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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Erstes Vierteljahr.

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Lin Brief aus trüber Zeit

Es waren wenigstens 4000 Insurgenten, und tels Militär war anfangs 50,
dann kamen noch 70 und dann 80 Husaren und 380 Mann Infanterie, Füseliere.
Leider hatten sie noch nicht die neuen Gewehre, indeß sind doch auch einzelne Fälle
vorgekommen, wo auf 500 Schritte Leute noch niedergeschossen sind. Ein Bekannter,
der mit seiner ganzen Familie bei mir wohnte, Herr Wild, wurde am ersten Feier¬
tage vou zwei Wagen mit Insurgenten verfolgt, als er zu mir wollte; er läuft
quer über das Feld -- ohne Waffen ging damals niemand --, er erreicht die
Stadt, und ehe er sich in einen Graben werfen kann, bekommt er einen Schuß,
es war nur Schrot und ziemlich weit; er wirft sich hin, und als der nächste Ver¬
folger ihm näher ist, springt er auf und macht eine Doublette, einen in die Augen,
den andren in den Hinterkopf; von den Übrigen holte sich das herbeigeeilte Militär
noch einen auf eine unglaubliche Eutfernung. Der Wild ist ein trefflicher Schütze. --
Wenn wir jetzt auf den Scheibeustand schießen, so hörst du vom Gefecht sprechen,
wie von der Hasenjagd, wie viel hat der, wie viel der geschossen! -- Mein Jäger
Holobaw, der Bürger Rohr, Grieger, Lüser und Karst hatten sich den Füselieren
zugesellt. Am ersten Feiertag waren noch viele Zuzüge gekommen, indeß hatte
keiner mehr gewagt anzugreifen, die Truppen waren jedoch fast immer unter dem
Gewehr gewesen.

Meine Frau und Kinder -- meine Frau bekam durch Schreck und Angst das
Fieber -- hatte ich nach Bromberg gebracht; in mir war ein entsetzlicher Zustand
der Wuth, ich konnte vor Fluchen nicht beten. Ich wußte noch nicht, wie es in
Strzclno abgelaufen war, und meldete mich beim General von Wedell zum activen
Dienst im Heer, ich wollte im polnischen Blut den Schimpf abwaschen. Bei ihm
erhielt ich die ersten Nachrichten. -- Als ich das Nöthigste für meine arme Frau
und die Kinder besorgt hatte, brach ich nach Strzelno auf; es war am 2. Feier¬
tag. Ich bekam von Juowrazlaw von dem Rittmeister von Schleinitz 6 Dragoner
und einen Unteroffizier mit. Wir sahen mehrere Insurgenten, indeß erlebten wir
nichts. Bei Marcowitz traf ich die ersten Husaren unter dem Unteroffizier von
Waldersee, er strich den Bart und zeigte mir seine mit Blut gefärbte Säbelklinge.
Jetzt ritten die Dragoner zurück, und mit den Husaren kam ich hier an. Jeder
wußte aus dem Gefechte zu erzähle", alles brave anständige Jungens. Als ich
näher kam, war alles mit Militärposten besetzt, überall sah man die Blutspuren
an Zäunen, Mauern und auf den Straßen, aus meinem Raps am Hofe wurden
Tags darauf noch Leichen gebracht. Mein ganzes Haus war voller Offiziere, die
ich zum Theil schou kannte; meine Freude war groß. Dabei hatten die Soldaten
eine recht hübsche Musik zusammengebracht nud tnuzten mit unfern Mädchens
Polka, daß es nur so sauste, auf die schmucken Husaren waren die Dirnen
ganz toll.

Jetzt aber ging es nun rasch zum Gerichte; ich wußte, daß kurz nach mir ein
Regierungs-Commissär kommen würde, und ein Mann mit Frack und Brille schien
mir nicht als der rechte Rächer. Wir formirter kleine Abtheilungen, Kleist, Lach¬
mann und ich begleiteten die einzelnen Patrouillen, es waren gemischte Commandos.
Die Kavallerie ward gleich vorgeschickt, besetzte die Ein- und Ausgänge, um¬
schwärmte die Orte, und die Infanterie durchsuchte die Häuser und hielt Stand¬
recht; es gab mörderliche Prügel: den Pelz rauf, die Hosen runter, über ein Bund
Stroh gelegt, den Kopf zwischen den Beinen, und immer hatten die Teufelkerls
den eisernen Ladestock zur Hand. Ehe die Herren von der Regierung kamen,
war die ganze polnische Bevölkerung recht gehörig durchgeprügelt, nud die Pfaffen
bekamen das meiste, weil ich schon eine Ahnung hatte, die Schweinhunde würden
wieder frei durchgehn. Dafür haben sie mich auch jetzt alle so lieb, daß sie aus¬
reißen, wenn sie mich von Weitem im Felde sehen angeritten kommen. Die
Pfaffen hatte namentlich Kleist mörderlich gekloppt und in seinem abgehaltenen
Kriegsgericht immer auf Todtschießen erkennen lassen und dann sie erst begnadigt
auf Hiebe. Hier war die Ruhe vollkommen wieder hergestellt, ich hatte ausge-


