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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Erstes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

Maßgebliches und Unmaßgebliches
Reichsspiegel.

In einem literarischen Kreise der Reichshauptstadt war von
der Kundgebung der Norddeutschen Allgemeinen Zeitung an die Adresse Frankreichs
in der marokkanischen Angelegenheit die Rede; ein langjähriger Parlamentarier und
geistvoller Beurteiler unsers öffentlichen Lebens, der auch in den Grenzboten schon
seine Stimme erhoben hat -- leider zu selten --, nannte sie die erste sichtbare
Folge der Schlacht bei Mukden, Aber auch ohne Mulden würde es sich Deutsch¬
land schwerlich haben gefallen lassen, daß sich Frankreich in Marokko als Mandatar
der Mächte gab, ohne von Deutschland ein Mandat zu haben. Herr DelcaM, für
den die Spitze gegen Deutschland die Hauptsache in seiner auswärtigen Politik ist,
hat es für nützlich befunden, Deutschland in der marokkanischen Angelegenheit gnr
nicht zu begrüßen. Obwohl wir vertragsmäßige Rechte in Marokko haben, ist uns
das französisch-englische Abkommen von französischer Seite weder im Stadium der
Verhandlung noch nachher amtlich mitgeteilt worden. Selbstverständlich mußte da der
Tag kommen, wo Deutschland erklärte, die Abmachung zwischen Frankreich und
England und zumal die französische Interpretation dieser Abmachung geht mich
nichts an. Wohl hat Herr Delcasse in gelegentlichen Gesprächen mit dem deutschen
Botschafter die marokkanische Sache gestreift in der Absicht, ihn zu einer Initiative
zu veranlassen; Fürst Radolin hat dazu geschwiegen und auf den Tag gewartet,
der nun gekommen ist. Im Park von Friedrichsruh auf einem von hohen Tannen
dicht eingesäumten Wege dahinschreitend -- er hatte sie bald nach der Übernahme
des Besitzes als Windschutz pflanzen lassen -- äußerte einst Bismarck zu einen. Gaste:
"Auf diesem Wege habe ich den Franzosen die Erlaubnis zur Expedition nach
Tunis gegeben, durch Saint-Vallier, der hier bei mir war." Herr DelcaM war
wahrscheinlich der Ansicht: Bismarck ist nicht mehr da, und in der Deckung des Zwei¬
bundes und Englands bedürfen wir der deutschen Zustimmung nicht, wenn wir aus
Marokko ein drittes Algier oder zunächst ein zweites Tunis machen wollen. In¬
zwischen dürfte dem französischen Minister aber wohl klar geworden sein, daß die
Rechnung ohne Deutschland nicht stimmt. Bismarck hatte seinerzeit ein Interesse
daran, Frankreich nach Tunis gehn zu lassen. Er mag vorübergehend die Ansicht
angesehener französischer Politiker geteilt haben, daß Frankreich in Afrika Ersatz für
Elsaß-Lothringen suchen werde, eine Meinung, die zum Beispiel John Lemoinne im
^ourns,! Sss VSdats offen ausgesprochen und nachdrücklich verfochten hatte. Sodann
konnte es unserm Frieden nur dienen, daß sich Frankreich politisch, militärisch und
finanziell in Afrika festlegte. Die Reibungsfläche der französischen Politik Deutschland
gegenüber wurde dadurch verringert, den Mittelmeermächten gegenüber vergrößert.
Die ganze enorme koloniale Expansion Frankreichs nach 1870 wäre ohne den Segen
Deutschlands nicht möglich gewesen, aber die deutsche Politik erachtete es für nützlich,
daß der Tatendrang, das Bedürfnis der Initiative, die Befriedigung des politischen
und des militärischen Prestiges Frankreichs eine Betätigung außerhalb Europas
suchte und fand.

Anders steht die Sache heute. Die gewaltige koloniale Expansion hat Frank¬
reich nicht um eines Haares Breite von den Vogesen und von Lothringen ab¬
gewandt, es steht dort nach wie vor mit starken Kräften bereit, jedem Gegner zu
Hilfe zu kommen, der uns etwa in Europa erstehn könnte. Es hat uns durch
seine fortgesetzten Rüstungen im Gegenteil gezwungen, unsre militärische Stellung
in der Westmark mehr als zu verdoppeln. Das alles ist geschehen trotz Tunis,
Cochinchina usw., und Frankreich würde auch nach Marokko gehn, ohne den von
ihm geübten militärischen Druck auf unsre Westgrenze irgendwie abzuschwächen.
Wenn also die ausgedehnte französische Kolonialpolitik bisher weder zu einem tiefern
Gegensatz Frankreichs zu England und Italien geführt, im Gegenteil erst neuer¬
dings eine recht bemerkenswerte Annäherung zu diesen Mächten ermöglicht hat, noch
eine Verminderung der militärischen Spannung an der deutsch-französischen Grenze


Maßgebliches und Unmaßgebliches

Maßgebliches und Unmaßgebliches
Reichsspiegel.

