Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Standesamtregister und Familienforschung

Wie das Leben des Prinzen Georg und seiner Gemahlin einfach war
und -- wenn man von der nach außen immer gewahrten Etikette absieht --
den Gewohnheiten einer wohlhabenden deutschen Bürgerfamilie entsprach, so be¬
wegte sich auch die Erziehung ihrer Kinder in denselben bescheidnen Bahnen.
Nicht bloß daß sich das prinzliche Ehepaar dieser Erziehung vielfach selbst
annahm, es gab den prinzlichen Kindern auch ein überaus erfreuliches und an¬
regendes Beispiel unermüdlicher, ausdauernder Tätigkeit. Müßig waren der
Prinz und die Prinzessin von früh bis abend zu keiner Stunde, und wenn
ihnen bisweilen keine zwingenden Pflichten oblagen, so schufen sie sich freiwillig
übernommne, die sie mit derselben Pünktlichkeit und Gewissenhaftigkeit erfüllten
wie die ihnen schon durch ihren Rang und ihre Stellung auferlegten. In
weiblichen Handarbeiten für Geschenke und für Notleidende unermüdlich leistete
die Prinzessin auch in der Landschaftsmalerei, für die sie das Talent von
ihrem Vater geerbt hatte, anfänglich unter der Leitung des bekannten Land¬
schaftsmalers Professor Kummer, später ganz selbständig weit mehr als
Dilettantenarbeit. Während ich dies schreibe, füllt mein Blick auf ein reizendes
von ihr gemaltes Ölbildchen, das die Aussicht etwas unterhalb des königlichen
Lustschlosses Pillnitz auf die mitten im Elbstrom ihm gegenüberliegende kleine
baumbestcmdne Insel mit den sich in duftiger Ferne auf beiden Seiten des
Flußtales nach Pirna zu hinziehenden Hügelketten darstellt: niemand könnte
der feinen Farbe, der virtuosen Pinselführung, der knappen Zusammenfassung
des Hauptsächlichen, dem Spiegel des dem Beschauer entgegensließenden Wassers,
der aus einer mit vollem Segel stromaufwärts gleitenden "Elbzille" und einen:
am Ufer mit einem Gerät hingebenden Fischer bestehenden Staffage den
Charakter einer wahren Kunstleistung streitig machen.

(Schluß folgt)




Äandesamtregister und Familienforschung

is am 6. Februar 1875 das Personenstandesgesetz für das Deutsche
Reich erlassen wurde, schlug die Sterbestunde für die alten
Kirchenbücher, die drei bis vier Jahrhunderte lang den Wandel
der Menschen bei den bemerkenswertesten Ereignissen, bei der
Geburt und der Taufe, der Einsegnung, der Eheschließung und
dem Tode, also von der Wiege bis zum Grabe getreulich verzeichnet hatten.
Diese kirchlichen Register waren nicht durch Gesetz entstanden, sondern in den
evangelischen Ländern war in den Kirchenordnungen und Kirchenvisitationen,
die sich an die Einführung der Reformation anschlössen, darauf hingewiesen
worden, daß die Kirchengemeinden Bücher anschaffen sollten, worin die Namen
der Gebornen, der Getauften, der Gestorbnen usw. eingetragen würden. In
der katholischen Kirche war eine ähnliche Bestimmung schon früher durch das
Tridentinische Konzil ergangen. Sehr allmählich jedoch entschlossen sich die


Standesamtregister und Familienforschung

Wie das Leben des Prinzen Georg und seiner Gemahlin einfach war
und — wenn man von der nach außen immer gewahrten Etikette absieht —
den Gewohnheiten einer wohlhabenden deutschen Bürgerfamilie entsprach, so be¬
wegte sich auch die Erziehung ihrer Kinder in denselben bescheidnen Bahnen.
Nicht bloß daß sich das prinzliche Ehepaar dieser Erziehung vielfach selbst
annahm, es gab den prinzlichen Kindern auch ein überaus erfreuliches und an¬
regendes Beispiel unermüdlicher, ausdauernder Tätigkeit. Müßig waren der
Prinz und die Prinzessin von früh bis abend zu keiner Stunde, und wenn
ihnen bisweilen keine zwingenden Pflichten oblagen, so schufen sie sich freiwillig
übernommne, die sie mit derselben Pünktlichkeit und Gewissenhaftigkeit erfüllten
wie die ihnen schon durch ihren Rang und ihre Stellung auferlegten. In
weiblichen Handarbeiten für Geschenke und für Notleidende unermüdlich leistete
die Prinzessin auch in der Landschaftsmalerei, für die sie das Talent von
ihrem Vater geerbt hatte, anfänglich unter der Leitung des bekannten Land¬
schaftsmalers Professor Kummer, später ganz selbständig weit mehr als
Dilettantenarbeit. Während ich dies schreibe, füllt mein Blick auf ein reizendes
von ihr gemaltes Ölbildchen, das die Aussicht etwas unterhalb des königlichen
Lustschlosses Pillnitz auf die mitten im Elbstrom ihm gegenüberliegende kleine
baumbestcmdne Insel mit den sich in duftiger Ferne auf beiden Seiten des
Flußtales nach Pirna zu hinziehenden Hügelketten darstellt: niemand könnte
der feinen Farbe, der virtuosen Pinselführung, der knappen Zusammenfassung
des Hauptsächlichen, dem Spiegel des dem Beschauer entgegensließenden Wassers,
der aus einer mit vollem Segel stromaufwärts gleitenden „Elbzille" und einen:
am Ufer mit einem Gerät hingebenden Fischer bestehenden Staffage den
Charakter einer wahren Kunstleistung streitig machen.

