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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Erstes Vierteljahr.

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Die Mobilmachung von ^370

geringe Anzahl von Unteroffizieren verfügbar. Der Generalstab hatte zwölf
Landwehrbataillone zu Besatzungszwecken in Frankreich verlangt, es mußten
darum vier Bataillone aus den Küstenbezirken und acht Bataillone der mit
den Gefangnentransporten nach Deutschland zurückgekehrten dritten Reserve¬
division in Marsch gesetzt werden; ferner wurde befohlen, die Landwehrbataillone
in den Küstenländer und in Frankreich sämtlich auf 1002 Köpfe zu bringen.
Zugleich ordnete der Kriegsminister die Formation von unberittnen Landwehr-
depoteskadrons zur Bewachung der Kriegsgefangnen an. Die Führung des
Feldzugs in Frankreich mußte natürlich bei ihren weitern Plänen vor allein
in Betracht ziehn, wieviel Kräfte im Vaterlande noch vorhanden seien, die
Verluste der Feldarmee auszugleichen, die rückwärtigen Verbindungen zu sichern,
den Schutzdienst an der Küste und in den größern Garnisonen zu leisten und die
Bewachung der fortwährend anwachsenden Zahl von Kriegsgefangnen zu stelle".
Konnte nun auch für die Feldarmee mit der gesicherten Ausbildung des Er¬
satzes, für die rückwärtigen Verbindungen mit der Heranziehung aller dis¬
ponibel" Landwehrkräfte gerechnet werden, so war es dagegen fraglich, wie
weit die dann noch im Vaterlande vorhandnen Kräfte für die dortigen mili¬
tärischen Anforderungen ausreichen würden. Die bewundernswürdigen An¬
strengungen des französischen Volkes, in einem Kampfe auszuharren, der ihm
bisher nur Niederlagen gebracht hatte, und seine von Erfolg gekrönten Be¬
mühungen, dem Feinde immer neue überlegne, fast aus dem Nichts entstandne
Massen entgegenzuwerfen, hatten nach den Schlachten bei Amiens, vor Paris
und bei Orleans dem Chef des Generalstabes die Überzeugung aufgedrängt,
daß auf deutscher Seite wenigstens ähnliche Kräfteentfaltungen unerläßlich seien,
trotz dem unvergleichlich höhern Kampfwerte der deutschen Truppen den Sieg
dauernd an deren Fahnen zu fesseln. Er gab dieser Ansicht in einem am
8. Dezember an Roon gerichteten Schreiben Ausdruck, das sich in Moltkes
militärischer Korrespondenz (1870/71) abgedruckt findet. Er berechnet darin,
daß der Ersatz der Jnfanteriemannschaften bis zum 1. Mai 1871 in Höhe
von 220000 Mann möglich sei, dem ein Abgang in annähernd derselben Höhe
nicht gegenüberstehe. Ähnlich verhalte es sich mit der Kavallerie und der
Artillerie. Das System des Ersatzes für die Feldarmee fnnktionrere also aus¬
giebig. Aber die Feldarmee bliebe den feindlichen Streitkräften gegenüber nur
dann stark genug, wenn sie im Vorschreiten nicht genötigt würde, einen Teil
ihrer Kräfte zu Vesatznngszwecken zu fesseln. Diese im gegenwärtigen Kriege
nicht zu unterschätzende Aufgabe müsse den Landwehrtruppen zufallen, und
diese seien deshalb in ausreichender Zahl disponibel zu machen. Beim Be¬
ginn des Feldzugs seien 162 Landwehrbataillvne aufgestellt worden, die in
neuerer Zeit die Stärke von je 1002 Mann erreicht hätten. Siebenundfünfzig
dieser Bataillone seien noch im Inlands zur Verteidigung der Küsten, zur
Bewachung der Kriegsgefangnen und zu sonstigen Besatzungszwecken verwandt,
Ls erscheine notwendig, sie nach und nach sämtlich nach Frankreich zu ziehn.
"Wenn es in Frankreich möglich gewesen ist, aus Nichts zahlreiche Truppen-
körper zu schaffen, die sich nicht gescheut haben, unfern wohlgeübten Feld¬
truppen im freien Felde entgegenzutreten, so müssen wir imstande sein, durch


