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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Erstes Vierteljahr.

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Minnesangs Frühling in Frankreich

aber in wohltönender limousinischer Mundart erscholl von ihm, dem Ritter,
zuerst der Frauen Preis, das erste Minnelicd der Provence.

Unter seineu Liedern ist eins mit Recht berühmt, worin, wie Diez sagt,
schon die wichtigsten Charakterzüge der Minnepoesie wie in der Knospe liegen.
Mag das Lied in deutscher Übertragung iSuchier frei nach Diez) folgen, wenn
ich auch weiß, daß auch die besten er^äuttori er-Mtori, die "Übersetzer -- Ver¬
letzer" sind!

Als er sich kurz vor seinem Tode zu einer Wallfahrt anschickte, sagte er
den Freuden dieser Welt, dem Minnedienst und Ritterleben, auf ewig Lebewohl:


Ich Hab manch edle Tat vollbracht,
Doch dem sag ich nun gute Nacht
Und bin dahin zu ziehn bedacht,
Wo Pilger um Erbarmen flehn.
Fahr wohl denn, was mir sonst gefiel,
Des Nittertumes stolzes Spiel.
Ich wall ohn Aufschub nach dem Ziel,
Wo Gott den Sündern wird verzeihn.
Verliebt und froh war ich seither,
Doch will es unser Herr nicht mehr!
Nun drückt die Last mich allzu schwer;
Denn schon zu Ende geht mein Lauf.
Ich bitte jedes Bruderherz
Um Beistand einst in Todesschmerz,
Nur zu sehr liebt ich Freud und Scherz
Und suchte nah und fern sie auf.
Und hiermit geb ich Freud und Scherz
Und Bunt und Grau und Zobel auf.

<D"ez, Leben und Werke der Troubadours)

Es ist, als sei mit einemmal den Troubadours die Zunge gelöst.

Nun singt Cercamon, wie sein Name besagt, der Spielmann des fröhlichen
Manderns, der die Welt durchzieht; nun erklingen seines Schülers Marcabru
Romanzen und xetstorows s, ig. usaiiZÄ s-ntiAg,, Pastourellen, wie man sie ehe¬
dem in Poitou und Limousin sang; das erste Kreuzlied mahnt die Gläubigen
zum Kampfe für Christi Ehre: die Gottesminne findet ihren ersten Ausdruck.
Jetzt schwärmt Jaufre Rudel von der schönen Dame jenseits des weiten
Meeres:


Minnesangs Frühling in Frankreich

aber in wohltönender limousinischer Mundart erscholl von ihm, dem Ritter,
zuerst der Frauen Preis, das erste Minnelicd der Provence.

Unter seineu Liedern ist eins mit Recht berühmt, worin, wie Diez sagt,
schon die wichtigsten Charakterzüge der Minnepoesie wie in der Knospe liegen.
Mag das Lied in deutscher Übertragung iSuchier frei nach Diez) folgen, wenn
ich auch weiß, daß auch die besten er^äuttori er-Mtori, die „Übersetzer — Ver¬
letzer" sind!

Als er sich kurz vor seinem Tode zu einer Wallfahrt anschickte, sagte er
den Freuden dieser Welt, dem Minnedienst und Ritterleben, auf ewig Lebewohl:


Ich Hab manch edle Tat vollbracht,
Doch dem sag ich nun gute Nacht
Und bin dahin zu ziehn bedacht,
Wo Pilger um Erbarmen flehn.
Fahr wohl denn, was mir sonst gefiel,
Des Nittertumes stolzes Spiel.
Ich wall ohn Aufschub nach dem Ziel,
Wo Gott den Sündern wird verzeihn.
Verliebt und froh war ich seither,
Doch will es unser Herr nicht mehr!
Nun drückt die Last mich allzu schwer;
Denn schon zu Ende geht mein Lauf.
Ich bitte jedes Bruderherz
Um Beistand einst in Todesschmerz,
Nur zu sehr liebt ich Freud und Scherz
Und suchte nah und fern sie auf.
Und hiermit geb ich Freud und Scherz
Und Bunt und Grau und Zobel auf.

<D«ez, Leben und Werke der Troubadours)

Es ist, als sei mit einemmal den Troubadours die Zunge gelöst.

Nun singt Cercamon, wie sein Name besagt, der Spielmann des fröhlichen
Manderns, der die Welt durchzieht; nun erklingen seines Schülers Marcabru
Romanzen und xetstorows s, ig. usaiiZÄ s-ntiAg,, Pastourellen, wie man sie ehe¬
dem in Poitou und Limousin sang; das erste Kreuzlied mahnt die Gläubigen
zum Kampfe für Christi Ehre: die Gottesminne findet ihren ersten Ausdruck.
Jetzt schwärmt Jaufre Rudel von der schönen Dame jenseits des weiten
Meeres:


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[0214] Minnesangs Frühling in Frankreich aber in wohltönender limousinischer Mundart erscholl von ihm, dem Ritter, zuerst der Frauen Preis, das erste Minnelicd der Provence. Unter seineu Liedern ist eins mit Recht berühmt, worin, wie Diez sagt, schon die wichtigsten Charakterzüge der Minnepoesie wie in der Knospe liegen. Mag das Lied in deutscher Übertragung iSuchier frei nach Diez) folgen, wenn ich auch weiß, daß auch die besten er^äuttori er-Mtori, die „Übersetzer — Ver¬ letzer" sind! Als er sich kurz vor seinem Tode zu einer Wallfahrt anschickte, sagte er den Freuden dieser Welt, dem Minnedienst und Ritterleben, auf ewig Lebewohl: Ich Hab manch edle Tat vollbracht, Doch dem sag ich nun gute Nacht Und bin dahin zu ziehn bedacht, Wo Pilger um Erbarmen flehn. Fahr wohl denn, was mir sonst gefiel, Des Nittertumes stolzes Spiel. Ich wall ohn Aufschub nach dem Ziel, Wo Gott den Sündern wird verzeihn. Verliebt und froh war ich seither, Doch will es unser Herr nicht mehr! Nun drückt die Last mich allzu schwer; Denn schon zu Ende geht mein Lauf. Ich bitte jedes Bruderherz Um Beistand einst in Todesschmerz, Nur zu sehr liebt ich Freud und Scherz Und suchte nah und fern sie auf. Und hiermit geb ich Freud und Scherz Und Bunt und Grau und Zobel auf. <D«ez, Leben und Werke der Troubadours) Es ist, als sei mit einemmal den Troubadours die Zunge gelöst. Nun singt Cercamon, wie sein Name besagt, der Spielmann des fröhlichen Manderns, der die Welt durchzieht; nun erklingen seines Schülers Marcabru Romanzen und xetstorows s, ig. usaiiZÄ s-ntiAg,, Pastourellen, wie man sie ehe¬ dem in Poitou und Limousin sang; das erste Kreuzlied mahnt die Gläubigen zum Kampfe für Christi Ehre: die Gottesminne findet ihren ersten Ausdruck. Jetzt schwärmt Jaufre Rudel von der schönen Dame jenseits des weiten Meeres:

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_87477/214>, abgerufen am 23.07.2024.