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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Erstes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

Seiner Majestät dem Sultan von Marokko sowie zwischen ihren Reichen und Reichs¬
angehörigen. Zwischen beiden Reichen soll gegenseitige Handelsfreiheit bestehn. Zu
diesem Zweck verpflichtet sich ein jeder der hohen vertragschließenden Teile, den
Untertanen des andern Teils alle Rechte, Vorteile und Privilegien zuzu¬
sichern und zu gewähren, welche seitens des einen wie des andern Teils den An¬
gehörigen der meistbegünstigten Nation zugestanden sind oder künftig zugestanden
werden." Diese Rechte, die wir in Marokko haben, können durch eine französisch¬
englische Abmachung nicht kurzerhand beseitigt werden. Die Hamburger Nachrichten
meinen, die Sache habe ja noch dreißig Jahre Zeit, denn der jetzige Zustand sei
durch den französisch-englischen Vertrag noch auf dreißig Jahre gesichert. Daß man
dies in Frankreich nicht so ansieht, beweist der Umstand, daß Herr Delcasse bis
jetzt jedem Gedankenaustausch mit Deutschland darüber sorgfältig aus dem Wege
gegangen ist, ferner daß der französische Vertreter es fertig gebracht hat, sich dem
Sultan gegenüber als Mandatar der Mächte zu gerieren, also sich gewissermaßen an
die Stelle des deutsch-marokkanischen Vertrags zu setzen. Dazu kommt, daß auch das
^om-nöt ass vöbats für Frankreich schon jetzt "eine bevorrechtete Stellung" in
Anspruch nimmt, und ebenso ausdrücklich die französische Autorität über alle Kon¬
zessionen für Wegebau, Eisenbahnen, Bodenschätze usw. Würde sich Deutschland
solchem Anspruch ohne weiteres fügen, so würde sich die deutsche Politik dem ver¬
dienten Vorwurf einer großen Schwäche aussetzen, und die Hamburger Nachrichten
würden wahrscheinlich das erste Blatt sein, einen solchen Vorwurf auszusprechen.

Gewiß ist die Möglichkeit, daß es sich bei dieser englisch-französischen Abmachung
um eine Falle für Deutschland handelt, nicht ausgeschlossen; wir haben uns deshalb
seinerzeit mit Entschiedenheit gegen die Stimmen gewandt, die einen Anteil am
marokkanischen Besitz, einen oder mehrere Häfen an der atlantischen Küste oder
dergleichen verlangten. Aber etwas andres ist es um unsre feststehenden vertrags¬
mäßigen Rechte, in die dürfen wir uns weder hineinreden noch sie ruhig beiseite
schieben lassen. Eine solche Politik käme der Abdankung vor den andern Gro߬
mächten gleich und könnte leicht recht verhängnisvolle Folgen haben. Von einer
"bevorrechteten Stellung Frankreichs" kann in allen Handelsangelegenheiten uns
gegenüber in Marokko keine Rede sein. Unsre Rechte in Marokko erlöschen erst
mit dem Ablauf aller andern Handelsverträge, denn es ist für den deutsch-marok-
kanischen Vertrag kein Ablauf und keine Kündigung, sondern nur ein Revisionsrecht
nach Ablauf von fünf Jahren nach der Ratifikation des Vertrages vorgesehen worden.
Die Ratifikation ist im Jahre 1891 erfolgt, eine Revision hätte also 1896 statt¬
finden müssen, ist aber von beiden Seiten nicht beantragt worden; jedenfalls besteht
unser Meistbegünstigungsrecht in Marokko so lange, als dort die Angehörigen irgend¬
eines andern Landes Rechte, Vorteile und Privilegien genießen. Daran kann eine
französisch-englische Abmachung nichts ändern, und auch die darin verabredete dreißig¬
jährige Frist ist ohne unsre ausdrückliche Anerkennung für uns in keiner Weise
verbindlich. Diese Anerkennung ist bisher von französischer Seite noch nicht nach¬
gesucht worden. Kaiser Wilhelm hat vor Antritt seiner Reise ausdrücklich die fried¬
lichen Absichten Deutschlands, die friedlichen Ziele seiner Politik betont, hat her¬
vorgehoben, daß es ihm fern liege, ein auf Eroberungen begründetes Weltreich
anzustreben. Diese friedliche Politik ist aber um so mehr berechtigt und verpflichtet,
über die Aufrechthaltung der Verträge zu wachen, die Deutschland Rechte ver¬
leihen. Das Ausland darf nicht zu der Meinung kommen, daß Deutschlands Friedens¬
liebe gleichbedeutend sei mit einem völligen Desinteressement oder mit einer Ab¬
dankung. Je weniger wir von dem gewinnen wollen, was uns nicht gehört,
desto eifersüchtiger werden wir über dem wachen, was wir haben. Das werden
auch die Hamburger Nachrichten einsehen, die mit ihrer schlecht angebrachten Warnung
Gefahr laufen, die Gleise gerade der Bismarckischen Politik zu verlassen, die ihre
Stärke doch niemals in der Preisgebung deutscher Rechte gesucht oder gefunden hat.

