Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Kredit

schlagen jedoch solche Umwandlungen auch zum Nachteil des Vorbesitzers aus,
vor allem wenn die Zulassung der Aktien zum Börsenhandel infolge schlechten
Geschäftsgangs nicht zu erhalten ist, und die Gründer mit ihm vereinbart
haben, daß er mit seinem gesamten Aktienbesitz für etwaige Verluste haftet.
Bei der Familiengründung wird das Unternehmen des verstorbnen Besitzers
von seinen Erben in eine Aktiengesellschaft umgewandelt, weil auf diese Weise
eine bequeme Erbteilung vorgenommen werden und jeder Erbe ohne Schwierig¬
keiten seinen Anteil realisieren kann.

Die Kommanditgesellschaft auf Aktien gewährt die Möglichkeit, den Aktien¬
besitz zu veräußern, nur den Kommanditisten, ihre Direktoren sind persönlich
haftende Gesellschafter, d. h. sie haften für etwaige Verluste mit ihrem ge¬
samten Vermögen. Infolgedessen ist diese Form der Aktiengesellschaft sehr
selten und wird nnr für einige große, solide Unternehmungen gebraucht, deren
Fundierung und Reutabilitüt über jeden Zweifel erhaben ist. Ihre Aktien
werden gewöhnlich nicht auf den Effektenmarkt geworfen, sondern bleiben in
festen Händen.

Von skrupelloser Geschäftsleuten kann die Form der Aktiengesellschaft
dazu benutzt werden, sich auf Kosten kleiner Kapitalisten zu bereichern. Als
Direktoren und Aufsichtsrate haben sie einen Überblick über die Geschäftslage,
der ihnen erlaubt, in ihren eignen Aktien zu spekulieren und ihren Aktien¬
besitz rechtzeitig abzustoßen, wenn ihr Unternehmen unrentabel wird. Der kleine
Aktionär hat nur selten Kenntnis von der Geschäftslage und ist auf das an¬
gewiesen, was von der Presse gebracht und vom Vorstand und Aufsichtsrat
in die Zeitungen lanciert wird. In Ländern, wo kein Minimalbetrag für
Aktien gesetzlich bestimmt ist, schießen die Aktiengründungen wie Pilze aus der
Erde und richten unter kleinen Kapitalisten großen Schaden an. In England,
wo die Aktien gewöhnlich auf ein Pfund Sterling lauten, gehören zu den
Aktienbesitzern oft ganz kleine Leute, die Aktien kaufen wie der Deutsche
Lotterielose. Den größten Umfang haben die Aktiengründungen in Amerika
angenommen. Dort ist der private Großbetrieb in der Industrie mehr in den
Hintergrund getreten, und die Umwandlung von Privatunternehmungen in
Aktiengesellschaften an der Tagesordnung. Auch die Syndikate konstituieren
sich dort als Aktiengesellschaften, während in Deutschland für solche Grün¬
dungen die Form der Gesellschaft mit beschränkter Haftung vorgezogen wird,
weil sie sich nicht an das Publikum mit der Aufforderung zur Beteiligung
wenden. In Amerika werden solche Gründungen mit einer großen Zeitungs¬
reklame in Szene gesetzt, die Gründer renommieren mit gewaltigen Aktien¬
kapitalien, von denen nur ein geringer Teil eingezahlt ist, und spekulieren
auf das amerikanische Nationalgefühl, um den Markt möglichst aufnahmefähig
für ihre Papiere zu machen.

Der Krcditverkehr hat jedoch noch andre Schattenseiten. Da sich bei der
Kreditgewährung eine geschlossene Kette von den Banken bis zu den Detaillisten
bildet, so muß die Zahlungseinstellung des einen Gliedes unangenehme
Folgen bei allen andern nach sich ziehn. Bei Schiebungen großer Unter¬
nehmungen geraten nicht nur Mutter- und Tochtergesellschaften in Schwierig-


Kredit

schlagen jedoch solche Umwandlungen auch zum Nachteil des Vorbesitzers aus,
vor allem wenn die Zulassung der Aktien zum Börsenhandel infolge schlechten
Geschäftsgangs nicht zu erhalten ist, und die Gründer mit ihm vereinbart
haben, daß er mit seinem gesamten Aktienbesitz für etwaige Verluste haftet.
Bei der Familiengründung wird das Unternehmen des verstorbnen Besitzers
von seinen Erben in eine Aktiengesellschaft umgewandelt, weil auf diese Weise
eine bequeme Erbteilung vorgenommen werden und jeder Erbe ohne Schwierig¬
keiten seinen Anteil realisieren kann.

