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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr.

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Unter Kunden, Komödianten und wilden Tieren

zu neuen Beinen. Beim Abbrechen bemerkte ich, wie der Katalogverkäufer mit
dem Mädchenmörder die Stiefeln tauschte, und da meine Hosen der Schonung
bedürftig waren, folgte ich seinem Beispiel und endlich mir die Beinkleider des
Verbrechers.

Wir besuchten noch eine Anzahl Städte im Elsaß und in der Pfalz und
kamen endlich nach Kreuznach. Inzwischen war der Winter schon nahe gekommen,
und ich vermutete, daß das Geschäft bald eingestellt würde, wo ich dann wenig
zu tun gehabt hätte. Deshalb besprach ich mich mit meinem Prinzipal, der mich
zwar nicht fortgeschickt hätte, der mich aber auch nicht daran verhindern wollte,
mir andre Arbeit zu suchen. Ich las zufällig in einer Wirtschaft den "Kometen"
und fand darin ein Stellenangebot der Menagerie Nouma Hawa, die sich zurzeit
in Straßburg aufhielt und einen Tierwärter suchte. Ich meldete mich schriftlich
und erhielt sofort Anstellung bei einem Anfangswochenlohn von siebzehn Mark und
freiem Logis.

Ich reiste nach Straßburg, fragte dort einen Schutzmann nach dem Stein¬
tor und erkundigte mich unterwegs uoch einmal bei einem kleinen Mädchen, das
mich in der freundlichsten Weise zurechtwies und mir sagte, ich solle nur die Straße
entlang gehn, dann würde ich auf den Platz gelangen, wo die schöne Bude der
Menagerie Nouma Hawa stehe. Als ich dort anlangte, war die Bude noch ge¬
schlossen; ich klopfte an und stellte mich dem Direktor Bucher vor, der mich auf¬
forderte, in die Menagerie einzutreten, und mir sagte, daß er nachher auch kommen
würde. Inzwischen sah ich mich in der von Gasflammen spärlich erleuchteten
Menagerie um und machte die Bekanntschaft meiner Kollegen. Um sieben Uhr
wurde die Bude erleuchtet, die Kasse eröffnet, und die Musik begann zu spielen.
Die Besitzerin war eine Französin, die sich den Namen Nouma Hawa beigelegt
hatte. Es war eine imposante üppige Erscheinung, die immer in ausgesuchter, ge¬
schmackvoller Toilette erschien und als das Merkmal ihres Berufs Narben am Kinn
und an der rechten Hand trug. Der Direktor und Dompteur, der mit der Prinzi¬
palin im Wohnwagen hauste, war ein Schweizer. Außerdem waren ein Geschäfts¬
führer, ein Katalogverkäufer, vier Wärter, darunter der Bruder der Besitzerin,
Monsieur Louis, der kurzsichtig war und eine Brille trug, ein Zimmermann, acht
Musiker und ein Dienstmädchen vorhanden. Ich habe in meinem Leben viele
Schaugeschäfte und namentlich Menagerien gesehen, aber noch kein Unternehmen
dieser Art, das in jeder Hinsicht so vorzüglich organisiert und geleitet gewesen
wäre wie diese Menagerie. Überall herrschte die größte Sauberkeit, die Käfige
waren innen weiß gestrichen und wurden jeden Morgen ausgewaschen.

Der Tierbestand setzte sich aus auserlesnen Exemplaren zusammen. Vorhanden
waren ein Elefant, ein Gnu, ein Lama, ein Zebra, ein Känguruh, ein Kasuar, eine
ausgewachsne Tigerin ("Saida"), sechs junge Löwen, darunter zwei zweijährige
und zwei einjährige, ein Eisbär, ein Berberlöwenpaar ("Sultan" und "Cora"),
fünf weitere Löwen (drei weibliche und zwei männliche) und ein ganz junger Löwe,
der ini Wohnwagen gehalten wurde, und der Madame gewissermaßen als Scho߬
hund diente, ein Kragenbär, zwei Wölfe, eine gefleckte Hhäne, eine große Kollektion
Affen, Papageien und Riesenschlangen, die am Eingang an der Kasse auf einer mit
Blattpflanzen geschmückten Bühne gezeigt wurden. Der Eintritt auf den ersten
Platz, der mit eisernen Klappstühlen und einer Schicht Sägespäne als Ersatz für
den Fußteppich versehen war, kostete eine Mark fünfzig Pfennige, auf dem zweiten
Platz zahlte man achtzig Pfennige und auf dem dritten vierzig Pfennige; diese
beiden Plätze bestanden aus erhöhten Podieu. Wegen des hohen Eintrittsgeldes
fand sich in der Regel nur besseres Publikum ein.

