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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Erstes Vierteljahr.

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Bilder aus dem deutsch-französischen Kriege

aber Sie werden mir zugestehn, daß die Religion aller Soldaten etwas Katholisches
hat: das feste Gefüge, die Unterordnung des Einzelnen, dessen Wille nichts gilt,
und der Himmel so nahe! Überhaupt, der Katholizismus ist die einzige ver¬
nünftige Religion, zu ihr werden Sie und werden die Juden und wird der
Islam zurückströmen, so notwendig wie das Wasser unsrer Bäche in sein natür¬
liches Bett zurücktritt, aus der die Überschwemmung im Frühling sie herausschwellen
ließ. Ich sehe in allen Revolutionen solche Überschwemmungen, die die Lebens¬
fülle der Menschen aus ihrem gewiesnen Bett verwüstend über die Nachbarfelder
treibt. Das sind nur Episoden.

Doch ich kehre zu meinen Kriegserinnerungen zurück. Am 18. August
standen wir im Feuer bei Noncourt, das heißt wir lagen in den Furchen der
Getreideacker und in den Gräben der Wiesen und ließen die Kugeln der Zünd¬
nadelgewehre über uus Weggehn. Wir stießen vor und schwenkten zurück, und so
mehreremal, und als wir zuletzt alle Kräfte zusammennahmen und den Feind, der
uns umfassen wollte, zurückzustoßen hofften, zersplitterte unser ganzes Korps. Und
als wir im eiligen Rückzug die Furche wieder überschritten, wo wir so lange im
Kugelregen gewartet hatten, lagen in ihr Mann an Mann die Tapfern, die unser
Vorgehn und uusern Rückzug gedeckt hatten. Es war schon spät Abends, und man
unterschied uicht, waren es Lebende oder Leichen? Man rief, man sprach sie
leise an, man rüttelte: kein Laut, es waren die Toten, die noch Lebenden waren
zurückgegangen, oder man hatte sie zurückgetragen. Ich kann dieses Bild nicht
vergessen, diese dunkeln Gestalten, die da gestreckt oder gekrümmt, manche mit er-
hobnen Armen dicht nebeneinander lagen. Auf ihren bleichen Gesichtern spielte
das Licht der ersten Sterne. Adieu, Kameraden, ich werde euch nie vergessen,
nicht bloß beten werde ich für euch, ich werde für euch handeln, für euch leben.

Wir überstiegen die wandernden Barrikaden des Trosses und machten unsern
Weg über das Schlachtfeld, dessen Erde aufgerissen und zerwühlt war, als ob
sich die Hände von Riesen im Todeskampf hineingekrallt hätten. In Gravelotte
war denen, die beten wollten, nicht einmal die Kirche und sogar der kleine Kirch¬
hof nicht geblieben, der sie umgibt; jene lag voll Schwerverwundeten und Toten,
und dieser war für neue Gräber umgewühlt und stellenweis über Leichenhaufen
mit frischer Erde aufgefüllt, in die kaum erkaltete Leichen gebettet wurden, die
schon bereit lagen. Nur ein zerschossenes Krenz war übrig, vor dem wir knieten.
Niemals hat ein Gebet, das ich zum Himmel sandte, eine so große Macht ge¬
habt. Die Verzweiflung fuhr aus, wie der böse Geist aus dem Besessenen.
Dieses Elend, sprach es i" mir, liegt hart am Tod, aber es grenzt auch an das
Glück. Ergib dich in beide. Du bist jetzt auf dem Gipfel des Elends. Siehst
du das Lichtlein ganz fern? Das ist das Glück, das du mit Glauben dir erringen
und den Deinen sichern wirst.

Noch an diesem Abend waren wir vom Feinde, von Ihren Leuten, umringt,
die Leichtverwundeten entwaffnet und gefangen abgeführt, die andern der Obhut
des einzigen Arztes, der nicht mit nach Metz hineingezogen war, und der meinen
überlassen. Es müssen katholische Preußen gewesen sein, die auf diesem Punkte
vordrangen, ich halte mich nicht über Feindseligkeit zu beklagen. Als diese weiter¬
gezogen waren, und die Belagerungstruppen sich um Metz zusammenschlossen,
kamen andre, die weniger freundlich waren, sie wiesen uns barsch weg, und wir
brachten unsre letzten Kranken nach Trohes. Einer nach dem andern genas, einige
starben, zuletzt, mitten in dem schrecklichen Winter, war ich überflüssig geworden.
Was nnn tun? fragte ich mich. Zu den neugebildeten Truppen stoßen, die keinen
Überfluß an Geistlichen hatten? Dazu hatte ich nicht den Mut. Man muß Ver¬
trauen zu diesem Amte mitbringen, Vertrauen zu sich und zu der Sache. Mir
aber lag Metz so schwer auf der Seele, ich konnte nicht einmal den Namen nennen
hören, ohne daß ich innerlich zusammenschrak. Und ich sah voraus, daß es noch
mehr Metze geben werde in diesen schlecht vorbereiteten Feldzügen des Winters


