Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Erstes Vierteljahr.Bilder ans dem deutsch-französischen Ariege zu ersetzen wie ein gewöhnlicher Uniform- oder nnn gar ein Hosenknopf, der im Wie wenig tief die Disziplin in mir erst Wurzeln geschlagen hatte, das wurde Das Gewehr und den Brodsack quer umgehängt, das Faschinenmesser umge¬ Ich übte an diesem Abend Griffe, bis eine Blutblase platzte, die ich mir beim Bilder ans dem deutsch-französischen Ariege zu ersetzen wie ein gewöhnlicher Uniform- oder nnn gar ein Hosenknopf, der im Wie wenig tief die Disziplin in mir erst Wurzeln geschlagen hatte, das wurde Das Gewehr und den Brodsack quer umgehängt, das Faschinenmesser umge¬ Ich übte an diesem Abend Griffe, bis eine Blutblase platzte, die ich mir beim <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0111" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/87588"/> <fw type="header" place="top"> Bilder ans dem deutsch-französischen Ariege</fw><lb/> <p xml:id="ID_383" prev="#ID_382"> zu ersetzen wie ein gewöhnlicher Uniform- oder nnn gar ein Hosenknopf, der im<lb/> Notfall sogar vom Zivil sein konnte. Bei spätem Gelegenheiten hörte ich unfern<lb/> Unteroffizier folgende Betrachtung anstellen: In jedem Regiment gibt es vierzig¬<lb/> tausend Uniformknöpfe, aber jeder Kompaguieknvpf ist nur vierhundertuudneuuzigmal<lb/> da. Also die größte Sorgfalt auf die Kompagnieknöpfe richten. Wenn ein Kamerad<lb/> gefallen ist und zurückgelassen werden muß, ist unsre erste Pflicht, das Gewehr und<lb/> die Munition zu retten, dann die Kompagnieknöpfe, dann erst das Faschinenmesser.<lb/> Denkt euch doch eine Achselklappe mit einem gewöhnlichen Uniformknopf!</p><lb/> <p xml:id="ID_384"> Wie wenig tief die Disziplin in mir erst Wurzeln geschlagen hatte, das wurde<lb/> mir selbst einleuchtend, als ich trotz der Ermahnung des Unteroffiziers zuerst nach<lb/> Brot und Kaffee ging, bei deren Zuteilung mein Scheuueunachbar der vergangnen<lb/> Nacht, der über dem Kaffeetopf waltete, mich freundlich bedachte, sodaß mich zwar<lb/> unfreundliche Blicke empfingen, aber kein zurückweisendes Wort laut wurde. Es<lb/> schien die Meldung beim Unteroffizier schon eine Art von Anschluß an die Korporal¬<lb/> schaft vorauszusetzen. Ich stürzte meine Tasse hinunter und biß kräftig von dem<lb/> Brocken Kommißbrot ab, den ich ans Reiskes Vorrat erhalten hatte. Nun der<lb/> Kompagnieknopf! Nadel und Faden hat ja natürlich jeder Musketier. Ich habe<lb/> das ebenso natürlich nicht, bin ein ganz abnormer Mensch, fühlte in diesem Augen¬<lb/> blick, daß ich tief unter dem letzten Soldaten stehe. Aber was tun? Ich sehe<lb/> Haber und denke an Reiskes Empfehlung. Er ist selbstverständlich mit Handwerks¬<lb/> zeug versehen, in der Scheunenecke wird der bedeutsame Knopf fester genäht. So,<lb/> sagte Haber, der hält so lange wie Metz, und wenn Metz fällt, dürfen alle Knöpfe<lb/> reißen, sogar Kompagnieknöpfe. Übrigens trage ich immer zwei als Reserve im<lb/> Geldbeutel.