In einem literarischen Kreise der Reichshauptstadt war von
der Kundgebung der Norddeutschen Allgemeinen Zeitung an die Adresse Frankreichs
in der marokkanischen Angelegenheit die Rede; ein langjähriger Parlamentarier und
geistvoller Beurteiler unsers öffentlichen Lebens, der auch in den Grenzboten schon
seine Stimme erhoben hat — leider zu selten —, nannte sie die erste sichtbare
Folge der Schlacht bei Mukden, Aber auch ohne Mulden würde es sich Deutsch¬
land schwerlich haben gefallen lassen, daß sich Frankreich in Marokko als Mandatar
der Mächte gab, ohne von Deutschland ein Mandat zu haben. Herr DelcaM, für
den die Spitze gegen Deutschland die Hauptsache in seiner auswärtigen Politik ist,
hat es für nützlich befunden, Deutschland in der marokkanischen Angelegenheit gnr
nicht zu begrüßen. Obwohl wir vertragsmäßige Rechte in Marokko haben, ist uns
das französisch-englische Abkommen von französischer Seite weder im Stadium der
Verhandlung noch nachher amtlich mitgeteilt worden. Selbstverständlich mußte da der
Tag kommen, wo Deutschland erklärte, die Abmachung zwischen Frankreich und
England und zumal die französische Interpretation dieser Abmachung geht mich
nichts an. Wohl hat Herr Delcasse in gelegentlichen Gesprächen mit dem deutschen
Botschafter die marokkanische Sache gestreift in der Absicht, ihn zu einer Initiative
zu veranlassen; Fürst Radolin hat dazu geschwiegen und auf den Tag gewartet,
der nun gekommen ist. Im Park von Friedrichsruh auf einem von hohen Tannen
dicht eingesäumten Wege dahinschreitend — er hatte sie bald nach der Übernahme
des Besitzes als Windschutz pflanzen lassen — äußerte einst Bismarck zu einen. Gaste:
„Auf diesem Wege habe ich den Franzosen die Erlaubnis zur Expedition nach
Tunis gegeben, durch Saint-Vallier, der hier bei mir war." Herr DelcaM war
wahrscheinlich der Ansicht: Bismarck ist nicht mehr da, und in der Deckung des Zwei¬
bundes und Englands bedürfen wir der deutschen Zustimmung nicht, wenn wir aus
Marokko ein drittes Algier oder zunächst ein zweites Tunis machen wollen. In¬
zwischen dürfte dem französischen Minister aber wohl klar geworden sein, daß die
Rechnung ohne Deutschland nicht stimmt. Bismarck hatte seinerzeit ein Interesse
daran, Frankreich nach Tunis gehn zu lassen. Er mag vorübergehend die Ansicht
angesehener französischer Politiker geteilt haben, daß Frankreich in Afrika Ersatz für
Elsaß-Lothringen suchen werde, eine Meinung, die zum Beispiel John Lemoinne im
^ourns,! Sss VSdats offen ausgesprochen und nachdrücklich verfochten hatte. Sodann
konnte es unserm Frieden nur dienen, daß sich Frankreich politisch, militärisch und
finanziell in Afrika festlegte. Die Reibungsfläche der französischen Politik Deutschland
gegenüber wurde dadurch verringert, den Mittelmeermächten gegenüber vergrößert.
Die ganze enorme koloniale Expansion Frankreichs nach 1870 wäre ohne den Segen
Deutschlands nicht möglich gewesen, aber die deutsche Politik erachtete es für nützlich,
daß der Tatendrang, das Bedürfnis der Initiative, die Befriedigung des politischen
und des militärischen Prestiges Frankreichs eine Betätigung außerhalb Europas
suchte und fand.

Anders steht die Sache heute. Die gewaltige koloniale Expansion hat Frank¬
reich nicht um eines Haares Breite von den Vogesen und von Lothringen ab¬
gewandt, es steht dort nach wie vor mit starken Kräften bereit, jedem Gegner zu
Hilfe zu kommen, der uns etwa in Europa erstehn könnte. Es hat uns durch
seine fortgesetzten Rüstungen im Gegenteil gezwungen, unsre militärische Stellung
in der Westmark mehr als zu verdoppeln. Das alles ist geschehen trotz Tunis,
Cochinchina usw., und Frankreich würde auch nach Marokko gehn, ohne den von
ihm geübten militärischen Druck auf unsre Westgrenze irgendwie abzuschwächen.
Wenn also die ausgedehnte französische Kolonialpolitik bisher weder zu einem tiefern
Gegensatz Frankreichs zu England und Italien geführt, im Gegenteil erst neuer¬
dings eine recht bemerkenswerte Annäherung zu diesen Mächten ermöglicht hat, noch
eine Verminderung der militärischen Spannung an der deutsch-französischen Grenze