Die Kommanditgesellschaft auf Aktien gewährt die Möglichkeit, den Aktien¬
besitz zu veräußern, nur den Kommanditisten, ihre Direktoren sind persönlich
haftende Gesellschafter, d. h. sie haften für etwaige Verluste mit ihrem ge¬
samten Vermögen. Infolgedessen ist diese Form der Aktiengesellschaft sehr
selten und wird nnr für einige große, solide Unternehmungen gebraucht, deren
Fundierung und Reutabilitüt über jeden Zweifel erhaben ist. Ihre Aktien
werden gewöhnlich nicht auf den Effektenmarkt geworfen, sondern bleiben in
festen Händen.

Von skrupelloser Geschäftsleuten kann die Form der Aktiengesellschaft
dazu benutzt werden, sich auf Kosten kleiner Kapitalisten zu bereichern. Als
Direktoren und Aufsichtsrate haben sie einen Überblick über die Geschäftslage,
der ihnen erlaubt, in ihren eignen Aktien zu spekulieren und ihren Aktien¬
besitz rechtzeitig abzustoßen, wenn ihr Unternehmen unrentabel wird. Der kleine
Aktionär hat nur selten Kenntnis von der Geschäftslage und ist auf das an¬
gewiesen, was von der Presse gebracht und vom Vorstand und Aufsichtsrat
in die Zeitungen lanciert wird. In Ländern, wo kein Minimalbetrag für
Aktien gesetzlich bestimmt ist, schießen die Aktiengründungen wie Pilze aus der
Erde und richten unter kleinen Kapitalisten großen Schaden an. In England,
wo die Aktien gewöhnlich auf ein Pfund Sterling lauten, gehören zu den
Aktienbesitzern oft ganz kleine Leute, die Aktien kaufen wie der Deutsche
Lotterielose. Den größten Umfang haben die Aktiengründungen in Amerika
angenommen. Dort ist der private Großbetrieb in der Industrie mehr in den
Hintergrund getreten, und die Umwandlung von Privatunternehmungen in
Aktiengesellschaften an der Tagesordnung. Auch die Syndikate konstituieren
sich dort als Aktiengesellschaften, während in Deutschland für solche Grün¬
dungen die Form der Gesellschaft mit beschränkter Haftung vorgezogen wird,
weil sie sich nicht an das Publikum mit der Aufforderung zur Beteiligung
wenden. In Amerika werden solche Gründungen mit einer großen Zeitungs¬
reklame in Szene gesetzt, die Gründer renommieren mit gewaltigen Aktien¬
kapitalien, von denen nur ein geringer Teil eingezahlt ist, und spekulieren
auf das amerikanische Nationalgefühl, um den Markt möglichst aufnahmefähig
für ihre Papiere zu machen.

