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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Erstes Vierteljahr.

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Llücher und Bismarck

wird von seinem königlichen Herrn persönlich berufen, der ihn auch wider eine
Welt von Anfechtung, ja von Haß hält und trügt. Sodann macht sich das
preußische Volk und darauf die ganze Nation zum Mitträger des königlichen
Vertrauens. Und zuletzt, nach dem tragischen Abschlüsse seiner Laufbahn sieht
er, daß die Nation ihm trotz allem unvermindert das Vertrauen bewahrt hat.
Das war der schönste Lohn für sein gigantisches Einigungswerk.

Noch zwei Schlaglichter auf das Wesen beider Männer! Als erstes ihr
beiderseitiges Verhältnis zu dem weiblichen Geschlechte. Des Kanzlers bekanntes
ritterliches Wesen gegen die Frauen entsprang der Verbindung des zarten Ge¬
müts mit seinem starken Mannesbewußtsein, als etwas durchaus Natürlichem,
Gegebnem. Im Verkehr mit den Frauen bekundete er neben sicherm Takt in
Sprache, Ton, Haltung die ungekünstelte Ehrerbietung, wie sie eben nur der
Widerschein reicher Herzensbildung und Liebenswürdigkeit sein kann; und dessen
waren seine Augen die beredtesten Dolmetscher. Jeder einfachen Frau aus dem
Volke kam er so entgegen. Indem er so dachte und handelte, schöpfte er
aus dem Brunnen seiner edeln, einfachen Häuslichkeit, deren vorbildliche Ver¬
treterin, die Gemahlin, ihm allezeit als Maßstab diente für wahre Weiblichkeit
und -- für die durch die Natur gegebne Einflußgreuze und Bewegungsfreiheit
der Frau im allgemeinen wie der Lebensgefährtin im besondern. Die heftige
Gegnerschaft mancher hochgestellter Dame mag zum Teil gerade aus dem weib¬
lich sichern Instinkt in der Erfassung dieses Zusammenhangs zu erklären sein.

Blücher hat solche Einmischungsversuche nie zu bekämpfen gehabt. Sonst
beruhte seine Stellung zum weiblichen Geschlecht auf derselben innern Grundlage
wie die des Kanzlers. Besonders seine zweite Ehe mit Amalie von Colomb war
trotz dem ganz bedeutenden Altersunterschied überaus glücklich. Und seltsam, der
Charakter und das Wesen seiner Gattin, wie sie übereinstimmend geschildert
werden, die Art, wie sie ihre Pflichten als Hausfrau auffaßte, indem sie trotz
ununterbrochnem rheumatischen Schmerzen auch über den kleinsten Dingen wachte,
völlig geräuschlos, immer freundlich und nur für andre besorgt -- das alles er¬
innert Zug für Zug an die Lebensgeführtin des großen Kanzlers. Auch
Blücher hat also in seiner ganz einfachen Häuslichkeit das gefunden, was er
suchte und brauchte. Im übrigen war er im Verkehr mit dem zarten Geschlecht
jederzeit ritterlich, von feinfühliger Rücksicht und tadellosen Formen, in der
Unterhaltung von peinlich gewählter Ausdrucksweise. Bis in das hohe Alter
blieb er ein Bewundrer schöner und edler Frauen, die ihn auch alle gern hatten.
Sein Empfinden für hehre Weiblichkeit fand einen schönen Ausdruck in der zart¬
sinnigen, fast anbetenden Verehrung, die er der Königin Luise entgegenbrachte, Ge¬
fühle, die die hohe Frau bekanntlich mit herzlicher Freundschaft für den ritterlichen
alten Soldaten erwiderte. Wie sehr ihn bei der trostlosen Lage des Staates die
Nachricht von dem Tode der Königin erschütterte, dafür gibt es kein beredteres
Zeugnis als diesen Brief: "Lieber Eisenbart, ich bin wie vom Blitz getroffen,
der stolz der Weiber ist also von der Erde geschieden. Gott im Himmell sie
muß vor uns zu gude gewesen sein.----in meiner jetzigen Stimmung ist mich
nichts liber als daß ich Erfahre die Weld brenne an allen vihr Enden."

