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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Erstes Vierteljahr.

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Line Schulbankgeschichte von l.78l.

Gleichwie ich aus schuldiger Pflicht und gerechter Freude Einem Hochlöblichen
Magistrat für die längst gewünschte, aber nunmehro beschlossene Ansehung neuer
höchst nöthigen Lehrer, als eines Schreibe- und Rechenmeisters, eines Zeichen-
und Pohlnischen SPrachmeisters bey dem mir anvertrauten Elisabet-mischen Gym-
nasio zu desselben Besten herzlich danke: also wird Hochderselbe nicht in Ungnade
vermerken, noch mir übel aufnehmen oder auslegen, daß ich wegen der vorhabenden
Anschaffung der Tische und neuen Bänke in allen Ordnungen meine Bedenklich¬
keiten, die aus der Beschaffenheit und Lage der ganzen Sache herrühren, frey-
müthig und aufrichtig entdecke. Ich bin kein Feind von Neuerungen, wenn die¬
selben nothwendiger und vorteilhafter sind, als die alten Einrichtungen und Ver¬
fassungen. Weswegen ich uicht allererst anführen will, daß im Elisabetanischen
Gymnasio seit beynahe 220 Jahren allerhand Knaben und Jünglinge von ge¬
lehrtem Stande und allerhand andern Ständen des Bürgerlichen Lebens unter¬
richtet und erzogen worden, ohne daß dieselben bey und an Tischen gesessen oder
geschrieben haben, nur etliche ausgenommen, welche in der ersten und obersten
Ordnung rechter Hand an der Katheder das Recht zu sitzen haben. In den
vorigen Zeiten wäre diese neue Anstalt und Einrichtung unmöglich gewesen,
da in einer jeden Ordnung alle Bänke stark besetzt und die Anzahl ans 50
bis 60 in jeder, in der 2^" ans 70 bis 80 und in der 1se°" weit über 100
Studenten sich beides, und kaum Platz für alle und jede vorhanden war. Jetzo
ist es freilich anders beschaffen, da etwa an 30 oder 40 in jeder Ordnung
außer der 1^" und Obersten Ordnung vorhanden sind; und wegen des zu¬
reichenden Platzes wird kein Einwurf gemacht oder Bedenklichkeiten gezeigt werden
können. Aber Erstlich in Ansehung der Notwendigkeit, worauf hauptsächlich bey
allen neuen Anstalten und Einrichtungen gesehen werden soll und muß, finde ich
dieselbe nirgends. Denn überhaupt nach der neuen Einrichtung soll so wenig in
die Feder dictiret werden als möglich und in der Schule selbst als in der Schule
ist wohl keine Zeit und Muße, auch keine Möglichkeit vorhanden, daß die Schüler
gut und schön schreiben lernen können, sondern das müssen und sollen sie zu Hause
thun nach der Vorschrift des Lehrmeisters, der also in der nächsten Lehrstunde die
Nachschrift nach jener zu verbessern und eine neue vorzugehen hat. Ferner wird
in der 6t°" und 5^ Ordnung gar nichts in die Feder dictiret, sondern die
Formeln, Sentenzen und so weiter werden von dem Lehrer an die Tafel vorge¬
schrieben, welche die Schüler nachschreiben und zu Hause ausarbeiten und auf¬
weisen. In der 4^" Ordnung wird ein kleiner Anfang des Dictirens gemacht,
aber die meisten vor- und aufgegebenen Übungen oder Exercitia sind Übersetzungen
aus dem Eutropius, Muzelius u. s. w. Desgleichen in der A'" Ordnung, wo die
Angewöhnung ans dem Knie ohne auf dem Tische zu schreiben einen nöthigen und
nützlichen Anfang nimmt, ohngeachtet es auch nach der neuen Einrichtung des
Dictirens und Nachschreibens nicht allzuviel ist und seyn soll, auch niemahls ge¬
wesen ist; wie ich mich dessen von meinen Schuljahren annoch sehr wohl erinnern
kann, da ich im Elisabetanischen Gymnasio vom 8^" Jahre an alle Ordnungen
durchwandert bin.

