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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Erstes Vierteljahr.

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Luise von Lasaulx

da drüben aufgehängt -- in vollkommenster Seelenruhe trinke ich meinen
Kaffee zu Ende und rauche meine Zigarre dazu." Als am 4. Mai 1849
die Nationalversammlung beschlossen hatte, die Wahlen zum ersten Reichstage
auszuschreiben, erklärte Lasaulx am 7. seinen Austritt, weil sich die National¬
versammlung eigenmächtig aus einer konstituierenden in eine ausführende Ver¬
sammlung verwandelt, und weil sie eine Verfassung entworfen habe, die keine
Aussicht auf Verwirklichung habe, und die, sollte sie dennoch verwirklicht
werden, Deutschland verstümmeln würde. Selbstverständlich wurde er Wege"
seiner Haltung und seiner Reden furchtbar heruntergerissen; am ausführlichsten
und absprechendsten hat ihn Laube kritisiert.

Am 15. Mai wurde er in seine Münchner Professur wieder eingesetzt.
Eine seiner Abhandlungen -- über die Geologie der Griechen und der
Römer -- übersandte er Alexander von Humboldt. Dieser bedankte sich in
einem sehr freundlichen Briefe und schrieb einige Jahre darauf, am 7. Fe¬
bruar 1857, in Beziehung auf ein andres Buch Lasaulx (Neuer Versuch
einer alten auf die Wahrheit der Tatsachen gegründeten Philosophie der Ge¬
schichte) an Varnhagen:

Wenn in Berlin ich etwas lese, was mein literarisches und politisches Inter¬
esse anregt, so ist mein erster Gedanke auf Sie gerichtet. Lasaulx in München,
von der Baaderscher Zunft, war mir nur als ein Mann der Kreuzzeitung und
Schubertschen Dunkelwelt bekannt, und in der neuen historischen Schrift, die er
mir schickt, finde ich nicht eben originelle Ansichten, aber durch Anspielung eine
Mannigfaltigkeit positiver Kenntnisse offenbart, die ich bei Lasaulx nicht vermutete.
Vielfache Zitationen beweisen große Vorliebe für meines Bruders Ansichten. Die
slawische Messiasstelle ist auch sehr merkwürdig, wie überhaupt die Noten eine
antike sehr anmutige Blumenlese darbieten. Dergleichen traue ich dem Präsidenten
Gerlach und seinem Bruder nicht zu. Wenn der Lasaulx mit seinen Wünschen
für die wiederhergestellte alte deutsche Reichsverfassung Ihnen, teurer Freund, nicht
geschickt ist, so durchblättern Sie ihn wohl, schon der Noten wegen.

Der Anfang von Varnhagens Antwort lautet:

Euer Exzellenz empfangen das mir von Ihnen gütigst anvertraute Buch bei¬
folgend mit meinem innigsten Danke zurück. Ich habe es mit sehr wechselnden
Empfindungen gelesen, ich möchte sagen, mit peinlichen Interesse. Der Autor
macht allerdings Zugeständnisse und gibt Anschauungen, die ich ihm nicht zuge¬
traut hätte, so wenig wie die üppige Gelehrsamkeit seiner reichen Zitate. Allein
die schöne Blumenlese der Anmerkungen kann den Kern des Textes nicht verhüllen,
der ein recht bitterer ist: die Rechtfertigung der Negersklaverei, das brutale Lob
des Krieges und der stehenden Heere, die Heilsamkeit aristokratischer Revo¬
lutionen. Ungeachtet seiner weitgreifenden Höflichkeiten, die wie Einladungen
Andersdenkender aussehen, bietet der Autor diesen doch nur die Kost der Kreuz¬
zeitung, nur etwas feiner zubereitet, als dies Professor Leo zu tun pflegt, dessen
"Bildungsdreck" und "skrofulöses Gesindel" nur mit etwas Würze versetzt sind.

Der Verleger des Briefwechsels zwischen Humboldt und Varnhagen hat
diese beiden Briefe, weil sie eben nicht freundlich lauten, Lasaulx um drei
Louisdor zum Kauf angeboten, dieser aber hat das Angebot abgelehnt. Von
1849 bis 1861 hat er im bayrischen Landtage verschiedne Wahlkreise vertreten.
Wir stellen wieder aus seinen Reden einiges zusammen.

Bei dem Angriff "der beiden Abenteurer" auf Österreich im Jahre 1859


Luise von Lasaulx

da drüben aufgehängt — in vollkommenster Seelenruhe trinke ich meinen
Kaffee zu Ende und rauche meine Zigarre dazu." Als am 4. Mai 1849
die Nationalversammlung beschlossen hatte, die Wahlen zum ersten Reichstage
auszuschreiben, erklärte Lasaulx am 7. seinen Austritt, weil sich die National¬
versammlung eigenmächtig aus einer konstituierenden in eine ausführende Ver¬
sammlung verwandelt, und weil sie eine Verfassung entworfen habe, die keine
Aussicht auf Verwirklichung habe, und die, sollte sie dennoch verwirklicht
werden, Deutschland verstümmeln würde. Selbstverständlich wurde er Wege»
seiner Haltung und seiner Reden furchtbar heruntergerissen; am ausführlichsten
und absprechendsten hat ihn Laube kritisiert.

Am 15. Mai wurde er in seine Münchner Professur wieder eingesetzt.
Eine seiner Abhandlungen — über die Geologie der Griechen und der
Römer — übersandte er Alexander von Humboldt. Dieser bedankte sich in
einem sehr freundlichen Briefe und schrieb einige Jahre darauf, am 7. Fe¬
bruar 1857, in Beziehung auf ein andres Buch Lasaulx (Neuer Versuch
einer alten auf die Wahrheit der Tatsachen gegründeten Philosophie der Ge¬
schichte) an Varnhagen:

Wenn in Berlin ich etwas lese, was mein literarisches und politisches Inter¬
esse anregt, so ist mein erster Gedanke auf Sie gerichtet. Lasaulx in München,
von der Baaderscher Zunft, war mir nur als ein Mann der Kreuzzeitung und
Schubertschen Dunkelwelt bekannt, und in der neuen historischen Schrift, die er
mir schickt, finde ich nicht eben originelle Ansichten, aber durch Anspielung eine
Mannigfaltigkeit positiver Kenntnisse offenbart, die ich bei Lasaulx nicht vermutete.
Vielfache Zitationen beweisen große Vorliebe für meines Bruders Ansichten. Die
slawische Messiasstelle ist auch sehr merkwürdig, wie überhaupt die Noten eine
antike sehr anmutige Blumenlese darbieten. Dergleichen traue ich dem Präsidenten
Gerlach und seinem Bruder nicht zu. Wenn der Lasaulx mit seinen Wünschen
für die wiederhergestellte alte deutsche Reichsverfassung Ihnen, teurer Freund, nicht
geschickt ist, so durchblättern Sie ihn wohl, schon der Noten wegen.

Der Anfang von Varnhagens Antwort lautet:

Euer Exzellenz empfangen das mir von Ihnen gütigst anvertraute Buch bei¬
folgend mit meinem innigsten Danke zurück. Ich habe es mit sehr wechselnden
Empfindungen gelesen, ich möchte sagen, mit peinlichen Interesse. Der Autor
macht allerdings Zugeständnisse und gibt Anschauungen, die ich ihm nicht zuge¬
traut hätte, so wenig wie die üppige Gelehrsamkeit seiner reichen Zitate. Allein
die schöne Blumenlese der Anmerkungen kann den Kern des Textes nicht verhüllen,
der ein recht bitterer ist: die Rechtfertigung der Negersklaverei, das brutale Lob
des Krieges und der stehenden Heere, die Heilsamkeit aristokratischer Revo¬
lutionen. Ungeachtet seiner weitgreifenden Höflichkeiten, die wie Einladungen
Andersdenkender aussehen, bietet der Autor diesen doch nur die Kost der Kreuz¬
zeitung, nur etwas feiner zubereitet, als dies Professor Leo zu tun pflegt, dessen
„Bildungsdreck" und „skrofulöses Gesindel" nur mit etwas Würze versetzt sind.

Der Verleger des Briefwechsels zwischen Humboldt und Varnhagen hat
diese beiden Briefe, weil sie eben nicht freundlich lauten, Lasaulx um drei
Louisdor zum Kauf angeboten, dieser aber hat das Angebot abgelehnt. Von
1849 bis 1861 hat er im bayrischen Landtage verschiedne Wahlkreise vertreten.
Wir stellen wieder aus seinen Reden einiges zusammen.

