese „Fichtelbergische Fettigkeit" ans Lastwagen, Schiffen und Flößen als markt¬ gängige Ware nach den großen Städten Deutschlands verfrachtet. Den einstigen Reichtum des Gebirges an Erzen überschätzt Will offenbar, wenn er meint, daß man vor drei Jahrhunderten hier mehr Gold und Silber, Kupfer und Zinn gefunden habe als an irgendeinem andern Orte in Deutschland, und wenn er die Wohlhabenheit der Nürnberger Burggrafen hauptsächlich auf den Besitz ertragreicher Bergwerke im Fichtelgebirge zurückführt; er irrt ferner, indem er den unruhigen Zeiten des Dreißigjährigen Krieges und der darauf¬ folgenden Kämpfe gegen Franzosen und Türken die Hauptschuld an dem Nieder¬ gang der Montanindustrie beimißt. Daß der Erzreichtum schon erschöpft sein könne, will er nicht glauben und ist vielmehr wie Vrusch der Meinung, daß Gott die Ausbeutung der unzweifelhaft noch vorhandnen Bodenschätze spätern, bessern Zeiten vorbehalten habe. Aber immer noch liefert das Gebirge hier und da Diamanten, Jaspisse, gold- und silberhaltiges Antimon, Kupfer, Alaun, Marmor, rote und gelbe Erdfarben, wenn auch zum Teil nur in geringen Mengen. Dagegen blüht der Bergbau auf Eisen und die Eisenindustrie mächtig auf: in zahlreichen Hochöfen und Eisenhämmern namentlich des Nab- und des Egertales wird das Erz geschmolzen und zugerichtet und wird dann zur Herstellung von Geschützen und Kleinfeuerwaffeu, vou Öfen, Töpfen, Tiegeln, Pfannen, Sägen, Beilen, Schaufeln, von Draht und Nägeln usw. verwandt, um in dieser Form außer Landes geführt zu werden. Daneben beschäftigt die Verarbeitung des Holzes zu Orgeln, Uhren und Geigen, die Herstellung von Glas- und Porzellanwaren, das Pechsieden und Schmalzauslcissen wie die Flößerei, die Arbeit in den Steinbrüchen und den Mühlwerken und das Hausiergewerbe einen großen Teil der Bevölkerung. Im Vergleich zu der Ausfuhr ist die Einfuhr nur gering: der Main bringt fränkische Weine ins Land, die Eger böhmischen Hopfen, die Nab von der Donau her Salz, und die Saale allerlei Gewand¬ stoffe sowie Heringe und andre Seefische. Daß die einfache Lebensweise und der Aufenthalt in der reinen Bergluft einen günstigen Einfluß auf die Gesundheit der Bevölkerung ausübt, weiß Will gleich Bruhns zu berichten und stimmt diesem auch darin bei, daß er meint, am Fichtelberge wachse zwar viel ungeschlachtes Holz, und es mangle dortzulande auch nicht an groben und rohen Leuten, aber im ganzen sei es doch ein kern- hafter, tüchtiger Menschenschlag, der viel angebornes mechanisches Geschick habe. Aus dem Sagenborn des Fichtelgebirges, der damals noch viel reichlicher und reiner floß als heutzutage, hat Will nur gelegentlich geschöpft. So er¬ zählt er einmal, daß sich dem Volksglauben zufolge auf Johannistag der Schoß des Gebirges an etlichen Orten auftue. Man braucht dann nur einige Stufen hinabzusteigen, und man wird des Schlüssels zu den unterirdischen Schatzkammern habhaft werden. Hier Hunger Gold- und Silbererze wie Eiszapfen und Edel¬ steine und Perlen wie Zwiebelbündel von den Wänden herab. Einst stieg an

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299040/108>, abgerufen am 27.12.2024.