Von dem Lehr- und Hörsäle der 2^" Ordnung mache ich aus unten anzu¬
führenden Ursachen und Beweguugsgründen die einzige Ausnahme. Was aber die
erste und Oberste Ordnung und dessen Lehrsal betrift: so ist zwar die neue Ein¬
richtung mit Tischen und neuen Bänken nicht schlechterdings unmöglich, aber nicht
allein unnötig, sondern auch höchst nachtheilig für die studierende Jugend und aus
besondern Umständen fast unmöglich. Denn jene soll und muß doch auf den Knien
lernen nachschreiben, damit sie es auf der Universität in den Vollsxii8 der Herren
^rotessorum desto leichter bewerkstelligen kan, wo ihnen wahrlich bey den wenigsten
werden Tische hingesetzt werden. Wie nöthig und nützlich ist es also nicht, auf den
Knieen auf den sogenannten Mappen nachzuschreiben bey Zeiten auf der Schule
gelernt zu haben. Ferner ist der Lehr- und Hörsal der 1^" Ordnung zweymahl
des Jahrs zur Zusammenkunft aller 6 Ordnungen zu den 2 Vorbereitungsreden


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Gleichwie ich aus schuldiger Pflicht und gerechter Freude Einem Hochlöblichen
Magistrat für die längst gewünschte, aber nunmehro beschlossene Ansehung neuer
höchst nöthigen Lehrer, als eines Schreibe- und Rechenmeisters, eines Zeichen-
und Pohlnischen SPrachmeisters bey dem mir anvertrauten Elisabet-mischen Gym-
nasio zu desselben Besten herzlich danke: also wird Hochderselbe nicht in Ungnade
vermerken, noch mir übel aufnehmen oder auslegen, daß ich wegen der vorhabenden
Anschaffung der Tische und neuen Bänke in allen Ordnungen meine Bedenklich¬
keiten, die aus der Beschaffenheit und Lage der ganzen Sache herrühren, frey-
müthig und aufrichtig entdecke. Ich bin kein Feind von Neuerungen, wenn die¬
selben nothwendiger und vorteilhafter sind, als die alten Einrichtungen und Ver¬
fassungen. Weswegen ich uicht allererst anführen will, daß im Elisabetanischen
Gymnasio seit beynahe 220 Jahren allerhand Knaben und Jünglinge von ge¬
lehrtem Stande und allerhand andern Ständen des Bürgerlichen Lebens unter¬
richtet und erzogen worden, ohne daß dieselben bey und an Tischen gesessen oder
geschrieben haben, nur etliche ausgenommen, welche in der ersten und obersten
Ordnung rechter Hand an der Katheder das Recht zu sitzen haben. In den
vorigen Zeiten wäre diese neue Anstalt und Einrichtung unmöglich gewesen,
da in einer jeden Ordnung alle Bänke stark besetzt und die Anzahl ans 50
bis 60 in jeder, in der 2^" ans 70 bis 80 und in der 1se°" weit über 100
Studenten sich beides, und kaum Platz für alle und jede vorhanden war. Jetzo
ist es freilich anders beschaffen, da etwa an 30 oder 40 in jeder Ordnung
außer der 1^" und Obersten Ordnung vorhanden sind; und wegen des zu¬
reichenden Platzes wird kein Einwurf gemacht oder Bedenklichkeiten gezeigt werden
können. Aber Erstlich in Ansehung der Notwendigkeit, worauf hauptsächlich bey
allen neuen Anstalten und Einrichtungen gesehen werden soll und muß, finde ich
dieselbe nirgends. Denn überhaupt nach der neuen Einrichtung soll so wenig in
die Feder dictiret werden als möglich und in der Schule selbst als in der Schule
ist wohl keine Zeit und Muße, auch keine Möglichkeit vorhanden, daß die Schüler
gut und schön schreiben lernen können, sondern das müssen und sollen sie zu Hause
thun nach der Vorschrift des Lehrmeisters, der also in der nächsten Lehrstunde die
Nachschrift nach jener zu verbessern und eine neue vorzugehen hat. Ferner wird
in der 6t°" und 5^ Ordnung gar nichts in die Feder dictiret, sondern die
Formeln, Sentenzen und so weiter werden von dem Lehrer an die Tafel vorge¬
schrieben, welche die Schüler nachschreiben und zu Hause ausarbeiten und auf¬
weisen. In der 4^" Ordnung wird ein kleiner Anfang des Dictirens gemacht,
aber die meisten vor- und aufgegebenen Übungen oder Exercitia sind Übersetzungen
aus dem Eutropius, Muzelius u. s. w. Desgleichen in der A'" Ordnung, wo die
Angewöhnung ans dem Knie ohne auf dem Tische zu schreiben einen nöthigen und
nützlichen Anfang nimmt, ohngeachtet es auch nach der neuen Einrichtung des
Dictirens und Nachschreibens nicht allzuviel ist und seyn soll, auch niemahls ge¬
wesen ist; wie ich mich dessen von meinen Schuljahren annoch sehr wohl erinnern
kann, da ich im Elisabetanischen Gymnasio vom 8^" Jahre an alle Ordnungen
durchwandert bin.

