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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Erstes Vierteljahr.

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Die Lommatzscher Pflege und das Geschlecht derer von Schleinitz

nicht mehr mit dem Gesinde und feiert Hochzeits-, Kindtaufs- und Erntefeste, denen
die ehemalige ländliche Einfachheit fremd ist, hält Equipagen, trotz den Städtern,
und rollt damit zur Kirche oder zum Vergnügen in umliegende Orte, besonders
zu den Jahrmärkten in Meißen und Lommatzsch. Da läßt er sich sehen und sichs
wohl gehn."

Es lohnt wohl der Mühe, sich persönlich davon zu überzeuge", was von
dieser Schilderung noch heute richtig ist, und dabei auch die frühern Entwicklungs¬
stufen des interessanten Ländchens kennen zu lernen. Mein führt in Sachsen die
Lommatzscher Pflege noch viel im Munde, aber man kennt sie nicht. Freilich ist
eine Reise durch dieses Gebiet auch kein so einfaches Unternehmen, wie es in unserm
Jahrhundert des Verkehrs scheinen möchte. Denn von dem natürlichen Eintritts-
pnnkt in diese Landschaft, von Meißen aus, gibt es keine direkte Bahnverbindung
nach Lommatzsch. Man muß erst von Meißen nach Rossen fahren und dann von
Süden her auf einer Bahn mit bloßem Lokalverkehr, die über Lommatzsch nach
Riesa führt, einen Streifen der Pflege durchfahren: das dauert fast so lange wie
eine Fußwanderung von Meißen nach Lommatzsch. Außerdem kann man das
Dampfschiff nach Zehren benutzen und von da über das interessante Schloß Schieritz
das Lommatzscher Wasser aufwärts ins Herz der Pflege vordringen oder von Meißen
nach Lommatzsch mit dem Omnibus fahren, dessen Eleganz freilich dadurch nicht
erhöht wird, daß jeder Fahrgast gegen Unfälle bei einer Versicherungsgesellschaft
eingekauft ist. Die Pflege ist also ein Ländchen, das fern von der großen Welt
in beschaulicher Stille liegt, nur an den Rändern von einem mäßigen Verkehr
umfaßt. Es ist eine verhältnismäßig einsame Wanderung, zu der wir den Leser
einladen, auf der wir kaum einen Touristen treffen werden, sogar die Ratter
größern Stils und die Automobilisten umgehn die Lvmmatzscher Pflege nach Mög¬
lichkeit, denn sie ist ein wcllenreiches hügliges Gelände.

Doch zunächst gilt es den Begriff der Lommatzscher Pflege festzulegen. Sie
erstreckt sich nordwärts gar nicht weit über das Städtchen hinaus, das ihr den
Namen gegeben hat, nämlich nur bis zu der alten Leipzig-Meißner Poststraße, die
von Stauchitz in fast östlicher Richtung an Dörschnitz vorüber bei Klappendorf in
die neue Meißen-Oschatzer Chaussee einmündet, ostwärts erreicht sie zwischen Nieder¬
lommatzsch und Zehren die Elbe, dann lauft die Grenze längs der Elbe bis nahe
an Meißen heran, wendet sich mit der Nossener Straße südwärts und umfaßt alles
von dieser rechts liegende Land bis gegen die Höhe von Katzenberg hin, von da
geht sie über Radewitz nach Chören und von da über Petersberg weit nach Nord¬
westen nusbiegend nach Mügeln und von da wieder ostwärts nach Stauchitz.
Andre begrenzen die Lvmmatzscher Pflege viel enger, indem sie entweder den süd¬
lichen Teil oder die Mügelner Pflege davon absondern. Das letzte entspricht aber
weder den Bodenverhältnissen noch der geschichtlichen Überlieferung: schon Thietmer
(um 1000) rechnet sie von Zehren bis Mügeln. Die sprichwörtliche Fruchtbar¬
keit dieser Gegend beruht auf dem vortrefflichen, ans Verwitterung von Granit,
Gneis, Schnecken und Muscheln entstnndnen Lößboden, der lichtgraugelb gefärbt
in einer Schicht von durchschnittlich fünf bis sechs Metern Dicke, manchmal wieder
von einer Lehmschicht überkleidet, auf dem Urgestein ruht. Um dieses Gebiet
kennen zu lernen benutzen wir zunächst die aussichtsreiche, es östlich umgehende
Meißen-Nossener Straße bis zum Dorfe Katzenberg, dem höchsten (305 Meter)
auch strategisch wichtigen Punkte des zwischen Meißen und Rossen liegenden
Plateaus, biegen dann westlich ab und gelangen durch das Dorf Rcidewttz auf die
ebenfalls 305 Meter hohe Nndewitzer Schanze, deren drei Linden ein weithin
sichtbares Wahrzeichen der ganzen Gegend sind. Von hier oben sieht man, be¬
sonders bei sinkender Sonne, ein großes Stück der Pflege zu Füßen liegen. Da
reiht sich nach Norden zu in dem goldnen Nebel, der über dem violett schimmernden
Erdreich liegt, Kirchturm an Kirchturm, Dorf an Dorf, bis das Auge halt macht
an der dreispitzigen hochliegenden Kirche von Lommatzsch. Dann gehts hinunter