Um siehe" Uhr wurde die Kasse geöffnet, und im Innern der Bude spielte
die Musik einige Stücke, bis um acht Uhr die Vorstellung begann. Eine Re-
kommandation wie bei andern Menagerien gab es hier nicht. Der gute Ruf, der
dem Geschäft voranging, machte eine Empfehlung dieser Art überflüssig. Mit dem


Unter Kunden, Komödianten und wilden Tieren

zu neuen Beinen. Beim Abbrechen bemerkte ich, wie der Katalogverkäufer mit
dem Mädchenmörder die Stiefeln tauschte, und da meine Hosen der Schonung
bedürftig waren, folgte ich seinem Beispiel und endlich mir die Beinkleider des
Verbrechers.

Wir besuchten noch eine Anzahl Städte im Elsaß und in der Pfalz und
kamen endlich nach Kreuznach. Inzwischen war der Winter schon nahe gekommen,
und ich vermutete, daß das Geschäft bald eingestellt würde, wo ich dann wenig
zu tun gehabt hätte. Deshalb besprach ich mich mit meinem Prinzipal, der mich
zwar nicht fortgeschickt hätte, der mich aber auch nicht daran verhindern wollte,
mir andre Arbeit zu suchen. Ich las zufällig in einer Wirtschaft den „Kometen"
und fand darin ein Stellenangebot der Menagerie Nouma Hawa, die sich zurzeit
in Straßburg aufhielt und einen Tierwärter suchte. Ich meldete mich schriftlich
und erhielt sofort Anstellung bei einem Anfangswochenlohn von siebzehn Mark und
freiem Logis.

Ich reiste nach Straßburg, fragte dort einen Schutzmann nach dem Stein¬
tor und erkundigte mich unterwegs uoch einmal bei einem kleinen Mädchen, das
mich in der freundlichsten Weise zurechtwies und mir sagte, ich solle nur die Straße
entlang gehn, dann würde ich auf den Platz gelangen, wo die schöne Bude der
Menagerie Nouma Hawa stehe. Als ich dort anlangte, war die Bude noch ge¬
schlossen; ich klopfte an und stellte mich dem Direktor Bucher vor, der mich auf¬
forderte, in die Menagerie einzutreten, und mir sagte, daß er nachher auch kommen
würde. Inzwischen sah ich mich in der von Gasflammen spärlich erleuchteten
Menagerie um und machte die Bekanntschaft meiner Kollegen. Um sieben Uhr
wurde die Bude erleuchtet, die Kasse eröffnet, und die Musik begann zu spielen.
Die Besitzerin war eine Französin, die sich den Namen Nouma Hawa beigelegt
hatte. Es war eine imposante üppige Erscheinung, die immer in ausgesuchter, ge¬
schmackvoller Toilette erschien und als das Merkmal ihres Berufs Narben am Kinn
und an der rechten Hand trug. Der Direktor und Dompteur, der mit der Prinzi¬
palin im Wohnwagen hauste, war ein Schweizer. Außerdem waren ein Geschäfts¬
führer, ein Katalogverkäufer, vier Wärter, darunter der Bruder der Besitzerin,
Monsieur Louis, der kurzsichtig war und eine Brille trug, ein Zimmermann, acht
Musiker und ein Dienstmädchen vorhanden. Ich habe in meinem Leben viele
Schaugeschäfte und namentlich Menagerien gesehen, aber noch kein Unternehmen
dieser Art, das in jeder Hinsicht so vorzüglich organisiert und geleitet gewesen
wäre wie diese Menagerie. Überall herrschte die größte Sauberkeit, die Käfige
waren innen weiß gestrichen und wurden jeden Morgen ausgewaschen.

Der Tierbestand setzte sich aus auserlesnen Exemplaren zusammen. Vorhanden
waren ein Elefant, ein Gnu, ein Lama, ein Zebra, ein Känguruh, ein Kasuar, eine
ausgewachsne Tigerin („Saida"), sechs junge Löwen, darunter zwei zweijährige
und zwei einjährige, ein Eisbär, ein Berberlöwenpaar („Sultan" und „Cora"),
fünf weitere Löwen (drei weibliche und zwei männliche) und ein ganz junger Löwe,
der ini Wohnwagen gehalten wurde, und der Madame gewissermaßen als Scho߬
hund diente, ein Kragenbär, zwei Wölfe, eine gefleckte Hhäne, eine große Kollektion
Affen, Papageien und Riesenschlangen, die am Eingang an der Kasse auf einer mit
Blattpflanzen geschmückten Bühne gezeigt wurden. Der Eintritt auf den ersten
Platz, der mit eisernen Klappstühlen und einer Schicht Sägespäne als Ersatz für
den Fußteppich versehen war, kostete eine Mark fünfzig Pfennige, auf dem zweiten
Platz zahlte man achtzig Pfennige und auf dem dritten vierzig Pfennige; diese
beiden Plätze bestanden aus erhöhten Podieu. Wegen des hohen Eintrittsgeldes
fand sich in der Regel nur besseres Publikum ein.

