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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Erstes Vierteljahr.

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Blücher und Bismarck

ultramontanen, also alle wirklich großen Dichter verbannen. Vereinigung der
Konfessionen, eine deutsche Natioualkirche, ist nicht notwendig, nicht wünschens¬
wert; aber Verständigung, gegenseitige Achtung und freundschaftlicher Verkehr
sind notwendig zum Gedeihen des Vaterlandes. Die großen protestantischen
Philosophen und Geschichtschreiber unsers Volks haben für die Verständigung
den Boden bereitet, indem sie die Konfessionen als notwendige Produkte der
historischen Entwicklung begreifen lehren. Die neueste Polemik gegen Rom
stört den Fortgang der Verständigung, indem sie zu der überwundnen An¬
schauung, das Papsttum sei etwas Nichtseinsollendes, sei "vom Teufel gestift,"
zurückkehren. Dadurch machen sie es den Katholiken bis zur Unmöglichkeit
schwer, den Protestanten im Erkenntnisfortschritt nachzukommen. Das wird den
Katholiken an sich schon schwer genug, weil die scholastische Glaubenslehre ein
so logisch vollkommnes Ganze ist, daß sie wähnen, es müsse das ganze Gebäude
zusammenbrechen, wenn auch nur ein Stein herausgenommen wird. Ihre Ge¬
müter werden geneigter werden, auf die Beweisführungen anständiger Gegner
zu hören, wenn sie sich in den Gedanken gefunden haben werden, daß die
weltliche Herrschaft des Papstes, die noch nicht ganz aber beinahe ein Dogma
war, und zu deren Stützung das Vatikanum hauptsächlich unternommen
worden zu sein scheint, auf immer verloren ist, und wenn dadurch die Stellung
des Papstes in der Welt von Grund aus verändert sein wird. Man störe
diese Entwicklung nicht zum zweitenmal dadurch, daß man, wie von 1872 an,
die deutschen Katholiken durch einen Existenzkampf zur verzweifelten Gegen¬
wehr zwingt und dadurch alles ruhigen, anhaltenden und gründlichen Nach¬
d C. I. enkens über die großen religiösen Fragen überhebt.




Blücher und Bismarck
G. v. Bismarck i von n Dessau

n Berlin erheben sich auf zwei geschichtlich wichtig gewordnen
Plätzen die Standbilder zweier großer Männer. Das eine ist mir
unscheinbar, auch ragt es unter den Statuen andrer Helden aus
den Befreiungskriegen, die es umgeben, gar nicht weiter hervor.
Nur sein bevorzugter Standort am Abschlüsse der vis, trivurixkg,ki8,
fast gegenüber dem zur Nuhmeshalle umgewandelten Zeughause, hat dem Denk¬
mal Blüchers nachträglich seine tiefere Bedeutung verliehen. Noch mehr die
Nachbarschaft eines Nationalheiligtums. Denn wie ein vermittelndes Verbindungs¬
glied ragt aus alten ruhmreichen Tagen Preußens das anspruchslose Wohnhaus
des schlichten und doch so groß denkenden ersten Kaisers des neuen Deutschlands,
der ja noch ein Zeitgenosse Blüchers war, in ein neueres, ebenso lorbecrreiches
Zeitalter hinein, das so treffend mit seinem Namen bezeichnet wird. War er es
doch, der an den fast abgerissenen Faden nationaler Hoffnungen anknüpfend,
deren Verwirklichung zuerst wieder anbahnte und dann ermöglichte, indem sein


Blücher und Bismarck

ultramontanen, also alle wirklich großen Dichter verbannen. Vereinigung der
Konfessionen, eine deutsche Natioualkirche, ist nicht notwendig, nicht wünschens¬
wert; aber Verständigung, gegenseitige Achtung und freundschaftlicher Verkehr
sind notwendig zum Gedeihen des Vaterlandes. Die großen protestantischen
Philosophen und Geschichtschreiber unsers Volks haben für die Verständigung
den Boden bereitet, indem sie die Konfessionen als notwendige Produkte der
historischen Entwicklung begreifen lehren. Die neueste Polemik gegen Rom
stört den Fortgang der Verständigung, indem sie zu der überwundnen An¬
schauung, das Papsttum sei etwas Nichtseinsollendes, sei „vom Teufel gestift,"
zurückkehren. Dadurch machen sie es den Katholiken bis zur Unmöglichkeit
schwer, den Protestanten im Erkenntnisfortschritt nachzukommen. Das wird den
Katholiken an sich schon schwer genug, weil die scholastische Glaubenslehre ein
so logisch vollkommnes Ganze ist, daß sie wähnen, es müsse das ganze Gebäude
zusammenbrechen, wenn auch nur ein Stein herausgenommen wird. Ihre Ge¬
müter werden geneigter werden, auf die Beweisführungen anständiger Gegner
zu hören, wenn sie sich in den Gedanken gefunden haben werden, daß die
weltliche Herrschaft des Papstes, die noch nicht ganz aber beinahe ein Dogma
war, und zu deren Stützung das Vatikanum hauptsächlich unternommen
worden zu sein scheint, auf immer verloren ist, und wenn dadurch die Stellung
des Papstes in der Welt von Grund aus verändert sein wird. Man störe
diese Entwicklung nicht zum zweitenmal dadurch, daß man, wie von 1872 an,
die deutschen Katholiken durch einen Existenzkampf zur verzweifelten Gegen¬
wehr zwingt und dadurch alles ruhigen, anhaltenden und gründlichen Nach¬
d C. I. enkens über die großen religiösen Fragen überhebt.




