Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Erstes Vierteljahr.Berards Homerwerk vuirden. Daß die Phäccken keine Griechen waren, sieht man an ihren Sitten. Den Felsen im Meer, der für ein versteinertes Schiff gehalten worden ist, Im letzten Teile seines Werkes erforscht der Verfasser die Quellen der Berards Homerwerk vuirden. Daß die Phäccken keine Griechen waren, sieht man an ihren Sitten. Den Felsen im Meer, der für ein versteinertes Schiff gehalten worden ist, Im letzten Teile seines Werkes erforscht der Verfasser die Quellen der <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0095" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/87572"/> <fw type="header" place="top"> Berards Homerwerk</fw><lb/> <p xml:id="ID_329" prev="#ID_328"> vuirden. Daß die Phäccken keine Griechen waren, sieht man an ihren Sitten.<lb/> Sie scheuen die anstrengenden Leibesübungen, die den Griechen zum Hopliten<lb/> ausbilden. Dafür laufen, tanzen, singen, segeln sie und spielen Ball. Sie kennen<lb/> weder den Bogen noch den Harnisch, schonen ihre zarte Haut und tragen reine<lb/> weiße Wüsche. Von den Ägyptern erzählt Herodot, daß sie Leinenkleider, und<lb/> zwar immer frisch gewaschen, getragen hätten. (Ans der zarten weißen Haut<lb/> und der Reinlichkeit würden unsre Arierfreunde gerade folgern, daß sie keine<lb/> Semiten gewesen seien.) Auch daß Alkinoos und seine Gattin Arete Geschwister<lb/> sind, weist auf Ägypten und das semitische Vorderasien hin, wo Geschwisterehen<lb/> namentlich in den königlichen Familien häufig waren. Den Griechen galten<lb/> solche Ehen als ein frevelhafter Inzest, darum hat ein Späterer hinter VII, 62<lb/> eine Genealogie eingeschoben, die im Widerspruch mit dem Vorhergehenden<lb/> Alkinoos zum Oheim der Arete macht.</p><lb/> <p xml:id="ID_330"> Den Felsen im Meer, der für ein versteinertes Schiff gehalten worden ist,<lb/> kann man noch sehen, und außerdem einen flachern Felsen, barollotta genannt,<lb/> von dem die heutigen Insulaner eine ähnliche Geschichte erzählen, nur daß es<lb/> Poseidons Nachfolger, der heilige Nikolaus, gewesen ist, der die Barke wegen<lb/> eines Frevels ihrer Insassen versteinert hat. Von Ithaka weist Berard im<lb/> Gegensatz zu Dörpfeld nach, daß es eben Ithaka, das heutige Theaki sei. Das<lb/> Reich des Odysseus unifaßte noch drei andre Inseln: Same, Zakynthos und<lb/> Dulichion. Zakynthos ist Zarte, Same ist Kephalonia — beide Namen, der<lb/> erste semitisch, bedeuten die Hohe, ihr Monte Nero ist 1590 Meter hoch —,<lb/> und Dulichion, die Lange, ist das wunderlich wie ein Komma gestaltete<lb/> Megcmisi. Berard hat Ithaka sehr genau untersucht und die Landungsplätze des<lb/> Telemach und des Odysseus, die Lage der Stadt, die Wege, die Odysseus und<lb/> Telemach gegangen sind, ermittelt. Sehr hübsch erklärt er die verwunderliche<lb/> Beschreibung der Grotte, in der Odysseus seine Schätze birgt. Es stehn darin<lb/> Mischkrüge und zweigehenkelte Urnen, alle von Stein, auch Webstuhle von<lb/> Stein, wo die Najaden „schöne Gewand' ausziehn, ein Wunder zu schauen.<lb/> Stets auch quillt es darin" lXIII, 104 bis 109). Die Grotte ist nämlich<lb/> eine Tropfsteinhöhle, und deren seltsame Gebilde sind wirklich Werke der<lb/> Najaden, der Quellen, deren Wasser durch die Decke sickert und an den Wänden<lb/> herabrinnt.</p><lb/> <p xml:id="ID_331" next="#ID_332"> Im letzten Teile seines Werkes erforscht der Verfasser die Quellen der<lb/> Odyssee, die Art, das Land und die Zeit der Abfassung. Wen» man den<lb/> phönizischen Periplus oder die Periplen als Kette bezeichnet, so machen die<lb/> griechischen Sagen den Einschlag aus. Da das Gedicht ein vollendetes Kunst¬<lb/> werk ist, muß es als Abschluß einer längern dichterischen Entwicklung angesehen<lb/> werden. Wie es ohne Zweifel vor der Jlas viele Gedichte gegeben hat, die<lb/> von den Zwisten der Helden vor Ilion untereinander handelten, so sind auch<lb/> viele Nostoi, Heimkehrgeschichten, gedichtet worden, wie die des Nestor, des<lb/> Menelaus, des Agamemnon. Und in diesen haben sich, wie später in der<lb/> griechisch-lateinischen, in der italienischen Komödie, stehende Figuren ausge¬<lb/> bildet: die treue, die ehebrecherische, die deu Ehebruch bereuende Gattin, der<lb/> Thronprätendent, der hilfreiche, der rächende Sohn, der brave, der schlechte</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0095]
Berards Homerwerk
vuirden. Daß die Phäccken keine Griechen waren, sieht man an ihren Sitten.