Graf Bülows Rede zur Einführung der beiden Berggesetznovellen im preußischen


Maßgebliches und Unmaßgebliches

Seiner Majestät dem Sultan von Marokko sowie zwischen ihren Reichen und Reichs¬
angehörigen. Zwischen beiden Reichen soll gegenseitige Handelsfreiheit bestehn. Zu
diesem Zweck verpflichtet sich ein jeder der hohen vertragschließenden Teile, den
Untertanen des andern Teils alle Rechte, Vorteile und Privilegien zuzu¬
sichern und zu gewähren, welche seitens des einen wie des andern Teils den An¬
gehörigen der meistbegünstigten Nation zugestanden sind oder künftig zugestanden
werden." Diese Rechte, die wir in Marokko haben, können durch eine französisch¬
englische Abmachung nicht kurzerhand beseitigt werden. Die Hamburger Nachrichten
meinen, die Sache habe ja noch dreißig Jahre Zeit, denn der jetzige Zustand sei
durch den französisch-englischen Vertrag noch auf dreißig Jahre gesichert. Daß man
dies in Frankreich nicht so ansieht, beweist der Umstand, daß Herr Delcasse bis
jetzt jedem Gedankenaustausch mit Deutschland darüber sorgfältig aus dem Wege
gegangen ist, ferner daß der französische Vertreter es fertig gebracht hat, sich dem
Sultan gegenüber als Mandatar der Mächte zu gerieren, also sich gewissermaßen an
die Stelle des deutsch-marokkanischen Vertrags zu setzen. Dazu kommt, daß auch das
^om-nöt ass vöbats für Frankreich schon jetzt „eine bevorrechtete Stellung" in
Anspruch nimmt, und ebenso ausdrücklich die französische Autorität über alle Kon¬
zessionen für Wegebau, Eisenbahnen, Bodenschätze usw. Würde sich Deutschland
solchem Anspruch ohne weiteres fügen, so würde sich die deutsche Politik dem ver¬
dienten Vorwurf einer großen Schwäche aussetzen, und die Hamburger Nachrichten
würden wahrscheinlich das erste Blatt sein, einen solchen Vorwurf auszusprechen.