Blücher und Bismarck
G. v. Bismarck i von n Dessau

n Berlin erheben sich auf zwei geschichtlich wichtig gewordnen
Plätzen die Standbilder zweier großer Männer. Das eine ist mir
unscheinbar, auch ragt es unter den Statuen andrer Helden aus
den Befreiungskriegen, die es umgeben, gar nicht weiter hervor.
Nur sein bevorzugter Standort am Abschlüsse der vis, trivurixkg,ki8,
fast gegenüber dem zur Nuhmeshalle umgewandelten Zeughause, hat dem Denk¬
mal Blüchers nachträglich seine tiefere Bedeutung verliehen. Noch mehr die
Nachbarschaft eines Nationalheiligtums. Denn wie ein vermittelndes Verbindungs¬
glied ragt aus alten ruhmreichen Tagen Preußens das anspruchslose Wohnhaus
des schlichten und doch so groß denkenden ersten Kaisers des neuen Deutschlands,
der ja noch ein Zeitgenosse Blüchers war, in ein neueres, ebenso lorbecrreiches
Zeitalter hinein, das so treffend mit seinem Namen bezeichnet wird. War er es
doch, der an den fast abgerissenen Faden nationaler Hoffnungen anknüpfend,
deren Verwirklichung zuerst wieder anbahnte und dann ermöglichte, indem sein


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[0663] Blücher und Bismarck ultramontanen, also alle wirklich großen Dichter verbannen. Vereinigung der Konfessionen, eine deutsche Natioualkirche, ist nicht notwendig, nicht wünschens¬ wert; aber Verständigung, gegenseitige Achtung und freundschaftlicher Verkehr sind notwendig zum Gedeihen des Vaterlandes. Die großen protestantischen Philosophen und Geschichtschreiber unsers Volks haben für die Verständigung den Boden bereitet, indem sie die Konfessionen als notwendige Produkte der historischen Entwicklung begreifen lehren. Die neueste Polemik gegen Rom stört den Fortgang der Verständigung, indem sie zu der überwundnen An¬ schauung, das Papsttum sei etwas Nichtseinsollendes, sei „vom Teufel gestift," zurückkehren. Dadurch machen sie es den Katholiken bis zur Unmöglichkeit schwer, den Protestanten im Erkenntnisfortschritt nachzukommen. Das wird den Katholiken an sich schon schwer genug, weil die scholastische Glaubenslehre ein so logisch vollkommnes Ganze ist, daß sie wähnen, es müsse das ganze Gebäude zusammenbrechen, wenn auch nur ein Stein herausgenommen wird. Ihre Ge¬ müter werden geneigter werden, auf die Beweisführungen anständiger Gegner zu hören, wenn sie sich in den Gedanken gefunden haben werden, daß die weltliche Herrschaft des Papstes, die noch nicht ganz aber beinahe ein Dogma war, und zu deren Stützung das Vatikanum hauptsächlich unternommen worden zu sein scheint, auf immer verloren ist, und wenn dadurch die Stellung des Papstes in der Welt von Grund aus verändert sein wird. Man störe diese Entwicklung nicht zum zweitenmal dadurch, daß man, wie von 1872 an, die deutschen Katholiken durch einen Existenzkampf zur verzweifelten Gegen¬ wehr zwingt und dadurch alles ruhigen, anhaltenden und gründlichen Nach¬ d C. I. enkens über die großen religiösen Fragen überhebt. Blücher und Bismarck G. v. Bismarck i von n Dessau n Berlin erheben sich auf zwei geschichtlich wichtig gewordnen Plätzen die Standbilder zweier großer Männer. Das eine ist mir unscheinbar, auch ragt es unter den Statuen andrer Helden aus den Befreiungskriegen, die es umgeben, gar nicht weiter hervor. Nur sein bevorzugter Standort am Abschlüsse der vis, trivurixkg,ki8, fast gegenüber dem zur Nuhmeshalle umgewandelten Zeughause, hat dem Denk¬ mal Blüchers nachträglich seine tiefere Bedeutung verliehen. Noch mehr die Nachbarschaft eines Nationalheiligtums. Denn wie ein vermittelndes Verbindungs¬ glied ragt aus alten ruhmreichen Tagen Preußens das anspruchslose Wohnhaus des schlichten und doch so groß denkenden ersten Kaisers des neuen Deutschlands, der ja noch ein Zeitgenosse Blüchers war, in ein neueres, ebenso lorbecrreiches Zeitalter hinein, das so treffend mit seinem Namen bezeichnet wird. War er es doch, der an den fast abgerissenen Faden nationaler Hoffnungen anknüpfend, deren Verwirklichung zuerst wieder anbahnte und dann ermöglichte, indem sein

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_87477/663>, abgerufen am 23.07.2024.