Bei dem Angriff „der beiden Abenteurer" auf Österreich im Jahre 1859


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[0384] Luise von Lasaulx da drüben aufgehängt — in vollkommenster Seelenruhe trinke ich meinen Kaffee zu Ende und rauche meine Zigarre dazu." Als am 4. Mai 1849 die Nationalversammlung beschlossen hatte, die Wahlen zum ersten Reichstage auszuschreiben, erklärte Lasaulx am 7. seinen Austritt, weil sich die National¬ versammlung eigenmächtig aus einer konstituierenden in eine ausführende Ver¬ sammlung verwandelt, und weil sie eine Verfassung entworfen habe, die keine Aussicht auf Verwirklichung habe, und die, sollte sie dennoch verwirklicht werden, Deutschland verstümmeln würde. Selbstverständlich wurde er Wege» seiner Haltung und seiner Reden furchtbar heruntergerissen; am ausführlichsten und absprechendsten hat ihn Laube kritisiert. Am 15. Mai wurde er in seine Münchner Professur wieder eingesetzt. Eine seiner Abhandlungen — über die Geologie der Griechen und der Römer — übersandte er Alexander von Humboldt. Dieser bedankte sich in einem sehr freundlichen Briefe und schrieb einige Jahre darauf, am 7. Fe¬ bruar 1857, in Beziehung auf ein andres Buch Lasaulx (Neuer Versuch einer alten auf die Wahrheit der Tatsachen gegründeten Philosophie der Ge¬ schichte) an Varnhagen: Wenn in Berlin ich etwas lese, was mein literarisches und politisches Inter¬ esse anregt, so ist mein erster Gedanke auf Sie gerichtet. Lasaulx in München, von der Baaderscher Zunft, war mir nur als ein Mann der Kreuzzeitung und Schubertschen Dunkelwelt bekannt, und in der neuen historischen Schrift, die er mir schickt, finde ich nicht eben originelle Ansichten, aber durch Anspielung eine Mannigfaltigkeit positiver Kenntnisse offenbart, die ich bei Lasaulx nicht vermutete. Vielfache Zitationen beweisen große Vorliebe für meines Bruders Ansichten. Die slawische Messiasstelle ist auch sehr merkwürdig, wie überhaupt die Noten eine antike sehr anmutige Blumenlese darbieten. Dergleichen traue ich dem Präsidenten Gerlach und seinem Bruder nicht zu. Wenn der Lasaulx mit seinen Wünschen für die wiederhergestellte alte deutsche Reichsverfassung Ihnen, teurer Freund, nicht geschickt ist, so durchblättern Sie ihn wohl, schon der Noten wegen. Der Anfang von Varnhagens Antwort lautet: Euer Exzellenz empfangen das mir von Ihnen gütigst anvertraute Buch bei¬ folgend mit meinem innigsten Danke zurück. Ich habe es mit sehr wechselnden Empfindungen gelesen, ich möchte sagen, mit peinlichen Interesse. Der Autor macht allerdings Zugeständnisse und gibt Anschauungen, die ich ihm nicht zuge¬ traut hätte, so wenig wie die üppige Gelehrsamkeit seiner reichen Zitate. Allein die schöne Blumenlese der Anmerkungen kann den Kern des Textes nicht verhüllen, der ein recht bitterer ist: die Rechtfertigung der Negersklaverei, das brutale Lob des Krieges und der stehenden Heere, die Heilsamkeit aristokratischer Revo¬ lutionen. Ungeachtet seiner weitgreifenden Höflichkeiten, die wie Einladungen Andersdenkender aussehen, bietet der Autor diesen doch nur die Kost der Kreuz¬ zeitung, nur etwas feiner zubereitet, als dies Professor Leo zu tun pflegt, dessen „Bildungsdreck" und „skrofulöses Gesindel" nur mit etwas Würze versetzt sind. Der Verleger des Briefwechsels zwischen Humboldt und Varnhagen hat diese beiden Briefe, weil sie eben nicht freundlich lauten, Lasaulx um drei Louisdor zum Kauf angeboten, dieser aber hat das Angebot abgelehnt. Von 1849 bis 1861 hat er im bayrischen Landtage verschiedne Wahlkreise vertreten. Wir stellen wieder aus seinen Reden einiges zusammen. Bei dem Angriff „der beiden Abenteurer" auf Österreich im Jahre 1859

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_87477/384>, abgerufen am 23.12.2024.