Das andre Schlaglicht betrifft die Stellung beider Männer zu den höchsten


Llücher und Bismarck

wird von seinem königlichen Herrn persönlich berufen, der ihn auch wider eine
Welt von Anfechtung, ja von Haß hält und trügt. Sodann macht sich das
preußische Volk und darauf die ganze Nation zum Mitträger des königlichen
Vertrauens. Und zuletzt, nach dem tragischen Abschlüsse seiner Laufbahn sieht
er, daß die Nation ihm trotz allem unvermindert das Vertrauen bewahrt hat.
Das war der schönste Lohn für sein gigantisches Einigungswerk.

Noch zwei Schlaglichter auf das Wesen beider Männer! Als erstes ihr
beiderseitiges Verhältnis zu dem weiblichen Geschlechte. Des Kanzlers bekanntes
ritterliches Wesen gegen die Frauen entsprang der Verbindung des zarten Ge¬
müts mit seinem starken Mannesbewußtsein, als etwas durchaus Natürlichem,
Gegebnem. Im Verkehr mit den Frauen bekundete er neben sicherm Takt in
Sprache, Ton, Haltung die ungekünstelte Ehrerbietung, wie sie eben nur der
Widerschein reicher Herzensbildung und Liebenswürdigkeit sein kann; und dessen
waren seine Augen die beredtesten Dolmetscher. Jeder einfachen Frau aus dem
Volke kam er so entgegen. Indem er so dachte und handelte, schöpfte er
aus dem Brunnen seiner edeln, einfachen Häuslichkeit, deren vorbildliche Ver¬
treterin, die Gemahlin, ihm allezeit als Maßstab diente für wahre Weiblichkeit
und — für die durch die Natur gegebne Einflußgreuze und Bewegungsfreiheit
der Frau im allgemeinen wie der Lebensgefährtin im besondern. Die heftige
Gegnerschaft mancher hochgestellter Dame mag zum Teil gerade aus dem weib¬
lich sichern Instinkt in der Erfassung dieses Zusammenhangs zu erklären sein.

Blücher hat solche Einmischungsversuche nie zu bekämpfen gehabt. Sonst
beruhte seine Stellung zum weiblichen Geschlecht auf derselben innern Grundlage
wie die des Kanzlers. Besonders seine zweite Ehe mit Amalie von Colomb war
trotz dem ganz bedeutenden Altersunterschied überaus glücklich. Und seltsam, der
Charakter und das Wesen seiner Gattin, wie sie übereinstimmend geschildert
werden, die Art, wie sie ihre Pflichten als Hausfrau auffaßte, indem sie trotz
ununterbrochnem rheumatischen Schmerzen auch über den kleinsten Dingen wachte,
völlig geräuschlos, immer freundlich und nur für andre besorgt — das alles er¬
innert Zug für Zug an die Lebensgeführtin des großen Kanzlers. Auch
Blücher hat also in seiner ganz einfachen Häuslichkeit das gefunden, was er
suchte und brauchte. Im übrigen war er im Verkehr mit dem zarten Geschlecht
jederzeit ritterlich, von feinfühliger Rücksicht und tadellosen Formen, in der
Unterhaltung von peinlich gewählter Ausdrucksweise. Bis in das hohe Alter
blieb er ein Bewundrer schöner und edler Frauen, die ihn auch alle gern hatten.
Sein Empfinden für hehre Weiblichkeit fand einen schönen Ausdruck in der zart¬
sinnigen, fast anbetenden Verehrung, die er der Königin Luise entgegenbrachte, Ge¬
fühle, die die hohe Frau bekanntlich mit herzlicher Freundschaft für den ritterlichen
alten Soldaten erwiderte. Wie sehr ihn bei der trostlosen Lage des Staates die
Nachricht von dem Tode der Königin erschütterte, dafür gibt es kein beredteres
Zeugnis als diesen Brief: „Lieber Eisenbart, ich bin wie vom Blitz getroffen,
der stolz der Weiber ist also von der Erde geschieden. Gott im Himmell sie
muß vor uns zu gude gewesen sein.----in meiner jetzigen Stimmung ist mich
nichts liber als daß ich Erfahre die Weld brenne an allen vihr Enden."