Grenzboten I 190S 66
Die Lommatzscher Pflege und das Geschlecht derer von Schleinitz

nicht mehr mit dem Gesinde und feiert Hochzeits-, Kindtaufs- und Erntefeste, denen
die ehemalige ländliche Einfachheit fremd ist, hält Equipagen, trotz den Städtern,
und rollt damit zur Kirche oder zum Vergnügen in umliegende Orte, besonders
zu den Jahrmärkten in Meißen und Lommatzsch. Da läßt er sich sehen und sichs
wohl gehn."

Es lohnt wohl der Mühe, sich persönlich davon zu überzeuge», was von
dieser Schilderung noch heute richtig ist, und dabei auch die frühern Entwicklungs¬
stufen des interessanten Ländchens kennen zu lernen. Mein führt in Sachsen die
Lommatzscher Pflege noch viel im Munde, aber man kennt sie nicht. Freilich ist
eine Reise durch dieses Gebiet auch kein so einfaches Unternehmen, wie es in unserm
Jahrhundert des Verkehrs scheinen möchte. Denn von dem natürlichen Eintritts-
pnnkt in diese Landschaft, von Meißen aus, gibt es keine direkte Bahnverbindung
nach Lommatzsch. Man muß erst von Meißen nach Rossen fahren und dann von
Süden her auf einer Bahn mit bloßem Lokalverkehr, die über Lommatzsch nach
Riesa führt, einen Streifen der Pflege durchfahren: das dauert fast so lange wie
eine Fußwanderung von Meißen nach Lommatzsch. Außerdem kann man das
Dampfschiff nach Zehren benutzen und von da über das interessante Schloß Schieritz
das Lommatzscher Wasser aufwärts ins Herz der Pflege vordringen oder von Meißen
nach Lommatzsch mit dem Omnibus fahren, dessen Eleganz freilich dadurch nicht
erhöht wird, daß jeder Fahrgast gegen Unfälle bei einer Versicherungsgesellschaft
eingekauft ist. Die Pflege ist also ein Ländchen, das fern von der großen Welt
in beschaulicher Stille liegt, nur an den Rändern von einem mäßigen Verkehr
umfaßt. Es ist eine verhältnismäßig einsame Wanderung, zu der wir den Leser
einladen, auf der wir kaum einen Touristen treffen werden, sogar die Ratter
größern Stils und die Automobilisten umgehn die Lvmmatzscher Pflege nach Mög¬
lichkeit, denn sie ist ein wcllenreiches hügliges Gelände.

