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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Erstes Vierteljahr.

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<Lili Brief aus trüber Zeit

gewesen, und von da ab wußte er nicht, daß eiuer einen andern Beruf gehabt;
sein Vater stand bei der Garde. Er war groß und sehr schön, gewandt, äußerst
nobel, solide und von den angenehmsten Formen. Eines Tages kam er sehr er¬
freut zu Tische, bestellte sich gleich nach dem Essen den Burschen mit dem Pferde,
um seiner Frau entgegen zu reiten, die ihm mit seinen beiden Kindern nachge¬
kommen sei. Er war erst 25 Jahr alt, sah noch viel jünger aus, und wir hatten
keine Ahnung, daß er schon verheirathet sein könnte. Es war eine sehr liebens¬
würdige Frau, und wir freuten uns über die angenehme gesellige Aquisitiou.
Jndeß die Freude war nur kurz, er ward uach Mogilno versetzt, machte von dort
eine Reise nach Schlesien und starb dort auf dem Gute seines Vaters an einem
hitzigen Nervenfieber. Die arme Frau war auch noch durch den Tod ihres
Stiefvaters nahe daran, ihr ganzes Vermögen zu verlieren. Wer die beiden Leute
so noch im vollen Genuß der irdischen Glückseligkeit gesehen hatte, wie wir, der
war gewiß tief ergriffen von dem raschen Wechsel des Geschickes.

In unsern politischen Klubs sind wir streng dem Könige tren geblieben, und
meine Anordnungen hinsichtlich des Zusammenhangs der Gemeinde-Ausschüsse haben
sich herrlich bewährt; wenn es jetzt wieder losginge, würden wir bald uns sammeln.
Einen festen Zusammenhang aller Deutschen zwischen Thorn und Posen zu bilden,
ist jetzt meine Aufgabe, um dem Militär immer eine sichere Verbindung zu erhalten.
Man stößt dabei allerdings auf manche Flausen, und schwer ist der Deutsche in
Gang zu bringen, aber ich zweifle nicht, daß es mir gelingen wird.

Am vergangenen Sonntag waren meine jungen Leute zu einem Bekannten
geladen, wir waren ganz allein. Bei den Postsachen war ein Militärbrief, es
ward mir darin die Führung einer Landwehrschwadron 2^" Aufgebots im Falle
einer Mobilmachung angetragen. Ich antwortete ganz kurz, daß der alte Wahl¬
spruch: "Mit Gott, für König und Vaterland" mich stets zum Aufsitzen bereit finden
werde, und daß ich der großen Ehre, eine Schwadron zu führen, zu genügen mich
immer bemühen werde. Meine Frau hatte mir über die Schulter gesehen und
weinte bitterlich, alle meine vernünftigen Vorstellungen wollten nicht helfen, sie sah
den Zeitungen nach den Feind schon ankommen und ging schmollend mit den Zei¬
tungen ab, bald jedoch kam sie wieder und verkündete mir den rothen Adlerorden.
Es war wirklich eine große Freude, für meine Frau aber nicht, sie meinte, nun
würde ich ganz dem allgemeinen Wohl mich opfern, und den Polen, die es auf
Dein Leben abgesehen haben, wirst Du damit nur zur Scheibe dienen.

Am Tage darauf war die Wahl, und ich hatte das Glück, trotz aller Pfaffen¬
wühlerei von meinen in der Mehrzahl polnischen Leuten einstimmig gewählt zu
werden. Das war ein großer Jnbel! An zwei Stellen ließ ich tanzen, und dazu
gab es frei Spiritus und Bier: als es dunkel ward, brachten sie mir ein Ständchen,
und gleich darauf kamen die Genossen aus der Stadt und der Umgegend mit einer
schönen Musik an. Ich lud sie herein, und wir waren den Abend recht vergnügt.
Ich versicherte ihnen, daß ich stets nur gethan, was jeder vou ihnen als braver
Mann auch gethan haben würde, und nur ihrer Wahl zum Führer und nur ihrer
allseitigen Gesinnungstüchtigkeit verdanke ich diese Ehre. -- Ja, rief Alles, "wir
Alle fühlen uns durch diese Auszeichnung geehrt, und wir haben es wohl verdient."

Du warst mir immer ein so liebevoller und nachsichtiger Freund, daß Du
mir hier eine kleine Eitelkeit verzeihst, ich war recht stolz, doch mehr noch auf die
Liebe meiner Freunde, als eigentlich auf deu Orden.

