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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Erstes Vierteljahr.

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Herrenmenschen

metheus sein? Das ist ein Ruppscick, der darum nicht schöner aussieht, weil er
seine Lumpen ausgezogen hat. Wie ein Prometheus ausgesehen haben kann, das
haben uns die Griechen gesagt; wie so ein klotziger pommerscher Kerl ganz
gewiß nicht.

Wirf zehn deiner klassisch gezeichneten Figuren zusammen, rief Pogge, du
kriegst noch nicht einen halben Prometheus heraus wie diesen. Herr Doktor, was
meinen Sie? wandte er sich an Doktor Ramborn.

Doktor Ramborn setzte seinen Kneifer auf und sagte: Wenn mir gestattet ist,
ein Urteil zu äußern, so muß ich allerdings gegen Schwechting Partei ergreifen.
Dieser Prometheus ist nicht der alte Göttersohn, der einst das Feuer vom Himmel
brachte, sondern der Menschensohn, der nun das Licht bringt.

Und dazu muß er aussehen wie ein Hausknecht? warf Schwechting ein.

Nicht doch, fuhr der Doktor fort. Sie haben ja selbst schon das Wort aus¬
gesprochen, auf das es hier ankommt. Dieser Prometheus ist der Übermensch. Die
Fackel in seiner Hand ist das Licht des durchschauenden Erkennens. Die am Boden
Liegenden sind die Vielzuvielen, über die er erhabnen Mutes, lachenden Mundes
hinwegschreitet. Denken Sie es sich möglich, daß man die stahlharte Lehre von der
Herrschaft des Übermenschen in wohlgebauten Oktaven und klingenden Reimen dar¬
stellen könnte? Dazu gehören Sätze wie Hammerschläge: Also sprach Zarathustra!
Können Sie sich einen Propheten denken, der seine Weissagung in elegantem
Französisch spricht, oder einen Herkules im Krokusjäckchen? Durfte Strunk hier
durch schöne Form und Farbe --

Farbenlimonade, schaltete Staffelsteiger ein.

-- die herbe Größe seines Gedankens verschleiern? Was sind schöne Formen?
Blumen zu unsern Füßen. Wir befinden uns hier jenseits von --

Von Gut und Böse, sagte Staffelsteiger, der ungewöhnlich beredt war.

Verzeihung, erwiderte Ramborn, von Schön und Häßlich. Formen sind stumme
Kreaturen. Erst der Geist in ihnen macht sie reden. Sobald sie aber zu reden
anfangen, vergessen sie, wie sie gestaltet sind. So ists, sagen sie, nicht: so sieht
es aus. Die Wahrheit ist unerbittlich nackt. Was uns hier Prometheus zu sagen
hat, ist die Offenbarung der letzten Dinge, ist die Predigt von der Allmacht des
Willens. Er trägt seine Offenbarung in Händen, sie leuchtet von seiner Fackel.
Er schreitet vorwärts in dem Rhythmus eines Heldengedichts, er schreitet hinweg
über alles, was nicht schreiten kann, wie er selbst. Was kommt darauf an, ob dieser
Prometheus schöne Glieder hat, wenn nur die Kraft seines Wesens, das helden¬
hafte Schreiten selbstherrlichen Wollens in ihm verkörpert ist.

Dann kommt es wohl auch nicht darauf an, sagte Schwechting, daß dieser
Selbstherr der armen Frauensperson da am Boden in die Visage tritt?

Es kommt nicht darauf an.

Na, ich danke. Ohne Mitleid immer hinein in die Visage.

Warum Mitleid? Mitleid macht teilhaftig an dem Leide des andern. Mitleid
erniedrigt den, der es fühlt.

Also kein Erbarmen, keine Nächstenliebe, keine Menschenpflicht, Hilfe zu leisten
und den aufzurichten, der am Boden liegt?

Warum? Das sind diesseitige Dinge.

Hören Sie, Doktor, sagte Schwechting, ich finde den Gedanken Ihres Pro¬
metheus gerade so scheußlich wie seine Darstellung.

Ich will es nicht schelten, erwiderte der Doktor, wenn sich die Kleinen eine
Moral der Nächstenliebe machen, sie brauchen sie ja. Aber der Herrenmensch hat
seine Herrenmoral. Man muß mit den Blicken nicht an den Dingen des Vorder¬
grundes haften bleiben, sondern in die ewige Ferne schauen. Dort liegt der Augen-
Punkt. Was dieses oder jenes Volk für Recht oder Unrecht, edel oder gemein ge¬
halten hat, was dieser oder jener Religionsstifter für die ewige Wahrheit ausgegeben
hat, das kommt und geht, das wechselt wie die Jahreszeit. Das bleibt, was im


Herrenmenschen

metheus sein? Das ist ein Ruppscick, der darum nicht schöner aussieht, weil er
seine Lumpen ausgezogen hat. Wie ein Prometheus ausgesehen haben kann, das
haben uns die Griechen gesagt; wie so ein klotziger pommerscher Kerl ganz
gewiß nicht.