Das andre Schlaglicht betrifft die Stellung beider Männer zu den höchsten


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[0725] Llücher und Bismarck wird von seinem königlichen Herrn persönlich berufen, der ihn auch wider eine Welt von Anfechtung, ja von Haß hält und trügt. Sodann macht sich das preußische Volk und darauf die ganze Nation zum Mitträger des königlichen Vertrauens. Und zuletzt, nach dem tragischen Abschlüsse seiner Laufbahn sieht er, daß die Nation ihm trotz allem unvermindert das Vertrauen bewahrt hat. Das war der schönste Lohn für sein gigantisches Einigungswerk. Noch zwei Schlaglichter auf das Wesen beider Männer! Als erstes ihr beiderseitiges Verhältnis zu dem weiblichen Geschlechte. Des Kanzlers bekanntes ritterliches Wesen gegen die Frauen entsprang der Verbindung des zarten Ge¬ müts mit seinem starken Mannesbewußtsein, als etwas durchaus Natürlichem, Gegebnem. Im Verkehr mit den Frauen bekundete er neben sicherm Takt in Sprache, Ton, Haltung die ungekünstelte Ehrerbietung, wie sie eben nur der Widerschein reicher Herzensbildung und Liebenswürdigkeit sein kann; und dessen waren seine Augen die beredtesten Dolmetscher. Jeder einfachen Frau aus dem Volke kam er so entgegen. Indem er so dachte und handelte, schöpfte er aus dem Brunnen seiner edeln, einfachen Häuslichkeit, deren vorbildliche Ver¬ treterin, die Gemahlin, ihm allezeit als Maßstab diente für wahre Weiblichkeit und — für die durch die Natur gegebne Einflußgreuze und Bewegungsfreiheit der Frau im allgemeinen wie der Lebensgefährtin im besondern. Die heftige Gegnerschaft mancher hochgestellter Dame mag zum Teil gerade aus dem weib¬ lich sichern Instinkt in der Erfassung dieses Zusammenhangs zu erklären sein. Blücher hat solche Einmischungsversuche nie zu bekämpfen gehabt. Sonst beruhte seine Stellung zum weiblichen Geschlecht auf derselben innern Grundlage wie die des Kanzlers. Besonders seine zweite Ehe mit Amalie von Colomb war trotz dem ganz bedeutenden Altersunterschied überaus glücklich. Und seltsam, der Charakter und das Wesen seiner Gattin, wie sie übereinstimmend geschildert werden, die Art, wie sie ihre Pflichten als Hausfrau auffaßte, indem sie trotz ununterbrochnem rheumatischen Schmerzen auch über den kleinsten Dingen wachte, völlig geräuschlos, immer freundlich und nur für andre besorgt — das alles er¬ innert Zug für Zug an die Lebensgeführtin des großen Kanzlers. Auch Blücher hat also in seiner ganz einfachen Häuslichkeit das gefunden, was er suchte und brauchte. Im übrigen war er im Verkehr mit dem zarten Geschlecht jederzeit ritterlich, von feinfühliger Rücksicht und tadellosen Formen, in der Unterhaltung von peinlich gewählter Ausdrucksweise. Bis in das hohe Alter blieb er ein Bewundrer schöner und edler Frauen, die ihn auch alle gern hatten. Sein Empfinden für hehre Weiblichkeit fand einen schönen Ausdruck in der zart¬ sinnigen, fast anbetenden Verehrung, die er der Königin Luise entgegenbrachte, Ge¬ fühle, die die hohe Frau bekanntlich mit herzlicher Freundschaft für den ritterlichen alten Soldaten erwiderte. Wie sehr ihn bei der trostlosen Lage des Staates die Nachricht von dem Tode der Königin erschütterte, dafür gibt es kein beredteres Zeugnis als diesen Brief: „Lieber Eisenbart, ich bin wie vom Blitz getroffen, der stolz der Weiber ist also von der Erde geschieden. Gott im Himmell sie muß vor uns zu gude gewesen sein.----in meiner jetzigen Stimmung ist mich nichts liber als daß ich Erfahre die Weld brenne an allen vihr Enden." Das andre Schlaglicht betrifft die Stellung beider Männer zu den höchsten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_87477/725>, abgerufen am 22.12.2024.