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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Erstes Vierteljahr.

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Die Lommatzscher Pflege und das Geschlecht derer von Schleinitz

Mobiliar und die Pretiosen wurden konfisziert. Peinlich berührt es, daß die
Kurfürstin Magdalene Sybille, eine geborne Prinzessin von Brandenburg, dabei
an ihren Gemahl schreibt, unter des von Schleinitz Verlassenschaft befänden sich
so schone Möbel, Hausgeräte, Betten, Leinengeräte, auch so schöne Tapezierereien;
es wäre jammerschade, daß diese Sachen wandern könnten; der Kurfürst möge
doch deswegen ihrer gedenken; sie würde bis zum Grabe dankbar sein und es
nie vergessen. Noch peinlicher berührt es, daß unter den konfiszierten Schuld¬
forderungen des Obersten auch 1000 Taler waren, die er der "gnädigsten Kur-
fürstin" 1640 geliehen hatte, ebenso 9200 Taler dem Herzog August, 1200 Taler
dem Herzog Christian, 1000 Taler dem Herzog Moritz und 9057 Taler dem
Kurprinzen Johann Georg. Man kann sich des Gedankens nicht erwehren, daß
sich die kurfürstliche Familie an dem großen Vermögen des Schleinitz bereichert
hat. Das war in jenen Zeiten keineswegs unerhört. Im Jahre 1620 hatten
verschiedne adliche Herren aus Böhmen mit Genehmigung des Kurfürsten in Sachsen
Zuflucht gefunden, namentlich in die Stadt Meißen hatten sich viele mit Hab
und Gut geflüchtet. Da verfügte der Kurfürst am 3. November, "daß die von
Sternberg und andern böhmischen Herren zu Meißen beigesetzten Güter ohne
des Landesfürsten Vorwissen und ohne dessen eigenhändig nnterschriebnen Befehl
nicht verabfolgt werden dürften," und seit dem 24. November wurden alle in
Meißen deponierten Geldkisten lind Geldsäcke ans kurfürstlichen Befehl ihres Inhalts
beraubt und dieser samt dem kostbaren Silbergeschirr der böhmischen Adelsfamilien
nach Dresden teils in die kurfürstliche Kasse, teils in die Münze geliefert. Das
Sternbergsche Silbergeschirr allein wog 1282 Mark 8 Lot. "Über zwölf Dutzend
Tisch- und Tafeltücher, 82 Dutzend Servietten wurden der Frau Hofmeisterin,
Wäsche zu mehr als 120 Betten der "Kammer-Marie" übergeben. Der Günstling
des Kurfürsten Dietrich von Taube erhielt bereits zu Neujahr 1621 eine schwere
vergoldete Silberkanne, seine Hausfrau und sein Töchterlein kleinere dergleichen aus
dem zu Meißen angehaltnem Silberschatz." Alle Beschwerden und Bitten der be¬
raubten Familien waren vergebens. Man sieht, daß der fürchterliche Krieg nicht
nur die Gemüter und Rechtsbegriffe des Volkes, sondern auch die der Fürsten
verwirrte. Die Behandlung des Schleinitzschen Vermögens im Jahre 1644 ist
ein beklagenswertes Seitenstück zu dem Verfahren gegen die böhmischen Edelleute,
die in Sachsen Schutz und Gastrecht gesucht hatten.

Wie der Wandrer im römischen Kirchenstaate an Palästen und Kirchen fast
allerorten auf die fünf Kugeln, das Wappen der Päpste aus dem Hause der
Medine, stößt, so trifft man im Meißner Lande noch vielfach auf die Schleinitzer
Rosen. Sie finden sich an dem Deckengewölbe der Afrakirche, an dem stimmungs¬
vollen Schleinitzer Hofe auf der Freiheit in Meißen, der fast rings ummauert uns
den besten Begriff einer ritterlichen Stadtburg gibt, sie finden sich am Meißner
Burglehen, über der Haustür des efeubewachsnen Gasthofes an der Schiffslände zu
Zehren, am Schlosse in Schieritz, an kostbaren alten Altarbekleidungen der Zehrener
Kirche und anderwärts. Einige Orte aber halten in ganz eigentümlicher Weise die
Erinnerung an die alte Schleinitzer Herrlichkeit fest. Wenn man vom Schlosse
Seerhausen (zwischen Oschatz und Riesa), dem bis zum Jahre 1688 festgehaltnen
Sitz eines Hauptzweiges des Geschlechts, unter hohen Wipfeln von Erlen, Flüster¬
pappeln und Birken den anmutigen Weg an der Jahna aufwärts wandert, erreicht
man gar bald Nagewitz. Die alte Wasserburg, die 1464 Georg von Schleinitz von
denen von Ragewitz kaufte, ist längst verschwunden und hat einem sehr bescheidnen
Herrenhause der Freiherren von Ferber Platz gemacht, aber jenseits des Baches
inmitten einer Baumgruppe steht noch eine im Jahre 1510 errichtete Säule, die
1602 erneuert und 1829 mit einem schützenden Holzhäuschen umgeben worden ist.
Sie ist dem Gedächtnis Georgs von Schleinitz, der 1461 mit Herzog Wilhelm
in Palästina gewesen war, 1464 Ragewitz kaufte und 1501 starb, errichtet worden
von seinein Sohne, dem spätem Bischof Johann dem Siebenten von Meißen. Auf


Die Lommatzscher Pflege und das Geschlecht derer von Schleinitz

Mobiliar und die Pretiosen wurden konfisziert. Peinlich berührt es, daß die
Kurfürstin Magdalene Sybille, eine geborne Prinzessin von Brandenburg, dabei
an ihren Gemahl schreibt, unter des von Schleinitz Verlassenschaft befänden sich
so schone Möbel, Hausgeräte, Betten, Leinengeräte, auch so schöne Tapezierereien;
es wäre jammerschade, daß diese Sachen wandern könnten; der Kurfürst möge
doch deswegen ihrer gedenken; sie würde bis zum Grabe dankbar sein und es
nie vergessen. Noch peinlicher berührt es, daß unter den konfiszierten Schuld¬
forderungen des Obersten auch 1000 Taler waren, die er der „gnädigsten Kur-
fürstin" 1640 geliehen hatte, ebenso 9200 Taler dem Herzog August, 1200 Taler
dem Herzog Christian, 1000 Taler dem Herzog Moritz und 9057 Taler dem
Kurprinzen Johann Georg. Man kann sich des Gedankens nicht erwehren, daß
sich die kurfürstliche Familie an dem großen Vermögen des Schleinitz bereichert
hat. Das war in jenen Zeiten keineswegs unerhört. Im Jahre 1620 hatten
verschiedne adliche Herren aus Böhmen mit Genehmigung des Kurfürsten in Sachsen
Zuflucht gefunden, namentlich in die Stadt Meißen hatten sich viele mit Hab
und Gut geflüchtet. Da verfügte der Kurfürst am 3. November, „daß die von
Sternberg und andern böhmischen Herren zu Meißen beigesetzten Güter ohne
des Landesfürsten Vorwissen und ohne dessen eigenhändig nnterschriebnen Befehl
nicht verabfolgt werden dürften," und seit dem 24. November wurden alle in
Meißen deponierten Geldkisten lind Geldsäcke ans kurfürstlichen Befehl ihres Inhalts
beraubt und dieser samt dem kostbaren Silbergeschirr der böhmischen Adelsfamilien
nach Dresden teils in die kurfürstliche Kasse, teils in die Münze geliefert. Das
Sternbergsche Silbergeschirr allein wog 1282 Mark 8 Lot. „Über zwölf Dutzend
Tisch- und Tafeltücher, 82 Dutzend Servietten wurden der Frau Hofmeisterin,
Wäsche zu mehr als 120 Betten der »Kammer-Marie« übergeben. Der Günstling
des Kurfürsten Dietrich von Taube erhielt bereits zu Neujahr 1621 eine schwere
vergoldete Silberkanne, seine Hausfrau und sein Töchterlein kleinere dergleichen aus
dem zu Meißen angehaltnem Silberschatz." Alle Beschwerden und Bitten der be¬
raubten Familien waren vergebens. Man sieht, daß der fürchterliche Krieg nicht
nur die Gemüter und Rechtsbegriffe des Volkes, sondern auch die der Fürsten
verwirrte. Die Behandlung des Schleinitzschen Vermögens im Jahre 1644 ist
ein beklagenswertes Seitenstück zu dem Verfahren gegen die böhmischen Edelleute,
die in Sachsen Schutz und Gastrecht gesucht hatten.

