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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Erstes Vierteljahr.

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Lommatzscher Pflege und das Geschlecht derer von Schleinitz

mich Raußlitz und im Bachtal abwärts durch die stattlichen Dörfer Pinnewitz,
Ziegenhain und Graupzig nach dem uralten Lenden. Dort liegt auf hochragenden
Felsen an der Stelle eines frühern Burgwarts (1069 urkundlich erwähnt) die
schöne spätgotische Kirche mit kunstvollem Deckengewölbe. Hier hat eine reiche
ritterliche Welt des Mittelalters ihre letzte Ruhestätte gefunden, aber nur wenige
bemerkenswerte Grabsteine der Familien von Rechenberg, von Schleinitz und
von Löß sind davon in der Vorhalle übrig geblieben. Ein lieblicher Wiesenpfad
führt von dem obstgesegneten Garten der gastlichen Pfarre unter hohen Baum-
wipfeln am Bachufer entlang nach Dorf und Schloß Schleinitz, dem Ursitze des
berühmten, in Sachsen nusgestorbneu Geschlechts derer von Schleinitz. Dieses im
Sturm der Jahrhunderte glänzend bewährte Geschlecht, das den Wettiner" ganze
Reihen schwertgewaltiger Recken und tiefgründiger Ratgeber gestellt hat, ist hervor¬
gewachsen aus einem deutschen Edeln, dem bei der Eroberung oder der Kolonisierung
des Landes der befestigte Fels von Lenden als Burgwart anvertraut wurde.
Als einem seiner Nachfolger und seinen Mannen der Felsensitz zu eng wurde,
baute er sich ein wenig nördlich davon die Wasserburg "Slinicz," von der das
Geschlecht den Namen erhielt. Das ist ein ähnliches Verhältnis wie zwischen
Zehren und dem nahen Schlosse Schieritz. Der Sitz des Burgwarts Zehren war
zunächst die künstlich abgeschrägte Höhe rechts von der Kirche, die noch heute der
Schloßberg heißt und Wohl schon von den Slawen befestigt war. Später aber
trat vermutlich das bedeutendere Schloß von Schieritz, das den Paß von der Elbe
nach Lommatzsch beherrscht, an die Stelle von Zehren.

Das erste im Meißner Lande nachweisbare Glied der Familie ist ein Ritter
Johannes de Zliniz, der 1255 eine Urkunde mit unterzeichnet, worin Bischof
Konrad von Meißen dem Kloster Altenzella den Kauf des Zehnten im Burgwart
Mochowe (Mochau am Südwestrande der Pflege) bestätigt. Da ihn auch noch eine
Urkunde vom Jahre 1283 in Beziehung zum Kloster Altenzella, zwei andre von
1280 und 1286 in Beziehung zum Kloster Staucha zeigen, so hindert nichts, ihn
als einen in der Lommatzscher Pflege und zwar mit der Burg Schleinitz angesessenen
Rittersmann anzusprechen, obwohl das erste urkundliche Zeugnis über diese Burg
als ein markgräfliches Lehen erst aus dem Jahre 1401 stammt. Johanns Sohn
war vermutlich der Hermann de Sliniz, der 1313 der Kirche zu Se. Afra in
Meißen zwei Hufen nebst Geld- und Getreidezinseu aus dem Dorfe Hovechyn
(Höfchen, südlich von Lommatzsch) schenkt, die er vom Meißner Bischof zu Lehen
trug. Hermann von Schleiniz war mit Bischof Withego dem Zweiten befreundet
seit der Zeit, wo Withego noch in Lenden Pfarrer war und den ältesten Sohn
Hermanns, Heinrich von Schleiniz, aus der Taufe hob. Auch dieser Zug führt
darauf, daß dieser Zweig des Geschlechts damals schon in Lenden und im nahen
Schleinitz seßhaft war. Withego hat wohl auch die später immer inniger werdenden
Beziehungen des Geschlechts zu der Meißner Se. Afrakirche geknüpft, die als eine
Tochter der Domkirche gilt.