Wirf zehn deiner klassisch gezeichneten Figuren zusammen, rief Pogge, du
kriegst noch nicht einen halben Prometheus heraus wie diesen. Herr Doktor, was
meinen Sie? wandte er sich an Doktor Ramborn.

Doktor Ramborn setzte seinen Kneifer auf und sagte: Wenn mir gestattet ist,
ein Urteil zu äußern, so muß ich allerdings gegen Schwechting Partei ergreifen.
Dieser Prometheus ist nicht der alte Göttersohn, der einst das Feuer vom Himmel
brachte, sondern der Menschensohn, der nun das Licht bringt.

Und dazu muß er aussehen wie ein Hausknecht? warf Schwechting ein.

Nicht doch, fuhr der Doktor fort. Sie haben ja selbst schon das Wort aus¬
gesprochen, auf das es hier ankommt. Dieser Prometheus ist der Übermensch. Die
Fackel in seiner Hand ist das Licht des durchschauenden Erkennens. Die am Boden
Liegenden sind die Vielzuvielen, über die er erhabnen Mutes, lachenden Mundes
hinwegschreitet. Denken Sie es sich möglich, daß man die stahlharte Lehre von der
Herrschaft des Übermenschen in wohlgebauten Oktaven und klingenden Reimen dar¬
stellen könnte? Dazu gehören Sätze wie Hammerschläge: Also sprach Zarathustra!
Können Sie sich einen Propheten denken, der seine Weissagung in elegantem
Französisch spricht, oder einen Herkules im Krokusjäckchen? Durfte Strunk hier
durch schöne Form und Farbe —

Farbenlimonade, schaltete Staffelsteiger ein.

— die herbe Größe seines Gedankens verschleiern? Was sind schöne Formen?
Blumen zu unsern Füßen. Wir befinden uns hier jenseits von —

Von Gut und Böse, sagte Staffelsteiger, der ungewöhnlich beredt war.

Verzeihung, erwiderte Ramborn, von Schön und Häßlich. Formen sind stumme
Kreaturen. Erst der Geist in ihnen macht sie reden. Sobald sie aber zu reden
anfangen, vergessen sie, wie sie gestaltet sind. So ists, sagen sie, nicht: so sieht
es aus. Die Wahrheit ist unerbittlich nackt. Was uns hier Prometheus zu sagen
hat, ist die Offenbarung der letzten Dinge, ist die Predigt von der Allmacht des
Willens. Er trägt seine Offenbarung in Händen, sie leuchtet von seiner Fackel.
Er schreitet vorwärts in dem Rhythmus eines Heldengedichts, er schreitet hinweg
über alles, was nicht schreiten kann, wie er selbst. Was kommt darauf an, ob dieser
Prometheus schöne Glieder hat, wenn nur die Kraft seines Wesens, das helden¬
hafte Schreiten selbstherrlichen Wollens in ihm verkörpert ist.

Dann kommt es wohl auch nicht darauf an, sagte Schwechting, daß dieser
Selbstherr der armen Frauensperson da am Boden in die Visage tritt?

Es kommt nicht darauf an.

Na, ich danke. Ohne Mitleid immer hinein in die Visage.

Warum Mitleid? Mitleid macht teilhaftig an dem Leide des andern. Mitleid
erniedrigt den, der es fühlt.

Also kein Erbarmen, keine Nächstenliebe, keine Menschenpflicht, Hilfe zu leisten
und den aufzurichten, der am Boden liegt?

Warum? Das sind diesseitige Dinge.

Hören Sie, Doktor, sagte Schwechting, ich finde den Gedanken Ihres Pro¬
metheus gerade so scheußlich wie seine Darstellung.