(Schluß folgt)




Äandesamtregister und Familienforschung

is am 6. Februar 1875 das Personenstandesgesetz für das Deutsche
Reich erlassen wurde, schlug die Sterbestunde für die alten
Kirchenbücher, die drei bis vier Jahrhunderte lang den Wandel
der Menschen bei den bemerkenswertesten Ereignissen, bei der
Geburt und der Taufe, der Einsegnung, der Eheschließung und
dem Tode, also von der Wiege bis zum Grabe getreulich verzeichnet hatten.
Diese kirchlichen Register waren nicht durch Gesetz entstanden, sondern in den
evangelischen Ländern war in den Kirchenordnungen und Kirchenvisitationen,
die sich an die Einführung der Reformation anschlössen, darauf hingewiesen
worden, daß die Kirchengemeinden Bücher anschaffen sollten, worin die Namen
der Gebornen, der Getauften, der Gestorbnen usw. eingetragen würden. In
der katholischen Kirche war eine ähnliche Bestimmung schon früher durch das
Tridentinische Konzil ergangen. Sehr allmählich jedoch entschlossen sich die


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0486" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/87964"/>
          <fw type="header" place="top"> Standesamtregister und Familienforschung</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_2119"> Wie das Leben des Prinzen Georg und seiner Gemahlin einfach war<lb/>
und &#x2014; wenn man von der nach außen immer gewahrten Etikette absieht &#x2014;<lb/>
den Gewohnheiten einer wohlhabenden deutschen Bürgerfamilie entsprach, so be¬<lb/>
wegte sich auch die Erziehung ihrer Kinder in denselben bescheidnen Bahnen.<lb/>
Nicht bloß daß sich das prinzliche Ehepaar dieser Erziehung vielfach selbst<lb/>
annahm, es gab den prinzlichen Kindern auch ein überaus erfreuliches und an¬<lb/>
regendes Beispiel unermüdlicher, ausdauernder Tätigkeit. Müßig waren der<lb/>
Prinz und die Prinzessin von früh bis abend zu keiner Stunde, und wenn<lb/>
ihnen bisweilen keine zwingenden Pflichten oblagen, so schufen sie sich freiwillig<lb/>
übernommne, die sie mit derselben Pünktlichkeit und Gewissenhaftigkeit erfüllten<lb/>
wie die ihnen schon durch ihren Rang und ihre Stellung auferlegten. In<lb/>
weiblichen Handarbeiten für Geschenke und für Notleidende unermüdlich leistete<lb/>
die Prinzessin auch in der Landschaftsmalerei, für die sie das Talent von<lb/>
ihrem Vater geerbt hatte, anfänglich unter der Leitung des bekannten Land¬<lb/>
schaftsmalers Professor Kummer, später ganz selbständig weit mehr als<lb/>
Dilettantenarbeit. Während ich dies schreibe, füllt mein Blick auf ein reizendes<lb/>
von ihr gemaltes Ölbildchen, das die Aussicht etwas unterhalb des königlichen<lb/>
Lustschlosses Pillnitz auf die mitten im Elbstrom ihm gegenüberliegende kleine<lb/>
baumbestcmdne Insel mit den sich in duftiger Ferne auf beiden Seiten des<lb/>
Flußtales nach Pirna zu hinziehenden Hügelketten darstellt: niemand könnte<lb/>
der feinen Farbe, der virtuosen Pinselführung, der knappen Zusammenfassung<lb/>
des Hauptsächlichen, dem Spiegel des dem Beschauer entgegensließenden Wassers,<lb/>
der aus einer mit vollem Segel stromaufwärts gleitenden &#x201E;Elbzille" und einen:<lb/>
am Ufer mit einem Gerät hingebenden Fischer bestehenden Staffage den<lb/>
Charakter einer wahren Kunstleistung streitig machen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2120"> (Schluß folgt)</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Äandesamtregister und Familienforschung</head><lb/>
          <p xml:id="ID_2121" next="#ID_2122"> is am 6. Februar 1875 das Personenstandesgesetz für das Deutsche<lb/>
Reich erlassen wurde, schlug die Sterbestunde für die alten<lb/>
Kirchenbücher, die drei bis vier Jahrhunderte lang den Wandel<lb/>
der Menschen bei den bemerkenswertesten Ereignissen, bei der<lb/>
Geburt und der Taufe, der Einsegnung, der Eheschließung und<lb/>
