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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Erstes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

Vorlage nicht neue Schwierigkeiten bereiten, sie nicht weiter durch unannehmbare
Anträge belasten würden. Auch wenn die Kanalvorlnge ohne und gegen die Kon¬
servativen in den Hafen kommt, bliebe deren Haltung aus Gründen der politischen
Tragweite sehr bedauerlich. Je mehr unsre innere politische Entwicklung einer
Stärkung des konservativen Einflusses bedarf, und zwar eines solchen, der vom
Zentrum unabhängig ist, desto unverständlicher ist die Verlängerung dieses Wider¬
standes auch über die Handelsverträge hinaus. Die Konservativen geben damit mehr
preis, als sie durch ein Scheitern der Kanalvorlage gewinnen konnten, auch wenn
die Bedenken gegen diese wirklich zuträfen.

Selten hat ein großer wirtschaftlicher Konflikt den Unterschied zwischen wirk¬
lichen Bedürfnissen großer Arbeitermassen und ihrer Führung durch sozialdemo¬
kratische Verhetzung so grell gezeigt, wie dies beim Bergarbeiterstreik der Fall
ist. Die Regierung ist also doch wohl im Recht, wenn sie der bisher betätigten
Disziplin von 200000 Mann Rechnung trägt, die sich weder durch die Hetzartikel
des "Vorwärts" noch durch die Bebelschen Brandreden, von verhältnismäßig
geringen Einzelvorfällen abgesehen, aus ihrer im ganzen doch durchaus ruhigen
Haltung bringen lassen. Es ist eine satanische Taktik der Sozialdemokratie, die
Großartigkeit der Haltung der Bergarbeiter zu preisen, zugleich aber eine solche
Aufwiegelei zu betreiben, daß die Bewahrung der Ruhe wirklich zum Kunststück
wird. Von Jahr zu Jahr mehr strotzen Bebels Reden von Unwahrheiten und
Entstellungen, wohl ein deutlicher Beweis, daß er die Führung der "Dreimillionen-
Partei" nur noch durch den Appell an den Fanatismus zu behaupten vermag.
Lange kann eine so auf dreistem Schwindel aufgebaute Führung unmöglich noch
dauern, und der Zeitpunkt kann nicht mehr fern sein, wo Bebel auch für einen
großen Teil seiner Parteigenossen eine lächerliche Figur zu werden beginnt. Mit
fanatischen, inhaltlich durchaus unwahren Deklamationen kann man allenfalls eine
Partei groß ziehn, wenn sie aber ihre Höhe erreicht hat, verlangt sie mehr, als
Bebel zu leisten vermag. Um so berechtigter ist die Frage aller andern Deutschen
an ihn: Huausaus tÄmism, (Witling,, abutsre. patientis. roher", ac inäulMntia.?

Bebel hat die Ankündigung der Novelle zum Berggesetz als ein leeres Ver¬
sprechen hingestellt, der so positiven Verheißung gegenüber immerhin ein starkes Stück!
Die Novelle kommt selbstverständlich, und zwar wird sie ebenso selbstverständlich auf
den halbamtlich schon bekannt gegebnen Grundlagen ruhen. Die Absicht dazu hat
seit langer Zeit bestanden und ist nicht erst ein Produkt des jetzigen Streiks.
Gegenüber einer Periode von Stockungen in der Industrie war die Sache zur
Vermeidung von Beunruhigungen zurückgestellt worden. Zu einer reichsgesetzlichen
Regelung liegt bei der Sorgfalt, mit der andre Staaten, z. B. in Eisenbahnfragen,
ihr Landeshoheitsrecht wahren, kein Grund vor, Preußen hat ja vom deutschen
Bergbau ohnehin bei weitem den Löwenanteil. Eine reichsgesetzliche Regelung
würde zudem nichts weiter als die Etablierung der sozialdemokratischen Oberhoheit
über unser Bergwesen bedeuten, und da sagt man in Preußen doch mit Recht:
prilleipiis obsw!

In der deutschen Presse sind in der letzten Woche etwas aufdringlich Stimmen
erklungen, die bemüht waren, dem Fürsten Ferdinand von Bulgarien für seinen
bevorstehenden Besuch in Berlin gut Wetter zu machen. Da der Fürst einer Ein¬
ladung des Kaisers folgt, so war das eigentlich kaum nötig. Der Fürst ist bis
in die letzten Jahre herein in Deutschland mit vielem Mißtrauen beehrt worden.
Man hielt ihn für die Seele der fortgesetzten Unruhen auf dem Balkan und warf
ihm namentlich vor, daß er seine Bulgaren nicht im Zügel zu halten verstehe.
Die rastlos fortgesetzte militärische Stärkung Bulgariens, die, wenn sie sich auch
nicht auf seine Initiative vollzog, doch nur mit seiner Zustimmung möglich war,
wurde als Beweis der eigentlichen Absichten und Pläne des Fürsten angesehen.
Bulgarien hält heute bei eiuer Bevölkerung von noch nicht 1^ Millionen Menschen,
50000 Mann und 3000 Offiziere nnter den Waffen, der vierte Teil seines
mit etwa 106 Millionen balanzierenden Budgets gehört der Armee, während