Neuerdings ist auch noch eine andre Wurzel des alte" Geschlechts zum Vor¬
schein gekommen. In der Kirche zu Seußlitz auf dem rechten Elbufer, die auf
den Fundamenten der alten Kirche des ehemaligen Klarissinnenklosters steht, stieß
man bei einer Neupflasterung des Altarplatzes gegen Ende des Jahres 1902 auf
eine gewaltige, leider verstümmelte Sandsteinplatte mit dem Bilde eines Ritters,
der die noch halb römische Gewandung des dreizehnten Jahrhunderts und in der
Linken einen ungespaltnen Schild trägt mit drei fünfblättrigen Rosen. Dieses
Wappen stimmt vollkommen mit der ältesten Form des Schleinitzer Wappens
überein, das an einer Urkunde Peters von Schleinitz vom 12. Dezember 1350
erhalten ist, durch die er dem Kloster Seußlitz Geld- und Getreidezinsen in Alt-
Lommatzsch verkauft. Demnach ist der im September 1288 in Senßlitz bestattete
Dominus Conradus -- die nächsten Buchstaben sind nicht mehr lesbar -- Wohl
als ein de Slinicz nufzufasfen, der im östlichen Teil der Lommatzscher Pflege an-


Lommatzscher Pflege und das Geschlecht derer von Schleinitz

mich Raußlitz und im Bachtal abwärts durch die stattlichen Dörfer Pinnewitz,
Ziegenhain und Graupzig nach dem uralten Lenden. Dort liegt auf hochragenden
Felsen an der Stelle eines frühern Burgwarts (1069 urkundlich erwähnt) die
schöne spätgotische Kirche mit kunstvollem Deckengewölbe. Hier hat eine reiche
ritterliche Welt des Mittelalters ihre letzte Ruhestätte gefunden, aber nur wenige
bemerkenswerte Grabsteine der Familien von Rechenberg, von Schleinitz und
von Löß sind davon in der Vorhalle übrig geblieben. Ein lieblicher Wiesenpfad
führt von dem obstgesegneten Garten der gastlichen Pfarre unter hohen Baum-
wipfeln am Bachufer entlang nach Dorf und Schloß Schleinitz, dem Ursitze des
berühmten, in Sachsen nusgestorbneu Geschlechts derer von Schleinitz. Dieses im
Sturm der Jahrhunderte glänzend bewährte Geschlecht, das den Wettiner» ganze
Reihen schwertgewaltiger Recken und tiefgründiger Ratgeber gestellt hat, ist hervor¬
gewachsen aus einem deutschen Edeln, dem bei der Eroberung oder der Kolonisierung
des Landes der befestigte Fels von Lenden als Burgwart anvertraut wurde.
Als einem seiner Nachfolger und seinen Mannen der Felsensitz zu eng wurde,
baute er sich ein wenig nördlich davon die Wasserburg „Slinicz," von der das
Geschlecht den Namen erhielt. Das ist ein ähnliches Verhältnis wie zwischen
Zehren und dem nahen Schlosse Schieritz. Der Sitz des Burgwarts Zehren war
zunächst die künstlich abgeschrägte Höhe rechts von der Kirche, die noch heute der
Schloßberg heißt und Wohl schon von den Slawen befestigt war. Später aber
trat vermutlich das bedeutendere Schloß von Schieritz, das den Paß von der Elbe
nach Lommatzsch beherrscht, an die Stelle von Zehren.

