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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Erstes Vierteljahr.

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Bilder ans dem deutsch-französischen Kriege

Für uns war es nun ein? wichtigsten, und der Mcintensfelschen Armee, die in
der Tat näher war, als manche glaubten, in Verbindung zu bleiben. Im breiten
Dvubstnl mußten wir uns treffen. Während nun ein Teil des vierzehnten Korps
so nahe an der Schweizer Grenze marschierte, als nötig war, die Wege nach
Belfort und Vesoul auf dieser Seite frei zu halten, drückte der andre auf die
Gegeud zwischen Doubs und Ognon, wo sich der Feind vielleicht an das starke
BescmiM anzulehnen versuchte. Von der neuen deutschen Südarmee aber mußte
ein Teil den Doubs überschreiten, um uns die Hand reichen zu können, ein andrer
Teil weiter südlich die Saone, um deu Franzosen den Weg über Pontarlier nach
Süden zu verlegen und Garibaldis schlecht geordnete und schlecht geleitete Scharen,
die bei Dijon standen, auf die Seite zu werfen.

Da wir dem linken östlichen Flügel des Vormarsches angehörten, kamen wir
bald tiefer in den Jura hinein. An Süd- und Ostflanke stiegen Weinberge enipor,
aber nicht weit. Hier war nicht, wie in den Vogesen, ein ganzer Berg unten
Weinberg und oben Wald. In dem rauhen aber feuchten Klima legten sich
Matten dazwischen, die, wo der schmelzende Schnee sie verließ, im hoffnungsvollsten
Grün leuchteten. Alle Soldaten freuten sich über die neuen Bilder, die einen
fanden den Unterschied dieser tiefern Täter, dieser kräftiger vorspringenden Berge
und schroffem Höhen von den Vogesen heraus, die andern erkannten, trotzdem daß
der Schnee die Felder eben erst verlassen hatte, die Güte des Bodens und lobten
die großen wohnlichen Häuser. Man sagte sich: wenn wir ans diese Höhen steigen
könnten, würden wir tief in die Schweiz hineinsehen, und erwog in der Stille,
um wieviel die Eroberung dieses Teils von Frankreich uns dem Frieden näher
gebracht haben möge.

Da sich immer mehr Hügel zwischen uns und dem Zentrum der Armee ans¬
türmten, und der Querverbindungen immer weniger wurden, sandte die Spitze auf
jeden Weg, der rechts abzweigte, kleine Abteilungen ins Land hinein. Sie sollten
Versprengte aufheben und Waffen konfiszieren. Requisitionen waren zum Glück
jetzt nicht mehr notwendig, wir waren reichlich mit Nahrung versehen, und das
Land wurde zusehends besser. Es wurde auch nicht mehr so viel Vorsicht geübt
wie früher. Zwar war noch immer der Unterschied zwischen sichern und unsicher"
Landschaften; diese durchritt man schnell, in jenen gab man den Pferden Ruhe.
Wenn man aus einem engen Tale, wo Wald und Bachesrauschen die Verbündeten
des Feindes sein konnten, in offneres Land kam, atmete man auch jetzt noch auf.
Aber mit jedem Tage wuchs das Gefühl: der Frühling kommt und bringt Sieg
und Frieden.

Das milde Wetter hielt nicht lange um. Am 20. trieben Schneeflocken in der
grauen Luft, auf den Höhen wurde es zusehends weißer, und neuer Frost senkte
sich ins Tal. Am 21., als eine neue Schneedecke über Berg und Tal gebreitet
war, ritten wir ins Land hinein. Das war so einsam und totenstill, man hörte
kaum die Hufe der Pferde. Der Schnee war glücklicherweise nicht so tief, daß
man nicht die Departementsstraße hätte erkennen können. Die unfehlbaren schmal-
geschnittnen Pappeln bezeichneten sie, und manchmal standen Eichbäume in Reihen,
die wie Weiden zusammengeschnitten waren. Marschiert war hier keine Truppe
vor uns, man sah nur Spuren von Einzelnen. Man trifft hier selten Walnu߬
bäume an den Landstraßen, Obstbäume gar nicht. Es scheint auch weniger Raben
zu geben. Man vermißt ihren schwerfälligen Flug und ihr unscheues, plump-ver¬
trauliches Verweilen neben der Straße. Dafür flogen schon Stare, entweder sehr
frühe Boten des Frühlings oder Zeugen eines mildern Winters, der ihnen das
Überwintern erlaubt hatte. Man ritt ohne Karte und Kompaß ruhig der Straße
nach, bis sie sich zu teilen schien. Führte sie doch ziemlich gerade nach Westen und
in das Hügelland hinein. Sie stieg zuletzt stärker an, bis sie einen Höhenrücken
in scharfem Bogen erstiegen hatte, und schien sich nun zu teilen, das heißt sie ver¬
schmälerte sich zu einem Vizinalstrcißchen und gab rechts und links einen Feldweg