Gewiß ist die Möglichkeit, daß es sich bei dieser englisch-französischen Abmachung
um eine Falle für Deutschland handelt, nicht ausgeschlossen; wir haben uns deshalb
seinerzeit mit Entschiedenheit gegen die Stimmen gewandt, die einen Anteil am
marokkanischen Besitz, einen oder mehrere Häfen an der atlantischen Küste oder
dergleichen verlangten. Aber etwas andres ist es um unsre feststehenden vertrags¬
mäßigen Rechte, in die dürfen wir uns weder hineinreden noch sie ruhig beiseite
schieben lassen. Eine solche Politik käme der Abdankung vor den andern Gro߬
mächten gleich und könnte leicht recht verhängnisvolle Folgen haben. Von einer
„bevorrechteten Stellung Frankreichs" kann in allen Handelsangelegenheiten uns
gegenüber in Marokko keine Rede sein. Unsre Rechte in Marokko erlöschen erst
mit dem Ablauf aller andern Handelsverträge, denn es ist für den deutsch-marok-
kanischen Vertrag kein Ablauf und keine Kündigung, sondern nur ein Revisionsrecht
nach Ablauf von fünf Jahren nach der Ratifikation des Vertrages vorgesehen worden.
Die Ratifikation ist im Jahre 1891 erfolgt, eine Revision hätte also 1896 statt¬
finden müssen, ist aber von beiden Seiten nicht beantragt worden; jedenfalls besteht
unser Meistbegünstigungsrecht in Marokko so lange, als dort die Angehörigen irgend¬
eines andern Landes Rechte, Vorteile und Privilegien genießen. Daran kann eine
französisch-englische Abmachung nichts ändern, und auch die darin verabredete dreißig¬
jährige Frist ist ohne unsre ausdrückliche Anerkennung für uns in keiner Weise
verbindlich. Diese Anerkennung ist bisher von französischer Seite noch nicht nach¬
gesucht worden. Kaiser Wilhelm hat vor Antritt seiner Reise ausdrücklich die fried¬
lichen Absichten Deutschlands, die friedlichen Ziele seiner Politik betont, hat her¬
vorgehoben, daß es ihm fern liege, ein auf Eroberungen begründetes Weltreich
anzustreben. Diese friedliche Politik ist aber um so mehr berechtigt und verpflichtet,
über die Aufrechthaltung der Verträge zu wachen, die Deutschland Rechte ver¬
leihen. Das Ausland darf nicht zu der Meinung kommen, daß Deutschlands Friedens¬
liebe gleichbedeutend sei mit einem völligen Desinteressement oder mit einer Ab¬
dankung. Je weniger wir von dem gewinnen wollen, was uns nicht gehört,
desto eifersüchtiger werden wir über dem wachen, was wir haben. Das werden
auch die Hamburger Nachrichten einsehen, die mit ihrer schlecht angebrachten Warnung
Gefahr laufen, die Gleise gerade der Bismarckischen Politik zu verlassen, die ihre
Stärke doch niemals in der Preisgebung deutscher Rechte gesucht oder gefunden hat.