Die Mobilmachung von ^370

geringe Anzahl von Unteroffizieren verfügbar. Der Generalstab hatte zwölf
Landwehrbataillone zu Besatzungszwecken in Frankreich verlangt, es mußten
darum vier Bataillone aus den Küstenbezirken und acht Bataillone der mit
den Gefangnentransporten nach Deutschland zurückgekehrten dritten Reserve¬
division in Marsch gesetzt werden; ferner wurde befohlen, die Landwehrbataillone
in den Küstenländer und in Frankreich sämtlich auf 1002 Köpfe zu bringen.
Zugleich ordnete der Kriegsminister die Formation von unberittnen Landwehr-
depoteskadrons zur Bewachung der Kriegsgefangnen an. Die Führung des
Feldzugs in Frankreich mußte natürlich bei ihren weitern Plänen vor allein
in Betracht ziehn, wieviel Kräfte im Vaterlande noch vorhanden seien, die
Verluste der Feldarmee auszugleichen, die rückwärtigen Verbindungen zu sichern,
den Schutzdienst an der Küste und in den größern Garnisonen zu leisten und die
Bewachung der fortwährend anwachsenden Zahl von Kriegsgefangnen zu stelle».
Konnte nun auch für die Feldarmee mit der gesicherten Ausbildung des Er¬
satzes, für die rückwärtigen Verbindungen mit der Heranziehung aller dis¬
ponibel» Landwehrkräfte gerechnet werden, so war es dagegen fraglich, wie
weit die dann noch im Vaterlande vorhandnen Kräfte für die dortigen mili¬
tärischen Anforderungen ausreichen würden. Die bewundernswürdigen An¬
strengungen des französischen Volkes, in einem Kampfe auszuharren, der ihm
bisher nur Niederlagen gebracht hatte, und seine von Erfolg gekrönten Be¬
mühungen, dem Feinde immer neue überlegne, fast aus dem Nichts entstandne
Massen entgegenzuwerfen, hatten nach den Schlachten bei Amiens, vor Paris
und bei Orleans dem Chef des Generalstabes die Überzeugung aufgedrängt,
daß auf deutscher Seite wenigstens ähnliche Kräfteentfaltungen unerläßlich seien,
trotz dem unvergleichlich höhern Kampfwerte der deutschen Truppen den Sieg
dauernd an deren Fahnen zu fesseln. Er gab dieser Ansicht in einem am
8. Dezember an Roon gerichteten Schreiben Ausdruck, das sich in Moltkes
militärischer Korrespondenz (1870/71) abgedruckt findet. Er berechnet darin,
daß der Ersatz der Jnfanteriemannschaften bis zum 1. Mai 1871 in Höhe
von 220000 Mann möglich sei, dem ein Abgang in annähernd derselben Höhe
nicht gegenüberstehe. Ähnlich verhalte es sich mit der Kavallerie und der
Artillerie. Das System des Ersatzes für die Feldarmee fnnktionrere also aus¬
giebig. Aber die Feldarmee bliebe den feindlichen Streitkräften gegenüber nur
dann stark genug, wenn sie im Vorschreiten nicht genötigt würde, einen Teil
ihrer Kräfte zu Vesatznngszwecken zu fesseln. Diese im gegenwärtigen Kriege
nicht zu unterschätzende Aufgabe müsse den Landwehrtruppen zufallen, und
diese seien deshalb in ausreichender Zahl disponibel zu machen. Beim Be¬
ginn des Feldzugs seien 162 Landwehrbataillvne aufgestellt worden, die in
neuerer Zeit die Stärke von je 1002 Mann erreicht hätten. Siebenundfünfzig
dieser Bataillone seien noch im Inlands zur Verteidigung der Küsten, zur
Bewachung der Kriegsgefangnen und zu sonstigen Besatzungszwecken verwandt,
Ls erscheine notwendig, sie nach und nach sämtlich nach Frankreich zu ziehn.
„Wenn es in Frankreich möglich gewesen ist, aus Nichts zahlreiche Truppen-
körper zu schaffen, die sich nicht gescheut haben, unfern wohlgeübten Feld¬
truppen im freien Felde entgegenzutreten, so müssen wir imstande sein, durch


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_87477/80>, abgerufen am 23.12.2024.