</p><lb/> <p xml:id="ID_385"> Das Gewehr und den Brodsack quer umgehängt, das Faschinenmesser umge¬<lb/> gürtet, die Leinenhosen in den Stiefeln, die Mütze statt des Helens, so treten wir<lb/> zur Schanzarbett an und „fassen" Schaufeln, die man statt des Gewehrs auf der<lb/> linken Schulter trägt. Der Unteroffizier meldet mich dem Feldwebel, dieser dem<lb/> Hauptmann; zum erstenmal trifft mich der Blick der grauen kalten Augen, und<lb/> weil ich immer Kleinigkeiten sehen muß, so fällt mir auf, daß der Hauptmann an<lb/> seinem blonden Schnurrbart weiterkaut, der genau so kurz wie seine Rede und<lb/> über der Lippe gerade abgeschnitten ist. Es ist wohltuend für deu Betrachter,<lb/> in einem Gesicht, das er häufig sieht, eine solche feste Linie zu wissen, wie dieser<lb/> geradlinig abgebissene untere Schnurrbartrand. Ich habe in guten und Übeln<lb/> Tagen meinen Hauptmann vor der Kompagnie gesehen und habe mich nicht bloß<lb/> im allgemeinen gefreut, daß er immer derselbe war, sondern daß auch dieses das¬<lb/> selbe blieb. Im stillen dankte ich ihm, wie oft, daß er nicht wie andre einen<lb/> Vollbart wachsen ließ. Auch hier ist sempsr lasen ein guter gesunder Spruch.<lb/> Übrigens gefielen mir allezeit Gesichter, denen wohlentwickelte Kinnbacken und<lb/> breites Kinn einen fast quadratischen Umriß erteilen; ihre Backenknochen Pflegen<lb/> nicht stark entwickelt zu sein, ihre Augen stehn hübsch wagerecht, der Mund ist<lb/> meist fest. Solche Gesichter haben etwas Abgeschlossenes, es ist weder ein Frage¬<lb/> zeichen noch eine Aufforderung darin, sie sagen: Ich tue meine Sachen für mich,<lb/> kümmre dn dich um die deinen. In mir spricht es, während ich mich in strammer<lb/> Haltung ansehen lasse: Der legt keinen großen Wert darauf, dich in der Kompagnie<lb/> zu haben, auch ist er nicht eitel und verbeißt manches; aber wehe dir, wenn aus<lb/> diesen Augen ein unverbissener Blitz — entschuldige das Bild — dich träfe, du<lb/> wärst getroffen vom Kopf bis in die Ferse. Zunächst wurde ich nur indirekt an¬<lb/> geredet: Unteroffizier, sorgen Sie, daß der neue Mann heute nach der Arbeit Griffe<lb/> übt. — Zu Befehl, Herr Hauptmann. — Marsch!</p><lb/> <p xml:id="ID_386" next="#ID_387"> Ich übte an diesem Abend Griffe, bis eine Blutblase platzte, die ich mir beim<lb/> Schanzgraben in den Ballen der rechten Hand gearbeitet hatte; siimlik siuMous,<lb/> wie die Homöopathen sagen, meinte dazu Reiske, was die harte Schaufel ver¬<lb/> brochen, heilt der milde Gewehrkolben. Außerdem war mir die linke Schulter vom</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0111]
Bilder ans dem deutsch-französischen Ariege
zu ersetzen wie ein gewöhnlicher Uniform- oder nnn gar ein Hosenknopf, der im
Notfall sogar vom Zivil sein konnte. Bei spätem Gelegenheiten hörte ich unfern
Unteroffizier folgende Betrachtung anstellen: In jedem Regiment gibt es vierzig¬
tausend Uniformknöpfe, aber jeder Kompaguieknvpf ist nur vierhundertuudneuuzigmal
da. Also die größte Sorgfalt auf die Kompagnieknöpfe richten. Wenn ein Kamerad
gefallen ist und zurückgelassen werden muß, ist unsre erste Pflicht, das Gewehr und
die Munition zu retten, dann die Kompagnieknöpfe, dann erst das Faschinenmesser.
Denkt euch doch eine Achselklappe mit einem gewöhnlichen Uniformknopf!
