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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Erstes Vierteljahr.

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Bilder ans dem deutsch-französischen Kriege

Die Patrouille hatte auf dem Rückwege die Abendsuppe, Brot und Wem gefaßt,
die wir uns bestens schmecken ließen. Die Nacht war da, man lehnte vor die
Windseite des luftigen Raumes eine Holztür, die aus dem nächsten Dorfhaus ge¬
bracht worden war, setzte sich auf das Strohlager und hörte mit einer gewissen
Beruhigung die gleichmäßigen und behutsamen Schritte des Doppelpostens, der
jetzt die Straße bewachte und von ihr aus die Niederungen zu beiden Seiten
übersehen konnte, so weit es die Dunkelheit zuließ. Einmal ein leiser Pfiff des
einen Postens, der mitteilen wollte, es komme ihm vor, als sei vor ihm über
der Bahnkreuzung ein Heller Schein; wir konnten nichts Bestimmtes sehen, aber
die Existenz einer französischen Feldwache hinter dieser Stelle wurde dadurch noch
wahrscheinlicher



Wäre der Aufenthalt unter der Brücke behaglicher gewesen, so hätten sich die
vier jungen Männer, die jetzt ihre Gewehre zur Hand nahmen und sich marsch¬
fertig nebeneinander aufstellten, vielleicht gezögert, aufzubrechen; aber es war hier
unten, abgesehen von dem kleinen Fleck, wo das trübe Licht der Blendlaterne hin¬
fiel, ebenso dunkel wie draußen, ebenso kalt und noch ein gut Teil zugiger. Man
sehnte sich nach Bewegung, und im stillen war auch der Wunsch rege, sich nicht
rtwa durch eine feindliche Schleichpatrouille überraschen zu lassen; es ist klar, daß
man sich beruhigt aufs Stroh legen wird, wenn man, von dem nächtlichen Gang
zurückgekehrt, melden kann, daß die Lust da draußen rein ist. Und dann wird
bälder der Morgen da sein, und mit ihm vielleicht die Sonne, wahrscheinlich Ab¬
lösung, Veränderung, und das Nächste nicht zu vergessen, der heiße Kaffee!

Sie gehn ohne viele Worte ab, voraus der Erzähler von vorhin, der jetzt
gar nicht mehr ans Reflektieren, sondern nur ans Observieren dachte; wenn man
sein Gesicht hätte sehen können, würde man unter dem Zuge von heiterer Gleich¬
mütigkeit, den er nicht leicht verlieren zu können schien, die gespannteste Aufmerk¬
samkeit wahrgenommen haben, die die Zähne aufeiuanderpreßte, die Augen hervor¬
treten und die Umgebungen der Augen sich erweitern ließ, um dem Blick nach
allen Seiten freie Bahn zu machen. Das war wohl auf jedem Gesicht der vier Sol¬
daten der vorherrschende Ausdruck; jedes Auge wollte das Dunkel durchdringen, worin
die Einzelheiten der Landschaft gleichsam versunken waren; jeder wollte wenigstens für
den nächsten Schritt das Gelände aufklären, damit der Fuß sicherer auftrat. Ihre
Anstrengungen waren nicht vergebens, aus dem Schwarz wurde Grau, und es
gliederte sich, was eben noch eine Nacht gewesen war, in Luft und Boden; in
undeutlichen Umrissen stieg der hohe Straßendamm zur Rechten auf, und vor ihnen
kündete ein schwacher Lichtschimmer unten am Firmament, der zu schwanken oder
zu flackern schien, die Lage der Stadt an. Man ging zwar immer vorsichtig vor¬
wärts, aber nun doch sicherer und deshalb auch rascher. Als etwa fünfhundert
Schritt zurückgelegt waren, blieb der Führer stehn und wartete, bis sich die drei
andern um ihn versammelt hatten. Dann sagte er leise: So geht es nun noch einmal
ungefähr ebenso weit fort, dann kommt von Westen her halbrechts der Eisenbahn¬
damm, der diesen Straßendamm kreuzt; dort hat unsre Aufklärung ein Ende. Ehe
wir so weit kommen, müssen wir aus dem Loch heraus und schauen, ob es auf der
Straße oben sauber ist. -- Jawohl, heraus, herauf, sagte zustimmend einer von
den Vieren. -- Aber nicht alle, fuhr der junge Führer fort, indem er eindring¬
licher redete, als setze er jedes der geflüsterten Worte deutlich neben das andre,
damit niemand eins übersehen könne: Ihr zwei postiert euch halbwegs zwischen
hier und der Kreuzung an den Straßenbäumen, sodaß ihr das Wärterhäuschen
noch sehen könnt, ungefähr hundert Schritt davon, ich und Haber suchen bis in
den Winkel zu kommen und dort gerade vor dem Häuschen hinaufzukriechen. Ver¬
haltet euch still, bis bei uns ein Schuß fällt, dann pfeffert ein paar hinein; folgt
ein Pfiff, so kommt ihr uns sofort nach, bleibt es still, so geht ihr rasch im
Schatten bis hierher zurück, hier treffen wir uns wieder. -- Gut, verstanden,


