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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Erstes Vierteljahr.

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ganz durchsuchen und alle Waffen darin fortnehmen, erklärte aber darauf, daß beim
nächsten Fall dieser Art ich das Haus würde der Erde gleich macheu lassen; damit
hörte dieser Spaß auf.

Alles mögliche ward angewendet, mich von meinem Posten zu bringen, falsche
Nachrichten wurden ausgesprengt, und ich mußte alle Ruhe zusammennehmen, um
mit Besonnenheit die ewig aufgeregte rohe Masse zu leiten. Es wurde mir be¬
richtet, daß die Polen mein Vorwerk Blarzatz und Gay abgebrannt hätten, daß in
Mlyny geplündert werde, und daß man ans dem Amte Frau und Kinder mi߬
handle; ich schickte Patrouillen ab und einige sichere Schützen in meine Wohnung
unter dem Vorwande, sie sollten Patronen machen.

Nach Thorn, Bromberg und Gnesen hatte ich wegen Militärverstärkung ge¬
schrieben, es blieb erfolglos, und ich mußte überlegen, wie ich rin diesem Haufen
mich länger würde halten können. Die Meuterei nahm immer mehr darin zu, und
ich mußte bedenken, daß bei längerem Beisammensein die strengste Disciplin nöthig
sei. So saß ich ans einer Erhöhung vor einem Hause am Markte, als ein polnischer
Pächter mit zwei aufgezogenen Reiterpistolen, in jeder Hand eine, auf mich zukommt.
Erschrocken weicht die Menge; ich stehe auf, gehe ihm entgegen und rufe ihm zu:
"Aber Bratzky, bist Du toll und willst nach mir schießen!" Jetzt trat er zurück an
ein Haus, und ich hörte an 20 Hähne hinter mir knacken, heimatliche Schützen
hatten auf den Unglücklichen angelegt; ich riß mir den Pelz auf und rief: "Wer
schießen will, trifft mich, mit meinem Leben werde ich ihn schützen." So trat ich
rückwärts an ihn, und sobald ich ihn erreichte, sprang ich herum, und mit einem
Ruck ergriff ich seine beiden Arme und entriß ihm die Pistolen. Er sank vor mir
zusammen und bat um sein Leben. "Nicht allein das, sagte ich, sondern auch Deine
Waffen sollst Du haben, nun geh' aber zu Haus und danke Gott für dein Leben."
Er fiel mir zu Füßen und dankte mir.

Von dem General Hirschfeld bekam ich den Bescheid, noch 14 Tage möchte
ich mich halten, dann komme er von seinem Zuge zurück. Das war mir in dieser
Masse nicht möglich, da der Proviant nicht beschafft werden konnte; daher löste ich
das Corps der Sensenmänner auf, übergab die Bewachung der Stadt der Schützen¬
gilde, stellte Cavallerie-Vedetten bis an die Vorwerke, richtete Alarmhäuser für die
Nacht ein, und die Dorfgemeinden mußten es ebenso einrichten und sich in stetem
Rapport mit mir halten. -- Jetzt eilte ich zu Haus in die Arme von Weib und
Kind; die Freude wollte kein Ende finden, meine Frau weinte vor Freude, und
die Jungens riefen: "Ja, wir haben den Vater commandiren hören, und da hat
der Tambour getrommelt -- aber ein ander Mal gehen wir mit -- und wie sie
haben Hurra gerufen, da ist die Mutter niedergefallen und hat gebetet; und dann
sagten sie, die LosinÄrs (Sensenmänner) sind davon gelaufen, da haben wir uns
so gefreut." -- Ach, die Augenblicke waren schön, aber sie dauerten nicht lange,
ich mußte wieder zu Pferde und die Posten revidiren. -- Es war eine entsetzliche
Zeit, immer mehr verloren die Meinigen den Muth, am Tage die anstrengenden
Feldarbeiten, und des Abends auf Wache oder in die Alarmhäuser, was auch uicht
besser war. -- Auf einem Tisch vor dem Sopha lagen meine Waffen und die
Munition; ich selbst habe des Nachts immer nur auf dem Sopha angekleidet ge¬
legen, um gleich bei der Hand zu sein. Kleist revidirte vor Mitternacht, ich oder
Lachmann gegen Morgen; wir mußten jeden Augenblick auf eine Bluthochzeit vor¬
bereitet sein und alle Energie entwickeln, die Leute bei Muth und in Spannung
zu halten. -- Wie leicht ist es, disciplinirte Truppen zu führen, und wie schwer,
einen rohen Hansen zu einem Meinungskampf zu begeistern! -- Ich wandte alles
an, Truppen Hieher zu bekommen, es war immer vergebens. Viele einzeln wohnende
Bauern und Pächter flüchteten sich allabendlich unter mein Dach, das ihnen doch
noch am sichersten erschien; alle Stuben waren voll; es wurde für sie recht einfach
gekocht, viele brachten sich auch was mit. Das ganze Haus war voll Kinder.
Wenn die Gefahr groß war, daß wir verschiedene Fanale brennen sahen und viel


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ganz durchsuchen und alle Waffen darin fortnehmen, erklärte aber darauf, daß beim
nächsten Fall dieser Art ich das Haus würde der Erde gleich macheu lassen; damit
hörte dieser Spaß auf.