Doch zunächst gilt es den Begriff der Lommatzscher Pflege festzulegen. Sie
erstreckt sich nordwärts gar nicht weit über das Städtchen hinaus, das ihr den
Namen gegeben hat, nämlich nur bis zu der alten Leipzig-Meißner Poststraße, die
von Stauchitz in fast östlicher Richtung an Dörschnitz vorüber bei Klappendorf in
die neue Meißen-Oschatzer Chaussee einmündet, ostwärts erreicht sie zwischen Nieder¬
lommatzsch und Zehren die Elbe, dann lauft die Grenze längs der Elbe bis nahe
an Meißen heran, wendet sich mit der Nossener Straße südwärts und umfaßt alles
von dieser rechts liegende Land bis gegen die Höhe von Katzenberg hin, von da
geht sie über Radewitz nach Chören und von da über Petersberg weit nach Nord¬
westen nusbiegend nach Mügeln und von da wieder ostwärts nach Stauchitz.
Andre begrenzen die Lvmmatzscher Pflege viel enger, indem sie entweder den süd¬
lichen Teil oder die Mügelner Pflege davon absondern. Das letzte entspricht aber
weder den Bodenverhältnissen noch der geschichtlichen Überlieferung: schon Thietmer
(um 1000) rechnet sie von Zehren bis Mügeln. Die sprichwörtliche Fruchtbar¬
keit dieser Gegend beruht auf dem vortrefflichen, ans Verwitterung von Granit,
Gneis, Schnecken und Muscheln entstnndnen Lößboden, der lichtgraugelb gefärbt
in einer Schicht von durchschnittlich fünf bis sechs Metern Dicke, manchmal wieder
von einer Lehmschicht überkleidet, auf dem Urgestein ruht. Um dieses Gebiet
kennen zu lernen benutzen wir zunächst die aussichtsreiche, es östlich umgehende
Meißen-Nossener Straße bis zum Dorfe Katzenberg, dem höchsten (305 Meter)
auch strategisch wichtigen Punkte des zwischen Meißen und Rossen liegenden
Plateaus, biegen dann westlich ab und gelangen durch das Dorf Rcidewttz auf die
ebenfalls 305 Meter hohe Nndewitzer Schanze, deren drei Linden ein weithin
sichtbares Wahrzeichen der ganzen Gegend sind. Von hier oben sieht man, be¬
sonders bei sinkender Sonne, ein großes Stück der Pflege zu Füßen liegen. Da
reiht sich nach Norden zu in dem goldnen Nebel, der über dem violett schimmernden
Erdreich liegt, Kirchturm an Kirchturm, Dorf an Dorf, bis das Auge halt macht
an der dreispitzigen hochliegenden Kirche von Lommatzsch. Dann gehts hinunter