Bilder ans dem deutsch-französischen Kriege

Die Patrouille hatte auf dem Rückwege die Abendsuppe, Brot und Wem gefaßt,
die wir uns bestens schmecken ließen. Die Nacht war da, man lehnte vor die
Windseite des luftigen Raumes eine Holztür, die aus dem nächsten Dorfhaus ge¬
bracht worden war, setzte sich auf das Strohlager und hörte mit einer gewissen
Beruhigung die gleichmäßigen und behutsamen Schritte des Doppelpostens, der
jetzt die Straße bewachte und von ihr aus die Niederungen zu beiden Seiten
übersehen konnte, so weit es die Dunkelheit zuließ. Einmal ein leiser Pfiff des
einen Postens, der mitteilen wollte, es komme ihm vor, als sei vor ihm über
der Bahnkreuzung ein Heller Schein; wir konnten nichts Bestimmtes sehen, aber
die Existenz einer französischen Feldwache hinter dieser Stelle wurde dadurch noch
wahrscheinlicher



Wäre der Aufenthalt unter der Brücke behaglicher gewesen, so hätten sich die
vier jungen Männer, die jetzt ihre Gewehre zur Hand nahmen und sich marsch¬
fertig nebeneinander aufstellten, vielleicht gezögert, aufzubrechen; aber es war hier
unten, abgesehen von dem kleinen Fleck, wo das trübe Licht der Blendlaterne hin¬
fiel, ebenso dunkel wie draußen, ebenso kalt und noch ein gut Teil zugiger. Man
sehnte sich nach Bewegung, und im stillen war auch der Wunsch rege, sich nicht
rtwa durch eine feindliche Schleichpatrouille überraschen zu lassen; es ist klar, daß
man sich beruhigt aufs Stroh legen wird, wenn man, von dem nächtlichen Gang
zurückgekehrt, melden kann, daß die Lust da draußen rein ist. Und dann wird
bälder der Morgen da sein, und mit ihm vielleicht die Sonne, wahrscheinlich Ab¬
lösung, Veränderung, und das Nächste nicht zu vergessen, der heiße Kaffee!

Sie gehn ohne viele Worte ab, voraus der Erzähler von vorhin, der jetzt
gar nicht mehr ans Reflektieren, sondern nur ans Observieren dachte; wenn man
sein Gesicht hätte sehen können, würde man unter dem Zuge von heiterer Gleich¬
mütigkeit, den er nicht leicht verlieren zu können schien, die gespannteste Aufmerk¬
samkeit wahrgenommen haben, die die Zähne aufeiuanderpreßte, die Augen hervor¬
treten und die Umgebungen der Augen sich erweitern ließ, um dem Blick nach
allen Seiten freie Bahn zu machen. Das war wohl auf jedem Gesicht der vier Sol¬
daten der vorherrschende Ausdruck; jedes Auge wollte das Dunkel durchdringen, worin
die Einzelheiten der Landschaft gleichsam versunken waren; jeder wollte wenigstens für
den nächsten Schritt das Gelände aufklären, damit der Fuß sicherer auftrat. Ihre
Anstrengungen waren nicht vergebens, aus dem Schwarz wurde Grau, und es
gliederte sich, was eben noch eine Nacht gewesen war, in Luft und Boden; in
undeutlichen Umrissen stieg der hohe Straßendamm zur Rechten auf, und vor ihnen
kündete ein schwacher Lichtschimmer unten am Firmament, der zu schwanken oder
zu flackern schien, die Lage der Stadt an. Man ging zwar immer vorsichtig vor¬
wärts, aber nun doch sicherer und deshalb auch rascher. Als etwa fünfhundert
Schritt zurückgelegt waren, blieb der Führer stehn und wartete, bis sich die drei
andern um ihn versammelt hatten. Dann sagte er leise: So geht es nun noch einmal
ungefähr ebenso weit fort, dann kommt von Westen her halbrechts der Eisenbahn¬
damm, der diesen Straßendamm kreuzt; dort hat unsre Aufklärung ein Ende. Ehe
wir so weit kommen, müssen wir aus dem Loch heraus und schauen, ob es auf der
Straße oben sauber ist. — Jawohl, heraus, herauf, sagte zustimmend einer von
den Vieren. — Aber nicht alle, fuhr der junge Führer fort, indem er eindring¬
licher redete, als setze er jedes der geflüsterten Worte deutlich neben das andre,
damit niemand eins übersehen könne: Ihr zwei postiert euch halbwegs zwischen
hier und der Kreuzung an den Straßenbäumen, sodaß ihr das Wärterhäuschen
noch sehen könnt, ungefähr hundert Schritt davon, ich und Haber suchen bis in
den Winkel zu kommen und dort gerade vor dem Häuschen hinaufzukriechen. Ver¬
haltet euch still, bis bei uns ein Schuß fällt, dann pfeffert ein paar hinein; folgt
ein Pfiff, so kommt ihr uns sofort nach, bleibt es still, so geht ihr rasch im
Schatten bis hierher zurück, hier treffen wir uns wieder. — Gut, verstanden,


