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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Erstes Vierteljahr.

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Zum Andenken

weiteres Menschenmaterial zu opfern. Dagegen war an ihm nichts von Un¬
ruhe oder Überhastung beim Eingang der von allen Seiten anlangenden Mel¬
dungen zu bemerken: er fragte deren Überbringer mit peinlichster Genauigkeit
über das, was sie wissen konnten, aus, schützte einen eben auf schweißbedeckten
Pferde bei ihm angelangten Adjutanten vor der Erteilung einer leichtsinnigen
Antwort, indem er einem höhern Artillerieoffizier, der sich an diesen Offizier mit
der Frage gewandt hatte, ob man nicht zur Verstärkung des Angriffs eine
Batterie vorziehn könne, gutmütig sagte: Wie kann denn...........das
wissen? und erteilte nach reiflicher Überlegung und nach Rücksprache mit seinem
Stabschef die nötigen Befehle ebenso sicher und ruhig, als hielte er auf dem
Exerzierplatz einer Friedensgarnison.

Der Erfolg des Gefechts war, daß man trotz den wiederholt unternommnen
Vorstoßen die Franzosen bei ihrer großen Überzahl nur teilweise aus ihren
Stellungen und auch da nur bis an den Rand der Marneabhänge hatte zurück¬
drängen können. Als die inzwischen eingebrochne Dunkelheit für diesen Tag
dem Gefecht ein Ende gemacht hatte, ließ sich der Prinz noch an demselben
Abend über den Verlauf der einzelnen Kompagniegefechte von dem zu ihm be-
fohlnen Regimentsadjutanten ausführlichen mündlichen Bericht erstatten, und es
war erstaunlich, zu hören, wie er bis zum jüngsten Leutnant hinab an dem
Schicksal eines jeden, auch wenn es sich nur um eine leichte Verwundung han¬
delte, den regsten Anteil nahm. Der und Befehlen für den Oberst entlassene
Adjutant mußte zu zwei verschiednen malen zu dem Prinzen zurückgerufen
werden, weil diesem noch die eine oder die andre Persönlichkeit eingefallen war,
nach deren Verbleib er sich zu erkundigen wünschte. Einem an demselben Abend
oder am nächsten Morgen in aller Frühe abgesandten Telegramm an seine
Gemahlin fügte der Prinz, da er wußte, daß diese Gelegenheit haben würde,
die Angehörigen des eben erwähnten Adjutanten zu sprechen, die Bemerkung
bei:...........ist unversehrt.

Bekanntlich gingen die Franzosen in der Nacht vom nächsten zum über¬
nächsten Tage über die Marne zurück, da sie sich, wie das französische General¬
stabswerk bemerkt, von der Unausführbarkeit des beabsichtigten Durchbruchs
überzeugt, oder wie sich einer der Schützen (Füsiliere) ausdrückte, "für diesmal
genug hatten."

Besonders zugänglich war der Prinz für einzelne Offiziere des oben¬
gedachten Schützenregiments, zu dessen Chef er bald nach jenem Tage von
Villiers und Bry-sur-Marne ernannt worden war, während einiger Monate,
die er in der ersten Hälfte des Jahres 1871 als Kommandeur eines Teils
der Okkupationsarmee in Laon verbrachte. Seine Gemahlin hatte ihn da auf¬
gesucht, und da er in der Unterpräfektur sehr wohnlich untergebracht war,
wurden einzelne Offiziere des Regiments wiederholt bei ihm zur Tafel geladen,
nach deren Aufhebung das einemal Scharaden aufgeführt wurden, deren eine
sich um die drei Silben des Wortes Pompadour drehte. Der Schützenoffizier,
der bei der Aufführung des "Ganzen" die Marquise darzustellen hatte, war
mit Hilfe eines von der Hofdame der Prinzessin bereitwillig zur Verfügung
gestellten Fächers und der sonst zu seiner Kostümierung nötigen Paraphernalien