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[0748] Maßgebliches und Unmaßgebliches Maßgebliches und Unmaßgebliches Reichsspiegel. In einem literarischen Kreise der Reichshauptstadt war von der Kundgebung der Norddeutschen Allgemeinen Zeitung an die Adresse Frankreichs in der marokkanischen Angelegenheit die Rede; ein langjähriger Parlamentarier und geistvoller Beurteiler unsers öffentlichen Lebens, der auch in den Grenzboten schon seine Stimme erhoben hat — leider zu selten —, nannte sie die erste sichtbare Folge der Schlacht bei Mukden, Aber auch ohne Mulden würde es sich Deutsch¬ land schwerlich haben gefallen lassen, daß sich Frankreich in Marokko als Mandatar der Mächte gab, ohne von Deutschland ein Mandat zu haben. Herr DelcaM, für den die Spitze gegen Deutschland die Hauptsache in seiner auswärtigen Politik ist, hat es für nützlich befunden, Deutschland in der marokkanischen Angelegenheit gnr nicht zu begrüßen. Obwohl wir vertragsmäßige Rechte in Marokko haben, ist uns das französisch-englische Abkommen von französischer Seite weder im Stadium der Verhandlung noch nachher amtlich mitgeteilt worden. Selbstverständlich mußte da der Tag kommen, wo Deutschland erklärte, die Abmachung zwischen Frankreich und England und zumal die französische Interpretation dieser Abmachung geht mich nichts an. Wohl hat Herr Delcasse in gelegentlichen Gesprächen mit dem deutschen Botschafter die marokkanische Sache gestreift in der Absicht, ihn zu einer Initiative zu veranlassen; Fürst Radolin hat dazu geschwiegen und auf den Tag gewartet, der nun gekommen ist. Im Park von Friedrichsruh auf einem von hohen Tannen dicht eingesäumten Wege dahinschreitend — er hatte sie bald nach der Übernahme des Besitzes als Windschutz pflanzen lassen — äußerte einst Bismarck zu einen. Gaste: „Auf diesem Wege habe ich den Franzosen die Erlaubnis zur Expedition nach Tunis gegeben, durch Saint-Vallier, der hier bei mir war." Herr DelcaM war wahrscheinlich der Ansicht: Bismarck ist nicht mehr da, und in der Deckung des Zwei¬ bundes und Englands bedürfen wir der deutschen Zustimmung nicht, wenn wir aus Marokko ein drittes Algier oder zunächst ein zweites Tunis machen wollen. In¬ zwischen dürfte dem französischen Minister aber wohl klar geworden sein, daß die Rechnung ohne Deutschland nicht stimmt. Bismarck hatte seinerzeit ein Interesse daran, Frankreich nach Tunis gehn zu lassen. Er mag vorübergehend die Ansicht angesehener französischer Politiker geteilt haben, daß Frankreich in Afrika Ersatz für Elsaß-Lothringen suchen werde, eine Meinung, die zum Beispiel John Lemoinne im ^ourns,! Sss VSdats offen ausgesprochen und nachdrücklich verfochten hatte. Sodann konnte es unserm Frieden nur dienen, daß sich Frankreich politisch, militärisch und finanziell in Afrika festlegte. Die Reibungsfläche der französischen Politik Deutschland gegenüber wurde dadurch verringert, den Mittelmeermächten gegenüber vergrößert. Die ganze enorme koloniale Expansion Frankreichs nach 1870 wäre ohne den Segen Deutschlands nicht möglich gewesen, aber die deutsche Politik erachtete es für nützlich, daß der Tatendrang, das Bedürfnis der Initiative, die Befriedigung des politischen und des militärischen Prestiges Frankreichs eine Betätigung außerhalb Europas suchte und fand. Anders steht die Sache heute. Die gewaltige koloniale Expansion hat Frank¬ reich nicht um eines Haares Breite von den Vogesen und von Lothringen ab¬ gewandt, es steht dort nach wie vor mit starken Kräften bereit, jedem Gegner zu Hilfe zu kommen, der uns etwa in Europa erstehn könnte. Es hat uns durch seine fortgesetzten Rüstungen im Gegenteil gezwungen, unsre militärische Stellung in der Westmark mehr als zu verdoppeln. Das alles ist geschehen trotz Tunis, Cochinchina usw., und Frankreich würde auch nach Marokko gehn, ohne den von ihm geübten militärischen Druck auf unsre Westgrenze irgendwie abzuschwächen. Wenn also die ausgedehnte französische Kolonialpolitik bisher weder zu einem tiefern Gegensatz Frankreichs zu England und Italien geführt, im Gegenteil erst neuer¬ dings eine recht bemerkenswerte Annäherung zu diesen Mächten ermöglicht hat, noch eine Verminderung der militärischen Spannung an der deutsch-französischen Grenze

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_87477/748>, abgerufen am 23.07.2024.