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[0234] Bilder ans dem deutsch-französischen Kriege Die Patrouille hatte auf dem Rückwege die Abendsuppe, Brot und Wem gefaßt, die wir uns bestens schmecken ließen. Die Nacht war da, man lehnte vor die Windseite des luftigen Raumes eine Holztür, die aus dem nächsten Dorfhaus ge¬ bracht worden war, setzte sich auf das Strohlager und hörte mit einer gewissen Beruhigung die gleichmäßigen und behutsamen Schritte des Doppelpostens, der jetzt die Straße bewachte und von ihr aus die Niederungen zu beiden Seiten übersehen konnte, so weit es die Dunkelheit zuließ. Einmal ein leiser Pfiff des einen Postens, der mitteilen wollte, es komme ihm vor, als sei vor ihm über der Bahnkreuzung ein Heller Schein; wir konnten nichts Bestimmtes sehen, aber die Existenz einer französischen Feldwache hinter dieser Stelle wurde dadurch noch wahrscheinlicher Wäre der Aufenthalt unter der Brücke behaglicher gewesen, so hätten sich die vier jungen Männer, die jetzt ihre Gewehre zur Hand nahmen und sich marsch¬ fertig nebeneinander aufstellten, vielleicht gezögert, aufzubrechen; aber es war hier unten, abgesehen von dem kleinen Fleck, wo das trübe Licht der Blendlaterne hin¬ fiel, ebenso dunkel wie draußen, ebenso kalt und noch ein gut Teil zugiger. Man sehnte sich nach Bewegung, und im stillen war auch der Wunsch rege, sich nicht rtwa durch eine feindliche Schleichpatrouille überraschen zu lassen; es ist klar, daß man sich beruhigt aufs Stroh legen wird, wenn man, von dem nächtlichen Gang zurückgekehrt, melden kann, daß die Lust da draußen rein ist. Und dann wird bälder der Morgen da sein, und mit ihm vielleicht die Sonne, wahrscheinlich Ab¬ lösung, Veränderung, und das Nächste nicht zu vergessen, der heiße Kaffee! Sie gehn ohne viele Worte ab, voraus der Erzähler von vorhin, der jetzt gar nicht mehr ans Reflektieren, sondern nur ans Observieren dachte; wenn man sein Gesicht hätte sehen können, würde man unter dem Zuge von heiterer Gleich¬ mütigkeit, den er nicht leicht verlieren zu können schien, die gespannteste Aufmerk¬ samkeit wahrgenommen haben, die die Zähne aufeiuanderpreßte, die Augen hervor¬ treten und die Umgebungen der Augen sich erweitern ließ, um dem Blick nach allen Seiten freie Bahn zu machen. Das war wohl auf jedem Gesicht der vier Sol¬ daten der vorherrschende Ausdruck; jedes Auge wollte das Dunkel durchdringen, worin die Einzelheiten der Landschaft gleichsam versunken waren; jeder wollte wenigstens für den nächsten Schritt das Gelände aufklären, damit der Fuß sicherer auftrat. Ihre Anstrengungen waren nicht vergebens, aus dem Schwarz wurde Grau, und es gliederte sich, was eben noch eine Nacht gewesen war, in Luft und Boden; in undeutlichen Umrissen stieg der hohe Straßendamm zur Rechten auf, und vor ihnen kündete ein schwacher Lichtschimmer unten am Firmament, der zu schwanken oder zu flackern schien, die Lage der Stadt an. Man ging zwar immer vorsichtig vor¬ wärts, aber nun doch sicherer und deshalb auch rascher. Als etwa fünfhundert Schritt zurückgelegt waren, blieb der Führer stehn und wartete, bis sich die drei andern um ihn versammelt hatten. Dann sagte er leise: So geht es nun noch einmal ungefähr ebenso weit fort, dann kommt von Westen her halbrechts der Eisenbahn¬ damm, der diesen Straßendamm kreuzt; dort hat unsre Aufklärung ein Ende. Ehe wir so weit kommen, müssen wir aus dem Loch heraus und schauen, ob es auf der Straße oben sauber ist. — Jawohl, heraus, herauf, sagte zustimmend einer von den Vieren. — Aber nicht alle, fuhr der junge Führer fort, indem er eindring¬ licher redete, als setze er jedes der geflüsterten Worte deutlich neben das andre, damit niemand eins übersehen könne: Ihr zwei postiert euch halbwegs zwischen hier und der Kreuzung an den Straßenbäumen, sodaß ihr das Wärterhäuschen noch sehen könnt, ungefähr hundert Schritt davon, ich und Haber suchen bis in den Winkel zu kommen und dort gerade vor dem Häuschen hinaufzukriechen. Ver¬ haltet euch still, bis bei uns ein Schuß fällt, dann pfeffert ein paar hinein; folgt ein Pfiff, so kommt ihr uns sofort nach, bleibt es still, so geht ihr rasch im Schatten bis hierher zurück, hier treffen wir uns wieder. — Gut, verstanden,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_87477/234>, abgerufen am 22.12.2024.