Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Kredit

an denen er sich durch den Ankauf von Aktien beteiligen kann. So genießt
er die Vorteile von Bank- und Jndustrieunternehmungen aller Art, ohne daß
er sich darum zu kümmern braucht, in welcher Weise sie mit seinem Gelde
arbeiten.

Auf dem Warenmarkte findet man dieselbe Erscheinung. Jedem nur
einigermaßen soliden Geschäftsmann werden von allen Seiten Warenkredite
angeboten, ein Lieferant sucht den andern durch günstigere Bedingungen, als
sie sein Konkurrent zu bieten vermag, zu verdrängen. Da infolgedessen der
Wechsel in der Kundschaft recht häufig ist, so sichern sich manche großen Firmen
in Deutschland ihre Abnehmer dadurch, daß sie Ladengeschäfte und Waren¬
häuser selbst errichten. Das größte Haus dieser Art hat mehr als hundert-
undfunfzig solcher Geschäfte in ganz Deutschland gegründet und ist deren
alleiniger Lieferant. Sie tragen in ihrer Firma gewöhnlich den Namen des
nomineller Inhabers, der das Geschäft leitet, und einen fast überall wieder¬
kehrenden Zusatz, der auf das gemeinsame Einkaufshaus hinweist, das als
Kommanditist oder Gesellschafter, je nachdem die Firma eine Kommandit¬
gesellschaft oder Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist, mit einer nomineller
Einlage in das Handelsregister eingetragen ist, während seine wirkliche Be¬
teiligung, die in den notwendigen Warenkrediten besteht, weit größer ist. In
diesen Geschäften hat der nominelle Inhaber gewöhnlich kein Kapital, er ist
vielmehr als Teilhaber aufgenommen, weil er tüchtig und rührig ist und das
Vertrauen des Stammhauses genießt. In einem ähnlichen Verhältnis stehn
viele Hamburger Exporteure zu ihren überseeischen Geschäftsfreunden, denen
sie als europäische Einkäufer dienen und alle nötigen Warenkredite gewähren.
Wenn sie selbst überseeische Filialen haben, so bestehn diese oft in Laden¬
geschäften und Warmhäusern, die eine große Zahl von Angestellten be¬
schäftigen. Auch in der Industrie findet sich ein solches Abhängigkeitsver¬
hältnis. Brauereien sind vielfach eigentliche Inhaber der Restaurants, in
denen ihr Bier geschenkt wird, haben die Wirtschaftslokale eingerichtet und
sind oft auch Eigentümer der Geschäftsgrundstücke, während der Wirt, auch
wenn er nomineller Inhaber ist, nur die Geschäftsführung hat. Aktiengesell¬
schaften oder Gesellschaften mit beschränkter Haftung gründen Tochtergesell¬
schaften, die die Fabrikation für einen gewissen Bezirk, den die Mutter-
gesellschaft wegen der durch die Entfernung entstehenden Transportkosten nicht
versorgen kann, in die Hand nehmen, oder überlassen ihnen die Ausbeutung
von Erfindungen und Patenten für bestimmte Provinzen oder Länder unter
der Bedingung, alle Bezüge durch das Stammhaus zu machen.

Zur Erleichterung der Arbeit, die mit der Konkurrenz der Kapitalisten
und Kaufleute unter sich beständig wächst, und zur möglichsten Beschränkung
des Kreditrisikos hat sich in hochzivilisiertcn Staaten eine Teilung entwickelt,
die sich in weniger kultivierten Ländern entweder gar nicht oder nur in ihren
Anfängen wiederfindet. Mit der Zunahme der Bevölkerung wachsen die
Geschäftsumsütze, und ein Importeur, der jährlich hundert Millionen Mark
umsetzt, würde die Übersicht über seine Kundschaft verlieren, wenn er mit jedem
Kleinhändler arbeiten wollte. Es haben sich deshalb allmählich die Zwischen-


Kredit

an denen er sich durch den Ankauf von Aktien beteiligen kann. So genießt
er die Vorteile von Bank- und Jndustrieunternehmungen aller Art, ohne daß
er sich darum zu kümmern braucht, in welcher Weise sie mit seinem Gelde
arbeiten.