Grenzboten I 190S 66
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[0509] Die Lommatzscher Pflege und das Geschlecht derer von Schleinitz nicht mehr mit dem Gesinde und feiert Hochzeits-, Kindtaufs- und Erntefeste, denen die ehemalige ländliche Einfachheit fremd ist, hält Equipagen, trotz den Städtern, und rollt damit zur Kirche oder zum Vergnügen in umliegende Orte, besonders zu den Jahrmärkten in Meißen und Lommatzsch. Da läßt er sich sehen und sichs wohl gehn." Es lohnt wohl der Mühe, sich persönlich davon zu überzeuge», was von dieser Schilderung noch heute richtig ist, und dabei auch die frühern Entwicklungs¬ stufen des interessanten Ländchens kennen zu lernen. Mein führt in Sachsen die Lommatzscher Pflege noch viel im Munde, aber man kennt sie nicht. Freilich ist eine Reise durch dieses Gebiet auch kein so einfaches Unternehmen, wie es in unserm Jahrhundert des Verkehrs scheinen möchte. Denn von dem natürlichen Eintritts- pnnkt in diese Landschaft, von Meißen aus, gibt es keine direkte Bahnverbindung nach Lommatzsch. Man muß erst von Meißen nach Rossen fahren und dann von Süden her auf einer Bahn mit bloßem Lokalverkehr, die über Lommatzsch nach Riesa führt, einen Streifen der Pflege durchfahren: das dauert fast so lange wie eine Fußwanderung von Meißen nach Lommatzsch. Außerdem kann man das Dampfschiff nach Zehren benutzen und von da über das interessante Schloß Schieritz das Lommatzscher Wasser aufwärts ins Herz der Pflege vordringen oder von Meißen nach Lommatzsch mit dem Omnibus fahren, dessen Eleganz freilich dadurch nicht erhöht wird, daß jeder Fahrgast gegen Unfälle bei einer Versicherungsgesellschaft eingekauft ist. Die Pflege ist also ein Ländchen, das fern von der großen Welt in beschaulicher Stille liegt, nur an den Rändern von einem mäßigen Verkehr umfaßt. Es ist eine verhältnismäßig einsame Wanderung, zu der wir den Leser einladen, auf der wir kaum einen Touristen treffen werden, sogar die Ratter größern Stils und die Automobilisten umgehn die Lvmmatzscher Pflege nach Mög¬ lichkeit, denn sie ist ein wcllenreiches hügliges Gelände. Doch zunächst gilt es den Begriff der Lommatzscher Pflege festzulegen. Sie erstreckt sich nordwärts gar nicht weit über das Städtchen hinaus, das ihr den Namen gegeben hat, nämlich nur bis zu der alten Leipzig-Meißner Poststraße, die von Stauchitz in fast östlicher Richtung an Dörschnitz vorüber bei Klappendorf in die neue Meißen-Oschatzer Chaussee einmündet, ostwärts erreicht sie zwischen Nieder¬ lommatzsch und Zehren die Elbe, dann lauft die Grenze längs der Elbe bis nahe an Meißen heran, wendet sich mit der Nossener Straße südwärts und umfaßt alles von dieser rechts liegende Land bis gegen die Höhe von Katzenberg hin, von da geht sie über Radewitz nach Chören und von da über Petersberg weit nach Nord¬ westen nusbiegend nach Mügeln und von da wieder ostwärts nach Stauchitz. Andre begrenzen die Lvmmatzscher Pflege viel enger, indem sie entweder den süd¬ lichen Teil oder die Mügelner Pflege davon absondern. Das letzte entspricht aber weder den Bodenverhältnissen noch der geschichtlichen Überlieferung: schon Thietmer (um 1000) rechnet sie von Zehren bis Mügeln. Die sprichwörtliche Fruchtbar¬ keit dieser Gegend beruht auf dem vortrefflichen, ans Verwitterung von Granit, Gneis, Schnecken und Muscheln entstnndnen Lößboden, der lichtgraugelb gefärbt in einer Schicht von durchschnittlich fünf bis sechs Metern Dicke, manchmal wieder von einer Lehmschicht überkleidet, auf dem Urgestein ruht. Um dieses Gebiet kennen zu lernen benutzen wir zunächst die aussichtsreiche, es östlich umgehende Meißen-Nossener Straße bis zum Dorfe Katzenberg, dem höchsten (305 Meter) auch strategisch wichtigen Punkte des zwischen Meißen und Rossen liegenden Plateaus, biegen dann westlich ab und gelangen durch das Dorf Rcidewttz auf die ebenfalls 305 Meter hohe Nndewitzer Schanze, deren drei Linden ein weithin sichtbares Wahrzeichen der ganzen Gegend sind. Von hier oben sieht man, be¬ sonders bei sinkender Sonne, ein großes Stück der Pflege zu Füßen liegen. Da reiht sich nach Norden zu in dem goldnen Nebel, der über dem violett schimmernden Erdreich liegt, Kirchturm an Kirchturm, Dorf an Dorf, bis das Auge halt macht an der dreispitzigen hochliegenden Kirche von Lommatzsch. Dann gehts hinunter Grenzboten I 190S 66

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_87477/509>, abgerufen am 23.07.2024.