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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Erstes Vierteljahr.

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Bilder ans dem deutsch-französischen Kriege

Kapelle? Nun wohl, sehen Sie einmal hier herein. Er öffnete eine kleine Tür
in der Vertäfelung der Seitenwand, die in einen ähnlichen Raum Wie das Altar¬
zimmer führte, der aber höher war und ans hoch angebrachten Fenstern klares
Licht von Norden empfing. Er führte mich an der Hand in die Mitte des
Raumes und weidete sich an meinem Erstaunen. Ich stand in einem Museum
mittelalterlicher Kunst, in dem zugleich höchst gelungne Werke der neuern Bild¬
schnitzerei aufgestellt waren. Zwei fast lebensgroße Marien mit dein Kinde standen
nebeneinander im besten Lichte, die eine schien alt und zeigte Risse, die andre war
offenbar neu und sah aus, als ob noch eben daran gearbeitet worden sei. Das lange
blonde Haar, das in feinen Wellen über die Schultern floß, trug schon seinen
goldnen Ton, aber die Gesichter waren erst grundiert, der Maler hatte sich das
schwierigste bis zuletzt vorbehalten. Nur das Stirnband, das die klare Stirn
Mariens frei hielt, leuchtete purpurn von dem weißen Grund. Der Künstler
hatte im allgemeinen die Gestalt und die Stellung der beiden Figuren auf dem
alten Bildwerk wiederholt, aber wie man sofort erkannte, mit Freiheit. Unter
den Werken, die an den Wänden umher standen, waren auch einige alt, andre
neu, von diesen letzten waren einige noch nicht bemalt, andre sahen ganz frisch
aus. Auch ohne die Erklärung meines Führers würde ich eine gewisse Ähnlich¬
keit der Motive und sogar der Stimmungen herausgefunden haben: es waren
Bilder der Gottesmutter mit dem Kinde, mit dem Leichnam, und vielleicht das
bedeutendste, jedenfalls das ergreifendste war der Tod Mariens, in dessen rührender
Darstellung des Zusammenbruchs eines Lebens und mit ihm des Glückes aller
derer, die schmerzerfüllt die Sterbende umgaben, ich Anklänge an Memling zu er¬
kennen meinte. Es war ein kleiner Marientempel und zugleich ein Tempel, wo
der Innigkeit des Mutter- und des Leidensgefühls Mariens geopfert wurde.
Schade, daß alte Kirchengeräte, zum Teil zerbrochne, die in den Ecken standen,
etwas an die Gerümpelkammer eines Kunsttrödlers erinnerten.

Der Pfarrer ließ mich ruhig betrachten und staune". Dann sagte er: Solche
herrliche Dinge fanden sich in der alten Freigrafschaft einst in Menge. Was hier
steht, hat zuerst mein Vorgänger vom Untergang oder aus den Wucherhänden ab¬
scheulicher Hebräer gerettet, der Freunde Rennens. Mein Vorgänger sammelte nur,
ich unterfange mich, das alles zu beleben, zu erneuern, für Frankreichs neues Leben
nutzbar zu machen. Mau merkte bei diesen letzten Worten ein Beben in seiner
Stimme, wie von unterdrückter Rührung. Dann sprach er mit Begeisterung von
der Bestimmung aller dieser Werke, die hinauswandern sollten in die Dorfkirchen
eines weiten Kreises, und wie sie veredelnd wirken würden, wie die Kirchen er¬
neuert werden sollten, um die heiligen Bildwerke würdig aufzunehmen, und daß
dann diese Bewegung Frankreich ergreifen und sich wie einst die Predigten
Bernhards von Clairvaux in die Nachbarländer ausbreiten würde. Frankreich muß
besser werden, auch ihr müßt besser werden, Frankreich siegt und triumphiert,
indem es diese Bewegung führt, wie so oft. So etwa schloß er.

Es ist eines der unbehaglichsten Gefühle, wenn uns eine fremde Begeisterung
fortreißen möchte, und wir sind unfähig, ihr zu folgen. Das zieht und zerrt, aber
wir können mit dem besten Willen nicht mit, und je heißer unser Gefährte wird,
desto kühler wird es uns ums Herz. Diesem Manne machte es gar keine Mühe,
sich über die Erde zu erheben; aber es schien mir, als ob seine Sonnenrosse von
kurzem Atem seien. Denn plötzlich hielt er im Entrollen der weiten Perspektiven
inne, sein Blick blieb ins Leere gerichtet, dann senkte er sich schwankend zurück.
Es hatte etwas Beängstigendes. Unwillkürlich mußte ich diesen Geist mit dem Rosen¬
kranz vergleichen, der dort an der Türkante über ein reizendes zinnenes Weihwasser¬
kesselchen geschlungen hing: so reihten sich in ihm schöne Gedanken, einer an den
andern. Aber ich sah nicht den Faden, der sie zusammenhielt. Und war er fest?