Auf dem Warenmarkte findet man dieselbe Erscheinung. Jedem nur
einigermaßen soliden Geschäftsmann werden von allen Seiten Warenkredite
angeboten, ein Lieferant sucht den andern durch günstigere Bedingungen, als
sie sein Konkurrent zu bieten vermag, zu verdrängen. Da infolgedessen der
Wechsel in der Kundschaft recht häufig ist, so sichern sich manche großen Firmen
in Deutschland ihre Abnehmer dadurch, daß sie Ladengeschäfte und Waren¬
häuser selbst errichten. Das größte Haus dieser Art hat mehr als hundert-
undfunfzig solcher Geschäfte in ganz Deutschland gegründet und ist deren
alleiniger Lieferant. Sie tragen in ihrer Firma gewöhnlich den Namen des
nomineller Inhabers, der das Geschäft leitet, und einen fast überall wieder¬
kehrenden Zusatz, der auf das gemeinsame Einkaufshaus hinweist, das als
Kommanditist oder Gesellschafter, je nachdem die Firma eine Kommandit¬
gesellschaft oder Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist, mit einer nomineller
Einlage in das Handelsregister eingetragen ist, während seine wirkliche Be¬
teiligung, die in den notwendigen Warenkrediten besteht, weit größer ist. In
diesen Geschäften hat der nominelle Inhaber gewöhnlich kein Kapital, er ist
vielmehr als Teilhaber aufgenommen, weil er tüchtig und rührig ist und das
Vertrauen des Stammhauses genießt. In einem ähnlichen Verhältnis stehn
viele Hamburger Exporteure zu ihren überseeischen Geschäftsfreunden, denen
sie als europäische Einkäufer dienen und alle nötigen Warenkredite gewähren.
Wenn sie selbst überseeische Filialen haben, so bestehn diese oft in Laden¬
geschäften und Warmhäusern, die eine große Zahl von Angestellten be¬
schäftigen. Auch in der Industrie findet sich ein solches Abhängigkeitsver¬
hältnis. Brauereien sind vielfach eigentliche Inhaber der Restaurants, in
denen ihr Bier geschenkt wird, haben die Wirtschaftslokale eingerichtet und
sind oft auch Eigentümer der Geschäftsgrundstücke, während der Wirt, auch
wenn er nomineller Inhaber ist, nur die Geschäftsführung hat. Aktiengesell¬
schaften oder Gesellschaften mit beschränkter Haftung gründen Tochtergesell¬
schaften, die die Fabrikation für einen gewissen Bezirk, den die Mutter-
gesellschaft wegen der durch die Entfernung entstehenden Transportkosten nicht
versorgen kann, in die Hand nehmen, oder überlassen ihnen die Ausbeutung
von Erfindungen und Patenten für bestimmte Provinzen oder Länder unter
der Bedingung, alle Bezüge durch das Stammhaus zu machen.