Ich will es nicht schelten, erwiderte der Doktor, wenn sich die Kleinen eine
Moral der Nächstenliebe machen, sie brauchen sie ja. Aber der Herrenmensch hat
seine Herrenmoral. Man muß mit den Blicken nicht an den Dingen des Vorder¬
grundes haften bleiben, sondern in die ewige Ferne schauen. Dort liegt der Augen-
Punkt. Was dieses oder jenes Volk für Recht oder Unrecht, edel oder gemein ge¬
halten hat, was dieser oder jener Religionsstifter für die ewige Wahrheit ausgegeben
hat, das kommt und geht, das wechselt wie die Jahreszeit. Das bleibt, was im


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[0627] Herrenmenschen metheus sein? Das ist ein Ruppscick, der darum nicht schöner aussieht, weil er seine Lumpen ausgezogen hat. Wie ein Prometheus ausgesehen haben kann, das haben uns die Griechen gesagt; wie so ein klotziger pommerscher Kerl ganz gewiß nicht. Wirf zehn deiner klassisch gezeichneten Figuren zusammen, rief Pogge, du kriegst noch nicht einen halben Prometheus heraus wie diesen. Herr Doktor, was meinen Sie? wandte er sich an Doktor Ramborn. Doktor Ramborn setzte seinen Kneifer auf und sagte: Wenn mir gestattet ist, ein Urteil zu äußern, so muß ich allerdings gegen Schwechting Partei ergreifen. Dieser Prometheus ist nicht der alte Göttersohn, der einst das Feuer vom Himmel brachte, sondern der Menschensohn, der nun das Licht bringt. Und dazu muß er aussehen wie ein Hausknecht? warf Schwechting ein. Nicht doch, fuhr der Doktor fort. Sie haben ja selbst schon das Wort aus¬ gesprochen, auf das es hier ankommt. Dieser Prometheus ist der Übermensch. Die Fackel in seiner Hand ist das Licht des durchschauenden Erkennens. Die am Boden Liegenden sind die Vielzuvielen, über die er erhabnen Mutes, lachenden Mundes hinwegschreitet. Denken Sie es sich möglich, daß man die stahlharte Lehre von der Herrschaft des Übermenschen in wohlgebauten Oktaven und klingenden Reimen dar¬ stellen könnte? Dazu gehören Sätze wie Hammerschläge: Also sprach Zarathustra! Können Sie sich einen Propheten denken, der seine Weissagung in elegantem Französisch spricht, oder einen Herkules im Krokusjäckchen? Durfte Strunk hier durch schöne Form und Farbe — Farbenlimonade, schaltete Staffelsteiger ein. — die herbe Größe seines Gedankens verschleiern? Was sind schöne Formen? Blumen zu unsern Füßen. Wir befinden uns hier jenseits von — Von Gut und Böse, sagte Staffelsteiger, der ungewöhnlich beredt war. Verzeihung, erwiderte Ramborn, von Schön und Häßlich. Formen sind stumme Kreaturen. Erst der Geist in ihnen macht sie reden. Sobald sie aber zu reden anfangen, vergessen sie, wie sie gestaltet sind. So ists, sagen sie, nicht: so sieht es aus. Die Wahrheit ist unerbittlich nackt. Was uns hier Prometheus zu sagen hat, ist die Offenbarung der letzten Dinge, ist die Predigt von der Allmacht des Willens. Er trägt seine Offenbarung in Händen, sie leuchtet von seiner Fackel. Er schreitet vorwärts in dem Rhythmus eines Heldengedichts, er schreitet hinweg über alles, was nicht schreiten kann, wie er selbst. Was kommt darauf an, ob dieser Prometheus schöne Glieder hat, wenn nur die Kraft seines Wesens, das helden¬ hafte Schreiten selbstherrlichen Wollens in ihm verkörpert ist. Dann kommt es wohl auch nicht darauf an, sagte Schwechting, daß dieser Selbstherr der armen Frauensperson da am Boden in die Visage tritt? Es kommt nicht darauf an. Na, ich danke. Ohne Mitleid immer hinein in die Visage. Warum Mitleid? Mitleid macht teilhaftig an dem Leide des andern. Mitleid erniedrigt den, der es fühlt. Also kein Erbarmen, keine Nächstenliebe, keine Menschenpflicht, Hilfe zu leisten und den aufzurichten, der am Boden liegt? Warum? Das sind diesseitige Dinge. Hören Sie, Doktor, sagte Schwechting, ich finde den Gedanken Ihres Pro¬ metheus gerade so scheußlich wie seine Darstellung. Ich will es nicht schelten, erwiderte der Doktor, wenn sich die Kleinen eine Moral der Nächstenliebe machen, sie brauchen sie ja. Aber der Herrenmensch hat seine Herrenmoral. Man muß mit den Blicken nicht an den Dingen des Vorder¬ grundes haften bleiben, sondern in die ewige Ferne schauen. Dort liegt der Augen- Punkt. Was dieses oder jenes Volk für Recht oder Unrecht, edel oder gemein ge¬ halten hat, was dieser oder jener Religionsstifter für die ewige Wahrheit ausgegeben hat, das kommt und geht, das wechselt wie die Jahreszeit. Das bleibt, was im

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_87477/627>, abgerufen am 22.12.2024.