Der Krcditverkehr hat jedoch noch andre Schattenseiten. Da sich bei der
Kreditgewährung eine geschlossene Kette von den Banken bis zu den Detaillisten
bildet, so muß die Zahlungseinstellung des einen Gliedes unangenehme
Folgen bei allen andern nach sich ziehn. Bei Schiebungen großer Unter¬
nehmungen geraten nicht nur Mutter- und Tochtergesellschaften in Schwierig-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0277" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/87755"/>
          <fw type="header" place="top"> Kredit</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1163" prev="#ID_1162"> schlagen jedoch solche Umwandlungen auch zum Nachteil des Vorbesitzers aus,<lb/>
vor allem wenn die Zulassung der Aktien zum Börsenhandel infolge schlechten<lb/>
Geschäftsgangs nicht zu erhalten ist, und die Gründer mit ihm vereinbart<lb/>
haben, daß er mit seinem gesamten Aktienbesitz für etwaige Verluste haftet.<lb/>
Bei der Familiengründung wird das Unternehmen des verstorbnen Besitzers<lb/>
von seinen Erben in eine Aktiengesellschaft umgewandelt, weil auf diese Weise<lb/>
eine bequeme Erbteilung vorgenommen werden und jeder Erbe ohne Schwierig¬<lb/>
keiten seinen Anteil realisieren kann.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1164"> Die Kommanditgesellschaft auf Aktien gewährt die Möglichkeit, den Aktien¬<lb/>
besitz zu veräußern, nur den Kommanditisten, ihre Direktoren sind persönlich<lb/>
haftende Gesellschafter, d. h. sie haften für etwaige Verluste mit ihrem ge¬<lb/>
samten Vermögen. Infolgedessen ist diese Form der Aktiengesellschaft sehr<lb/>
selten und wird nnr für einige große, solide Unternehmungen gebraucht, deren<lb/>
Fundierung und Reutabilitüt über jeden Zweifel erhaben ist. Ihre Aktien<lb/>
werden gewöhnlich nicht auf den Effektenmarkt geworfen, sondern bleiben in<lb/>
festen Händen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1165"> Von skrupelloser Geschäftsleuten kann die Form der Aktiengesellschaft<lb/>
dazu benutzt werden, sich auf Kosten kleiner Kapitalisten zu bereichern. Als<lb/>
Direktoren und Aufsichtsrate haben sie einen Überblick über die Geschäftslage,<lb/>
der ihnen erlaubt, in ihren eignen Aktien zu spekulieren und ihren Aktien¬<lb/>
besitz rechtzeitig abzustoßen, wenn ihr Unternehmen unrentabel wird. Der kleine<lb/>
Aktionär hat nur selten Kenntnis von der Geschäftslage und ist auf das an¬<lb/>
gewiesen, was von der Presse gebracht und vom Vorstand und Aufsichtsrat<lb/>
in die Zeitungen lanciert wird. In Ländern, wo kein Minimalbetrag für<lb/>
Aktien gesetzlich bestimmt ist, schießen die Aktiengründungen wie Pilze aus der<lb/>
Erde und richten unter kleinen Kapitalisten großen Schaden an. In England,<lb/>
wo die Aktien gewöhnlich auf ein Pfund Sterling lauten, gehören zu den<lb/>
Aktienbesitzern oft ganz kleine Leute, die Aktien kaufen wie der Deutsche<lb/>
Lotterielose. Den größten Umfang haben die Aktiengründungen in Amerika<lb/>
angenommen. Dort ist der private Großbetrieb in der Industrie mehr in den<lb/>
Hintergrund getreten, und die Umwandlung von Privatunternehmungen in<lb/>
Aktiengesellschaften an der Tagesordnung. Auch die Syndikate konstituieren<lb/>
sich dort als Aktiengesellschaften, während in Deutschland für solche Grün¬<lb/>
dungen die Form der Gesellschaft mit beschränkter Haftung vorgezogen wird,<lb/>
weil sie sich nicht an das Publikum mit der Aufforderung zur Beteiligung<lb/>
wenden. In Amerika werden solche Gründungen mit einer großen Zeitungs¬<lb/>
reklame in Szene gesetzt, die Gründer renommieren mit gewaltigen Aktien¬<lb/>
kapitalien, von denen nur ein geringer Teil eingezahlt ist, und spekulieren<lb/>
auf das amerikanische Nationalgefühl, um den Markt möglichst aufnahmefähig<lb/>
für ihre Papiere zu machen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1166" next="#ID_1167"> Der Krcditverkehr hat jedoch noch andre Schattenseiten. Da sich bei der<lb/>