Von dem Lehr- und Hörsäle der 2^» Ordnung mache ich aus unten anzu¬
führenden Ursachen und Beweguugsgründen die einzige Ausnahme. Was aber die
erste und Oberste Ordnung und dessen Lehrsal betrift: so ist zwar die neue Ein¬
richtung mit Tischen und neuen Bänken nicht schlechterdings unmöglich, aber nicht
allein unnötig, sondern auch höchst nachtheilig für die studierende Jugend und aus
besondern Umständen fast unmöglich. Denn jene soll und muß doch auf den Knien
lernen nachschreiben, damit sie es auf der Universität in den Vollsxii8 der Herren
^rotessorum desto leichter bewerkstelligen kan, wo ihnen wahrlich bey den wenigsten
werden Tische hingesetzt werden. Wie nöthig und nützlich ist es also nicht, auf den
Knieen auf den sogenannten Mappen nachzuschreiben bey Zeiten auf der Schule
gelernt zu haben. Ferner ist der Lehr- und Hörsal der 1^» Ordnung zweymahl
des Jahrs zur Zusammenkunft aller 6 Ordnungen zu den 2 Vorbereitungsreden


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[0167] Line Schulbankgeschichte von l.78l. Gleichwie ich aus schuldiger Pflicht und gerechter Freude Einem Hochlöblichen Magistrat für die längst gewünschte, aber nunmehro beschlossene Ansehung neuer höchst nöthigen Lehrer, als eines Schreibe- und Rechenmeisters, eines Zeichen- und Pohlnischen SPrachmeisters bey dem mir anvertrauten Elisabet-mischen Gym- nasio zu desselben Besten herzlich danke: also wird Hochderselbe nicht in Ungnade vermerken, noch mir übel aufnehmen oder auslegen, daß ich wegen der vorhabenden Anschaffung der Tische und neuen Bänke in allen Ordnungen meine Bedenklich¬ keiten, die aus der Beschaffenheit und Lage der ganzen Sache herrühren, frey- müthig und aufrichtig entdecke. Ich bin kein Feind von Neuerungen, wenn die¬ selben nothwendiger und vorteilhafter sind, als die alten Einrichtungen und Ver¬ fassungen. Weswegen ich uicht allererst anführen will, daß im Elisabetanischen Gymnasio seit beynahe 220 Jahren allerhand Knaben und Jünglinge von ge¬ lehrtem Stande und allerhand andern Ständen des Bürgerlichen Lebens unter¬ richtet und erzogen worden, ohne daß dieselben bey und an Tischen gesessen oder geschrieben haben, nur etliche ausgenommen, welche in der ersten und obersten Ordnung rechter Hand an der Katheder das Recht zu sitzen haben. In den vorigen Zeiten wäre diese neue Anstalt und Einrichtung unmöglich gewesen, da in einer jeden Ordnung alle Bänke stark besetzt und die Anzahl ans 50 bis 60 in jeder, in der 2^" ans 70 bis 80 und in der 1se°" weit über 100 Studenten sich beides, und kaum Platz für alle und jede vorhanden war. Jetzo ist es freilich anders beschaffen, da etwa an 30 oder 40 in jeder Ordnung außer der 1^" und