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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Erstes Vierteljahr.

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Lin Brief aus trüber Zeit

geschossen wurde, durften die Kinder nicht ausgezogen werden. Es war eine ent¬
setzliche Aufregung; was hätte ich schon des moralischen Eindrucks wegen gegeben,
wäre eine Truppenabtheilung nach hier gekommen, aber alle Staffetten waren ver¬
gebens, noch 14 Tage sollte ich warten. Endlich kamen wenigstens Proclamationen
von der Regierung; es war doch etwas, es war doch ein Lebenszeichen!

Eines Morgens, als alles bei der Arbeit war, kam der Reiterposten von
Stnrncy gesprengt und meldete, daß eine Truppe Sensenmänner von dort im An¬
marsch sei, es seien 40 zu Pferde, 50 mit Flinten und 180 mit Sensen. Mein
Rechnungsführer ward blaß wie der Kalk, und schon seine Angst gab mir den
alten Muth wieder, und mit der größten Ordnung beförderte ich die Eilboten, um
mit 300 Mann und 80 Pferden ihnen entgegen zu gehen. -- Ich trat vor das
Thor und sah den Trupp schon ankommen, der alles in Schrecken setzte. Noch war
ich ganz allein, aber schon kamen die Getreuen angezogen, und in kurzer Zeit hatte
ich auch die Städter bei mir versammelt. -- Es war Markttag, und eine Menge
polnischer Bauern in der Stadt, der Trupp durfte also nicht in die Stadt gelassen
werden. Kleist, der eben mit der Cavallerie kam, wollte sofort den Feind an¬
greifen, indeß war das Terrain zu ungünstig, auch die Pferde durch den scharfen
Ritt noch zu sehr auseinander, ich ließ es daher nicht zu. Den Hof hatte ich mit
Kartoffelkasten und Schlempekufen an den Thoren zugefahren. Ich gab den Posten
den Befehl, auf Schußweite den Feind zu empfangen, und ging diesem mit einer
Abtheilung Schützen bis an das Stadtthor entgegen. Der feindliche Anführer
winkte, und man wollte mich sprechen. Ich ging ihm entgegen, aber ehe ich noch
herankommen konnte, rief Kleist: "Schonen Sie Ihr Leben, es sind Verräther," und
sprengte auf seinem Hengste mit gezogenem Degen bei mir durch, ich eilte ihm
nach, und bald standen wir uns gegenüber. Ein Herr von Molinsky bat sehr
höflich, ihm den Durchmarsch durch die Stadt nach dem Kloster zu gestatten, wo
für seine Leute ein Mittagessen bereit sei; ich versicherte ihm, daß ich den Befehl
zurückgelassen, auf jeden Feuer zu geben, der auf Schußweite sich zeige, und diesen
Befehl würde ich nicht zurücknehmen, es bleibe ihm aber überlassen, auf Schußweite
die Stadt zu umgehen -- und das geschah denn auch. Nachher erfuhr ich erst,
daß sie meine Kartoffelkasten für Munitionswagen und die Schlempekufe für eine
12Pfünder gehalten hatten und in der entsetzlichsten Angst gewesen waren; beim
ersten Schuß wäre alles gelaufen, ich wollte mich aber nur vertheidigen, und so
zogen sie ab.

Am Abend sahen wir wieder mehrere Fanale brennen, und an der ganzen
Waldgrenze wurde von Zeit zu Zeit geschossen; alles mußte in den Kleidern schlafen,
und wir Männer blieben auf Wache. Immer mehr sank den Meinen der Muth,
viele flüchteten nach Thorn in die Festung. Von Tzschemeschno, wo ein Jnsurgenten-
lager war, wollte man uns überfallen; auf meinen Kopf waren 100 Rubel gesetzt,
man versuchte, mich durch Drohbriefe zu schrecken, ich verbrannte sie, ohne sie nur
Jemand zu zeigen.

Da erhielt ich die Nachricht, daß von Thorn eine Compagnie des 33. Regi¬
ments Hieher in Marsch sei; ich schickte ihnen eine Staffette entgegen und schilderte
kurz die ganze Lage, der Hauptmann von Bronikowsky befragte seine Leute, ob
sie wohl 3 Märsche in einem Tage zu machen im Stande wären, und ein lautes
"Ja" war die Antwort der braven Compagnie -- und die ganze Antwort des
Hauptmanns an mich lautete dahin: "noch heute Abend treffe ich bei Ihnen ein."
Die Nachricht schon belebte Alles, ich schickte meine Gespanne nach Jnowrazlaw
Zum Fahren des Gepäcks, aber es war Nacht, ehe die Truppen eintrafen; ich hatte
befohlen, beim ersten Trommelschlag die ganze Stadt zu erleuchte". Um 11 Uhr
meldeten die Posten Preußische Truppen. Wer kann unsre Freude beschreiben, das
laute Commando, der feste Tritt und die Trommeln -- mir hätte das alte
Preußische Svldatenhcrz die Brust sprengen mögen. Es war auch ein Zug Dra¬
goner unter dem Leutnant von Seydlitz dem Kommando beigegeben. Ich verpflegte


Lin Brief aus trüber Zeit

geschossen wurde, durften die Kinder nicht ausgezogen werden. Es war eine ent¬
setzliche Aufregung; was hätte ich schon des moralischen Eindrucks wegen gegeben,
wäre eine Truppenabtheilung nach hier gekommen, aber alle Staffetten waren ver¬
gebens, noch 14 Tage sollte ich warten. Endlich kamen wenigstens Proclamationen
von der Regierung; es war doch etwas, es war doch ein Lebenszeichen!

Eines Morgens, als alles bei der Arbeit war, kam der Reiterposten von
Stnrncy gesprengt und meldete, daß eine Truppe Sensenmänner von dort im An¬
marsch sei, es seien 40 zu Pferde, 50 mit Flinten und 180 mit Sensen. Mein
Rechnungsführer ward blaß wie der Kalk, und schon seine Angst gab mir den
alten Muth wieder, und mit der größten Ordnung beförderte ich die Eilboten, um
mit 300 Mann und 80 Pferden ihnen entgegen zu gehen. — Ich trat vor das
Thor und sah den Trupp schon ankommen, der alles in Schrecken setzte. Noch war
ich ganz allein, aber schon kamen die Getreuen angezogen, und in kurzer Zeit hatte
ich auch die Städter bei mir versammelt. — Es war Markttag, und eine Menge
polnischer Bauern in der Stadt, der Trupp durfte also nicht in die Stadt gelassen
werden. Kleist, der eben mit der Cavallerie kam, wollte sofort den Feind an¬
greifen, indeß war das Terrain zu ungünstig, auch die Pferde durch den scharfen
Ritt noch zu sehr auseinander, ich ließ es daher nicht zu. Den Hof hatte ich mit
Kartoffelkasten und Schlempekufen an den Thoren zugefahren. Ich gab den Posten
den Befehl, auf Schußweite den Feind zu empfangen, und ging diesem mit einer
Abtheilung Schützen bis an das Stadtthor entgegen. Der feindliche Anführer
winkte, und man wollte mich sprechen. Ich ging ihm entgegen, aber ehe ich noch
herankommen konnte, rief Kleist: „Schonen Sie Ihr Leben, es sind Verräther," und
sprengte auf seinem Hengste mit gezogenem Degen bei mir durch, ich eilte ihm
nach, und bald standen wir uns gegenüber. Ein Herr von Molinsky bat sehr
höflich, ihm den Durchmarsch durch die Stadt nach dem Kloster zu gestatten, wo
für seine Leute ein Mittagessen bereit sei; ich versicherte ihm, daß ich den Befehl
zurückgelassen, auf jeden Feuer zu geben, der auf Schußweite sich zeige, und diesen
Befehl würde ich nicht zurücknehmen, es bleibe ihm aber überlassen, auf Schußweite
die Stadt zu umgehen — und das geschah denn auch. Nachher erfuhr ich erst,
daß sie meine Kartoffelkasten für Munitionswagen und die Schlempekufe für eine
12Pfünder gehalten hatten und in der entsetzlichsten Angst gewesen waren; beim
ersten Schuß wäre alles gelaufen, ich wollte mich aber nur vertheidigen, und so
zogen sie ab.

Am Abend sahen wir wieder mehrere Fanale brennen, und an der ganzen
Waldgrenze wurde von Zeit zu Zeit geschossen; alles mußte in den Kleidern schlafen,
und wir Männer blieben auf Wache. Immer mehr sank den Meinen der Muth,
viele flüchteten nach Thorn in die Festung. Von Tzschemeschno, wo ein Jnsurgenten-
lager war, wollte man uns überfallen; auf meinen Kopf waren 100 Rubel gesetzt,
man versuchte, mich durch Drohbriefe zu schrecken, ich verbrannte sie, ohne sie nur
Jemand zu zeigen.

Da erhielt ich die Nachricht, daß von Thorn eine Compagnie des 33. Regi¬
ments Hieher in Marsch sei; ich schickte ihnen eine Staffette entgegen und schilderte
kurz die ganze Lage, der Hauptmann von Bronikowsky befragte seine Leute, ob
sie wohl 3 Märsche in einem Tage zu machen im Stande wären, und ein lautes
»Ja" war die Antwort der braven Compagnie — und die ganze Antwort des
Hauptmanns an mich lautete dahin: „noch heute Abend treffe ich bei Ihnen ein."
Die Nachricht schon belebte Alles, ich schickte meine Gespanne nach Jnowrazlaw
Zum Fahren des Gepäcks, aber es war Nacht, ehe die Truppen eintrafen; ich hatte
befohlen, beim ersten Trommelschlag die ganze Stadt zu erleuchte». Um 11 Uhr
meldeten die Posten Preußische Truppen. Wer kann unsre Freude beschreiben, das
laute Commando, der feste Tritt und die Trommeln — mir hätte das alte
Preußische Svldatenhcrz die Brust sprengen mögen. Es war auch ein Zug Dra¬
goner unter dem Leutnant von Seydlitz dem Kommando beigegeben. Ich verpflegte