Das erste im Meißner Lande nachweisbare Glied der Familie ist ein Ritter
Johannes de Zliniz, der 1255 eine Urkunde mit unterzeichnet, worin Bischof
Konrad von Meißen dem Kloster Altenzella den Kauf des Zehnten im Burgwart
Mochowe (Mochau am Südwestrande der Pflege) bestätigt. Da ihn auch noch eine
Urkunde vom Jahre 1283 in Beziehung zum Kloster Altenzella, zwei andre von
1280 und 1286 in Beziehung zum Kloster Staucha zeigen, so hindert nichts, ihn
als einen in der Lommatzscher Pflege und zwar mit der Burg Schleinitz angesessenen
Rittersmann anzusprechen, obwohl das erste urkundliche Zeugnis über diese Burg
als ein markgräfliches Lehen erst aus dem Jahre 1401 stammt. Johanns Sohn
war vermutlich der Hermann de Sliniz, der 1313 der Kirche zu Se. Afra in
Meißen zwei Hufen nebst Geld- und Getreidezinseu aus dem Dorfe Hovechyn
(Höfchen, südlich von Lommatzsch) schenkt, die er vom Meißner Bischof zu Lehen
trug. Hermann von Schleiniz war mit Bischof Withego dem Zweiten befreundet
seit der Zeit, wo Withego noch in Lenden Pfarrer war und den ältesten Sohn
Hermanns, Heinrich von Schleiniz, aus der Taufe hob. Auch dieser Zug führt
darauf, daß dieser Zweig des Geschlechts damals schon in Lenden und im nahen
Schleinitz seßhaft war. Withego hat wohl auch die später immer inniger werdenden
Beziehungen des Geschlechts zu der Meißner Se. Afrakirche geknüpft, die als eine
Tochter der Domkirche gilt.

Neuerdings ist auch noch eine andre Wurzel des alte» Geschlechts zum Vor¬
schein gekommen. In der Kirche zu Seußlitz auf dem rechten Elbufer, die auf
den Fundamenten der alten Kirche des ehemaligen Klarissinnenklosters steht, stieß
man bei einer Neupflasterung des Altarplatzes gegen Ende des Jahres 1902 auf
eine gewaltige, leider verstümmelte Sandsteinplatte mit dem Bilde eines Ritters,
der die noch halb römische Gewandung des dreizehnten Jahrhunderts und in der
Linken einen ungespaltnen Schild trägt mit drei fünfblättrigen Rosen. Dieses
Wappen stimmt vollkommen mit der ältesten Form des Schleinitzer Wappens
überein, das an einer Urkunde Peters von Schleinitz vom 12. Dezember 1350
erhalten ist, durch die er dem Kloster Seußlitz Geld- und Getreidezinsen in Alt-
Lommatzsch verkauft. Demnach ist der im September 1288 in Senßlitz bestattete
Dominus Conradus — die nächsten Buchstaben sind nicht mehr lesbar — Wohl
als ein de Slinicz nufzufasfen, der im östlichen Teil der Lommatzscher Pflege an-


