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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Erstes Vierteljahr.

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Im alten Brüssel

deckt ist; mich ist es nur ein sogenanntes Kenotaphium: denn sein Leib wurde in
der Dresdner Frauenkirche beigesetzt. Aber es schien doch seinen Hinterlassen""
wünschenswert, daß auch in der alten Geschlechtskapelle seiner gedacht werde.

9 und 11. Dieselbe Pietät hat auch für zwei wackre Streiter, die weit von
der Heimat sür das Evangelium ihr Blut verspritzten und in fremder Erde ruhen,
hier Denkmäler errichtet: für Michel von Schleinitz auf Seerhausen, den Hofmarschall
und Berghauptmann des Erzgebirges, der 1553 an der Seite seines Kurfürsten
Moritz bei Sievershausen fiel, und für Hcmbvld (11), der am 20. Dezember 1562
bei Dreux in Frankreich als ein Parteigänger der Hugenotten den Heldentod starb.
Michels Kenotaphium ist links von der Tür, Hcmbolds Denkmal an der entgegen¬
gesetzten Wand an der linken Emporentreppe. Von rührender Schlichtheit, fern
von aller Ruhmredigkeit sind die Inschriften. Unter dem Steinbilde des knienden
Michel steht: "Nach Christi unsers Herrn Geburt NVI.III ist der gestreng und
ehrenfest Michel von Schleinitz in der Schlacht im Ampt Peinen bei Hildesheim
erschossen worden, leit zu Sievershausen in der Kirche begraben, ist geschehen den
neunten Tag des Heumanden, seines Alters im XI. V Jahr."

Haubold, eine schlauke, noch ganz jugendliche Rittergestalt, steht aufrecht und
schaut auf einen Kruzifixus hin; daneben sieht man ein französisches Zeltlager und
eine Festung. Darunter steht:

Endlich ruht hier der 1594 gestorbne letzte Besitzer des Stammhauses,
Abraham (12), dessen leider sehr beschädigtes Monument neben dem Haubolds steht,
und der 1654 in Jahna bei Meißen gestorbne Oberst Heinrich von Schleinitz (13),
dessen rcichgegliedertes Denkmal aus schwarzem Holz mit vielen Figuren und bunter
Malerei über der Kapellentür befestigt ist.

Eine Schleimtzische Stiftung ist auch die schöne, aus Holz geschnitzte, leider
meist mit Tuch verhängte Kanzel der Afrakirche. Sie ist im Jahre 1657 durch
Felicitas vou Schleinitz erbaut worden, die Witwe des 1635 gestorbnen Hans
Georg auf Graupzig, der Inspektor der Meißner Landesschule war. Die Kanzel
zeigt in guter Arbeit die Figuren der Stifterin und ihrer Familie in den bunten,
malerischen Trachten des siebzehnten Jahrhunderts.

(Schluß folgt)




Im alten Brüssel
Llara Höhrath von(Schluß)
24

uf der heiligen alten Grand Place ist es Feiertag. Verschwunden
find alle Blumenstaude, bunte Konfettis Wirbeln im Spiel mit dem
Wind über den großen, rein gefegten Platz, an dessen östlichem
Ende in einsamer Größe ein rot und goldner, Pflanzenumbauter
Altar aufragt. Die alten, uralten Gildenhäuser sehen jung und
protzig drein in ihrer glitzernden Goldverbrämuug, mit der sich
lachend die Sounenstrahlen küssen.

Von fernher nähert sich die Musik, die getragne, volltönige Kirchenmusik, die


Im alten Brüssel

deckt ist; mich ist es nur ein sogenanntes Kenotaphium: denn sein Leib wurde in
der Dresdner Frauenkirche beigesetzt. Aber es schien doch seinen Hinterlassen«»
wünschenswert, daß auch in der alten Geschlechtskapelle seiner gedacht werde.

9 und 11. Dieselbe Pietät hat auch für zwei wackre Streiter, die weit von
der Heimat sür das Evangelium ihr Blut verspritzten und in fremder Erde ruhen,
hier Denkmäler errichtet: für Michel von Schleinitz auf Seerhausen, den Hofmarschall
und Berghauptmann des Erzgebirges, der 1553 an der Seite seines Kurfürsten
Moritz bei Sievershausen fiel, und für Hcmbvld (11), der am 20. Dezember 1562
bei Dreux in Frankreich als ein Parteigänger der Hugenotten den Heldentod starb.
Michels Kenotaphium ist links von der Tür, Hcmbolds Denkmal an der entgegen¬
gesetzten Wand an der linken Emporentreppe. Von rührender Schlichtheit, fern
von aller Ruhmredigkeit sind die Inschriften. Unter dem Steinbilde des knienden
Michel steht: „Nach Christi unsers Herrn Geburt NVI.III ist der gestreng und
ehrenfest Michel von Schleinitz in der Schlacht im Ampt Peinen bei Hildesheim
erschossen worden, leit zu Sievershausen in der Kirche begraben, ist geschehen den
neunten Tag des Heumanden, seines Alters im XI. V Jahr."

Haubold, eine schlauke, noch ganz jugendliche Rittergestalt, steht aufrecht und
schaut auf einen Kruzifixus hin; daneben sieht man ein französisches Zeltlager und
eine Festung. Darunter steht:

Endlich ruht hier der 1594 gestorbne letzte Besitzer des Stammhauses,
Abraham (12), dessen leider sehr beschädigtes Monument neben dem Haubolds steht,
und der 1654 in Jahna bei Meißen gestorbne Oberst Heinrich von Schleinitz (13),
dessen rcichgegliedertes Denkmal aus schwarzem Holz mit vielen Figuren und bunter
Malerei über der Kapellentür befestigt ist.

Eine Schleimtzische Stiftung ist auch die schöne, aus Holz geschnitzte, leider
meist mit Tuch verhängte Kanzel der Afrakirche. Sie ist im Jahre 1657 durch
Felicitas vou Schleinitz erbaut worden, die Witwe des 1635 gestorbnen Hans
Georg auf Graupzig, der Inspektor der Meißner Landesschule war. Die Kanzel
zeigt in guter Arbeit die Figuren der Stifterin und ihrer Familie in den bunten,
malerischen Trachten des siebzehnten Jahrhunderts.

(Schluß folgt)




Im alten Brüssel
Llara Höhrath von(Schluß)
24

uf der heiligen alten Grand Place ist es Feiertag. Verschwunden
find alle Blumenstaude, bunte Konfettis Wirbeln im Spiel mit dem
Wind über den großen, rein gefegten Platz, an dessen östlichem
Ende in einsamer Größe ein rot und goldner, Pflanzenumbauter
Altar aufragt. Die alten, uralten Gildenhäuser sehen jung und
protzig drein in ihrer glitzernden Goldverbrämuug, mit der sich
lachend die Sounenstrahlen küssen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_87477/516>, abgerufen am 23.07.2024.