Bilder ans dem deutsch-französischen Kriege

Für uns war es nun ein? wichtigsten, und der Mcintensfelschen Armee, die in
der Tat näher war, als manche glaubten, in Verbindung zu bleiben. Im breiten
Dvubstnl mußten wir uns treffen. Während nun ein Teil des vierzehnten Korps
so nahe an der Schweizer Grenze marschierte, als nötig war, die Wege nach
Belfort und Vesoul auf dieser Seite frei zu halten, drückte der andre auf die
Gegeud zwischen Doubs und Ognon, wo sich der Feind vielleicht an das starke
BescmiM anzulehnen versuchte. Von der neuen deutschen Südarmee aber mußte
ein Teil den Doubs überschreiten, um uns die Hand reichen zu können, ein andrer
Teil weiter südlich die Saone, um deu Franzosen den Weg über Pontarlier nach
Süden zu verlegen und Garibaldis schlecht geordnete und schlecht geleitete Scharen,
die bei Dijon standen, auf die Seite zu werfen.

Da wir dem linken östlichen Flügel des Vormarsches angehörten, kamen wir
bald tiefer in den Jura hinein. An Süd- und Ostflanke stiegen Weinberge enipor,
aber nicht weit. Hier war nicht, wie in den Vogesen, ein ganzer Berg unten
Weinberg und oben Wald. In dem rauhen aber feuchten Klima legten sich
Matten dazwischen, die, wo der schmelzende Schnee sie verließ, im hoffnungsvollsten
Grün leuchteten. Alle Soldaten freuten sich über die neuen Bilder, die einen
fanden den Unterschied dieser tiefern Täter, dieser kräftiger vorspringenden Berge
und schroffem Höhen von den Vogesen heraus, die andern erkannten, trotzdem daß
der Schnee die Felder eben erst verlassen hatte, die Güte des Bodens und lobten
die großen wohnlichen Häuser. Man sagte sich: wenn wir ans diese Höhen steigen
könnten, würden wir tief in die Schweiz hineinsehen, und erwog in der Stille,
um wieviel die Eroberung dieses Teils von Frankreich uns dem Frieden näher
gebracht haben möge.

Da sich immer mehr Hügel zwischen uns und dem Zentrum der Armee ans¬
türmten, und der Querverbindungen immer weniger wurden, sandte die Spitze auf
jeden Weg, der rechts abzweigte, kleine Abteilungen ins Land hinein. Sie sollten
Versprengte aufheben und Waffen konfiszieren. Requisitionen waren zum Glück
jetzt nicht mehr notwendig, wir waren reichlich mit Nahrung versehen, und das
Land wurde zusehends besser. Es wurde auch nicht mehr so viel Vorsicht geübt
wie früher. Zwar war noch immer der Unterschied zwischen sichern und unsicher»
Landschaften; diese durchritt man schnell, in jenen gab man den Pferden Ruhe.
Wenn man aus einem engen Tale, wo Wald und Bachesrauschen die Verbündeten
des Feindes sein konnten, in offneres Land kam, atmete man auch jetzt noch auf.
Aber mit jedem Tage wuchs das Gefühl: der Frühling kommt und bringt Sieg
und Frieden.

Das milde Wetter hielt nicht lange um. Am 20. trieben Schneeflocken in der
grauen Luft, auf den Höhen wurde es zusehends weißer, und neuer Frost senkte
sich ins Tal. Am 21., als eine neue Schneedecke über Berg und Tal gebreitet
war, ritten wir ins Land hinein. Das war so einsam und totenstill, man hörte
kaum die Hufe der Pferde. Der Schnee war glücklicherweise nicht so tief, daß
man nicht die Departementsstraße hätte erkennen können. Die unfehlbaren schmal-
geschnittnen Pappeln bezeichneten sie, und manchmal standen Eichbäume in Reihen,
die wie Weiden zusammengeschnitten waren. Marschiert war hier keine Truppe
vor uns, man sah nur Spuren von Einzelnen. Man trifft hier selten Walnu߬
bäume an den Landstraßen, Obstbäume gar nicht. Es scheint auch weniger Raben
zu geben. Man vermißt ihren schwerfälligen Flug und ihr unscheues, plump-ver¬
trauliches Verweilen neben der Straße. Dafür flogen schon Stare, entweder sehr
frühe Boten des Frühlings oder Zeugen eines mildern Winters, der ihnen das
Überwintern erlaubt hatte. Man ritt ohne Karte und Kompaß ruhig der Straße
nach, bis sie sich zu teilen schien. Führte sie doch ziemlich gerade nach Westen und
in das Hügelland hinein. Sie stieg zuletzt stärker an, bis sie einen Höhenrücken
in scharfem Bogen erstiegen hatte, und schien sich nun zu teilen, das heißt sie ver¬
schmälerte sich zu einem Vizinalstrcißchen und gab rechts und links einen Feldweg