Zum Andenken

weiteres Menschenmaterial zu opfern. Dagegen war an ihm nichts von Un¬
ruhe oder Überhastung beim Eingang der von allen Seiten anlangenden Mel¬
dungen zu bemerken: er fragte deren Überbringer mit peinlichster Genauigkeit
über das, was sie wissen konnten, aus, schützte einen eben auf schweißbedeckten
Pferde bei ihm angelangten Adjutanten vor der Erteilung einer leichtsinnigen
Antwort, indem er einem höhern Artillerieoffizier, der sich an diesen Offizier mit
der Frage gewandt hatte, ob man nicht zur Verstärkung des Angriffs eine
Batterie vorziehn könne, gutmütig sagte: Wie kann denn...........das
wissen? und erteilte nach reiflicher Überlegung und nach Rücksprache mit seinem
Stabschef die nötigen Befehle ebenso sicher und ruhig, als hielte er auf dem
Exerzierplatz einer Friedensgarnison.

Der Erfolg des Gefechts war, daß man trotz den wiederholt unternommnen
Vorstoßen die Franzosen bei ihrer großen Überzahl nur teilweise aus ihren
Stellungen und auch da nur bis an den Rand der Marneabhänge hatte zurück¬
drängen können. Als die inzwischen eingebrochne Dunkelheit für diesen Tag
dem Gefecht ein Ende gemacht hatte, ließ sich der Prinz noch an demselben
Abend über den Verlauf der einzelnen Kompagniegefechte von dem zu ihm be-
fohlnen Regimentsadjutanten ausführlichen mündlichen Bericht erstatten, und es
war erstaunlich, zu hören, wie er bis zum jüngsten Leutnant hinab an dem
Schicksal eines jeden, auch wenn es sich nur um eine leichte Verwundung han¬
delte, den regsten Anteil nahm. Der und Befehlen für den Oberst entlassene
Adjutant mußte zu zwei verschiednen malen zu dem Prinzen zurückgerufen
werden, weil diesem noch die eine oder die andre Persönlichkeit eingefallen war,
nach deren Verbleib er sich zu erkundigen wünschte. Einem an demselben Abend
oder am nächsten Morgen in aller Frühe abgesandten Telegramm an seine
Gemahlin fügte der Prinz, da er wußte, daß diese Gelegenheit haben würde,
die Angehörigen des eben erwähnten Adjutanten zu sprechen, die Bemerkung
bei:...........ist unversehrt.

Bekanntlich gingen die Franzosen in der Nacht vom nächsten zum über¬
nächsten Tage über die Marne zurück, da sie sich, wie das französische General¬
stabswerk bemerkt, von der Unausführbarkeit des beabsichtigten Durchbruchs
überzeugt, oder wie sich einer der Schützen (Füsiliere) ausdrückte, „für diesmal
genug hatten."

Besonders zugänglich war der Prinz für einzelne Offiziere des oben¬
gedachten Schützenregiments, zu dessen Chef er bald nach jenem Tage von
Villiers und Bry-sur-Marne ernannt worden war, während einiger Monate,
die er in der ersten Hälfte des Jahres 1871 als Kommandeur eines Teils
der Okkupationsarmee in Laon verbrachte. Seine Gemahlin hatte ihn da auf¬
gesucht, und da er in der Unterpräfektur sehr wohnlich untergebracht war,
wurden einzelne Offiziere des Regiments wiederholt bei ihm zur Tafel geladen,
nach deren Aufhebung das einemal Scharaden aufgeführt wurden, deren eine
sich um die drei Silben des Wortes Pompadour drehte. Der Schützenoffizier,
der bei der Aufführung des „Ganzen" die Marquise darzustellen hatte, war
mit Hilfe eines von der Hofdame der Prinzessin bereitwillig zur Verfügung
gestellten Fächers und der sonst zu seiner Kostümierung nötigen Paraphernalien


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[0534] Zum Andenken weiteres Menschenmaterial zu opfern. Dagegen war an ihm nichts von Un¬ ruhe oder Überhastung beim Eingang der von allen Seiten anlangenden Mel¬ dungen zu bemerken: er fragte deren Überbringer mit peinlichster Genauigkeit über das, was sie wissen konnten, aus, schützte einen eben auf schweißbedeckten Pferde bei ihm angelangten Adjutanten vor der Erteilung einer leichtsinnigen Antwort, indem er einem höhern Artillerieoffizier, der sich an diesen Offizier mit der Frage gewandt hatte, ob man nicht zur Verstärkung des Angriffs eine Batterie vorziehn könne, gutmütig sagte: Wie kann denn...........das wissen? und erteilte nach reiflicher Überlegung und nach Rücksprache mit seinem Stabschef die nötigen Befehle ebenso sicher und ruhig, als hielte er auf dem Exerzierplatz einer Friedensgarnison. Der Erfolg des Gefechts war, daß man trotz den wiederholt unternommnen Vorstoßen die Franzosen bei ihrer großen Überzahl nur teilweise aus ihren Stellungen und auch da nur bis an den Rand der Marneabhänge hatte zurück¬ drängen können. Als die inzwischen eingebrochne Dunkelheit für diesen Tag dem Gefecht ein Ende gemacht hatte, ließ sich der Prinz noch an demselben Abend über den Verlauf der einzelnen Kompagniegefechte von dem zu ihm be- fohlnen Regimentsadjutanten ausführlichen mündlichen Bericht erstatten, und es war erstaunlich, zu hören, wie er bis zum jüngsten Leutnant hinab an dem Schicksal eines jeden, auch wenn es sich nur um eine leichte Verwundung han¬ delte, den regsten Anteil nahm. Der und Befehlen für den Oberst entlassene Adjutant mußte zu zwei verschiednen malen zu dem Prinzen zurückgerufen werden, weil diesem noch die eine oder die andre Persönlichkeit eingefallen war, nach deren Verbleib er sich zu erkundigen wünschte. Einem an demselben Abend oder am nächsten Morgen in aller Frühe abgesandten Telegramm an seine Gemahlin fügte der Prinz, da er wußte, daß diese Gelegenheit haben würde, die Angehörigen des eben erwähnten Adjutanten zu sprechen, die Bemerkung bei:...........ist unversehrt. Bekanntlich gingen die Franzosen in der Nacht vom nächsten zum über¬ nächsten Tage über die Marne zurück, da sie sich, wie das französische General¬ stabswerk bemerkt, von der Unausführbarkeit des beabsichtigten Durchbruchs überzeugt, oder wie sich einer der Schützen (Füsiliere) ausdrückte, „für diesmal genug hatten." Besonders zugänglich war der Prinz für einzelne Offiziere des oben¬ gedachten Schützenregiments, zu dessen Chef er bald nach jenem Tage von Villiers und Bry-sur-Marne ernannt worden war, während einiger Monate, die er in der ersten Hälfte des Jahres 1871 als Kommandeur eines Teils der Okkupationsarmee in Laon verbrachte. Seine Gemahlin hatte ihn da auf¬ gesucht, und da er in der Unterpräfektur sehr wohnlich untergebracht war, wurden einzelne Offiziere des Regiments wiederholt bei ihm zur Tafel geladen, nach deren Aufhebung das einemal Scharaden aufgeführt wurden, deren eine sich um die drei Silben des Wortes Pompadour drehte. Der Schützenoffizier, der bei der Aufführung des „Ganzen" die Marquise darzustellen hatte, war mit Hilfe eines von der Hofdame der Prinzessin bereitwillig zur Verfügung gestellten Fächers und der sonst zu seiner Kostümierung nötigen Paraphernalien

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_87477/534>, abgerufen am 23.12.2024.