Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Erstes Vierteljahr.von der Reichshanptstcidt nach dem Riesengebirge dnrch die Luft Ausstrahlung der Mitfahrenden und die sich ziemlich gleichbleibende Luft im "Mag auch das alles richtig sein, wenn aber doch einmal ein Unfall ein¬ Nun die Gefahren der Landung! Auch sie sind jetzt auf ein geringes von der Reichshanptstcidt nach dem Riesengebirge dnrch die Luft Ausstrahlung der Mitfahrenden und die sich ziemlich gleichbleibende Luft im „Mag auch das alles richtig sein, wenn aber doch einmal ein Unfall ein¬ Nun die Gefahren der Landung! Auch sie sind jetzt auf ein geringes <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0099" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/87576"/> <fw type="header" place="top"> von der Reichshanptstcidt nach dem Riesengebirge dnrch die Luft</fw><lb/> <p xml:id="ID_341" prev="#ID_340"> Ausstrahlung der Mitfahrenden und die sich ziemlich gleichbleibende Luft im<lb/> Korbe beeinflußt wird. Deshalb wird jetzt zu genauer Feststellung der Luft¬<lb/> temperatur das von Professor Aßmann unter Mitwirkung des Hauptmanns<lb/> von Sigsfeld erfundne Aspirationsvsychrometer angewandt, das weit außer¬<lb/> halb des Korbes angebracht, mit einem Fernrohr beobachtet oder zum Ablesen<lb/> jedesmal herangezogen wird. Sogar eine Kälte von minus zehn Grad Celsius<lb/> und darüber wird dank der Heizkraft der Sonne nicht als solche empfunden,<lb/> nur gegen die am Boden des Korbes fühlbare größere Abkühlung schützt man<lb/> sich alsdann durch hohe Pclzstiefel. Ja von Hochfahrern konnten noch bei<lb/> einer Temperatur von minus 45 Grad Celsius wissenschaftliche Beobachtungen<lb/> angestellt werden.</p><lb/> <p xml:id="ID_342"> „Mag auch das alles richtig sein, wenn aber doch einmal ein Unfall ein¬<lb/> tritt, die Luft hat noch weniger Balken als das Wasser, in diesem kann man<lb/> doch schwimmen oder sich an Schiffstrümmern festhalten. Und wenn die Fahrt<lb/> selbst schließlich gut vonstatten ging, so kommen dann die Gefahren der<lb/> Landung!" Gewiß, auf die Luft ist uoch weniger Verlaß als auf das Wasser,<lb/> das trägt uus doch, und zwar um so leichter, je tiefer es ist; aus der Luft<lb/> dagegen wird der Sturz um so furchtbarer, je höher wir gestiegen sind. Aber<lb/> hierüber kann uns wohl ein Vergleich etwas beruhigen. Wie zahlreiche Menschen<lb/> verschlingt alljährlich das Meer, und wie selten hören wir von einem schweren<lb/> Unglücksfall bei einer Fahrt mit dein nicht lenkbarem Luftballon! Von den etwa<lb/> 450 Fahrten, die seit 1891 von dem Berliner Verein für Luftschiffahrt unter¬<lb/> nommen worden sind, verlief nur die eine unglücklich, die das Leben des um<lb/> die Aervnautik so hochverdienten Hauptmanns von Sigsfeld kostete. Aber schon<lb/> die Auffahrt erfolgte da unter Umständen, die einen weniger kühnen Luftschiffer<lb/> von dem Unternehmen hätten abstehn lassen, bei einem Sturm, mit dem er<lb/> die 640 Kilometer betragende Strecke von Berlin nach Antwerpen in fünf¬<lb/> einhalb Stunden zurücklegte. Spelterini unternahm mit seinem Fluge über<lb/> das Jungfrnumassiv seine füufhundertsechsunddreißigste Luftreise. Und würden<lb/> unsre lebensfroher Offiziere des Lnftschifferbataillons, manche von ihnen jung<lb/> verheiratet, so gern sie auch wohl bereit sind, im Dienste des Vaterlandes ihr<lb/> Leben aufs Spiel zu setzen, ihrem Berufe mit so freudiger Begeisterung ob¬<lb/> liegen, wenn sie sich damit gleichsam selber das Todesurteil sprächen?</p><lb/> <p xml:id="ID_343" next="#ID_344"> Nun die Gefahren der Landung! Auch sie sind jetzt auf ein geringes<lb/> Maß beschränkt. Soll die Fahrt beendet werden, so wird entweder das von<lb/> selbst eintretende Sinken des Ballons, wenn er ans irgendeinem natürlichen<lb/> Anlaß aus seiner Gleichgewichtszone herausgekommen ist, gleich benutzt, und<lb/> der Fall durch Auswerfen von Ballast gemildert, „abgefangen," wie der Kunst-<lb/> «usdruck lautet. Oder es wird durch Öffnen des Ventils, eines von starken<lb/> Federn gegen den innern obersten Rand der Ballonhülle gepreßten Metall¬<lb/> tellers, Gas zum Ausströmen gebracht. Hat sich das Fahrzeug der Erde bis<lb/> auf hundert Meter genähert, so setzt das Schlepptau, das jetzt nie mehr fehlt,<lb/> auf deu Boden auf und erleichtert den Ballon wieder, um so mehr, je länger<lb/> das Stück ist, das auf dem Boden schleift. Aus geringer Höhe genügt dies<lb/> schon, um den Fall abzufangen. Um möglichst zu verhüten, daß sich das</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0099]