Bilder aus dem deutsch-französischen Kriege

aber Sie werden mir zugestehn, daß die Religion aller Soldaten etwas Katholisches
hat: das feste Gefüge, die Unterordnung des Einzelnen, dessen Wille nichts gilt,
und der Himmel so nahe! Überhaupt, der Katholizismus ist die einzige ver¬
nünftige Religion, zu ihr werden Sie und werden die Juden und wird der
Islam zurückströmen, so notwendig wie das Wasser unsrer Bäche in sein natür¬
liches Bett zurücktritt, aus der die Überschwemmung im Frühling sie herausschwellen
ließ. Ich sehe in allen Revolutionen solche Überschwemmungen, die die Lebens¬
fülle der Menschen aus ihrem gewiesnen Bett verwüstend über die Nachbarfelder
treibt. Das sind nur Episoden.

Doch ich kehre zu meinen Kriegserinnerungen zurück. Am 18. August
standen wir im Feuer bei Noncourt, das heißt wir lagen in den Furchen der
Getreideacker und in den Gräben der Wiesen und ließen die Kugeln der Zünd¬
nadelgewehre über uus Weggehn. Wir stießen vor und schwenkten zurück, und so
mehreremal, und als wir zuletzt alle Kräfte zusammennahmen und den Feind, der
uns umfassen wollte, zurückzustoßen hofften, zersplitterte unser ganzes Korps. Und
als wir im eiligen Rückzug die Furche wieder überschritten, wo wir so lange im
Kugelregen gewartet hatten, lagen in ihr Mann an Mann die Tapfern, die unser
Vorgehn und uusern Rückzug gedeckt hatten. Es war schon spät Abends, und man
unterschied uicht, waren es Lebende oder Leichen? Man rief, man sprach sie
leise an, man rüttelte: kein Laut, es waren die Toten, die noch Lebenden waren
zurückgegangen, oder man hatte sie zurückgetragen. Ich kann dieses Bild nicht
vergessen, diese dunkeln Gestalten, die da gestreckt oder gekrümmt, manche mit er-
hobnen Armen dicht nebeneinander lagen. Auf ihren bleichen Gesichtern spielte
das Licht der ersten Sterne. Adieu, Kameraden, ich werde euch nie vergessen,
nicht bloß beten werde ich für euch, ich werde für euch handeln, für euch leben.

Wir überstiegen die wandernden Barrikaden des Trosses und machten unsern
Weg über das Schlachtfeld, dessen Erde aufgerissen und zerwühlt war, als ob
sich die Hände von Riesen im Todeskampf hineingekrallt hätten. In Gravelotte
war denen, die beten wollten, nicht einmal die Kirche und sogar der kleine Kirch¬
hof nicht geblieben, der sie umgibt; jene lag voll Schwerverwundeten und Toten,
und dieser war für neue Gräber umgewühlt und stellenweis über Leichenhaufen
mit frischer Erde aufgefüllt, in die kaum erkaltete Leichen gebettet wurden, die
schon bereit lagen. Nur ein zerschossenes Krenz war übrig, vor dem wir knieten.
Niemals hat ein Gebet, das ich zum Himmel sandte, eine so große Macht ge¬
habt. Die Verzweiflung fuhr aus, wie der böse Geist aus dem Besessenen.
Dieses Elend, sprach es i» mir, liegt hart am Tod, aber es grenzt auch an das
Glück. Ergib dich in beide. Du bist jetzt auf dem Gipfel des Elends. Siehst
du das Lichtlein ganz fern? Das ist das Glück, das du mit Glauben dir erringen
und den Deinen sichern wirst.

Noch an diesem Abend waren wir vom Feinde, von Ihren Leuten, umringt,
die Leichtverwundeten entwaffnet und gefangen abgeführt, die andern der Obhut
des einzigen Arztes, der nicht mit nach Metz hineingezogen war, und der meinen
überlassen. Es müssen katholische Preußen gewesen sein, die auf diesem Punkte
vordrangen, ich halte mich nicht über Feindseligkeit zu beklagen. Als diese weiter¬
gezogen waren, und die Belagerungstruppen sich um Metz zusammenschlossen,
kamen andre, die weniger freundlich waren, sie wiesen uns barsch weg, und wir
brachten unsre letzten Kranken nach Trohes. Einer nach dem andern genas, einige
starben, zuletzt, mitten in dem schrecklichen Winter, war ich überflüssig geworden.
Was nnn tun? fragte ich mich. Zu den neugebildeten Truppen stoßen, die keinen
Überfluß an Geistlichen hatten? Dazu hatte ich nicht den Mut. Man muß Ver¬
trauen zu diesem Amte mitbringen, Vertrauen zu sich und zu der Sache. Mir
aber lag Metz so schwer auf der Seele, ich konnte nicht einmal den Namen nennen
hören, ohne daß ich innerlich zusammenschrak. Und ich sah voraus, daß es noch
mehr Metze geben werde in diesen schlecht vorbereiteten Feldzügen des Winters