Wie wenig tief die Disziplin in mir erst Wurzeln geschlagen hatte, das wurde
mir selbst einleuchtend, als ich trotz der Ermahnung des Unteroffiziers zuerst nach
Brot und Kaffee ging, bei deren Zuteilung mein Scheuueunachbar der vergangnen
Nacht, der über dem Kaffeetopf waltete, mich freundlich bedachte, sodaß mich zwar
unfreundliche Blicke empfingen, aber kein zurückweisendes Wort laut wurde. Es
schien die Meldung beim Unteroffizier schon eine Art von Anschluß an die Korporal¬
schaft vorauszusetzen. Ich stürzte meine Tasse hinunter und biß kräftig von dem
Brocken Kommißbrot ab, den ich ans Reiskes Vorrat erhalten hatte. Nun der
Kompagnieknopf! Nadel und Faden hat ja natürlich jeder Musketier. Ich habe
das ebenso natürlich nicht, bin ein ganz abnormer Mensch, fühlte in diesem Augen¬
blick, daß ich tief unter dem letzten Soldaten stehe. Aber was tun? Ich sehe
Haber und denke an Reiskes Empfehlung. Er ist selbstverständlich mit Handwerks¬
zeug versehen, in der Scheunenecke wird der bedeutsame Knopf fester genäht. So,
sagte Haber, der hält so lange wie Metz, und wenn Metz fällt, dürfen alle Knöpfe
reißen, sogar Kompagnieknöpfe. Übrigens trage ich immer zwei als Reserve im
Geldbeutel.
Das Gewehr und den Brodsack quer umgehängt, das Faschinenmesser umge¬
gürtet, die Leinenhosen in den Stiefeln, die Mütze statt des Helens, so treten wir
zur Schanzarbett an und „fassen" Schaufeln, die man statt des Gewehrs auf der
linken Schulter trägt. Der Unteroffizier meldet mich dem Feldwebel, dieser dem
Hauptmann; zum erstenmal trifft mich der Blick der grauen kalten Augen, und
weil ich immer Kleinigkeiten sehen muß, so fällt mir auf, daß der Hauptmann an
seinem blonden Schnurrbart weiterkaut, der genau so kurz wie seine Rede und
über der Lippe gerade abgeschnitten ist. Es ist wohltuend für deu Betrachter,
in einem Gesicht, das er häufig sieht, eine solche feste Linie zu wissen, wie dieser
geradlinig abgebissene untere Schnurrbartrand. Ich habe in guten und Übeln
Tagen meinen Hauptmann vor der Kompagnie gesehen und habe mich nicht bloß
im allgemeinen gefreut, daß er immer derselbe war, sondern daß auch dieses das¬
selbe blieb. Im stillen dankte ich ihm, wie oft, daß er nicht wie andre einen
Vollbart wachsen ließ. Auch hier ist sempsr lasen ein guter gesunder Spruch.
Übrigens gefielen mir allezeit Gesichter, denen wohlentwickelte Kinnbacken und
breites Kinn einen fast quadratischen Umriß erteilen; ihre Backenknochen Pflegen
nicht stark entwickelt zu sein, ihre Augen stehn hübsch wagerecht, der Mund ist
meist fest. Solche Gesichter haben etwas Abgeschlossenes, es ist weder ein Frage¬
zeichen noch eine Aufforderung darin, sie sagen: Ich tue meine Sachen für mich,
kümmre dn dich um die deinen. In mir spricht es, während ich mich in strammer
Haltung ansehen lasse: Der legt keinen großen Wert darauf, dich in der Kompagnie
zu haben, auch ist er nicht eitel und verbeißt manches; aber wehe dir, wenn aus
diesen Augen ein unverbissener Blitz — entschuldige das Bild — dich träfe, du
wärst getroffen vom Kopf bis in die Ferse. Zunächst wurde ich nur indirekt an¬
geredet: Unteroffizier, sorgen Sie, daß der neue Mann heute nach der Arbeit Griffe
übt. — Zu Befehl, Herr Hauptmann. — Marsch!
Ich übte an diesem Abend Griffe, bis eine Blutblase platzte, die ich mir beim
Schanzgraben in den Ballen der rechten Hand gearbeitet hatte; siimlik siuMous,
wie die Homöopathen sagen, meinte dazu Reiske, was die harte Schaufel ver¬
brochen, heilt der milde Gewehrkolben. Außerdem war mir die linke Schulter vom
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |