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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Erstes Vierteljahr.

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Bilder aus dem deutsch-französischen Kriege

Die Rede ging von den Arbeiten, von denen der Holzschnitzer nur karge
Kunde gab, auf die Kriegsläufte über. Der Kanonendonner aus der Gegend der
Schweizer Grenze hatte sich gegen Abend verstärkt. Den ganzen Tag hatten die
Dorfbewohner in der Furcht gelebt, daß er sich nähern werde, und ich war ver-
schiedne mal darum gefragt worden. Nur der Südwind hatte ihn gelegentlich
näher erschallen lassen, jetzt war es dagegen klar, daß er sich entfernte.

Möchten doch Bourbakis Kranke und Krüppel sich endlich ergeben, sie haben
ja nichts mehr zu gewinnen, rief der Geistliche.

Sie hoffen immer noch etwas Kriegsruhm zu guter Letzt zu ernten, sagte
obenhin der Bildschnitzer. Ich würde es ihnen gönnen. Die Deutschen haben
soviel davon, und die Franzosen gar nichts. Sind denn beide Nationen so ver¬
schieden? Vor dem Kriege waren sie es doch nicht, wenigstens in unsern Schichten,
wo man arbeitet und froh ist. ein kleines Ziel zu erreichen. Der Friede wird
doch endlich kommen, und dann werden Deutsche und Franzosen wieder nebenein¬
ander leben müssen. Es wird wohl leichter alles wieder ins Gleis zu bringen
sein, wenn die einen nicht zu sehr Sieger und die andern nicht zu sehr Unter-
worfne sind. Dn wunderst dich wohl, Landsmann, fuhr er zu mir auf Deutsch
(mit alemannischem Anklang) fort, daß ich so rede, aber bedenke, ich lebe hier unter
Franzosen, deren keiner mir ein Haar gekrümmt hat, und ich lebe mehr noch in
meiner Arbeit.

Leider, antwortete ich, bringt der Krieg alles friedliche Handierer in Unord¬
nung. Daß wir hier heraufkommen mußten, hat euch sicherlich nicht gefallen. Und
auch wir wären gern weitergezogen.

Glaubs wohl! sagte der Bildschnitzer in seiner einfachen Weise. Doch was
kannst du dafür? Es heißt gehorchen. Übrigens, um offen zu sein, ich habe mich
gefreut, einmal einen von den deutschen Soldaten zu sehen, wenn sie nun doch
einmal in der Gegend sind. Der Herr Pfarrer weiß, daß ich kein Franzose bin.
Man kann nun einmal nicht von seiner Wurzel weg. Eigentlich führen wir auch
Krieg, der Herr Pfarrer und ich, aber nur mit den schlechten Figuren, die auf
den Altären der Kapellen stehn. Wir haben doch schon manche beseitigt, aber es
gibt noch viel zu viele. Mein Leben reicht nicht hin, sie zu ersetzen, und wenn ich
jede Woche einen Herrgott schnitzte. Jetzt hoffen wir auf nichts mehr als auf
friedliche Zeiten, sie müssen kommen, und wenn die Menschen wieder ihrem Tag¬
werk nachgehn können, wird sich irgendein Knabe finden, den ich unterrichte, und
dann wird es zusehends besser in Kirchen und Kapellen werden. Er wiederholte
diese letzten Worte französisch, und der Geistliche war hocherfreut, seiue eignen
Wünsche und Hoffnungen in zwei Sprachen verkünden zu hören.

Die Sonne war hinabgesunken, nur ihr letzter Widerschein auf deu Wolken
und dem Schnee lag noch rötlich in der Lust. Eine einfache junge Frau trat
herein, an deren Kleide sich ein kleiner Knabe hielt, und brachte die trüb flackernde
Ampel. Von der Kirche klang das Ave Maria - Glöckchen, und das laute Abend¬
gebet, in französischer Art singend gesprochen, hallte in dem Niedern Raum. Wir
saßen auf der Bank vor dem grünen Ofen, in dem Holzreste fröhlich knisternd
verbrannten. Der Mann im blauen Kamisol stand an seinem Schnitztisch und warf
wenige Worte in das Gespräch. Daun und wann hob er mit der Nadel, die an
einem Kettchen an der Ampel hing, den Docht heraus und glättete weiter. Er
arbeitete nur noch und Bimsstein, und nur an der untern Partie des Christus¬
bildes, glättend weiter, da es zum Schnitzen nicht hell genug war. Auch an dieser
Arbeit erkannte man die Feinheit seiner Hand und das Liebevolle in seinem Ver¬
kehr mit den Stoffen. Der Knabe hatte meine Militärmütze auf seinen blonden
Lockenkopf gestülpt und schwang einen hölzernen Span als Schwertchen mit den
Worten: ?russisn, zum Krieg, zur Schlacht! Vorwärts!

Glückliches Kind, sagte der Geistliche, alles ist ihm nur ein Spiel.