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[0290] Bilder ans dem deutsch-französischen Kriege Für uns war es nun ein? wichtigsten, und der Mcintensfelschen Armee, die in der Tat näher war, als manche glaubten, in Verbindung zu bleiben. Im breiten Dvubstnl mußten wir uns treffen. Während nun ein Teil des vierzehnten Korps so nahe an der Schweizer Grenze marschierte, als nötig war, die Wege nach Belfort und Vesoul auf dieser Seite frei zu halten, drückte der andre auf die Gegeud zwischen Doubs und Ognon, wo sich der Feind vielleicht an das starke BescmiM anzulehnen versuchte. Von der neuen deutschen Südarmee aber mußte ein Teil den Doubs überschreiten, um uns die Hand reichen zu können, ein andrer Teil weiter südlich die Saone, um deu Franzosen den Weg über Pontarlier nach Süden zu verlegen und Garibaldis schlecht geordnete und schlecht geleitete Scharen, die bei Dijon standen, auf die Seite zu werfen. Da wir dem linken östlichen Flügel des Vormarsches angehörten, kamen wir bald tiefer in den Jura hinein. An Süd- und Ostflanke stiegen Weinberge enipor, aber nicht weit. Hier war nicht, wie in den Vogesen, ein ganzer Berg unten Weinberg und oben Wald. In dem rauhen aber feuchten Klima legten sich Matten dazwischen, die, wo der schmelzende Schnee sie verließ, im hoffnungsvollsten Grün leuchteten. Alle Soldaten freuten sich über die neuen Bilder, die einen fanden den Unterschied dieser tiefern Täter, dieser kräftiger vorspringenden Berge und schroffem Höhen von den Vogesen heraus, die andern erkannten, trotzdem daß der Schnee die Felder eben erst verlassen hatte, die Güte des Bodens und lobten die großen wohnlichen Häuser. Man sagte sich: wenn wir ans diese Höhen steigen könnten, würden wir tief in die Schweiz hineinsehen, und erwog in der Stille, um wieviel die Eroberung dieses Teils von Frankreich uns dem Frieden näher gebracht haben möge. Da sich immer mehr Hügel zwischen uns und dem Zentrum der Armee ans¬ türmten, und der Querverbindungen immer weniger wurden, sandte die Spitze auf jeden Weg, der rechts abzweigte, kleine Abteilungen ins Land hinein. Sie sollten Versprengte aufheben und Waffen konfiszieren. Requisitionen waren zum Glück jetzt nicht mehr notwendig, wir waren reichlich mit Nahrung versehen, und das Land wurde zusehends besser. Es wurde auch nicht mehr so viel Vorsicht geübt wie früher. Zwar war noch immer der Unterschied zwischen sichern und unsicher» Landschaften; diese durchritt man schnell, in jenen gab man den Pferden Ruhe. Wenn man aus einem engen Tale, wo Wald und Bachesrauschen die Verbündeten des Feindes sein konnten, in offneres Land kam, atmete man auch jetzt noch auf. Aber mit jedem Tage wuchs das Gefühl: der Frühling kommt und bringt Sieg und Frieden. Das milde Wetter hielt nicht lange um. Am 20. trieben Schneeflocken in der grauen Luft, auf den Höhen wurde es zusehends weißer, und neuer Frost senkte sich ins Tal. Am 21., als eine neue Schneedecke über Berg und Tal gebreitet war, ritten wir ins Land hinein. Das war so einsam und totenstill, man hörte kaum die Hufe der Pferde. Der Schnee war glücklicherweise nicht so tief, daß man nicht die Departementsstraße hätte erkennen können. Die unfehlbaren schmal- geschnittnen Pappeln bezeichneten sie, und manchmal standen Eichbäume in Reihen, die wie Weiden zusammengeschnitten waren. Marschiert war hier keine Truppe vor uns, man sah nur Spuren von Einzelnen. Man trifft hier selten Walnu߬ bäume an den Landstraßen, Obstbäume gar nicht. Es scheint auch weniger Raben zu geben. Man vermißt ihren schwerfälligen Flug und ihr unscheues, plump-ver¬ trauliches Verweilen neben der Straße. Dafür flogen schon Stare, entweder sehr frühe Boten des Frühlings oder Zeugen eines mildern Winters, der ihnen das Überwintern erlaubt hatte. Man ritt ohne Karte und Kompaß ruhig der Straße nach, bis sie sich zu teilen schien. Führte sie doch ziemlich gerade nach Westen und in das Hügelland hinein. Sie stieg zuletzt stärker an, bis sie einen Höhenrücken in scharfem Bogen erstiegen hatte, und schien sich nun zu teilen, das heißt sie ver¬ schmälerte sich zu einem Vizinalstrcißchen und gab rechts und links einen Feldweg

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_87477/290>, abgerufen am 23.12.2024.