Kreditgewährung eine geschlossene Kette von den Banken bis zu den Detaillisten<lb/>
bildet, so muß die Zahlungseinstellung des einen Gliedes unangenehme<lb/>
Folgen bei allen andern nach sich ziehn. Bei Schiebungen großer Unter¬<lb/>
nehmungen geraten nicht nur Mutter- und Tochtergesellschaften in Schwierig-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0277] Kredit schlagen jedoch solche Umwandlungen auch zum Nachteil des Vorbesitzers aus, vor allem wenn die Zulassung der Aktien zum Börsenhandel infolge schlechten Geschäftsgangs nicht zu erhalten ist, und die Gründer mit ihm vereinbart haben, daß er mit seinem gesamten Aktienbesitz für etwaige Verluste haftet. Bei der Familiengründung wird das Unternehmen des verstorbnen Besitzers von seinen Erben in eine Aktiengesellschaft umgewandelt, weil auf diese Weise eine bequeme Erbteilung vorgenommen werden und jeder Erbe ohne Schwierig¬ keiten seinen Anteil realisieren kann. Die Kommanditgesellschaft auf Aktien gewährt die Möglichkeit, den Aktien¬ besitz zu veräußern, nur den Kommanditisten, ihre Direktoren sind persönlich haftende Gesellschafter, d. h. sie haften für etwaige Verluste mit ihrem ge¬ samten Vermögen. Infolgedessen ist diese Form der Aktiengesellschaft sehr selten und wird nnr für einige große, solide Unternehmungen gebraucht, deren Fundierung und Reutabilitüt über jeden Zweifel erhaben ist. Ihre Aktien werden gewöhnlich nicht auf den Effektenmarkt geworfen, sondern bleiben in festen Händen. Von skrupelloser Geschäftsleuten kann die Form der Aktiengesellschaft dazu benutzt werden, sich auf Kosten kleiner Kapitalisten zu bereichern. Als Direktoren und Aufsichtsrate haben sie einen Überblick über die Geschäftslage, der ihnen erlaubt, in ihren eignen Aktien zu spekulieren und ihren Aktien¬ besitz rechtzeitig abzustoßen, wenn ihr Unternehmen unrentabel wird. Der kleine Aktionär hat nur selten Kenntnis von der Geschäftslage und ist auf das an¬ gewiesen, was von der Presse gebracht und vom Vorstand und Aufsichtsrat in die Zeitungen lanciert wird. In Ländern, wo kein Minimalbetrag für Aktien gesetzlich bestimmt ist, schießen die Aktiengründungen wie Pilze aus der Erde und richten unter kleinen Kapitalisten großen Schaden an. In England, wo die Aktien gewöhnlich auf ein Pfund Sterling lauten, gehören zu den Aktienbesitzern oft ganz kleine Leute, die Aktien kaufen wie der Deutsche Lotterielose. Den größten Umfang haben die Aktiengründungen in Amerika angenommen. Dort ist der private Großbetrieb in der Industrie mehr in den Hintergrund getreten, und die Umwandlung von Privatunternehmungen in Aktiengesellschaften an der Tagesordnung. Auch die Syndikate konstituieren sich dort als Aktiengesellschaften, während in Deutschland für solche Grün¬ dungen die Form der Gesellschaft mit beschränkter Haftung vorgezogen wird, weil sie sich nicht an das Publikum mit der Aufforderung zur Beteiligung wenden. In Amerika werden solche Gründungen mit einer großen Zeitungs¬ reklame in Szene gesetzt, die Gründer renommieren mit gewaltigen Aktien¬ kapitalien, von denen nur ein geringer Teil eingezahlt ist, und spekulieren auf das amerikanische Nationalgefühl, um den Markt möglichst aufnahmefähig für ihre Papiere zu machen. Der Krcditverkehr hat jedoch noch andre Schattenseiten. Da sich bei der Kreditgewährung eine geschlossene Kette von den Banken bis zu den Detaillisten bildet, so muß die Zahlungseinstellung des einen Gliedes unangenehme Folgen bei allen andern nach sich ziehn. Bei Schiebungen großer Unter¬ nehmungen geraten nicht nur Mutter- und Tochtergesellschaften in Schwierig-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_87477
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_87477/277
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_87477/277>, abgerufen am 23.12.2024.