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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Erstes Vierteljahr.

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Herrenmenschen

See- und Bergwinde, die abwechselnd wehen, helfen über vieles hinweg. Für
ungeübte Reiter ist Wohl das vierzehn- bis sechzehnstündige Sitzen im Maultier¬
sattel auf steilen, holprigen Wegen die ärgste Anstrengung, wogegen alles andre
zurücktritt. Wenn ich einmal recht unbequem liege, stöbre ich noch jetzt im
Traume: M, muta, su! oder ^nata,, mu!

Der geschäftliche Teil ist sehr leicht zu erledigen: der Hanptführer erhält
seine Pauschalsumme und sorgt für alles; Leute und Tiere verpflegen sich selbst;
den Treibern gibt man billigerweise noch ein kleines Trinkgeld. Die Kosten
stellten sich für jeden von uns auf ungefähr 45 Pesetas (gleich 27 Mark) --
gewiß ein sehr mäßiger Satz.

Im Hotel wurde die Pension, bei Abzug eines Betrages für das Zimmer,
weiter berechnet, dafür aber sehr guter und reichlicher Proviant, ganz nach unsrer
Auswahl, mitgegeben, sodaß Ignacio beim Abschiede noch einen tüchtigen Kober
voll als Angebinde auf sein vielgeprüftes Pferd laden konnte. Auch Decken, E߬
geschirr usw. erhielten wir in bester Qualität. Allerdings muß alles vorher genau
abgemacht werden, aber das ist ja in unfern Hochgebirgen meist nicht anders.

Daß die Eindrücke einer Pikbesteigung von denen unsrer sämtlichen Alpen¬
touren stark abweichen, wird die vorstehende Beschreibung genügend haben er¬
kennen lassen. Sie kurz und doch anschaulich wiederzugeben, bemühten sich
zahlreiche Eintragungen in Jgnacios Führerbuch in fünf verschiednen Sprachen.
Man konnte hier die schönsten Superlative und manchen pathetischen und ge¬
fühlvollen Erguß finden, namentlich auf Französisch. Ein Spanier dagegen
begann mit den verblüffenden Worten: "Alles, was auf diesen Blättern über
die Schönheit des Pik gesagt und gereimt wird, ist Lüge!!!" Dies wurde
dann freilich dahin erläutert, daß die ganze Schönheit des Pik doch mit keiner
Feder zu schildern wäre, mithin alle jene Schilderungen auch nicht die ganze
Wahrheit enthielten, und: "Eine halbe Wahrheit ist die schlimmste der Lügen!"

Nun, in diesem Sinne mag auch meine Beschreibung immerhin eine Lüge
sein -- wenn sie nur recht viele Leser dazu führt, mit eignen Augen der
Wahrheit ins Angesicht scheinen zu wollen!




Herrenmenschen
Fritz Anders (Max Allihn) Roman von(Fortsetzung)
Z. Mary

er Sturm war schnell vorüber gebraust, aber seine Wirkungen blieben
sichtbar genug. Der Haufen Strandgut lag noch immer am Strande.
Päsch, Petereit und Burpel hielten Wache, konnten es aber nicht
hindern, daß sich der Vorrat von Tag zu Tag auf unbegreifliche
Weise verringerte. Von den Indianerhütten war auch nicht eine
Spur übrig geblieben. Onkel Fips trug die Hände verbunden, die
Ruderns ungewohnt, übel zugerichtet hatte, und Onkel Faps machte
seine Glossen und meinte, diese zerschundnen Pfoten bedeuteten hoffentlich eineer sich, des


Herrenmenschen

See- und Bergwinde, die abwechselnd wehen, helfen über vieles hinweg. Für
ungeübte Reiter ist Wohl das vierzehn- bis sechzehnstündige Sitzen im Maultier¬
sattel auf steilen, holprigen Wegen die ärgste Anstrengung, wogegen alles andre
zurücktritt. Wenn ich einmal recht unbequem liege, stöbre ich noch jetzt im
Traume: M, muta, su! oder ^nata,, mu!

Der geschäftliche Teil ist sehr leicht zu erledigen: der Hanptführer erhält
seine Pauschalsumme und sorgt für alles; Leute und Tiere verpflegen sich selbst;
den Treibern gibt man billigerweise noch ein kleines Trinkgeld. Die Kosten
stellten sich für jeden von uns auf ungefähr 45 Pesetas (gleich 27 Mark) —
gewiß ein sehr mäßiger Satz.

Im Hotel wurde die Pension, bei Abzug eines Betrages für das Zimmer,
weiter berechnet, dafür aber sehr guter und reichlicher Proviant, ganz nach unsrer
Auswahl, mitgegeben, sodaß Ignacio beim Abschiede noch einen tüchtigen Kober
voll als Angebinde auf sein vielgeprüftes Pferd laden konnte. Auch Decken, E߬
geschirr usw. erhielten wir in bester Qualität. Allerdings muß alles vorher genau
abgemacht werden, aber das ist ja in unfern Hochgebirgen meist nicht anders.