Wie der Wandrer im römischen Kirchenstaate an Palästen und Kirchen fast
allerorten auf die fünf Kugeln, das Wappen der Päpste aus dem Hause der
Medine, stößt, so trifft man im Meißner Lande noch vielfach auf die Schleinitzer
Rosen. Sie finden sich an dem Deckengewölbe der Afrakirche, an dem stimmungs¬
vollen Schleinitzer Hofe auf der Freiheit in Meißen, der fast rings ummauert uns
den besten Begriff einer ritterlichen Stadtburg gibt, sie finden sich am Meißner
Burglehen, über der Haustür des efeubewachsnen Gasthofes an der Schiffslände zu
Zehren, am Schlosse in Schieritz, an kostbaren alten Altarbekleidungen der Zehrener
Kirche und anderwärts. Einige Orte aber halten in ganz eigentümlicher Weise die
Erinnerung an die alte Schleinitzer Herrlichkeit fest. Wenn man vom Schlosse
Seerhausen (zwischen Oschatz und Riesa), dem bis zum Jahre 1688 festgehaltnen
Sitz eines Hauptzweiges des Geschlechts, unter hohen Wipfeln von Erlen, Flüster¬
pappeln und Birken den anmutigen Weg an der Jahna aufwärts wandert, erreicht
man gar bald Nagewitz. Die alte Wasserburg, die 1464 Georg von Schleinitz von
denen von Ragewitz kaufte, ist längst verschwunden und hat einem sehr bescheidnen
Herrenhause der Freiherren von Ferber Platz gemacht, aber jenseits des Baches
inmitten einer Baumgruppe steht noch eine im Jahre 1510 errichtete Säule, die
1602 erneuert und 1829 mit einem schützenden Holzhäuschen umgeben worden ist.
Sie ist dem Gedächtnis Georgs von Schleinitz, der 1461 mit Herzog Wilhelm
in Palästina gewesen war, 1464 Ragewitz kaufte und 1501 starb, errichtet worden
von seinein Sohne, dem spätem Bischof Johann dem Siebenten von Meißen. Auf