Heute bin ich auch von den Urwählern zur ersten Kammer gewählt worden,
als Wahlmann heißt das, und ich werde mich bemühen, einen Deutschen hinein zu
bringen. Möchten doch die ganzen Wahlen vernünftig ausfallen, sonst muß es
doch mit dem eisernen Ladestock wieder losgehen, und wer siegt, der bringt den
Unterliegenden um, von Gnade kann diesmal keine Rede sein. Das wissen wohl
beide Theile, und deshalb wird es schrecklich sein, wenn es zum Kampfe kommt. --
Ich bin hier auf den Baron von Herlefeld verfallen und will heute noch an ihn


<Lili Brief aus trüber Zeit

gewesen, und von da ab wußte er nicht, daß eiuer einen andern Beruf gehabt;
sein Vater stand bei der Garde. Er war groß und sehr schön, gewandt, äußerst
nobel, solide und von den angenehmsten Formen. Eines Tages kam er sehr er¬
freut zu Tische, bestellte sich gleich nach dem Essen den Burschen mit dem Pferde,
um seiner Frau entgegen zu reiten, die ihm mit seinen beiden Kindern nachge¬
kommen sei. Er war erst 25 Jahr alt, sah noch viel jünger aus, und wir hatten
keine Ahnung, daß er schon verheirathet sein könnte. Es war eine sehr liebens¬
würdige Frau, und wir freuten uns über die angenehme gesellige Aquisitiou.
Jndeß die Freude war nur kurz, er ward uach Mogilno versetzt, machte von dort
eine Reise nach Schlesien und starb dort auf dem Gute seines Vaters an einem
hitzigen Nervenfieber. Die arme Frau war auch noch durch den Tod ihres
Stiefvaters nahe daran, ihr ganzes Vermögen zu verlieren. Wer die beiden Leute
so noch im vollen Genuß der irdischen Glückseligkeit gesehen hatte, wie wir, der
war gewiß tief ergriffen von dem raschen Wechsel des Geschickes.

In unsern politischen Klubs sind wir streng dem Könige tren geblieben, und
meine Anordnungen hinsichtlich des Zusammenhangs der Gemeinde-Ausschüsse haben
sich herrlich bewährt; wenn es jetzt wieder losginge, würden wir bald uns sammeln.
Einen festen Zusammenhang aller Deutschen zwischen Thorn und Posen zu bilden,
ist jetzt meine Aufgabe, um dem Militär immer eine sichere Verbindung zu erhalten.
Man stößt dabei allerdings auf manche Flausen, und schwer ist der Deutsche in
Gang zu bringen, aber ich zweifle nicht, daß es mir gelingen wird.

Am vergangenen Sonntag waren meine jungen Leute zu einem Bekannten
geladen, wir waren ganz allein. Bei den Postsachen war ein Militärbrief, es
ward mir darin die Führung einer Landwehrschwadron 2^" Aufgebots im Falle
einer Mobilmachung angetragen. Ich antwortete ganz kurz, daß der alte Wahl¬
spruch: „Mit Gott, für König und Vaterland" mich stets zum Aufsitzen bereit finden
werde, und daß ich der großen Ehre, eine Schwadron zu führen, zu genügen mich
immer bemühen werde. Meine Frau hatte mir über die Schulter gesehen und
weinte bitterlich, alle meine vernünftigen Vorstellungen wollten nicht helfen, sie sah
den Zeitungen nach den Feind schon ankommen und ging schmollend mit den Zei¬
tungen ab, bald jedoch kam sie wieder und verkündete mir den rothen Adlerorden.
Es war wirklich eine große Freude, für meine Frau aber nicht, sie meinte, nun
würde ich ganz dem allgemeinen Wohl mich opfern, und den Polen, die es auf
Dein Leben abgesehen haben, wirst Du damit nur zur Scheibe dienen.

Am Tage darauf war die Wahl, und ich hatte das Glück, trotz aller Pfaffen¬
wühlerei von meinen in der Mehrzahl polnischen Leuten einstimmig gewählt zu
werden. Das war ein großer Jnbel! An zwei Stellen ließ ich tanzen, und dazu
gab es frei Spiritus und Bier: als es dunkel ward, brachten sie mir ein Ständchen,
und gleich darauf kamen die Genossen aus der Stadt und der Umgegend mit einer
schönen Musik an. Ich lud sie herein, und wir waren den Abend recht vergnügt.
Ich versicherte ihnen, daß ich stets nur gethan, was jeder vou ihnen als braver
Mann auch gethan haben würde, und nur ihrer Wahl zum Führer und nur ihrer
allseitigen Gesinnungstüchtigkeit verdanke ich diese Ehre. — Ja, rief Alles, „wir
Alle fühlen uns durch diese Auszeichnung geehrt, und wir haben es wohl verdient."

Du warst mir immer ein so liebevoller und nachsichtiger Freund, daß Du
mir hier eine kleine Eitelkeit verzeihst, ich war recht stolz, doch mehr noch auf die
Liebe meiner Freunde, als eigentlich auf deu Orden.