Alles mögliche ward angewendet, mich von meinem Posten zu bringen, falsche
Nachrichten wurden ausgesprengt, und ich mußte alle Ruhe zusammennehmen, um
mit Besonnenheit die ewig aufgeregte rohe Masse zu leiten. Es wurde mir be¬
richtet, daß die Polen mein Vorwerk Blarzatz und Gay abgebrannt hätten, daß in
Mlyny geplündert werde, und daß man ans dem Amte Frau und Kinder mi߬
handle; ich schickte Patrouillen ab und einige sichere Schützen in meine Wohnung
unter dem Vorwande, sie sollten Patronen machen.

Nach Thorn, Bromberg und Gnesen hatte ich wegen Militärverstärkung ge¬
schrieben, es blieb erfolglos, und ich mußte überlegen, wie ich rin diesem Haufen
mich länger würde halten können. Die Meuterei nahm immer mehr darin zu, und
ich mußte bedenken, daß bei längerem Beisammensein die strengste Disciplin nöthig
sei. So saß ich ans einer Erhöhung vor einem Hause am Markte, als ein polnischer
Pächter mit zwei aufgezogenen Reiterpistolen, in jeder Hand eine, auf mich zukommt.
Erschrocken weicht die Menge; ich stehe auf, gehe ihm entgegen und rufe ihm zu:
„Aber Bratzky, bist Du toll und willst nach mir schießen!" Jetzt trat er zurück an
ein Haus, und ich hörte an 20 Hähne hinter mir knacken, heimatliche Schützen
hatten auf den Unglücklichen angelegt; ich riß mir den Pelz auf und rief: „Wer
schießen will, trifft mich, mit meinem Leben werde ich ihn schützen." So trat ich
rückwärts an ihn, und sobald ich ihn erreichte, sprang ich herum, und mit einem
Ruck ergriff ich seine beiden Arme und entriß ihm die Pistolen. Er sank vor mir
zusammen und bat um sein Leben. „Nicht allein das, sagte ich, sondern auch Deine
Waffen sollst Du haben, nun geh' aber zu Haus und danke Gott für dein Leben."
Er fiel mir zu Füßen und dankte mir.

Von dem General Hirschfeld bekam ich den Bescheid, noch 14 Tage möchte
ich mich halten, dann komme er von seinem Zuge zurück. Das war mir in dieser
Masse nicht möglich, da der Proviant nicht beschafft werden konnte; daher löste ich
das Corps der Sensenmänner auf, übergab die Bewachung der Stadt der Schützen¬
gilde, stellte Cavallerie-Vedetten bis an die Vorwerke, richtete Alarmhäuser für die
Nacht ein, und die Dorfgemeinden mußten es ebenso einrichten und sich in stetem
Rapport mit mir halten. — Jetzt eilte ich zu Haus in die Arme von Weib und
Kind; die Freude wollte kein Ende finden, meine Frau weinte vor Freude, und
die Jungens riefen: „Ja, wir haben den Vater commandiren hören, und da hat
der Tambour getrommelt — aber ein ander Mal gehen wir mit — und wie sie
haben Hurra gerufen, da ist die Mutter niedergefallen und hat gebetet; und dann
sagten sie, die LosinÄrs (Sensenmänner) sind davon gelaufen, da haben wir uns
so gefreut." — Ach, die Augenblicke waren schön, aber sie dauerten nicht lange,
ich mußte wieder zu Pferde und die Posten revidiren. — Es war eine entsetzliche
Zeit, immer mehr verloren die Meinigen den Muth, am Tage die anstrengenden
Feldarbeiten, und des Abends auf Wache oder in die Alarmhäuser, was auch uicht
besser war. — Auf einem Tisch vor dem Sopha lagen meine Waffen und die
Munition; ich selbst habe des Nachts immer nur auf dem Sopha angekleidet ge¬
legen, um gleich bei der Hand zu sein. Kleist revidirte vor Mitternacht, ich oder
Lachmann gegen Morgen; wir mußten jeden Augenblick auf eine Bluthochzeit vor¬
bereitet sein und alle Energie entwickeln, die Leute bei Muth und in Spannung
zu halten. — Wie leicht ist es, disciplinirte Truppen zu führen, und wie schwer,
einen rohen Hansen zu einem Meinungskampf zu begeistern! — Ich wandte alles
an, Truppen Hieher zu bekommen, es war immer vergebens. Viele einzeln wohnende
Bauern und Pächter flüchteten sich allabendlich unter mein Dach, das ihnen doch
noch am sichersten erschien; alle Stuben waren voll; es wurde für sie recht einfach
gekocht, viele brachten sich auch was mit. Das ganze Haus war voll Kinder.
Wenn die Gefahr groß war, daß wir verschiedene Fanale brennen sahen und viel