Um siehe» Uhr wurde die Kasse geöffnet, und im Innern der Bude spielte
die Musik einige Stücke, bis um acht Uhr die Vorstellung begann. Eine Re-
kommandation wie bei andern Menagerien gab es hier nicht. Der gute Ruf, der
dem Geschäft voranging, machte eine Empfehlung dieser Art überflüssig. Mit dem


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[0728] Unter Kunden, Komödianten und wilden Tieren zu neuen Beinen. Beim Abbrechen bemerkte ich, wie der Katalogverkäufer mit dem Mädchenmörder die Stiefeln tauschte, und da meine Hosen der Schonung bedürftig waren, folgte ich seinem Beispiel und endlich mir die Beinkleider des Verbrechers. Wir besuchten noch eine Anzahl Städte im Elsaß und in der Pfalz und kamen endlich nach Kreuznach. Inzwischen war der Winter schon nahe gekommen, und ich vermutete, daß das Geschäft bald eingestellt würde, wo ich dann wenig zu tun gehabt hätte. Deshalb besprach ich mich mit meinem Prinzipal, der mich zwar nicht fortgeschickt hätte, der mich aber auch nicht daran verhindern wollte, mir andre Arbeit zu suchen. Ich las zufällig in einer Wirtschaft den „Kometen" und fand darin ein Stellenangebot der Menagerie Nouma Hawa, die sich zurzeit in Straßburg aufhielt und einen Tierwärter suchte. Ich meldete mich schriftlich und erhielt sofort Anstellung bei einem Anfangswochenlohn von siebzehn Mark und freiem Logis. Ich reiste nach Straßburg, fragte dort einen Schutzmann nach dem Stein¬ tor und erkundigte mich unterwegs uoch einmal bei einem kleinen Mädchen, das mich in der freundlichsten Weise zurechtwies und mir sagte, ich solle nur die Straße entlang gehn, dann würde ich auf den Platz gelangen, wo die schöne Bude der Menagerie Nouma Hawa stehe. Als ich dort anlangte, war die Bude noch ge¬ schlossen; ich klopfte an und stellte mich dem Direktor Bucher vor, der mich auf¬ forderte, in die Menagerie einzutreten, und mir sagte, daß er nachher auch kommen würde. Inzwischen sah ich mich in der von Gasflammen spärlich erleuchteten Menagerie um und machte die Bekanntschaft meiner Kollegen. Um sieben Uhr wurde die Bude erleuchtet, die Kasse eröffnet, und die Musik begann zu spielen. Die Besitzerin war eine Französin, die sich den Namen Nouma Hawa beigelegt hatte. Es war eine imposante üppige Erscheinung, die immer in ausgesuchter, ge¬ schmackvoller Toilette erschien und als das Merkmal ihres Berufs Narben am Kinn und an der rechten Hand trug. Der Direktor und Dompteur, der mit der Prinzi¬ palin im Wohnwagen hauste, war ein Schweizer. Außerdem waren ein Geschäfts¬ führer, ein Katalogverkäufer, vier Wärter, darunter der Bruder der Besitzerin, Monsieur Louis, der kurzsichtig war und eine Brille trug, ein Zimmermann, acht Musiker und ein Dienstmädchen vorhanden. Ich habe in meinem Leben viele Schaugeschäfte und namentlich Menagerien gesehen, aber noch kein Unternehmen dieser Art, das in jeder Hinsicht so vorzüglich organisiert und geleitet gewesen wäre wie diese Menagerie. Überall herrschte die größte Sauberkeit, die Käfige waren innen weiß gestrichen und wurden jeden Morgen ausgewaschen. Der Tierbestand setzte sich aus auserlesnen Exemplaren zusammen. Vorhanden waren ein Elefant, ein Gnu, ein Lama, ein Zebra, ein Känguruh, ein Kasuar, eine ausgewachsne Tigerin („Saida"), sechs junge Löwen, darunter zwei zweijährige und zwei einjährige, ein Eisbär, ein Berberlöwenpaar („Sultan" und „Cora"), fünf weitere Löwen (drei weibliche und zwei männliche) und ein ganz junger Löwe, der ini Wohnwagen gehalten wurde, und der Madame gewissermaßen als Scho߬ hund diente, ein Kragenbär, zwei Wölfe, eine gefleckte Hhäne, eine große Kollektion Affen, Papageien und Riesenschlangen, die am Eingang an der Kasse auf einer mit Blattpflanzen geschmückten Bühne gezeigt wurden. Der Eintritt auf den ersten Platz, der mit eisernen Klappstühlen und einer Schicht Sägespäne als Ersatz für den Fußteppich versehen war, kostete eine Mark fünfzig Pfennige, auf dem zweiten Platz zahlte man achtzig Pfennige und auf dem dritten vierzig Pfennige; diese beiden Plätze bestanden aus erhöhten Podieu. Wegen des hohen Eintrittsgeldes fand sich in der Regel nur besseres Publikum ein. Um siehe» Uhr wurde die Kasse geöffnet, und im Innern der Bude spielte die Musik einige Stücke, bis um acht Uhr die Vorstellung begann. Eine Re- kommandation wie bei andern Menagerien gab es hier nicht. Der gute Ruf, der dem Geschäft voranging, machte eine Empfehlung dieser Art überflüssig. Mit dem

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_297518/728>, abgerufen am 20.10.2024.