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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Erstes Vierteljahr.

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Bilder aus dein deutsch-französischen Kriege

altes, freundliches Mütterchen ans erhöhtem Platz am kleinen Fenster näht, für
mich noch viel mehr Anziehungskraft hatte als ein schöner Salon voll Spielsachen.
Ich habe diesen Duft nie vergessen, der mich ebenso narkotisierte wie die Luft eines
Treibhauses oder tropischen Urwaldes, womit sein Dunstreichtum verwandt ist. Noch
viel mehr hat mich später der energische Kampf mit dem Leben begeistert, den
arme Mitschüler führten, die schon mit dreizehn Jahren andern Nachhilfestunden
gaben, kein Taschengeld hatten und sich ihre Bücher selbst einbauten; ich wollte
mich ihnen mit Wärme anschließen, fand aber nicht immer Gegenliebe. Wie schön
sind die Freundschaftsverhältnisse zwischen Bergsteigern und ihren Führern, die tief
wurzeln in dem gemeinsamen Bestehn großer Gefahren, der wechselseitigen Hilfe¬
leistung, vielleicht in der Errettung ans Todesnot. Ähnliche Freundschaften müßten
zwischen Offizieren und Soldaten entstehn, müßten sogar häufig sein, wenn nicht
die militärische Ordnung dazwischenstünde. Aber Lessing hat den Wachtmeister Paul
Werner, der sich für seinen Major totschlagen läßt, nicht aus dem Nichts geschaffen;
und daß dieser Major zu dem Wachtmeister sagt: Ich erkenne dein Herz und deine
Liebe zu mir, und daß er dessen Freundschaft zuletzt neben Minnas Liebe für seineu
größten Schatz erklärt, siud keine Erfindungen.

Majore wie Tellheim gibt es freilich nicht viele. Aber der lauge schwere
Ulan, den ich schwerverwnndet von seinem Leutnant auf einem gerade dastehenden
Karren aus dem Gefecht und Kugelregen an eine sichere Stelle fahren sah, sagte
vielleicht eiues Tags wie der rauhe Just: Machen Sie, was Sie wollen, Herr
Major, ich bleibe bei Ihnen, ich muß bei Ihnen bleiben. Es gehört ungeheuer
wenig von seiten eines Vorgesetzten dazu, sich in den bessern Elementen seiner Unter¬
gebnen -- und das ist die Mehrzahl -- anhängliche Leute zu erzieh", die ihm
jeden Wunsch an den Augen absehen und für ihn durchs Feuer gehn.

Leichter bildet sich ja ein innigeres Verhältnis zwischen Kameraden, die in
Reih und Glied nebeneinander marschieren; Stand, Besitz oder Bildung machen
dabei keinen Unterschied, denn in diesem Augenblicke siud sie demselben Gesetz unter¬
worfen, fesselt sie dieselbe Disziplin und leitet ihr Denken und Tun dieselbe Not¬
wendigkeit der Ansehnung aller persönlichen Wünsche und Bestrebungen durch die
Zugehörigkeit zu einer Masse von Männern gleichen Alters, gleichen Berufs und
gleicher Pflichten. Ich möchte mich aber durchaus nicht darauf beschränken, zu
sagen, das Leben in Reih und Glied sei der Freundschaft günstig; es handelt sich
um etwas mehr. Ich habe erfahren, wie dieses Leben die ewigen Grundlagen
menschlicher Gleichuatur im tiefsten Grunde männlicher Seelen ausgräbt und Quellen
erschließt, die für gewöhnlich nur in engen Spalten mühsam tröpfeln oder rieseln.
Not und Gefahr vereinigte entlegne Quelladern, und als starker Strom, der großer
Leistung fähig ist, traten sie zutage. Was alles sich unter diesen Verhältnissen an
Beziehungen von Mensch zu Mensch entwickelt, will ich gnr nicht mit dem allge¬
meinen Namen Freundschaft decken, denn es spielt hier Achtung, Bewunderung,
Nacheiferung, Schutz- und Anlehnungsbedürfnis, kurz eine Reihe von elementaren
Gefühlen hinein, deren gleicher Natur die Menschen in andern Lagen sich kaum
jemals so inne werden. Wann werden wir im bürgerlichen Leben uus des kalt¬
blütigen Mutes bewußt, der ohne Wimperzucken dem Tod entgegengeht? Nun
wohl, gerade auf dem Bewußtsein der Gemeinsamkeit dieser Eigenschaft habe ich
die festesten Freundschaften, die zum Opfer des Besten, was jeder hatte, befähigten,
entstehn sehen. Jede von ihnen hat freilich der Tod sehr früh gelöst, was man
ja fast natürlich finden möchte, wenn man bedenkt, daß eben die Unkenntnis aller
Todesfurcht ihr Kitt gewesen war. Was bedeutet aber die Zeit in dem Leben
großer Gefühle? Eine Blume, die nur eine Stunde geblüht hat, macht mich so
lange glücklich, wie ihre Erinnerung in meiner Seele nicht verwelkt, wie ihr Duft
durch mein frohes Gedenken zieht. "