Maßgebliches und Unmaßgebliches

Vorlage nicht neue Schwierigkeiten bereiten, sie nicht weiter durch unannehmbare
Anträge belasten würden. Auch wenn die Kanalvorlnge ohne und gegen die Kon¬
servativen in den Hafen kommt, bliebe deren Haltung aus Gründen der politischen
Tragweite sehr bedauerlich. Je mehr unsre innere politische Entwicklung einer
Stärkung des konservativen Einflusses bedarf, und zwar eines solchen, der vom
Zentrum unabhängig ist, desto unverständlicher ist die Verlängerung dieses Wider¬
standes auch über die Handelsverträge hinaus. Die Konservativen geben damit mehr
preis, als sie durch ein Scheitern der Kanalvorlage gewinnen konnten, auch wenn
die Bedenken gegen diese wirklich zuträfen.

Selten hat ein großer wirtschaftlicher Konflikt den Unterschied zwischen wirk¬
lichen Bedürfnissen großer Arbeitermassen und ihrer Führung durch sozialdemo¬
kratische Verhetzung so grell gezeigt, wie dies beim Bergarbeiterstreik der Fall
ist. Die Regierung ist also doch wohl im Recht, wenn sie der bisher betätigten
Disziplin von 200000 Mann Rechnung trägt, die sich weder durch die Hetzartikel
des „Vorwärts" noch durch die Bebelschen Brandreden, von verhältnismäßig
geringen Einzelvorfällen abgesehen, aus ihrer im ganzen doch durchaus ruhigen
Haltung bringen lassen. Es ist eine satanische Taktik der Sozialdemokratie, die
Großartigkeit der Haltung der Bergarbeiter zu preisen, zugleich aber eine solche
Aufwiegelei zu betreiben, daß die Bewahrung der Ruhe wirklich zum Kunststück
wird. Von Jahr zu Jahr mehr strotzen Bebels Reden von Unwahrheiten und
Entstellungen, wohl ein deutlicher Beweis, daß er die Führung der „Dreimillionen-
Partei" nur noch durch den Appell an den Fanatismus zu behaupten vermag.
Lange kann eine so auf dreistem Schwindel aufgebaute Führung unmöglich noch
dauern, und der Zeitpunkt kann nicht mehr fern sein, wo Bebel auch für einen
großen Teil seiner Parteigenossen eine lächerliche Figur zu werden beginnt. Mit
fanatischen, inhaltlich durchaus unwahren Deklamationen kann man allenfalls eine
Partei groß ziehn, wenn sie aber ihre Höhe erreicht hat, verlangt sie mehr, als
Bebel zu leisten vermag. Um so berechtigter ist die Frage aller andern Deutschen
an ihn: Huausaus tÄmism, (Witling,, abutsre. patientis. roher«, ac inäulMntia.?

Bebel hat die Ankündigung der Novelle zum Berggesetz als ein leeres Ver¬
sprechen hingestellt, der so positiven Verheißung gegenüber immerhin ein starkes Stück!
Die Novelle kommt selbstverständlich, und zwar wird sie ebenso selbstverständlich auf
den halbamtlich schon bekannt gegebnen Grundlagen ruhen. Die Absicht dazu hat
seit langer Zeit bestanden und ist nicht erst ein Produkt des jetzigen Streiks.
Gegenüber einer Periode von Stockungen in der Industrie war die Sache zur
Vermeidung von Beunruhigungen zurückgestellt worden. Zu einer reichsgesetzlichen
Regelung liegt bei der Sorgfalt, mit der andre Staaten, z. B. in Eisenbahnfragen,
ihr Landeshoheitsrecht wahren, kein Grund vor, Preußen hat ja vom deutschen
Bergbau ohnehin bei weitem den Löwenanteil. Eine reichsgesetzliche Regelung
würde zudem nichts weiter als die Etablierung der sozialdemokratischen Oberhoheit
über unser Bergwesen bedeuten, und da sagt man in Preußen doch mit Recht:
prilleipiis obsw!

In der deutschen Presse sind in der letzten Woche etwas aufdringlich Stimmen
erklungen, die bemüht waren, dem Fürsten Ferdinand von Bulgarien für seinen
bevorstehenden Besuch in Berlin gut Wetter zu machen. Da der Fürst einer Ein¬
ladung des Kaisers folgt, so war das eigentlich kaum nötig. Der Fürst ist bis
in die letzten Jahre herein in Deutschland mit vielem Mißtrauen beehrt worden.
Man hielt ihn für die Seele der fortgesetzten Unruhen auf dem Balkan und warf
ihm namentlich vor, daß er seine Bulgaren nicht im Zügel zu halten verstehe.
Die rastlos fortgesetzte militärische Stärkung Bulgariens, die, wenn sie sich auch
nicht auf seine Initiative vollzog, doch nur mit seiner Zustimmung möglich war,
wurde als Beweis der eigentlichen Absichten und Pläne des Fürsten angesehen.
Bulgarien hält heute bei eiuer Bevölkerung von noch nicht 1^ Millionen Menschen,
50000 Mann und 3000 Offiziere nnter den Waffen, der vierte Teil seines
mit etwa 106 Millionen balanzierenden Budgets gehört der Armee, während


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Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_87477/362>, abgerufen am 22.12.2024.