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[0513] Die Lommatzscher Pflege und das Geschlecht derer von Schleinitz Mobiliar und die Pretiosen wurden konfisziert. Peinlich berührt es, daß die Kurfürstin Magdalene Sybille, eine geborne Prinzessin von Brandenburg, dabei an ihren Gemahl schreibt, unter des von Schleinitz Verlassenschaft befänden sich so schone Möbel, Hausgeräte, Betten, Leinengeräte, auch so schöne Tapezierereien; es wäre jammerschade, daß diese Sachen wandern könnten; der Kurfürst möge doch deswegen ihrer gedenken; sie würde bis zum Grabe dankbar sein und es nie vergessen. Noch peinlicher berührt es, daß unter den konfiszierten Schuld¬ forderungen des Obersten auch 1000 Taler waren, die er der „gnädigsten Kur- fürstin" 1640 geliehen hatte, ebenso 9200 Taler dem Herzog August, 1200 Taler dem Herzog Christian, 1000 Taler dem Herzog Moritz und 9057 Taler dem Kurprinzen Johann Georg. Man kann sich des Gedankens nicht erwehren, daß sich die kurfürstliche Familie an dem großen Vermögen des Schleinitz bereichert hat. Das war in jenen Zeiten keineswegs unerhört. Im Jahre 1620 hatten verschiedne adliche Herren aus Böhmen mit Genehmigung des Kurfürsten in Sachsen Zuflucht gefunden, namentlich in die Stadt Meißen hatten sich viele mit Hab und Gut geflüchtet. Da verfügte der Kurfürst am 3. November, „daß die von Sternberg und andern böhmischen Herren zu Meißen beigesetzten Güter ohne des Landesfürsten Vorwissen und ohne dessen eigenhändig nnterschriebnen Befehl nicht verabfolgt werden dürften," und seit dem 24. November wurden alle in Meißen deponierten Geldkisten lind Geldsäcke ans kurfürstlichen Befehl ihres Inhalts beraubt und dieser samt dem kostbaren Silbergeschirr der böhmischen Adelsfamilien nach Dresden teils in die kurfürstliche Kasse, teils in die Münze geliefert. Das Sternbergsche Silbergeschirr allein wog 1282 Mark 8 Lot. „Über zwölf Dutzend Tisch- und Tafeltücher, 82 Dutzend Servietten wurden der Frau Hofmeisterin, Wäsche zu mehr als 120 Betten der »Kammer-Marie« übergeben. Der Günstling des Kurfürsten Dietrich von Taube erhielt bereits zu Neujahr 1621 eine schwere vergoldete Silberkanne, seine Hausfrau und sein Töchterlein kleinere dergleichen aus dem zu Meißen angehaltnem Silberschatz." Alle Beschwerden und Bitten der be¬ raubten Familien waren vergebens. Man sieht, daß der fürchterliche Krieg nicht nur die Gemüter und Rechtsbegriffe des Volkes, sondern auch die der Fürsten verwirrte. Die Behandlung des Schleinitzschen Vermögens im Jahre 1644 ist ein beklagenswertes Seitenstück zu dem Verfahren gegen die böhmischen Edelleute, die in Sachsen Schutz und Gastrecht gesucht hatten. Wie der Wandrer im römischen Kirchenstaate an Palästen und Kirchen fast allerorten auf die fünf Kugeln, das Wappen der Päpste aus dem Hause der Medine, stößt, so trifft man im Meißner Lande noch vielfach auf die Schleinitzer Rosen. Sie finden sich an dem Deckengewölbe der Afrakirche, an dem stimmungs¬ vollen Schleinitzer Hofe auf der Freiheit in Meißen, der fast rings ummauert uns den besten Begriff einer ritterlichen Stadtburg gibt, sie finden sich am Meißner Burglehen, über der Haustür des efeubewachsnen Gasthofes an der Schiffslände zu Zehren, am Schlosse in Schieritz, an kostbaren alten Altarbekleidungen der Zehrener Kirche und anderwärts. Einige Orte aber halten in ganz eigentümlicher Weise die Erinnerung an die alte Schleinitzer Herrlichkeit fest. Wenn man vom Schlosse Seerhausen (zwischen Oschatz und Riesa), dem bis zum Jahre 1688 festgehaltnen Sitz eines Hauptzweiges des Geschlechts, unter hohen Wipfeln von Erlen, Flüster¬ pappeln und Birken den anmutigen Weg an der Jahna aufwärts wandert, erreicht man gar bald Nagewitz. Die alte Wasserburg, die 1464 Georg von Schleinitz von denen von Ragewitz kaufte, ist längst verschwunden und hat einem sehr bescheidnen Herrenhause der Freiherren von Ferber Platz gemacht, aber jenseits des Baches inmitten einer Baumgruppe steht noch eine im Jahre 1510 errichtete Säule, die 1602 erneuert und 1829 mit einem schützenden Holzhäuschen umgeben worden ist. Sie ist dem Gedächtnis Georgs von Schleinitz, der 1461 mit Herzog Wilhelm in Palästina gewesen war, 1464 Ragewitz kaufte und 1501 starb, errichtet worden von seinein Sohne, dem spätem Bischof Johann dem Siebenten von Meißen. Auf

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_87477/513>, abgerufen am 23.12.2024.