Bilder aus dein deutsch-französischen Kriege

altes, freundliches Mütterchen ans erhöhtem Platz am kleinen Fenster näht, für
mich noch viel mehr Anziehungskraft hatte als ein schöner Salon voll Spielsachen.
Ich habe diesen Duft nie vergessen, der mich ebenso narkotisierte wie die Luft eines
Treibhauses oder tropischen Urwaldes, womit sein Dunstreichtum verwandt ist. Noch
viel mehr hat mich später der energische Kampf mit dem Leben begeistert, den
arme Mitschüler führten, die schon mit dreizehn Jahren andern Nachhilfestunden
gaben, kein Taschengeld hatten und sich ihre Bücher selbst einbauten; ich wollte
mich ihnen mit Wärme anschließen, fand aber nicht immer Gegenliebe. Wie schön
sind die Freundschaftsverhältnisse zwischen Bergsteigern und ihren Führern, die tief
wurzeln in dem gemeinsamen Bestehn großer Gefahren, der wechselseitigen Hilfe¬
leistung, vielleicht in der Errettung ans Todesnot. Ähnliche Freundschaften müßten
zwischen Offizieren und Soldaten entstehn, müßten sogar häufig sein, wenn nicht
die militärische Ordnung dazwischenstünde. Aber Lessing hat den Wachtmeister Paul
Werner, der sich für seinen Major totschlagen läßt, nicht aus dem Nichts geschaffen;
und daß dieser Major zu dem Wachtmeister sagt: Ich erkenne dein Herz und deine
Liebe zu mir, und daß er dessen Freundschaft zuletzt neben Minnas Liebe für seineu
größten Schatz erklärt, siud keine Erfindungen.

Majore wie Tellheim gibt es freilich nicht viele. Aber der lauge schwere
Ulan, den ich schwerverwnndet von seinem Leutnant auf einem gerade dastehenden
Karren aus dem Gefecht und Kugelregen an eine sichere Stelle fahren sah, sagte
vielleicht eiues Tags wie der rauhe Just: Machen Sie, was Sie wollen, Herr
Major, ich bleibe bei Ihnen, ich muß bei Ihnen bleiben. Es gehört ungeheuer
wenig von seiten eines Vorgesetzten dazu, sich in den bessern Elementen seiner Unter¬
gebnen — und das ist die Mehrzahl — anhängliche Leute zu erzieh», die ihm
jeden Wunsch an den Augen absehen und für ihn durchs Feuer gehn.

Leichter bildet sich ja ein innigeres Verhältnis zwischen Kameraden, die in
Reih und Glied nebeneinander marschieren; Stand, Besitz oder Bildung machen
dabei keinen Unterschied, denn in diesem Augenblicke siud sie demselben Gesetz unter¬
worfen, fesselt sie dieselbe Disziplin und leitet ihr Denken und Tun dieselbe Not¬
wendigkeit der Ansehnung aller persönlichen Wünsche und Bestrebungen durch die
Zugehörigkeit zu einer Masse von Männern gleichen Alters, gleichen Berufs und
gleicher Pflichten. Ich möchte mich aber durchaus nicht darauf beschränken, zu
sagen, das Leben in Reih und Glied sei der Freundschaft günstig; es handelt sich
um etwas mehr. Ich habe erfahren, wie dieses Leben die ewigen Grundlagen
menschlicher Gleichuatur im tiefsten Grunde männlicher Seelen ausgräbt und Quellen
erschließt, die für gewöhnlich nur in engen Spalten mühsam tröpfeln oder rieseln.
Not und Gefahr vereinigte entlegne Quelladern, und als starker Strom, der großer
Leistung fähig ist, traten sie zutage. Was alles sich unter diesen Verhältnissen an
Beziehungen von Mensch zu Mensch entwickelt, will ich gnr nicht mit dem allge¬
meinen Namen Freundschaft decken, denn es spielt hier Achtung, Bewunderung,
Nacheiferung, Schutz- und Anlehnungsbedürfnis, kurz eine Reihe von elementaren
Gefühlen hinein, deren gleicher Natur die Menschen in andern Lagen sich kaum
jemals so inne werden. Wann werden wir im bürgerlichen Leben uus des kalt¬
blütigen Mutes bewußt, der ohne Wimperzucken dem Tod entgegengeht? Nun
wohl, gerade auf dem Bewußtsein der Gemeinsamkeit dieser Eigenschaft habe ich
die festesten Freundschaften, die zum Opfer des Besten, was jeder hatte, befähigten,
entstehn sehen. Jede von ihnen hat freilich der Tod sehr früh gelöst, was man
ja fast natürlich finden möchte, wenn man bedenkt, daß eben die Unkenntnis aller
Todesfurcht ihr Kitt gewesen war. Was bedeutet aber die Zeit in dem Leben
großer Gefühle? Eine Blume, die nur eine Stunde geblüht hat, macht mich so
lange glücklich, wie ihre Erinnerung in meiner Seele nicht verwelkt, wie ihr Duft
durch mein frohes Gedenken zieht. »




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_87477/108>, abgerufen am 23.07.2024.