Zur Erleichterung der Arbeit, die mit der Konkurrenz der Kapitalisten
und Kaufleute unter sich beständig wächst, und zur möglichsten Beschränkung
des Kreditrisikos hat sich in hochzivilisiertcn Staaten eine Teilung entwickelt,
die sich in weniger kultivierten Ländern entweder gar nicht oder nur in ihren
Anfängen wiederfindet. Mit der Zunahme der Bevölkerung wachsen die
Geschäftsumsütze, und ein Importeur, der jährlich hundert Millionen Mark
umsetzt, würde die Übersicht über seine Kundschaft verlieren, wenn er mit jedem
Kleinhändler arbeiten wollte. Es haben sich deshalb allmählich die Zwischen-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0196" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/87674"/>
          <fw type="header" place="top"> Kredit</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_789" prev="#ID_788"> an denen er sich durch den Ankauf von Aktien beteiligen kann. So genießt<lb/>
er die Vorteile von Bank- und Jndustrieunternehmungen aller Art, ohne daß<lb/>
er sich darum zu kümmern braucht, in welcher Weise sie mit seinem Gelde<lb/>
arbeiten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_790"> Auf dem Warenmarkte findet man dieselbe Erscheinung. Jedem nur<lb/>
einigermaßen soliden Geschäftsmann werden von allen Seiten Warenkredite<lb/>
angeboten, ein Lieferant sucht den andern durch günstigere Bedingungen, als<lb/>
sie sein Konkurrent zu bieten vermag, zu verdrängen. Da infolgedessen der<lb/>
Wechsel in der Kundschaft recht häufig ist, so sichern sich manche großen Firmen<lb/>
in Deutschland ihre Abnehmer dadurch, daß sie Ladengeschäfte und Waren¬<lb/>
häuser selbst errichten. Das größte Haus dieser Art hat mehr als hundert-<lb/>
undfunfzig solcher Geschäfte in ganz Deutschland gegründet und ist deren<lb/>
alleiniger Lieferant. Sie tragen in ihrer Firma gewöhnlich den Namen des<lb/>
nomineller Inhabers, der das Geschäft leitet, und einen fast überall wieder¬<lb/>
kehrenden Zusatz, der auf das gemeinsame Einkaufshaus hinweist, das als<lb/>
Kommanditist oder Gesellschafter, je nachdem die Firma eine Kommandit¬<lb/>
gesellschaft oder Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist, mit einer nomineller<lb/>
Einlage in das Handelsregister eingetragen ist, während seine wirkliche Be¬<lb/>
teiligung, die in den notwendigen Warenkrediten besteht, weit größer ist. In<lb/>
diesen Geschäften hat der nominelle Inhaber gewöhnlich kein Kapital, er ist<lb/>
vielmehr als Teilhaber aufgenommen, weil er tüchtig und rührig ist und das<lb/>
Vertrauen des Stammhauses genießt. In einem ähnlichen Verhältnis stehn<lb/>
viele Hamburger Exporteure zu ihren überseeischen Geschäftsfreunden, denen<lb/>
sie als europäische Einkäufer dienen und alle nötigen Warenkredite gewähren.<lb/>
Wenn sie selbst überseeische Filialen haben, so bestehn diese oft in Laden¬<lb/>
geschäften und Warmhäusern, die eine große Zahl von Angestellten be¬<lb/>
schäftigen. Auch in der Industrie findet sich ein solches Abhängigkeitsver¬<lb/>
hältnis. Brauereien sind vielfach eigentliche Inhaber der Restaurants, in<lb/>
denen ihr Bier geschenkt wird, haben die Wirtschaftslokale eingerichtet und<lb/>
sind oft auch Eigentümer der Geschäftsgrundstücke, während der Wirt, auch<lb/>
wenn er nomineller Inhaber ist, nur die Geschäftsführung hat. Aktiengesell¬<lb/>
schaften oder Gesellschaften mit beschränkter Haftung gründen Tochtergesell¬<lb/>
schaften, die die Fabrikation für einen gewissen Bezirk, den die Mutter-<lb/>
gesellschaft wegen der durch die Entfernung entstehenden Transportkosten nicht<lb/>
versorgen kann, in die Hand nehmen, oder überlassen ihnen die Ausbeutung<lb/>
von Erfindungen und Patenten für bestimmte Provinzen oder Länder unter<lb/>
der Bedingung, alle Bezüge durch das Stammhaus zu machen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_791" next="#ID_792"> Zur Erleichterung der Arbeit, die mit der Konkurrenz der Kapitalisten<lb/>
und Kaufleute unter sich beständig wächst, und zur möglichsten Beschränkung<lb/>