von der Reichshanptstcidt nach dem Riesengebirge dnrch die Luft
Ausstrahlung der Mitfahrenden und die sich ziemlich gleichbleibende Luft im
Korbe beeinflußt wird. Deshalb wird jetzt zu genauer Feststellung der Luft¬
temperatur das von Professor Aßmann unter Mitwirkung des Hauptmanns
von Sigsfeld erfundne Aspirationsvsychrometer angewandt, das weit außer¬
halb des Korbes angebracht, mit einem Fernrohr beobachtet oder zum Ablesen
jedesmal herangezogen wird. Sogar eine Kälte von minus zehn Grad Celsius
und darüber wird dank der Heizkraft der Sonne nicht als solche empfunden,
nur gegen die am Boden des Korbes fühlbare größere Abkühlung schützt man
sich alsdann durch hohe Pclzstiefel. Ja von Hochfahrern konnten noch bei
einer Temperatur von minus 45 Grad Celsius wissenschaftliche Beobachtungen
angestellt werden.
„Mag auch das alles richtig sein, wenn aber doch einmal ein Unfall ein¬
tritt, die Luft hat noch weniger Balken als das Wasser, in diesem kann man
doch schwimmen oder sich an Schiffstrümmern festhalten. Und wenn die Fahrt
selbst schließlich gut vonstatten ging, so kommen dann die Gefahren der
Landung!" Gewiß, auf die Luft ist uoch weniger Verlaß als auf das Wasser,
das trägt uus doch, und zwar um so leichter, je tiefer es ist; aus der Luft
dagegen wird der Sturz um so furchtbarer, je höher wir gestiegen sind. Aber
hierüber kann uns wohl ein Vergleich etwas beruhigen. Wie zahlreiche Menschen
verschlingt alljährlich das Meer, und wie selten hören wir von einem schweren
Unglücksfall bei einer Fahrt mit dein nicht lenkbarem Luftballon! Von den etwa
450 Fahrten, die seit 1891 von dem Berliner Verein für Luftschiffahrt unter¬
nommen worden sind, verlief nur die eine unglücklich, die das Leben des um
die Aervnautik so hochverdienten Hauptmanns von Sigsfeld kostete. Aber schon
die Auffahrt erfolgte da unter Umständen, die einen weniger kühnen Luftschiffer
von dem Unternehmen hätten abstehn lassen, bei einem Sturm, mit dem er
die 640 Kilometer betragende Strecke von Berlin nach Antwerpen in fünf¬
einhalb Stunden zurücklegte. Spelterini unternahm mit seinem Fluge über
das Jungfrnumassiv seine füufhundertsechsunddreißigste Luftreise. Und würden
unsre lebensfroher Offiziere des Lnftschifferbataillons, manche von ihnen jung
verheiratet, so gern sie auch wohl bereit sind, im Dienste des Vaterlandes ihr
Leben aufs Spiel zu setzen, ihrem Berufe mit so freudiger Begeisterung ob¬
liegen, wenn sie sich damit gleichsam selber das Todesurteil sprächen?
Nun die Gefahren der Landung! Auch sie sind jetzt auf ein geringes
Maß beschränkt. Soll die Fahrt beendet werden, so wird entweder das von
selbst eintretende Sinken des Ballons, wenn er ans irgendeinem natürlichen
Anlaß aus seiner Gleichgewichtszone herausgekommen ist, gleich benutzt, und
der Fall durch Auswerfen von Ballast gemildert, „abgefangen," wie der Kunst-
«usdruck lautet. Oder es wird durch Öffnen des Ventils, eines von starken
Federn gegen den innern obersten Rand der Ballonhülle gepreßten Metall¬
tellers, Gas zum Ausströmen gebracht. Hat sich das Fahrzeug der Erde bis
auf hundert Meter genähert, so setzt das Schlepptau, das jetzt nie mehr fehlt,
auf deu Boden auf und erleichtert den Ballon wieder, um so mehr, je länger
das Stück ist, das auf dem Boden schleift. Aus geringer Höhe genügt dies
schon, um den Fall abzufangen. Um möglichst zu verhüten, daß sich das
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