dem Tode, also von der Wiege bis zum Grabe getreulich verzeichnet hatten.<lb/>
Diese kirchlichen Register waren nicht durch Gesetz entstanden, sondern in den<lb/>
evangelischen Ländern war in den Kirchenordnungen und Kirchenvisitationen,<lb/>
die sich an die Einführung der Reformation anschlössen, darauf hingewiesen<lb/>
worden, daß die Kirchengemeinden Bücher anschaffen sollten, worin die Namen<lb/>
der Gebornen, der Getauften, der Gestorbnen usw. eingetragen würden. In<lb/>
der katholischen Kirche war eine ähnliche Bestimmung schon früher durch das<lb/>
Tridentinische Konzil ergangen. Sehr allmählich jedoch entschlossen sich die</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0486] Standesamtregister und Familienforschung Wie das Leben des Prinzen Georg und seiner Gemahlin einfach war und — wenn man von der nach außen immer gewahrten Etikette absieht — den Gewohnheiten einer wohlhabenden deutschen Bürgerfamilie entsprach, so be¬ wegte sich auch die Erziehung ihrer Kinder in denselben bescheidnen Bahnen. Nicht bloß daß sich das prinzliche Ehepaar dieser Erziehung vielfach selbst annahm, es gab den prinzlichen Kindern auch ein überaus erfreuliches und an¬ regendes Beispiel unermüdlicher, ausdauernder Tätigkeit. Müßig waren der Prinz und die Prinzessin von früh bis abend zu keiner Stunde, und wenn ihnen bisweilen keine zwingenden Pflichten oblagen, so schufen sie sich freiwillig übernommne, die sie mit derselben Pünktlichkeit und Gewissenhaftigkeit erfüllten wie die ihnen schon durch ihren Rang und ihre Stellung auferlegten. In weiblichen Handarbeiten für Geschenke und für Notleidende unermüdlich leistete die Prinzessin auch in der Landschaftsmalerei, für die sie das Talent von ihrem Vater geerbt hatte, anfänglich unter der Leitung des bekannten Land¬ schaftsmalers Professor Kummer, später ganz selbständig weit mehr als Dilettantenarbeit. Während ich dies schreibe, füllt mein Blick auf ein reizendes von ihr gemaltes Ölbildchen, das die Aussicht etwas unterhalb des königlichen Lustschlosses Pillnitz auf die mitten im Elbstrom ihm gegenüberliegende kleine baumbestcmdne Insel mit den sich in duftiger Ferne auf beiden Seiten des Flußtales nach Pirna zu hinziehenden Hügelketten darstellt: niemand könnte der feinen Farbe, der virtuosen Pinselführung, der knappen Zusammenfassung des Hauptsächlichen, dem Spiegel des dem Beschauer entgegensließenden Wassers, der aus einer mit vollem Segel stromaufwärts gleitenden „Elbzille" und einen: am Ufer mit einem Gerät hingebenden Fischer bestehenden Staffage den Charakter einer wahren Kunstleistung streitig machen. (Schluß folgt) Äandesamtregister und Familienforschung is am 6. Februar 1875 das Personenstandesgesetz für das Deutsche Reich erlassen wurde, schlug die Sterbestunde für die alten Kirchenbücher, die drei bis vier Jahrhunderte lang den Wandel der Menschen bei den bemerkenswertesten Ereignissen, bei der Geburt und der Taufe, der Einsegnung, der Eheschließung und dem Tode, also von der Wiege bis zum Grabe getreulich verzeichnet hatten. Diese kirchlichen Register waren nicht durch Gesetz entstanden, sondern in den evangelischen Ländern war in den Kirchenordnungen und Kirchenvisitationen, die sich an die Einführung der Reformation anschlössen, darauf hingewiesen worden, daß die Kirchengemeinden Bücher anschaffen sollten, worin die Namen der Gebornen, der Getauften, der Gestorbnen usw. eingetragen würden. In der katholischen Kirche war eine ähnliche Bestimmung schon früher durch das Tridentinische Konzil ergangen. Sehr allmählich jedoch entschlossen sich die

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_87477
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_87477/486
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_87477/486>, abgerufen am 23.12.2024.