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[0406] Li» Brief aus trüber Zeit ganz durchsuchen und alle Waffen darin fortnehmen, erklärte aber darauf, daß beim nächsten Fall dieser Art ich das Haus würde der Erde gleich macheu lassen; damit hörte dieser Spaß auf. Alles mögliche ward angewendet, mich von meinem Posten zu bringen, falsche Nachrichten wurden ausgesprengt, und ich mußte alle Ruhe zusammennehmen, um mit Besonnenheit die ewig aufgeregte rohe Masse zu leiten. Es wurde mir be¬ richtet, daß die Polen mein Vorwerk Blarzatz und Gay abgebrannt hätten, daß in Mlyny geplündert werde, und daß man ans dem Amte Frau und Kinder mi߬ handle; ich schickte Patrouillen ab und einige sichere Schützen in meine Wohnung unter dem Vorwande, sie sollten Patronen machen. Nach Thorn, Bromberg und Gnesen hatte ich wegen Militärverstärkung ge¬ schrieben, es blieb erfolglos, und ich mußte überlegen, wie ich rin diesem Haufen mich länger würde halten können. Die Meuterei nahm immer mehr darin zu, und ich mußte bedenken, daß bei längerem Beisammensein die strengste Disciplin nöthig sei. So saß ich ans einer Erhöhung vor einem Hause am Markte, als ein polnischer Pächter mit zwei aufgezogenen Reiterpistolen, in jeder Hand eine, auf mich zukommt. Erschrocken weicht die Menge; ich stehe auf, gehe ihm entgegen und rufe ihm zu: „Aber Bratzky, bist Du toll und willst nach mir schießen!" Jetzt trat er zurück an ein Haus, und ich hörte an 20 Hähne hinter mir knacken, heimatliche Schützen hatten auf den Unglücklichen angelegt; ich riß mir den Pelz auf und rief: „Wer schießen will, trifft mich, mit meinem Leben werde ich ihn schützen." So trat ich rückwärts an ihn, und sobald ich ihn erreichte, sprang ich herum, und mit einem Ruck ergriff ich seine beiden Arme und entriß ihm die Pistolen. Er sank vor mir zusammen und bat um sein Leben. „Nicht allein das, sagte ich, sondern auch Deine Waffen sollst Du haben, nun geh' aber zu Haus und danke Gott für dein Leben." Er fiel mir zu Füßen und dankte mir. Von dem General Hirschfeld bekam ich den Bescheid, noch 14 Tage möchte ich mich halten, dann komme er von seinem Zuge zurück. Das war mir in dieser Masse nicht möglich, da der Proviant nicht beschafft werden konnte; daher löste ich das Corps der Sensenmänner auf, übergab die Bewachung der Stadt der Schützen¬ gilde, stellte Cavallerie-Vedetten bis an die Vorwerke, richtete Alarmhäuser für die Nacht ein, und die Dorfgemeinden mußten es ebenso einrichten und sich in stetem Rapport mit mir halten. — Jetzt eilte ich zu Haus in die Arme von Weib und Kind; die Freude wollte kein Ende finden, meine Frau weinte vor Freude, und die Jungens riefen: „Ja, wir haben den Vater commandiren hören, und da hat der Tambour getrommelt — aber ein ander Mal gehen wir mit — und wie sie haben Hurra gerufen, da ist die Mutter niedergefallen und hat gebetet; und dann sagten sie, die LosinÄrs (Sensenmänner) sind davon gelaufen, da haben wir uns so gefreut." — Ach, die Augenblicke waren schön, aber sie dauerten nicht lange, ich mußte wieder zu Pferde und die Posten revidiren. — Es war eine entsetzliche Zeit, immer mehr verloren die Meinigen den Muth, am Tage die anstrengenden Feldarbeiten, und des Abends auf Wache oder in die Alarmhäuser, was auch uicht besser war. — Auf einem Tisch vor dem Sopha lagen meine Waffen und die Munition; ich selbst habe des Nachts immer nur auf dem Sopha angekleidet ge¬ legen, um gleich bei der Hand zu sein. Kleist revidirte vor Mitternacht, ich oder Lachmann gegen Morgen; wir mußten jeden Augenblick auf eine Bluthochzeit vor¬ bereitet sein und alle Energie entwickeln, die Leute bei Muth und in Spannung zu halten. — Wie leicht ist es, disciplinirte Truppen zu führen, und wie schwer, einen rohen Hansen zu einem Meinungskampf zu begeistern! — Ich wandte alles an, Truppen Hieher zu bekommen, es war immer vergebens. Viele einzeln wohnende Bauern und Pächter flüchteten sich allabendlich unter mein Dach, das ihnen doch noch am sichersten erschien; alle Stuben waren voll; es wurde für sie recht einfach gekocht, viele brachten sich auch was mit. Das ganze Haus war voll Kinder. Wenn die Gefahr groß war, daß wir verschiedene Fanale brennen sahen und viel

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_87477/406>, abgerufen am 23.07.2024.