Lin Brief aus trüber Zeit

Es waren wenigstens 4000 Insurgenten, und tels Militär war anfangs 50,
dann kamen noch 70 und dann 80 Husaren und 380 Mann Infanterie, Füseliere.
Leider hatten sie noch nicht die neuen Gewehre, indeß sind doch auch einzelne Fälle
vorgekommen, wo auf 500 Schritte Leute noch niedergeschossen sind. Ein Bekannter,
der mit seiner ganzen Familie bei mir wohnte, Herr Wild, wurde am ersten Feier¬
tage vou zwei Wagen mit Insurgenten verfolgt, als er zu mir wollte; er läuft
quer über das Feld — ohne Waffen ging damals niemand —, er erreicht die
Stadt, und ehe er sich in einen Graben werfen kann, bekommt er einen Schuß,
es war nur Schrot und ziemlich weit; er wirft sich hin, und als der nächste Ver¬
folger ihm näher ist, springt er auf und macht eine Doublette, einen in die Augen,
den andren in den Hinterkopf; von den Übrigen holte sich das herbeigeeilte Militär
noch einen auf eine unglaubliche Eutfernung. Der Wild ist ein trefflicher Schütze. —
Wenn wir jetzt auf den Scheibeustand schießen, so hörst du vom Gefecht sprechen,
wie von der Hasenjagd, wie viel hat der, wie viel der geschossen! — Mein Jäger
Holobaw, der Bürger Rohr, Grieger, Lüser und Karst hatten sich den Füselieren
zugesellt. Am ersten Feiertag waren noch viele Zuzüge gekommen, indeß hatte
keiner mehr gewagt anzugreifen, die Truppen waren jedoch fast immer unter dem
Gewehr gewesen.

Meine Frau und Kinder — meine Frau bekam durch Schreck und Angst das
Fieber — hatte ich nach Bromberg gebracht; in mir war ein entsetzlicher Zustand
der Wuth, ich konnte vor Fluchen nicht beten. Ich wußte noch nicht, wie es in
Strzclno abgelaufen war, und meldete mich beim General von Wedell zum activen
Dienst im Heer, ich wollte im polnischen Blut den Schimpf abwaschen. Bei ihm
erhielt ich die ersten Nachrichten. — Als ich das Nöthigste für meine arme Frau
und die Kinder besorgt hatte, brach ich nach Strzelno auf; es war am 2. Feier¬
tag. Ich bekam von Juowrazlaw von dem Rittmeister von Schleinitz 6 Dragoner
und einen Unteroffizier mit. Wir sahen mehrere Insurgenten, indeß erlebten wir
nichts. Bei Marcowitz traf ich die ersten Husaren unter dem Unteroffizier von
Waldersee, er strich den Bart und zeigte mir seine mit Blut gefärbte Säbelklinge.
Jetzt ritten die Dragoner zurück, und mit den Husaren kam ich hier an. Jeder
wußte aus dem Gefechte zu erzähle», alles brave anständige Jungens. Als ich
näher kam, war alles mit Militärposten besetzt, überall sah man die Blutspuren
an Zäunen, Mauern und auf den Straßen, aus meinem Raps am Hofe wurden
Tags darauf noch Leichen gebracht. Mein ganzes Haus war voller Offiziere, die
ich zum Theil schou kannte; meine Freude war groß. Dabei hatten die Soldaten
eine recht hübsche Musik zusammengebracht nud tnuzten mit unfern Mädchens
Polka, daß es nur so sauste, auf die schmucken Husaren waren die Dirnen
ganz toll.

Jetzt aber ging es nun rasch zum Gerichte; ich wußte, daß kurz nach mir ein
Regierungs-Commissär kommen würde, und ein Mann mit Frack und Brille schien
mir nicht als der rechte Rächer. Wir formirter kleine Abtheilungen, Kleist, Lach¬
mann und ich begleiteten die einzelnen Patrouillen, es waren gemischte Commandos.
Die Kavallerie ward gleich vorgeschickt, besetzte die Ein- und Ausgänge, um¬
schwärmte die Orte, und die Infanterie durchsuchte die Häuser und hielt Stand¬
recht; es gab mörderliche Prügel: den Pelz rauf, die Hosen runter, über ein Bund
Stroh gelegt, den Kopf zwischen den Beinen, und immer hatten die Teufelkerls
den eisernen Ladestock zur Hand. Ehe die Herren von der Regierung kamen,
war die ganze polnische Bevölkerung recht gehörig durchgeprügelt, nud die Pfaffen
bekamen das meiste, weil ich schon eine Ahnung hatte, die Schweinhunde würden
wieder frei durchgehn. Dafür haben sie mich auch jetzt alle so lieb, daß sie aus¬
reißen, wenn sie mich von Weitem im Felde sehen angeritten kommen. Die
Pfaffen hatte namentlich Kleist mörderlich gekloppt und in seinem abgehaltenen
Kriegsgericht immer auf Todtschießen erkennen lassen und dann sie erst begnadigt
auf Hiebe. Hier war die Ruhe vollkommen wieder hergestellt, ich hatte ausge-