Unwillkürlich mußte ich den Kopf betrachten, der fast etwas zu groß für die
mittelhohe Gestalt war, und den die kurzgehaltnen Haare -- nur eine ganz kleine


Bilder ans dem deutsch-französischen Kriege

Kapelle? Nun wohl, sehen Sie einmal hier herein. Er öffnete eine kleine Tür
in der Vertäfelung der Seitenwand, die in einen ähnlichen Raum Wie das Altar¬
zimmer führte, der aber höher war und ans hoch angebrachten Fenstern klares
Licht von Norden empfing. Er führte mich an der Hand in die Mitte des
Raumes und weidete sich an meinem Erstaunen. Ich stand in einem Museum
mittelalterlicher Kunst, in dem zugleich höchst gelungne Werke der neuern Bild¬
schnitzerei aufgestellt waren. Zwei fast lebensgroße Marien mit dein Kinde standen
nebeneinander im besten Lichte, die eine schien alt und zeigte Risse, die andre war
offenbar neu und sah aus, als ob noch eben daran gearbeitet worden sei. Das lange
blonde Haar, das in feinen Wellen über die Schultern floß, trug schon seinen
goldnen Ton, aber die Gesichter waren erst grundiert, der Maler hatte sich das
schwierigste bis zuletzt vorbehalten. Nur das Stirnband, das die klare Stirn
Mariens frei hielt, leuchtete purpurn von dem weißen Grund. Der Künstler
hatte im allgemeinen die Gestalt und die Stellung der beiden Figuren auf dem
alten Bildwerk wiederholt, aber wie man sofort erkannte, mit Freiheit. Unter
den Werken, die an den Wänden umher standen, waren auch einige alt, andre
neu, von diesen letzten waren einige noch nicht bemalt, andre sahen ganz frisch
aus. Auch ohne die Erklärung meines Führers würde ich eine gewisse Ähnlich¬
keit der Motive und sogar der Stimmungen herausgefunden haben: es waren
Bilder der Gottesmutter mit dem Kinde, mit dem Leichnam, und vielleicht das
bedeutendste, jedenfalls das ergreifendste war der Tod Mariens, in dessen rührender
Darstellung des Zusammenbruchs eines Lebens und mit ihm des Glückes aller
derer, die schmerzerfüllt die Sterbende umgaben, ich Anklänge an Memling zu er¬
kennen meinte. Es war ein kleiner Marientempel und zugleich ein Tempel, wo
der Innigkeit des Mutter- und des Leidensgefühls Mariens geopfert wurde.
Schade, daß alte Kirchengeräte, zum Teil zerbrochne, die in den Ecken standen,
etwas an die Gerümpelkammer eines Kunsttrödlers erinnerten.

Der Pfarrer ließ mich ruhig betrachten und staune». Dann sagte er: Solche
herrliche Dinge fanden sich in der alten Freigrafschaft einst in Menge. Was hier
steht, hat zuerst mein Vorgänger vom Untergang oder aus den Wucherhänden ab¬
scheulicher Hebräer gerettet, der Freunde Rennens. Mein Vorgänger sammelte nur,
ich unterfange mich, das alles zu beleben, zu erneuern, für Frankreichs neues Leben
nutzbar zu machen. Mau merkte bei diesen letzten Worten ein Beben in seiner
Stimme, wie von unterdrückter Rührung. Dann sprach er mit Begeisterung von
der Bestimmung aller dieser Werke, die hinauswandern sollten in die Dorfkirchen
eines weiten Kreises, und wie sie veredelnd wirken würden, wie die Kirchen er¬
neuert werden sollten, um die heiligen Bildwerke würdig aufzunehmen, und daß
dann diese Bewegung Frankreich ergreifen und sich wie einst die Predigten
Bernhards von Clairvaux in die Nachbarländer ausbreiten würde. Frankreich muß
besser werden, auch ihr müßt besser werden, Frankreich siegt und triumphiert,
indem es diese Bewegung führt, wie so oft. So etwa schloß er.

Es ist eines der unbehaglichsten Gefühle, wenn uns eine fremde Begeisterung
fortreißen möchte, und wir sind unfähig, ihr zu folgen. Das zieht und zerrt, aber
wir können mit dem besten Willen nicht mit, und je heißer unser Gefährte wird,
desto kühler wird es uns ums Herz. Diesem Manne machte es gar keine Mühe,
sich über die Erde zu erheben; aber es schien mir, als ob seine Sonnenrosse von
kurzem Atem seien. Denn plötzlich hielt er im Entrollen der weiten Perspektiven
inne, sein Blick blieb ins Leere gerichtet, dann senkte er sich schwankend zurück.
Es hatte etwas Beängstigendes. Unwillkürlich mußte ich diesen Geist mit dem Rosen¬
kranz vergleichen, der dort an der Türkante über ein reizendes zinnenes Weihwasser¬
kesselchen geschlungen hing: so reihten sich in ihm schöne Gedanken, einer an den
andern. Aber ich sah nicht den Faden, der sie zusammenhielt. Und war er fest?