des Kreditrisikos hat sich in hochzivilisiertcn Staaten eine Teilung entwickelt,<lb/>
die sich in weniger kultivierten Ländern entweder gar nicht oder nur in ihren<lb/>
Anfängen wiederfindet. Mit der Zunahme der Bevölkerung wachsen die<lb/>
Geschäftsumsütze, und ein Importeur, der jährlich hundert Millionen Mark<lb/>
umsetzt, würde die Übersicht über seine Kundschaft verlieren, wenn er mit jedem<lb/>
Kleinhändler arbeiten wollte. Es haben sich deshalb allmählich die Zwischen-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0196] Kredit an denen er sich durch den Ankauf von Aktien beteiligen kann. So genießt er die Vorteile von Bank- und Jndustrieunternehmungen aller Art, ohne daß er sich darum zu kümmern braucht, in welcher Weise sie mit seinem Gelde arbeiten. Auf dem Warenmarkte findet man dieselbe Erscheinung. Jedem nur einigermaßen soliden Geschäftsmann werden von allen Seiten Warenkredite angeboten, ein Lieferant sucht den andern durch günstigere Bedingungen, als sie sein Konkurrent zu bieten vermag, zu verdrängen. Da infolgedessen der Wechsel in der Kundschaft recht häufig ist, so sichern sich manche großen Firmen in Deutschland ihre Abnehmer dadurch, daß sie Ladengeschäfte und Waren¬ häuser selbst errichten. Das größte Haus dieser Art hat mehr als hundert- undfunfzig solcher Geschäfte in ganz Deutschland gegründet und ist deren alleiniger Lieferant. Sie tragen in ihrer Firma gewöhnlich den Namen des nomineller Inhabers, der das Geschäft leitet, und einen fast überall wieder¬ kehrenden Zusatz, der auf das gemeinsame Einkaufshaus hinweist, das als Kommanditist oder Gesellschafter, je nachdem die Firma eine Kommandit¬ gesellschaft oder Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist, mit einer nomineller Einlage in das Handelsregister eingetragen ist, während seine wirkliche Be¬ teiligung, die in den notwendigen Warenkrediten besteht, weit größer ist. In diesen Geschäften hat der nominelle Inhaber gewöhnlich kein Kapital, er ist vielmehr als Teilhaber aufgenommen, weil er tüchtig und rührig ist und das Vertrauen des Stammhauses genießt. In einem ähnlichen Verhältnis stehn viele Hamburger Exporteure zu ihren überseeischen Geschäftsfreunden, denen sie als europäische Einkäufer dienen und alle nötigen Warenkredite gewähren. Wenn sie selbst überseeische Filialen haben, so bestehn diese oft in Laden¬ geschäften und Warmhäusern, die eine große Zahl von Angestellten be¬ schäftigen. Auch in der Industrie findet sich ein solches Abhängigkeitsver¬ hältnis. Brauereien sind vielfach eigentliche Inhaber der Restaurants, in denen ihr Bier geschenkt wird, haben die Wirtschaftslokale eingerichtet und sind oft auch Eigentümer der Geschäftsgrundstücke, während der Wirt, auch wenn er nomineller Inhaber ist, nur die Geschäftsführung hat. Aktiengesell¬ schaften oder Gesellschaften mit beschränkter Haftung gründen Tochtergesell¬ schaften, die die Fabrikation für einen gewissen Bezirk, den die Mutter- gesellschaft wegen der durch die Entfernung entstehenden Transportkosten nicht versorgen kann, in die Hand nehmen, oder überlassen ihnen die Ausbeutung von Erfindungen und Patenten für bestimmte Provinzen oder Länder unter der Bedingung, alle Bezüge durch das Stammhaus zu machen. Zur Erleichterung der Arbeit, die mit der Konkurrenz der Kapitalisten und Kaufleute unter sich beständig wächst, und zur möglichsten Beschränkung des Kreditrisikos hat sich in hochzivilisiertcn Staaten eine Teilung entwickelt, die sich in weniger kultivierten Ländern entweder gar nicht oder nur in ihren Anfängen wiederfindet. Mit der Zunahme der Bevölkerung wachsen die Geschäftsumsütze, und ein Importeur, der jährlich hundert Millionen Mark umsetzt, würde die Übersicht über seine Kundschaft verlieren, wenn er mit jedem Kleinhändler arbeiten wollte. Es haben sich deshalb allmählich die Zwischen-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_87477
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_87477/196
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_87477/196>, abgerufen am 23.07.2024.