Das Wort Krieg wird in diesem Hause sonst nicht gehört, sagte der Bild-


Bilder aus dem deutsch-französischen Kriege

Die Rede ging von den Arbeiten, von denen der Holzschnitzer nur karge
Kunde gab, auf die Kriegsläufte über. Der Kanonendonner aus der Gegend der
Schweizer Grenze hatte sich gegen Abend verstärkt. Den ganzen Tag hatten die
Dorfbewohner in der Furcht gelebt, daß er sich nähern werde, und ich war ver-
schiedne mal darum gefragt worden. Nur der Südwind hatte ihn gelegentlich
näher erschallen lassen, jetzt war es dagegen klar, daß er sich entfernte.

Möchten doch Bourbakis Kranke und Krüppel sich endlich ergeben, sie haben
ja nichts mehr zu gewinnen, rief der Geistliche.

Sie hoffen immer noch etwas Kriegsruhm zu guter Letzt zu ernten, sagte
obenhin der Bildschnitzer. Ich würde es ihnen gönnen. Die Deutschen haben
soviel davon, und die Franzosen gar nichts. Sind denn beide Nationen so ver¬
schieden? Vor dem Kriege waren sie es doch nicht, wenigstens in unsern Schichten,
wo man arbeitet und froh ist. ein kleines Ziel zu erreichen. Der Friede wird
doch endlich kommen, und dann werden Deutsche und Franzosen wieder nebenein¬
ander leben müssen. Es wird wohl leichter alles wieder ins Gleis zu bringen
sein, wenn die einen nicht zu sehr Sieger und die andern nicht zu sehr Unter-
worfne sind. Dn wunderst dich wohl, Landsmann, fuhr er zu mir auf Deutsch
(mit alemannischem Anklang) fort, daß ich so rede, aber bedenke, ich lebe hier unter
Franzosen, deren keiner mir ein Haar gekrümmt hat, und ich lebe mehr noch in
meiner Arbeit.

Leider, antwortete ich, bringt der Krieg alles friedliche Handierer in Unord¬
nung. Daß wir hier heraufkommen mußten, hat euch sicherlich nicht gefallen. Und
auch wir wären gern weitergezogen.

Glaubs wohl! sagte der Bildschnitzer in seiner einfachen Weise. Doch was
kannst du dafür? Es heißt gehorchen. Übrigens, um offen zu sein, ich habe mich
gefreut, einmal einen von den deutschen Soldaten zu sehen, wenn sie nun doch
einmal in der Gegend sind. Der Herr Pfarrer weiß, daß ich kein Franzose bin.
Man kann nun einmal nicht von seiner Wurzel weg. Eigentlich führen wir auch
Krieg, der Herr Pfarrer und ich, aber nur mit den schlechten Figuren, die auf
den Altären der Kapellen stehn. Wir haben doch schon manche beseitigt, aber es
gibt noch viel zu viele. Mein Leben reicht nicht hin, sie zu ersetzen, und wenn ich
jede Woche einen Herrgott schnitzte. Jetzt hoffen wir auf nichts mehr als auf
friedliche Zeiten, sie müssen kommen, und wenn die Menschen wieder ihrem Tag¬
werk nachgehn können, wird sich irgendein Knabe finden, den ich unterrichte, und
dann wird es zusehends besser in Kirchen und Kapellen werden. Er wiederholte
diese letzten Worte französisch, und der Geistliche war hocherfreut, seiue eignen
Wünsche und Hoffnungen in zwei Sprachen verkünden zu hören.

Die Sonne war hinabgesunken, nur ihr letzter Widerschein auf deu Wolken
und dem Schnee lag noch rötlich in der Lust. Eine einfache junge Frau trat
herein, an deren Kleide sich ein kleiner Knabe hielt, und brachte die trüb flackernde
Ampel. Von der Kirche klang das Ave Maria - Glöckchen, und das laute Abend¬
gebet, in französischer Art singend gesprochen, hallte in dem Niedern Raum. Wir
saßen auf der Bank vor dem grünen Ofen, in dem Holzreste fröhlich knisternd
verbrannten. Der Mann im blauen Kamisol stand an seinem Schnitztisch und warf
wenige Worte in das Gespräch. Daun und wann hob er mit der Nadel, die an
einem Kettchen an der Ampel hing, den Docht heraus und glättete weiter. Er
arbeitete nur noch und Bimsstein, und nur an der untern Partie des Christus¬
bildes, glättend weiter, da es zum Schnitzen nicht hell genug war. Auch an dieser
Arbeit erkannte man die Feinheit seiner Hand und das Liebevolle in seinem Ver¬
kehr mit den Stoffen. Der Knabe hatte meine Militärmütze auf seinen blonden
Lockenkopf gestülpt und schwang einen hölzernen Span als Schwertchen mit den
Worten: ?russisn, zum Krieg, zur Schlacht! Vorwärts!

Glückliches Kind, sagte der Geistliche, alles ist ihm nur ein Spiel.