Heute bin ich auch von den Urwählern zur ersten Kammer gewählt worden,
als Wahlmann heißt das, und ich werde mich bemühen, einen Deutschen hinein zu
bringen. Möchten doch die ganzen Wahlen vernünftig ausfallen, sonst muß es
doch mit dem eisernen Ladestock wieder losgehen, und wer siegt, der bringt den
Unterliegenden um, von Gnade kann diesmal keine Rede sein. Das wissen wohl
beide Theile, und deshalb wird es schrecklich sein, wenn es zum Kampfe kommt. —
Ich bin hier auf den Baron von Herlefeld verfallen und will heute noch an ihn


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[0460] <Lili Brief aus trüber Zeit gewesen, und von da ab wußte er nicht, daß eiuer einen andern Beruf gehabt; sein Vater stand bei der Garde. Er war groß und sehr schön, gewandt, äußerst nobel, solide und von den angenehmsten Formen. Eines Tages kam er sehr er¬ freut zu Tische, bestellte sich gleich nach dem Essen den Burschen mit dem Pferde, um seiner Frau entgegen zu reiten, die ihm mit seinen beiden Kindern nachge¬ kommen sei. Er war erst 25 Jahr alt, sah noch viel jünger aus, und wir hatten keine Ahnung, daß er schon verheirathet sein könnte. Es war eine sehr liebens¬ würdige Frau, und wir freuten uns über die angenehme gesellige Aquisitiou. Jndeß die Freude war nur kurz, er ward uach Mogilno versetzt, machte von dort eine Reise nach Schlesien und starb dort auf dem Gute seines Vaters an einem hitzigen Nervenfieber. Die arme Frau war auch noch durch den Tod ihres Stiefvaters nahe daran, ihr ganzes Vermögen zu verlieren. Wer die beiden Leute so noch im vollen Genuß der irdischen Glückseligkeit gesehen hatte, wie wir, der war gewiß tief ergriffen von dem raschen Wechsel des Geschickes. In unsern politischen Klubs sind wir streng dem Könige tren geblieben, und meine Anordnungen hinsichtlich des Zusammenhangs der Gemeinde-Ausschüsse haben sich herrlich bewährt; wenn es jetzt wieder losginge, würden wir bald uns sammeln. Einen festen Zusammenhang aller Deutschen zwischen Thorn und Posen zu bilden, ist jetzt meine Aufgabe, um dem Militär immer eine sichere Verbindung zu erhalten. Man stößt dabei allerdings auf manche Flausen, und schwer ist der Deutsche in Gang zu bringen, aber ich zweifle nicht, daß es mir gelingen wird. Am vergangenen Sonntag waren meine jungen Leute zu einem Bekannten geladen, wir waren ganz allein. Bei den Postsachen war ein Militärbrief, es ward mir darin die Führung einer Landwehrschwadron 2^" Aufgebots im Falle einer Mobilmachung angetragen. Ich antwortete ganz kurz, daß der alte Wahl¬ spruch: „Mit Gott, für König und Vaterland" mich stets zum Aufsitzen bereit finden werde, und daß ich der großen Ehre, eine Schwadron zu führen, zu genügen mich immer bemühen werde. Meine Frau hatte mir über die Schulter gesehen und weinte bitterlich, alle meine vernünftigen Vorstellungen wollten nicht helfen, sie sah den Zeitungen nach den Feind schon ankommen und ging schmollend mit den Zei¬ tungen ab, bald jedoch kam sie wieder und verkündete mir den rothen Adlerorden. Es war wirklich eine große Freude, für meine Frau aber nicht, sie meinte, nun würde ich ganz dem allgemeinen Wohl mich opfern, und den Polen, die es auf Dein Leben abgesehen haben, wirst Du damit nur zur Scheibe dienen. Am Tage darauf war die Wahl, und ich hatte das Glück, trotz aller Pfaffen¬ wühlerei von meinen in der Mehrzahl polnischen Leuten einstimmig gewählt zu werden. Das war ein großer Jnbel! An zwei Stellen ließ ich tanzen, und dazu gab es frei Spiritus und Bier: als es dunkel ward, brachten sie mir ein Ständchen, und gleich darauf kamen die Genossen aus der Stadt und der Umgegend mit einer schönen Musik an. Ich lud sie herein, und wir waren den Abend recht vergnügt. Ich versicherte ihnen, daß ich stets nur gethan, was jeder vou ihnen als braver Mann auch gethan haben würde, und nur ihrer Wahl zum Führer und nur ihrer allseitigen Gesinnungstüchtigkeit verdanke ich diese Ehre. — Ja, rief Alles, „wir Alle fühlen uns durch diese Auszeichnung geehrt, und wir haben es wohl verdient." Du warst mir immer ein so liebevoller und nachsichtiger Freund, daß Du mir hier eine kleine Eitelkeit verzeihst, ich war recht stolz, doch mehr noch auf die Liebe meiner Freunde, als eigentlich auf deu Orden. Heute bin ich auch von den Urwählern zur ersten Kammer gewählt worden, als Wahlmann heißt das, und ich werde mich bemühen, einen Deutschen hinein zu bringen. Möchten doch die ganzen Wahlen vernünftig ausfallen, sonst muß es doch mit dem eisernen Ladestock wieder losgehen, und wer siegt, der bringt den Unterliegenden um, von Gnade kann diesmal keine Rede sein. Das wissen wohl beide Theile, und deshalb wird es schrecklich sein, wenn es zum Kampfe kommt. — Ich bin hier auf den Baron von Herlefeld verfallen und will heute noch an ihn

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_87477/460>, abgerufen am 22.12.2024.