Obersten Ordnung vorhanden sind; und wegen des zu¬ reichenden Platzes wird kein Einwurf gemacht oder Bedenklichkeiten gezeigt werden können. Aber Erstlich in Ansehung der Notwendigkeit, worauf hauptsächlich bey allen neuen Anstalten und Einrichtungen gesehen werden soll und muß, finde ich dieselbe nirgends. Denn überhaupt nach der neuen Einrichtung soll so wenig in die Feder dictiret werden als möglich und in der Schule selbst als in der Schule ist wohl keine Zeit und Muße, auch keine Möglichkeit vorhanden, daß die Schüler gut und schön schreiben lernen können, sondern das müssen und sollen sie zu Hause thun nach der Vorschrift des Lehrmeisters, der also in der nächsten Lehrstunde die Nachschrift nach jener zu verbessern und eine neue vorzugehen hat. Ferner wird in der 6t°" und 5^ Ordnung gar nichts in die Feder dictiret, sondern die Formeln, Sentenzen und so weiter werden von dem Lehrer an die Tafel vorge¬ schrieben, welche die Schüler nachschreiben und zu Hause ausarbeiten und auf¬ weisen. In der 4^" Ordnung wird ein kleiner Anfang des Dictirens gemacht, aber die meisten vor- und aufgegebenen Übungen oder Exercitia sind Übersetzungen aus dem Eutropius, Muzelius u. s. w. Desgleichen in der A'" Ordnung, wo die Angewöhnung ans dem Knie ohne auf dem Tische zu schreiben einen nöthigen und nützlichen Anfang nimmt, ohngeachtet es auch nach der neuen Einrichtung des Dictirens und Nachschreibens nicht allzuviel ist und seyn soll, auch niemahls ge¬ wesen ist; wie ich mich dessen von meinen Schuljahren annoch sehr wohl erinnern kann, da ich im Elisabetanischen Gymnasio vom 8^" Jahre an alle Ordnungen durchwandert bin. Von dem Lehr- und Hörsäle der 2^» Ordnung mache ich aus unten anzu¬ führenden Ursachen und Beweguugsgründen die einzige Ausnahme. Was aber die erste und Oberste Ordnung und dessen Lehrsal betrift: so ist zwar die neue Ein¬ richtung mit Tischen und neuen Bänken nicht schlechterdings unmöglich, aber nicht allein unnötig, sondern auch höchst nachtheilig für die studierende Jugend und aus besondern Umständen fast unmöglich. Denn jene soll und muß doch auf den Knien lernen nachschreiben, damit sie es auf der Universität in den Vollsxii8 der Herren ^rotessorum desto leichter bewerkstelligen kan, wo ihnen wahrlich bey den wenigsten werden Tische hingesetzt werden. Wie nöthig und nützlich ist es also nicht, auf den Knieen auf den sogenannten Mappen nachzuschreiben bey Zeiten auf der Schule gelernt zu haben. Ferner ist der Lehr- und Hörsal der 1^» Ordnung zweymahl des Jahrs zur Zusammenkunft aller 6 Ordnungen zu den 2 Vorbereitungsreden

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_87477/167>, abgerufen am 22.12.2024.