Das Wort Krieg wird in diesem Hause sonst nicht gehört, sagte der Bild-


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[0350] Bilder aus dem deutsch-französischen Kriege Die Rede ging von den Arbeiten, von denen der Holzschnitzer nur karge Kunde gab, auf die Kriegsläufte über. Der Kanonendonner aus der Gegend der Schweizer Grenze hatte sich gegen Abend verstärkt. Den ganzen Tag hatten die Dorfbewohner in der Furcht gelebt, daß er sich nähern werde, und ich war ver- schiedne mal darum gefragt worden. Nur der Südwind hatte ihn gelegentlich näher erschallen lassen, jetzt war es dagegen klar, daß er sich entfernte. Möchten doch Bourbakis Kranke und Krüppel sich endlich ergeben, sie haben ja nichts mehr zu gewinnen, rief der Geistliche. Sie hoffen immer noch etwas Kriegsruhm zu guter Letzt zu ernten, sagte obenhin der Bildschnitzer. Ich würde es ihnen gönnen. Die Deutschen haben soviel davon, und die Franzosen gar nichts. Sind denn beide Nationen so ver¬ schieden? Vor dem Kriege waren sie es doch nicht, wenigstens in unsern Schichten, wo man arbeitet und froh ist. ein kleines Ziel zu erreichen. Der Friede wird doch endlich kommen, und dann werden Deutsche und Franzosen wieder nebenein¬ ander leben müssen. Es wird wohl leichter alles wieder ins Gleis zu bringen sein, wenn die einen nicht zu sehr Sieger und die andern nicht zu sehr Unter- worfne sind. Dn wunderst dich wohl, Landsmann, fuhr er zu mir auf Deutsch (mit alemannischem Anklang) fort, daß ich so rede, aber bedenke, ich lebe hier unter Franzosen, deren keiner mir ein Haar gekrümmt hat, und ich lebe mehr noch in meiner Arbeit. Leider, antwortete ich, bringt der Krieg alles friedliche Handierer in Unord¬ nung. Daß wir hier heraufkommen mußten, hat euch sicherlich nicht gefallen. Und auch wir wären gern weitergezogen. Glaubs wohl! sagte der Bildschnitzer in seiner einfachen Weise. Doch was kannst du dafür? Es heißt gehorchen. Übrigens, um offen zu sein, ich habe mich gefreut, einmal einen von den deutschen Soldaten zu sehen, wenn sie nun doch einmal in der Gegend sind. Der Herr Pfarrer weiß, daß ich kein Franzose bin. Man kann nun einmal nicht von seiner Wurzel weg. Eigentlich führen wir auch Krieg, der Herr Pfarrer und ich, aber nur mit den schlechten Figuren, die auf den Altären der Kapellen stehn. Wir haben doch schon manche beseitigt, aber es gibt noch viel zu viele. Mein Leben reicht nicht hin, sie zu ersetzen, und wenn ich jede Woche einen Herrgott schnitzte. Jetzt hoffen wir auf nichts mehr als auf friedliche Zeiten, sie müssen kommen, und wenn die Menschen wieder ihrem Tag¬ werk nachgehn können, wird sich irgendein Knabe finden, den ich unterrichte, und dann wird es zusehends besser in Kirchen und Kapellen werden. Er wiederholte diese letzten Worte französisch, und der Geistliche war hocherfreut, seiue eignen Wünsche und Hoffnungen in zwei Sprachen verkünden zu hören. Die Sonne war hinabgesunken, nur ihr letzter Widerschein auf deu Wolken und dem Schnee lag noch rötlich in der Lust. Eine einfache junge Frau trat herein, an deren Kleide sich ein kleiner Knabe hielt, und brachte die trüb flackernde Ampel. Von der Kirche klang das Ave Maria - Glöckchen, und das laute Abend¬ gebet, in französischer Art singend gesprochen, hallte in dem Niedern Raum. Wir saßen auf der Bank vor dem grünen Ofen, in dem Holzreste fröhlich knisternd verbrannten. Der Mann im blauen Kamisol stand an seinem Schnitztisch und warf wenige Worte in das Gespräch. Daun und wann hob er mit der Nadel, die an einem Kettchen an der Ampel hing, den Docht heraus und glättete weiter. Er arbeitete nur noch und Bimsstein, und nur an der untern Partie des Christus¬ bildes, glättend weiter, da es zum Schnitzen nicht hell genug war. Auch an dieser Arbeit erkannte man die Feinheit seiner Hand und das Liebevolle in seinem Ver¬ kehr mit den Stoffen. Der Knabe hatte meine Militärmütze auf seinen blonden Lockenkopf gestülpt und schwang einen hölzernen Span als Schwertchen mit den Worten: ?russisn, zum Krieg, zur Schlacht! Vorwärts! Glückliches Kind, sagte der Geistliche, alles ist ihm nur ein Spiel. Das Wort Krieg wird in diesem Hause sonst nicht gehört, sagte der Bild-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_87477/350>, abgerufen am 23.07.2024.