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[0344] Bilder aus dem deutsch-französischen Kriege aber Sie werden mir zugestehn, daß die Religion aller Soldaten etwas Katholisches hat: das feste Gefüge, die Unterordnung des Einzelnen, dessen Wille nichts gilt, und der Himmel so nahe! Überhaupt, der Katholizismus ist die einzige ver¬ nünftige Religion, zu ihr werden Sie und werden die Juden und wird der Islam zurückströmen, so notwendig wie das Wasser unsrer Bäche in sein natür¬ liches Bett zurücktritt, aus der die Überschwemmung im Frühling sie herausschwellen ließ. Ich sehe in allen Revolutionen solche Überschwemmungen, die die Lebens¬ fülle der Menschen aus ihrem gewiesnen Bett verwüstend über die Nachbarfelder treibt. Das sind nur Episoden. Doch ich kehre zu meinen Kriegserinnerungen zurück. Am 18. August standen wir im Feuer bei Noncourt, das heißt wir lagen in den Furchen der Getreideacker und in den Gräben der Wiesen und ließen die Kugeln der Zünd¬ nadelgewehre über uus Weggehn. Wir stießen vor und schwenkten zurück, und so mehreremal, und als wir zuletzt alle Kräfte zusammennahmen und den Feind, der uns umfassen wollte, zurückzustoßen hofften, zersplitterte unser ganzes Korps. Und als wir im eiligen Rückzug die Furche wieder überschritten, wo wir so lange im Kugelregen gewartet hatten, lagen in ihr Mann an Mann die Tapfern, die unser Vorgehn und uusern Rückzug gedeckt hatten. Es war schon spät Abends, und man unterschied uicht, waren es Lebende oder Leichen? Man rief, man sprach sie leise an, man rüttelte: kein Laut, es waren die Toten, die noch Lebenden waren zurückgegangen, oder man hatte sie zurückgetragen. Ich kann dieses Bild nicht vergessen, diese dunkeln Gestalten, die da gestreckt oder gekrümmt, manche mit er- hobnen Armen dicht nebeneinander lagen. Auf ihren bleichen Gesichtern spielte das Licht der ersten Sterne. Adieu, Kameraden, ich werde euch nie vergessen, nicht bloß beten werde ich für euch, ich werde für euch handeln, für euch leben. Wir überstiegen die wandernden Barrikaden des Trosses und machten unsern Weg über das Schlachtfeld, dessen Erde aufgerissen und zerwühlt war, als ob sich die Hände von Riesen im Todeskampf hineingekrallt hätten. In Gravelotte war denen, die beten wollten, nicht einmal die Kirche und sogar der kleine Kirch¬ hof nicht geblieben, der sie umgibt; jene lag voll Schwerverwundeten und Toten, und dieser war für neue Gräber umgewühlt und stellenweis über Leichenhaufen mit frischer Erde aufgefüllt, in die kaum erkaltete Leichen gebettet wurden, die schon bereit lagen. Nur ein zerschossenes Krenz war übrig, vor dem wir knieten. Niemals hat ein Gebet, das ich zum Himmel sandte, eine so große Macht ge¬ habt. Die Verzweiflung fuhr aus, wie der böse Geist aus dem Besessenen. Dieses Elend, sprach es i» mir, liegt hart am Tod, aber es grenzt auch an das Glück. Ergib dich in beide. Du bist jetzt auf dem Gipfel des Elends. Siehst du das Lichtlein ganz fern? Das ist das Glück, das du mit Glauben dir erringen und den Deinen sichern wirst. Noch an diesem Abend waren wir vom Feinde, von Ihren Leuten, umringt, die Leichtverwundeten entwaffnet und gefangen abgeführt, die andern der Obhut des einzigen Arztes, der nicht mit nach Metz hineingezogen war, und der meinen überlassen. Es müssen katholische Preußen gewesen sein, die auf diesem Punkte vordrangen, ich halte mich nicht über Feindseligkeit zu beklagen. Als diese weiter¬ gezogen waren, und die Belagerungstruppen sich um Metz zusammenschlossen, kamen andre, die weniger freundlich waren, sie wiesen uns barsch weg, und wir brachten unsre letzten Kranken nach Trohes. Einer nach dem andern genas, einige starben, zuletzt, mitten in dem schrecklichen Winter, war ich überflüssig geworden. Was nnn tun? fragte ich mich. Zu den neugebildeten Truppen stoßen, die keinen Überfluß an Geistlichen hatten? Dazu hatte ich nicht den Mut. Man muß Ver¬ trauen zu diesem Amte mitbringen, Vertrauen zu sich und zu der Sache. Mir aber lag Metz so schwer auf der Seele, ich konnte nicht einmal den Namen nennen hören, ohne daß ich innerlich zusammenschrak. Und ich sah voraus, daß es noch mehr Metze geben werde in diesen schlecht vorbereiteten Feldzügen des Winters

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_87477/344>, abgerufen am 23.12.2024.