Unwillkürlich mußte ich den Kopf betrachten, der fast etwas zu groß für die
mittelhohe Gestalt war, und den die kurzgehaltnen Haare — nur eine ganz kleine


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[0346] Bilder ans dem deutsch-französischen Kriege Kapelle? Nun wohl, sehen Sie einmal hier herein. Er öffnete eine kleine Tür in der Vertäfelung der Seitenwand, die in einen ähnlichen Raum Wie das Altar¬ zimmer führte, der aber höher war und ans hoch angebrachten Fenstern klares Licht von Norden empfing. Er führte mich an der Hand in die Mitte des Raumes und weidete sich an meinem Erstaunen. Ich stand in einem Museum mittelalterlicher Kunst, in dem zugleich höchst gelungne Werke der neuern Bild¬ schnitzerei aufgestellt waren. Zwei fast lebensgroße Marien mit dein Kinde standen nebeneinander im besten Lichte, die eine schien alt und zeigte Risse, die andre war offenbar neu und sah aus, als ob noch eben daran gearbeitet worden sei. Das lange blonde Haar, das in feinen Wellen über die Schultern floß, trug schon seinen goldnen Ton, aber die Gesichter waren erst grundiert, der Maler hatte sich das schwierigste bis zuletzt vorbehalten. Nur das Stirnband, das die klare Stirn Mariens frei hielt, leuchtete purpurn von dem weißen Grund. Der Künstler hatte im allgemeinen die Gestalt und die Stellung der beiden Figuren auf dem alten Bildwerk wiederholt, aber wie man sofort erkannte, mit Freiheit. Unter den Werken, die an den Wänden umher standen, waren auch einige alt, andre neu, von diesen letzten waren einige noch nicht bemalt, andre sahen ganz frisch aus. Auch ohne die Erklärung meines Führers würde ich eine gewisse Ähnlich¬ keit der Motive und sogar der Stimmungen herausgefunden haben: es waren Bilder der Gottesmutter mit dem Kinde, mit dem Leichnam, und vielleicht das bedeutendste, jedenfalls das ergreifendste war der Tod Mariens, in dessen rührender Darstellung des Zusammenbruchs eines Lebens und mit ihm des Glückes aller derer, die schmerzerfüllt die Sterbende umgaben, ich Anklänge an Memling zu er¬ kennen meinte. Es war ein kleiner Marientempel und zugleich ein Tempel, wo der Innigkeit des Mutter- und des Leidensgefühls Mariens geopfert wurde. Schade, daß alte Kirchengeräte, zum Teil zerbrochne, die in den Ecken standen, etwas an die Gerümpelkammer eines Kunsttrödlers erinnerten. Der Pfarrer ließ mich ruhig betrachten und staune». Dann sagte er: Solche herrliche Dinge fanden sich in der alten Freigrafschaft einst in Menge. Was hier steht, hat zuerst mein Vorgänger vom Untergang oder aus den Wucherhänden ab¬ scheulicher Hebräer gerettet, der Freunde Rennens. Mein Vorgänger sammelte nur, ich unterfange mich, das alles zu beleben, zu erneuern, für Frankreichs neues Leben nutzbar zu machen. Mau merkte bei diesen letzten Worten ein Beben in seiner Stimme, wie von unterdrückter Rührung. Dann sprach er mit Begeisterung von der Bestimmung aller dieser Werke, die hinauswandern sollten in die Dorfkirchen eines weiten Kreises, und wie sie veredelnd wirken würden, wie die Kirchen er¬ neuert werden sollten, um die heiligen Bildwerke würdig aufzunehmen, und daß dann diese Bewegung Frankreich ergreifen und sich wie einst die Predigten Bernhards von Clairvaux in die Nachbarländer ausbreiten würde. Frankreich muß besser werden, auch ihr müßt besser werden, Frankreich siegt und triumphiert, indem es diese Bewegung führt, wie so oft. So etwa schloß er. Es ist eines der unbehaglichsten Gefühle, wenn uns eine fremde Begeisterung fortreißen möchte, und wir sind unfähig, ihr zu folgen. Das zieht und zerrt, aber wir können mit dem besten Willen nicht mit, und je heißer unser Gefährte wird, desto kühler wird es uns ums Herz. Diesem Manne machte es gar keine Mühe, sich über die Erde zu erheben; aber es schien mir, als ob seine Sonnenrosse von kurzem Atem seien. Denn plötzlich hielt er im Entrollen der weiten Perspektiven inne, sein Blick blieb ins Leere gerichtet, dann senkte er sich schwankend zurück. Es hatte etwas Beängstigendes. Unwillkürlich mußte ich diesen Geist mit dem Rosen¬ kranz vergleichen, der dort an der Türkante über ein reizendes zinnenes Weihwasser¬ kesselchen geschlungen hing: so reihten sich in ihm schöne Gedanken, einer an den andern. Aber ich sah nicht den Faden, der sie zusammenhielt. Und war er fest? Unwillkürlich mußte ich den Kopf betrachten, der fast etwas zu groß für die mittelhohe Gestalt war, und den die kurzgehaltnen Haare — nur eine ganz kleine

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_87477/346>, abgerufen am 23.07.2024.