Sie scheuen die anstrengenden Leibesübungen, die den Griechen zum Hopliten
ausbilden. Dafür laufen, tanzen, singen, segeln sie und spielen Ball. Sie kennen
weder den Bogen noch den Harnisch, schonen ihre zarte Haut und tragen reine
weiße Wüsche. Von den Ägyptern erzählt Herodot, daß sie Leinenkleider, und
zwar immer frisch gewaschen, getragen hätten. (Ans der zarten weißen Haut
und der Reinlichkeit würden unsre Arierfreunde gerade folgern, daß sie keine
Semiten gewesen seien.) Auch daß Alkinoos und seine Gattin Arete Geschwister
sind, weist auf Ägypten und das semitische Vorderasien hin, wo Geschwisterehen
namentlich in den königlichen Familien häufig waren. Den Griechen galten
solche Ehen als ein frevelhafter Inzest, darum hat ein Späterer hinter VII, 62
eine Genealogie eingeschoben, die im Widerspruch mit dem Vorhergehenden
Alkinoos zum Oheim der Arete macht.
Den Felsen im Meer, der für ein versteinertes Schiff gehalten worden ist,
kann man noch sehen, und außerdem einen flachern Felsen, barollotta genannt,
von dem die heutigen Insulaner eine ähnliche Geschichte erzählen, nur daß es
Poseidons Nachfolger, der heilige Nikolaus, gewesen ist, der die Barke wegen
eines Frevels ihrer Insassen versteinert hat. Von Ithaka weist Berard im
Gegensatz zu Dörpfeld nach, daß es eben Ithaka, das heutige Theaki sei. Das
Reich des Odysseus unifaßte noch drei andre Inseln: Same, Zakynthos und
Dulichion. Zakynthos ist Zarte, Same ist Kephalonia — beide Namen, der
erste semitisch, bedeuten die Hohe, ihr Monte Nero ist 1590 Meter hoch —,
und Dulichion, die Lange, ist das wunderlich wie ein Komma gestaltete
Megcmisi. Berard hat Ithaka sehr genau untersucht und die Landungsplätze des
Telemach und des Odysseus, die Lage der Stadt, die Wege, die Odysseus und
Telemach gegangen sind, ermittelt. Sehr hübsch erklärt er die verwunderliche
Beschreibung der Grotte, in der Odysseus seine Schätze birgt. Es stehn darin
Mischkrüge und zweigehenkelte Urnen, alle von Stein, auch Webstuhle von
Stein, wo die Najaden „schöne Gewand' ausziehn, ein Wunder zu schauen.
Stets auch quillt es darin" lXIII, 104 bis 109). Die Grotte ist nämlich
eine Tropfsteinhöhle, und deren seltsame Gebilde sind wirklich Werke der
Najaden, der Quellen, deren Wasser durch die Decke sickert und an den Wänden
herabrinnt.
Im letzten Teile seines Werkes erforscht der Verfasser die Quellen der
Odyssee, die Art, das Land und die Zeit der Abfassung. Wen» man den
phönizischen Periplus oder die Periplen als Kette bezeichnet, so machen die
griechischen Sagen den Einschlag aus. Da das Gedicht ein vollendetes Kunst¬
werk ist, muß es als Abschluß einer längern dichterischen Entwicklung angesehen
werden. Wie es ohne Zweifel vor der Jlas viele Gedichte gegeben hat, die
von den Zwisten der Helden vor Ilion untereinander handelten, so sind auch
viele Nostoi, Heimkehrgeschichten, gedichtet worden, wie die des Nestor, des
Menelaus, des Agamemnon. Und in diesen haben sich, wie später in der
griechisch-lateinischen, in der italienischen Komödie, stehende Figuren ausge¬
bildet: die treue, die ehebrecherische, die deu Ehebruch bereuende Gattin, der
Thronprätendent, der hilfreiche, der rächende Sohn, der brave, der schlechte
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