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[0457] Lin Brief aus trüber Zeit Es waren wenigstens 4000 Insurgenten, und tels Militär war anfangs 50, dann kamen noch 70 und dann 80 Husaren und 380 Mann Infanterie, Füseliere. Leider hatten sie noch nicht die neuen Gewehre, indeß sind doch auch einzelne Fälle vorgekommen, wo auf 500 Schritte Leute noch niedergeschossen sind. Ein Bekannter, der mit seiner ganzen Familie bei mir wohnte, Herr Wild, wurde am ersten Feier¬ tage vou zwei Wagen mit Insurgenten verfolgt, als er zu mir wollte; er läuft quer über das Feld — ohne Waffen ging damals niemand —, er erreicht die Stadt, und ehe er sich in einen Graben werfen kann, bekommt er einen Schuß, es war nur Schrot und ziemlich weit; er wirft sich hin, und als der nächste Ver¬ folger ihm näher ist, springt er auf und macht eine Doublette, einen in die Augen, den andren in den Hinterkopf; von den Übrigen holte sich das herbeigeeilte Militär noch einen auf eine unglaubliche Eutfernung. Der Wild ist ein trefflicher Schütze. — Wenn wir jetzt auf den Scheibeustand schießen, so hörst du vom Gefecht sprechen, wie von der Hasenjagd, wie viel hat der, wie viel der geschossen! — Mein Jäger Holobaw, der Bürger Rohr, Grieger, Lüser und Karst hatten sich den Füselieren zugesellt. Am ersten Feiertag waren noch viele Zuzüge gekommen, indeß hatte keiner mehr gewagt anzugreifen, die Truppen waren jedoch fast immer unter dem Gewehr gewesen. Meine Frau und Kinder — meine Frau bekam durch Schreck und Angst das Fieber — hatte ich nach Bromberg gebracht; in mir war ein entsetzlicher Zustand der Wuth, ich konnte vor Fluchen nicht beten. Ich wußte noch nicht, wie es in Strzclno abgelaufen war, und meldete mich beim General von Wedell zum activen Dienst im Heer, ich wollte im polnischen Blut den Schimpf abwaschen. Bei ihm erhielt ich die ersten Nachrichten. — Als ich das Nöthigste für meine arme Frau und die Kinder besorgt hatte, brach ich nach Strzelno auf; es war am 2. Feier¬ tag. Ich bekam von Juowrazlaw von dem Rittmeister von Schleinitz 6 Dragoner und einen Unteroffizier mit. Wir sahen mehrere Insurgenten, indeß erlebten wir nichts. Bei Marcowitz traf ich die ersten Husaren unter dem Unteroffizier von Waldersee, er strich den Bart und zeigte mir seine mit Blut gefärbte Säbelklinge. Jetzt ritten die Dragoner zurück, und mit den Husaren kam ich hier an. Jeder wußte aus dem Gefechte zu erzähle», alles brave anständige Jungens. Als ich näher kam, war alles mit Militärposten besetzt, überall sah man die Blutspuren an Zäunen, Mauern und auf den Straßen, aus meinem Raps am Hofe wurden Tags darauf noch Leichen gebracht. Mein ganzes Haus war voller Offiziere, die ich zum Theil schou kannte; meine Freude war groß. Dabei hatten die Soldaten eine recht hübsche Musik zusammengebracht nud tnuzten mit unfern Mädchens Polka, daß es nur so sauste, auf die schmucken Husaren waren die Dirnen ganz toll. Jetzt aber ging es nun rasch zum Gerichte; ich wußte, daß kurz nach mir ein Regierungs-Commissär kommen würde, und ein Mann mit Frack und Brille schien mir nicht als der rechte Rächer. Wir formirter kleine Abtheilungen, Kleist, Lach¬ mann und ich begleiteten die einzelnen Patrouillen, es waren gemischte Commandos. Die Kavallerie ward gleich vorgeschickt, besetzte die Ein- und Ausgänge, um¬ schwärmte die Orte, und die Infanterie durchsuchte die Häuser und hielt Stand¬ recht; es gab mörderliche Prügel: den Pelz rauf, die Hosen runter, über ein Bund Stroh gelegt, den Kopf zwischen den Beinen, und immer hatten die Teufelkerls den eisernen Ladestock zur Hand. Ehe die Herren von der Regierung kamen, war die ganze polnische Bevölkerung recht gehörig durchgeprügelt, nud die Pfaffen bekamen das meiste, weil ich schon eine Ahnung hatte, die Schweinhunde würden wieder frei durchgehn. Dafür haben sie mich auch jetzt alle so lieb, daß sie aus¬ reißen, wenn sie mich von Weitem im Felde sehen angeritten kommen. Die Pfaffen hatte namentlich Kleist mörderlich gekloppt und in seinem abgehaltenen Kriegsgericht immer auf Todtschießen erkennen lassen und dann sie erst begnadigt auf Hiebe. Hier war die Ruhe vollkommen wieder hergestellt, ich hatte ausge-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_87477/457>, abgerufen am 04.07.2024.