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[0510] Lommatzscher Pflege und das Geschlecht derer von Schleinitz mich Raußlitz und im Bachtal abwärts durch die stattlichen Dörfer Pinnewitz, Ziegenhain und Graupzig nach dem uralten Lenden. Dort liegt auf hochragenden Felsen an der Stelle eines frühern Burgwarts (1069 urkundlich erwähnt) die schöne spätgotische Kirche mit kunstvollem Deckengewölbe. Hier hat eine reiche ritterliche Welt des Mittelalters ihre letzte Ruhestätte gefunden, aber nur wenige bemerkenswerte Grabsteine der Familien von Rechenberg, von Schleinitz und von Löß sind davon in der Vorhalle übrig geblieben. Ein lieblicher Wiesenpfad führt von dem obstgesegneten Garten der gastlichen Pfarre unter hohen Baum- wipfeln am Bachufer entlang nach Dorf und Schloß Schleinitz, dem Ursitze des berühmten, in Sachsen nusgestorbneu Geschlechts derer von Schleinitz. Dieses im Sturm der Jahrhunderte glänzend bewährte Geschlecht, das den Wettiner» ganze Reihen schwertgewaltiger Recken und tiefgründiger Ratgeber gestellt hat, ist hervor¬ gewachsen aus einem deutschen Edeln, dem bei der Eroberung oder der Kolonisierung des Landes der befestigte Fels von Lenden als Burgwart anvertraut wurde. Als einem seiner Nachfolger und seinen Mannen der Felsensitz zu eng wurde, baute er sich ein wenig nördlich davon die Wasserburg „Slinicz," von der das Geschlecht den Namen erhielt. Das ist ein ähnliches Verhältnis wie zwischen Zehren und dem nahen Schlosse Schieritz. Der Sitz des Burgwarts Zehren war zunächst die künstlich abgeschrägte Höhe rechts von der Kirche, die noch heute der Schloßberg heißt und Wohl schon von den Slawen befestigt war. Später aber trat vermutlich das bedeutendere Schloß von Schieritz, das den Paß von der Elbe nach Lommatzsch beherrscht, an die Stelle von Zehren. Das erste im Meißner Lande nachweisbare Glied der Familie ist ein Ritter Johannes de Zliniz, der 1255 eine Urkunde mit unterzeichnet, worin Bischof Konrad von Meißen dem Kloster Altenzella den Kauf des Zehnten im Burgwart Mochowe (Mochau am Südwestrande der Pflege) bestätigt. Da ihn auch noch eine Urkunde vom Jahre 1283 in Beziehung zum Kloster Altenzella, zwei andre von 1280 und 1286 in Beziehung zum Kloster Staucha zeigen, so hindert nichts, ihn als einen in der Lommatzscher Pflege und zwar mit der Burg Schleinitz angesessenen Rittersmann anzusprechen, obwohl das erste urkundliche Zeugnis über diese Burg als ein markgräfliches Lehen erst aus dem Jahre 1401 stammt. Johanns Sohn war vermutlich der Hermann de Sliniz, der 1313 der Kirche zu Se. Afra in Meißen zwei Hufen nebst Geld- und Getreidezinseu aus dem Dorfe Hovechyn (Höfchen, südlich von Lommatzsch) schenkt, die er vom Meißner Bischof zu Lehen trug. Hermann von Schleiniz war mit Bischof Withego dem Zweiten befreundet seit der Zeit, wo Withego noch in Lenden Pfarrer war und den ältesten Sohn Hermanns, Heinrich von Schleiniz, aus der Taufe hob. Auch dieser Zug führt darauf, daß dieser Zweig des Geschlechts damals schon in Lenden und im nahen Schleinitz seßhaft war. Withego hat wohl auch die später immer inniger werdenden Beziehungen des Geschlechts zu der Meißner Se. Afrakirche geknüpft, die als eine Tochter der Domkirche gilt. Neuerdings ist auch noch eine andre Wurzel des alte» Geschlechts zum Vor¬ schein gekommen. In der Kirche zu Seußlitz auf dem rechten Elbufer, die auf den Fundamenten der alten Kirche des ehemaligen Klarissinnenklosters steht, stieß man bei einer Neupflasterung des Altarplatzes gegen Ende des Jahres 1902 auf eine gewaltige, leider verstümmelte Sandsteinplatte mit dem Bilde eines Ritters, der die noch halb römische Gewandung des dreizehnten Jahrhunderts und in der Linken einen ungespaltnen Schild trägt mit drei fünfblättrigen Rosen. Dieses Wappen stimmt vollkommen mit der ältesten Form des Schleinitzer Wappens überein, das an einer Urkunde Peters von Schleinitz vom 12. Dezember 1350 erhalten ist, durch die er dem Kloster Seußlitz Geld- und Getreidezinsen in Alt- Lommatzsch verkauft. Demnach ist der im September 1288 in Senßlitz bestattete Dominus Conradus — die nächsten Buchstaben sind nicht mehr lesbar — Wohl als ein de Slinicz nufzufasfen, der im östlichen Teil der Lommatzscher Pflege an-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_87477/510>, abgerufen am 22.12.2024.