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[0407] Lin Brief aus trüber Zeit geschossen wurde, durften die Kinder nicht ausgezogen werden. Es war eine ent¬ setzliche Aufregung; was hätte ich schon des moralischen Eindrucks wegen gegeben, wäre eine Truppenabtheilung nach hier gekommen, aber alle Staffetten waren ver¬ gebens, noch 14 Tage sollte ich warten. Endlich kamen wenigstens Proclamationen von der Regierung; es war doch etwas, es war doch ein Lebenszeichen! Eines Morgens, als alles bei der Arbeit war, kam der Reiterposten von Stnrncy gesprengt und meldete, daß eine Truppe Sensenmänner von dort im An¬ marsch sei, es seien 40 zu Pferde, 50 mit Flinten und 180 mit Sensen. Mein Rechnungsführer ward blaß wie der Kalk, und schon seine Angst gab mir den alten Muth wieder, und mit der größten Ordnung beförderte ich die Eilboten, um mit 300 Mann und 80 Pferden ihnen entgegen zu gehen. — Ich trat vor das Thor und sah den Trupp schon ankommen, der alles in Schrecken setzte. Noch war ich ganz allein, aber schon kamen die Getreuen angezogen, und in kurzer Zeit hatte ich auch die Städter bei mir versammelt. — Es war Markttag, und eine Menge polnischer Bauern in der Stadt, der Trupp durfte also nicht in die Stadt gelassen werden. Kleist, der eben mit der Cavallerie kam, wollte sofort den Feind an¬ greifen, indeß war das Terrain zu ungünstig, auch die Pferde durch den scharfen Ritt noch zu sehr auseinander, ich ließ es daher nicht zu. Den Hof hatte ich mit Kartoffelkasten und Schlempekufen an den Thoren zugefahren. Ich gab den Posten den Befehl, auf Schußweite den Feind zu empfangen, und ging diesem mit einer Abtheilung Schützen bis an das Stadtthor entgegen. Der feindliche Anführer winkte, und man wollte mich sprechen. Ich ging ihm entgegen, aber ehe ich noch herankommen konnte, rief Kleist: „Schonen Sie Ihr Leben, es sind Verräther," und sprengte auf seinem Hengste mit gezogenem Degen bei mir durch, ich eilte ihm nach, und bald standen wir uns gegenüber. Ein Herr von Molinsky bat sehr höflich, ihm den Durchmarsch durch die Stadt nach dem Kloster zu gestatten, wo für seine Leute ein Mittagessen bereit sei; ich versicherte ihm, daß ich den Befehl zurückgelassen, auf jeden Feuer zu geben, der auf Schußweite sich zeige, und diesen Befehl würde ich nicht zurücknehmen, es bleibe ihm aber überlassen, auf Schußweite die Stadt zu umgehen — und das geschah denn auch. Nachher erfuhr ich erst, daß sie meine Kartoffelkasten für Munitionswagen und die Schlempekufe für eine 12Pfünder gehalten hatten und in der entsetzlichsten Angst gewesen waren; beim ersten Schuß wäre alles gelaufen, ich wollte mich aber nur vertheidigen, und so zogen sie ab. Am Abend sahen wir wieder mehrere Fanale brennen, und an der ganzen Waldgrenze wurde von Zeit zu Zeit geschossen; alles mußte in den Kleidern schlafen, und wir Männer blieben auf Wache. Immer mehr sank den Meinen der Muth, viele flüchteten nach Thorn in die Festung. Von Tzschemeschno, wo ein Jnsurgenten- lager war, wollte man uns überfallen; auf meinen Kopf waren 100 Rubel gesetzt, man versuchte, mich durch Drohbriefe zu schrecken, ich verbrannte sie, ohne sie nur Jemand zu zeigen. Da erhielt ich die Nachricht, daß von Thorn eine Compagnie des 33. Regi¬ ments Hieher in Marsch sei; ich schickte ihnen eine Staffette entgegen und schilderte kurz die ganze Lage, der Hauptmann von Bronikowsky befragte seine Leute, ob sie wohl 3 Märsche in einem Tage zu machen im Stande wären, und ein lautes »Ja" war die Antwort der braven Compagnie — und die ganze Antwort des Hauptmanns an mich lautete dahin: „noch heute Abend treffe ich bei Ihnen ein." Die Nachricht schon belebte Alles, ich schickte meine Gespanne nach Jnowrazlaw Zum Fahren des Gepäcks, aber es war Nacht, ehe die Truppen eintrafen; ich hatte befohlen, beim ersten Trommelschlag die ganze Stadt zu erleuchte». Um 11 Uhr meldeten die Posten Preußische Truppen. Wer kann unsre Freude beschreiben, das laute Commando, der feste Tritt und die Trommeln — mir hätte das alte Preußische Svldatenhcrz die Brust sprengen mögen. Es war auch ein Zug Dra¬ goner unter dem Leutnant von Seydlitz dem Kommando beigegeben. Ich verpflegte

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_87477/407>, abgerufen am 23.07.2024.