Daß die Eindrücke einer Pikbesteigung von denen unsrer sämtlichen Alpen¬
touren stark abweichen, wird die vorstehende Beschreibung genügend haben er¬
kennen lassen. Sie kurz und doch anschaulich wiederzugeben, bemühten sich
zahlreiche Eintragungen in Jgnacios Führerbuch in fünf verschiednen Sprachen.
Man konnte hier die schönsten Superlative und manchen pathetischen und ge¬
fühlvollen Erguß finden, namentlich auf Französisch. Ein Spanier dagegen
begann mit den verblüffenden Worten: „Alles, was auf diesen Blättern über
die Schönheit des Pik gesagt und gereimt wird, ist Lüge!!!" Dies wurde
dann freilich dahin erläutert, daß die ganze Schönheit des Pik doch mit keiner
Feder zu schildern wäre, mithin alle jene Schilderungen auch nicht die ganze
Wahrheit enthielten, und: „Eine halbe Wahrheit ist die schlimmste der Lügen!"

Nun, in diesem Sinne mag auch meine Beschreibung immerhin eine Lüge
sein — wenn sie nur recht viele Leser dazu führt, mit eignen Augen der
Wahrheit ins Angesicht scheinen zu wollen!




Herrenmenschen
Fritz Anders (Max Allihn) Roman von(Fortsetzung)
Z. Mary

er Sturm war schnell vorüber gebraust, aber seine Wirkungen blieben
sichtbar genug. Der Haufen Strandgut lag noch immer am Strande.
Päsch, Petereit und Burpel hielten Wache, konnten es aber nicht
hindern, daß sich der Vorrat von Tag zu Tag auf unbegreifliche
Weise verringerte. Von den Indianerhütten war auch nicht eine
Spur übrig geblieben. Onkel Fips trug die Hände verbunden, die
Ruderns ungewohnt, übel zugerichtet hatte, und Onkel Faps machte
seine Glossen und meinte, diese zerschundnen Pfoten bedeuteten hoffentlich eineer sich, des


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[0738] Herrenmenschen See- und Bergwinde, die abwechselnd wehen, helfen über vieles hinweg. Für ungeübte Reiter ist Wohl das vierzehn- bis sechzehnstündige Sitzen im Maultier¬ sattel auf steilen, holprigen Wegen die ärgste Anstrengung, wogegen alles andre zurücktritt. Wenn ich einmal recht unbequem liege, stöbre ich noch jetzt im Traume: M, muta, su! oder ^nata,, mu! Der geschäftliche Teil ist sehr leicht zu erledigen: der Hanptführer erhält seine Pauschalsumme und sorgt für alles; Leute und Tiere verpflegen sich selbst; den Treibern gibt man billigerweise noch ein kleines Trinkgeld. Die Kosten stellten sich für jeden von uns auf ungefähr 45 Pesetas (gleich 27 Mark) — gewiß ein sehr mäßiger Satz. Im Hotel wurde die Pension, bei Abzug eines Betrages für das Zimmer, weiter berechnet, dafür aber sehr guter und reichlicher Proviant, ganz nach unsrer Auswahl, mitgegeben, sodaß Ignacio beim Abschiede noch einen tüchtigen Kober voll als Angebinde auf sein vielgeprüftes Pferd laden konnte. Auch Decken, E߬ geschirr usw. erhielten wir in bester Qualität. Allerdings muß alles vorher genau abgemacht werden, aber das ist ja in unfern Hochgebirgen meist nicht anders. Daß die Eindrücke einer Pikbesteigung von denen unsrer sämtlichen Alpen¬ touren stark abweichen, wird die vorstehende Beschreibung genügend haben er¬ kennen lassen. Sie kurz und doch anschaulich wiederzugeben, bemühten sich zahlreiche Eintragungen in Jgnacios Führerbuch in fünf verschiednen Sprachen. Man konnte hier die schönsten Superlative und manchen pathetischen und ge¬ fühlvollen Erguß finden, namentlich auf Französisch. Ein Spanier dagegen begann mit den verblüffenden Worten: „Alles, was auf diesen Blättern über die Schönheit des Pik gesagt und gereimt wird, ist Lüge!!!" Dies wurde dann freilich dahin erläutert, daß die ganze Schönheit des Pik doch mit keiner Feder zu schildern wäre, mithin alle jene Schilderungen auch nicht die ganze Wahrheit enthielten, und: „Eine halbe Wahrheit ist die schlimmste der Lügen!" Nun, in diesem Sinne mag auch meine Beschreibung immerhin eine Lüge sein — wenn sie nur recht viele Leser dazu führt, mit eignen Augen der Wahrheit ins Angesicht scheinen zu wollen! Herrenmenschen Fritz Anders (Max Allihn) Roman von(Fortsetzung) Z. Mary er Sturm war schnell vorüber gebraust, aber seine Wirkungen blieben sichtbar genug. Der Haufen Strandgut lag noch immer am Strande. Päsch, Petereit und Burpel hielten Wache, konnten es aber nicht hindern, daß sich der Vorrat von Tag zu Tag auf unbegreifliche Weise verringerte. Von den Indianerhütten war auch nicht eine Spur übrig geblieben. Onkel Fips trug die Hände verbunden, die Ruderns ungewohnt, übel zugerichtet hatte, und Onkel Faps machte seine Glossen und meinte, diese zerschundnen Pfoten bedeuteten hoffentlich eineer sich, des

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_87477/738>, abgerufen am 22.12.2024.