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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Erstes Vierteljahr.

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zu verteidigen. Die Macht, die mit Rußland fertig geworden ist, wird von
Holland nicht im Zaum gehalten werden. Die Sicherheit des holländisch-
indischen Reichs liegt allein in dem Interesse der andern Großmächte an seiner
Erhaltung; und dies dürfte in der Tat ausreichen, die Japaner abzuwehren.
England ist sogar durch den Hinblick auf Jndien dringend genötigt, Hollands
Kolonialbesitz gegen japanische Wegnahme zu schützen. Wo bliebe sein eignes
Prestige in seinem riesigen hindostanischen Reiche, wenn ein asiatisches Volk zu
einer solchen Machtentmickluug in der Nähe Indiens gelangte?

Man braucht nicht einmal zu warten, bis so etwas in eine reale Aussicht
tritt. Alle europäisch-amerikanischen Völker haben ein großes Interesse daran,
nicht einmal eine wirtschaftliche Vormundschaft Japans in China aufkommen
zu lassen. Nach den Engländern haben die Deutschen und die Amerikaner die
größte Ausfuhr nach China. Sie müssen zusammenstehn, um oxsn äoor zu
erhalten. Mit dieser Parole zog Japan in den Krieg.

Sollte es nach dem Kriege notwendig sein, den Grundsatz der offnen Tür,
der Gleichberechtigung des Handels aller Nationen gegen Japan zu verteidigen,
s F. o wird es ihnen hoffentlich an Einigkeit nicht fehlen.




Iesuitensrage und konfessionelle Polemik

!vktor Viktor Naumann, der sich dem Publikum als liberalen
Protestanten vorstellt, hat unter dem Pseudonym Pilatus in
der Augsburger Postzeitung eine Reihe von "Fehdebriefen"
veröffentlicht und 1903 bei G. I. Manz in Regensburg unter
!dem Titel (juo8 sZo! in Buchform herausgegeben, worin er
dem Grafen Hoensbroech eine große Zahl -- gelinde ausgedrückt -- unge¬
nauer Zitate nachweist. Wie er im Vorwort versichert und auch in einem
Schreiben an mich, zu dem ihn meine Haltung im Jesuitenstreit veranlaßte,
beteuert, hat ihn zu der weder leichten noch angenehmen Arbeit nichts be¬
stimmt als seine Empörung über die ungeheuerliche Verletzung der Gerechtig¬
keit und der geschichtlichen Wahrheit. Die Arbeit hat ihn tief in die jesuitische
und die antijesuitische Literatur hineingeführt -- er verfügt auch ohne diese
über eine erstaunliche theologische Gelehrsamkeit --, und die von ihm be¬
wältigten gegen 1700 Nummern benutzt er nun, in einer zweiten Brieffolgc
die Geschichte des Ignatius von Loyola, die Stiftung und die Grundsätze der
"Kompagnie," die Geschichte der Angriffe auf sie darzustellen und die wichtigsten
der Streitschriften beider Lager zu charakterisieren. Er hat dann auch diese
Briefe für die Buchausgabe umgearbeitet und (bei Manz 1905) unter dem
Titel Der Jesuitismus herausgegeben. Die ungeheure Stoffmasse war
natürlich nicht leicht zu formen. Hätte er noch ein oder zwei Jahre auf die
Ausarbeitung verwandt, so würde das Werk wohl wirkungsvoller ausgefallen
sein. So wie es jetzt ist, sind ihm Duhrs Jesuitenfabeln für den praktischen


zu verteidigen. Die Macht, die mit Rußland fertig geworden ist, wird von
Holland nicht im Zaum gehalten werden. Die Sicherheit des holländisch-
indischen Reichs liegt allein in dem Interesse der andern Großmächte an seiner
Erhaltung; und dies dürfte in der Tat ausreichen, die Japaner abzuwehren.
England ist sogar durch den Hinblick auf Jndien dringend genötigt, Hollands
Kolonialbesitz gegen japanische Wegnahme zu schützen. Wo bliebe sein eignes
Prestige in seinem riesigen hindostanischen Reiche, wenn ein asiatisches Volk zu
einer solchen Machtentmickluug in der Nähe Indiens gelangte?

Man braucht nicht einmal zu warten, bis so etwas in eine reale Aussicht
tritt. Alle europäisch-amerikanischen Völker haben ein großes Interesse daran,
nicht einmal eine wirtschaftliche Vormundschaft Japans in China aufkommen
zu lassen. Nach den Engländern haben die Deutschen und die Amerikaner die
größte Ausfuhr nach China. Sie müssen zusammenstehn, um oxsn äoor zu
erhalten. Mit dieser Parole zog Japan in den Krieg.

Sollte es nach dem Kriege notwendig sein, den Grundsatz der offnen Tür,
der Gleichberechtigung des Handels aller Nationen gegen Japan zu verteidigen,
s F. o wird es ihnen hoffentlich an Einigkeit nicht fehlen.




Iesuitensrage und konfessionelle Polemik

!vktor Viktor Naumann, der sich dem Publikum als liberalen
Protestanten vorstellt, hat unter dem Pseudonym Pilatus in
der Augsburger Postzeitung eine Reihe von „Fehdebriefen"
veröffentlicht und 1903 bei G. I. Manz in Regensburg unter
!dem Titel (juo8 sZo! in Buchform herausgegeben, worin er
dem Grafen Hoensbroech eine große Zahl — gelinde ausgedrückt — unge¬
nauer Zitate nachweist. Wie er im Vorwort versichert und auch in einem
Schreiben an mich, zu dem ihn meine Haltung im Jesuitenstreit veranlaßte,
beteuert, hat ihn zu der weder leichten noch angenehmen Arbeit nichts be¬
stimmt als seine Empörung über die ungeheuerliche Verletzung der Gerechtig¬
keit und der geschichtlichen Wahrheit. Die Arbeit hat ihn tief in die jesuitische
und die antijesuitische Literatur hineingeführt — er verfügt auch ohne diese
über eine erstaunliche theologische Gelehrsamkeit —, und die von ihm be¬
wältigten gegen 1700 Nummern benutzt er nun, in einer zweiten Brieffolgc
die Geschichte des Ignatius von Loyola, die Stiftung und die Grundsätze der
„Kompagnie," die Geschichte der Angriffe auf sie darzustellen und die wichtigsten
der Streitschriften beider Lager zu charakterisieren. Er hat dann auch diese
Briefe für die Buchausgabe umgearbeitet und (bei Manz 1905) unter dem
Titel Der Jesuitismus herausgegeben. Die ungeheure Stoffmasse war
natürlich nicht leicht zu formen. Hätte er noch ein oder zwei Jahre auf die
Ausarbeitung verwandt, so würde das Werk wohl wirkungsvoller ausgefallen
sein. So wie es jetzt ist, sind ihm Duhrs Jesuitenfabeln für den praktischen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_87477/591>, abgerufen am 23.07.2024.