Graf Bülows Rede zur Einführung der beiden Berggesetznovellen im preußischen


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[0750] Maßgebliches und Unmaßgebliches Seiner Majestät dem Sultan von Marokko sowie zwischen ihren Reichen und Reichs¬ angehörigen. Zwischen beiden Reichen soll gegenseitige Handelsfreiheit bestehn. Zu diesem Zweck verpflichtet sich ein jeder der hohen vertragschließenden Teile, den Untertanen des andern Teils alle Rechte, Vorteile und Privilegien zuzu¬ sichern und zu gewähren, welche seitens des einen wie des andern Teils den An¬ gehörigen der meistbegünstigten Nation zugestanden sind oder künftig zugestanden werden." Diese Rechte, die wir in Marokko haben, können durch eine französisch¬ englische Abmachung nicht kurzerhand beseitigt werden. Die Hamburger Nachrichten meinen, die Sache habe ja noch dreißig Jahre Zeit, denn der jetzige Zustand sei durch den französisch-englischen Vertrag noch auf dreißig Jahre gesichert. Daß man dies in Frankreich nicht so ansieht, beweist der Umstand, daß Herr Delcasse bis jetzt jedem Gedankenaustausch mit Deutschland darüber sorgfältig aus dem Wege gegangen ist, ferner daß der französische Vertreter es fertig gebracht hat, sich dem Sultan gegenüber als Mandatar der Mächte zu gerieren, also sich gewissermaßen an die Stelle des deutsch-marokkanischen Vertrags zu setzen. Dazu kommt, daß auch das ^om-nöt ass vöbats für Frankreich schon jetzt „eine bevorrechtete Stellung" in Anspruch nimmt, und ebenso ausdrücklich die französische Autorität über alle Kon¬ zessionen für Wegebau, Eisenbahnen, Bodenschätze usw. Würde sich Deutschland solchem Anspruch ohne weiteres fügen, so würde sich die deutsche Politik dem ver¬ dienten Vorwurf einer großen Schwäche aussetzen, und die Hamburger Nachrichten würden wahrscheinlich das erste Blatt sein, einen solchen Vorwurf auszusprechen. Gewiß ist die Möglichkeit, daß es sich bei dieser englisch-französischen Abmachung um eine Falle für Deutschland handelt, nicht ausgeschlossen; wir haben uns deshalb seinerzeit mit Entschiedenheit gegen die Stimmen gewandt, die einen Anteil am marokkanischen Besitz, einen oder mehrere Häfen an der atlantischen Küste oder dergleichen verlangten. Aber etwas andres ist es um unsre feststehenden vertrags¬ mäßigen Rechte, in die dürfen wir uns weder hineinreden noch sie ruhig beiseite schieben lassen. Eine solche Politik käme der Abdankung vor den andern Gro߬ mächten gleich und könnte leicht recht verhängnisvolle Folgen haben. Von einer „bevorrechteten Stellung Frankreichs" kann in allen Handelsangelegenheiten uns gegenüber in Marokko keine Rede sein. Unsre Rechte in Marokko erlöschen erst mit dem Ablauf aller andern Handelsverträge, denn es ist für den deutsch-marok- kanischen Vertrag kein Ablauf und keine Kündigung, sondern nur ein Revisionsrecht nach Ablauf von fünf Jahren nach der Ratifikation des Vertrages vorgesehen worden. Die Ratifikation ist im Jahre 1891 erfolgt, eine Revision hätte also 1896 statt¬ finden müssen, ist aber von beiden Seiten nicht beantragt worden; jedenfalls besteht unser Meistbegünstigungsrecht in Marokko so lange, als dort die Angehörigen irgend¬ eines andern Landes Rechte, Vorteile und Privilegien genießen. Daran kann eine französisch-englische Abmachung nichts ändern, und auch die darin verabredete dreißig¬ jährige Frist ist ohne unsre ausdrückliche Anerkennung für uns in keiner Weise verbindlich. Diese Anerkennung ist bisher von französischer Seite noch nicht nach¬ gesucht worden. Kaiser Wilhelm hat vor Antritt seiner Reise ausdrücklich die fried¬ lichen Absichten Deutschlands, die friedlichen Ziele seiner Politik betont, hat her¬ vorgehoben, daß es ihm fern liege, ein auf Eroberungen begründetes Weltreich anzustreben. Diese friedliche Politik ist aber um so mehr berechtigt und verpflichtet, über die Aufrechthaltung der Verträge zu wachen, die Deutschland Rechte ver¬ leihen. Das Ausland darf nicht zu der Meinung kommen, daß Deutschlands Friedens¬ liebe gleichbedeutend sei mit einem völligen Desinteressement oder mit einer Ab¬ dankung. Je weniger wir von dem gewinnen wollen, was uns nicht gehört, desto eifersüchtiger werden wir über dem wachen, was wir haben. Das werden auch die Hamburger Nachrichten einsehen, die mit ihrer schlecht angebrachten Warnung Gefahr laufen, die Gleise gerade der Bismarckischen Politik zu verlassen, die ihre Stärke doch niemals in der Preisgebung deutscher Rechte gesucht oder gefunden hat. Graf Bülows Rede zur Einführung der beiden Berggesetznovellen im preußischen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_87477/750>, abgerufen am 23.07.2024.