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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr.

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Holland und die Holländer

Verbrechens manche Punkte in der Behandlung der Gefangnen hervorgehoben,
die vor Wieherns Augen noch im Dunkel lagen oder minder bedeutend er¬
schienen. Aber in allen hauptsächlichen Fragen hat er klar gesehen und klare
Wege gezeigt. Ist sein Name sogar vielen, die im Gefängniswesen stehn, fast
verklungen, so steht seine hohe Bedeutung doch außer aller Frage, und der
neuerschienene Band seiner Schriften möge dazu dienen, sie wieder in ein Helles
Licht zu rücken. Wir bauen allenthalben mit Steinen, an denen der Meißel¬
schlag seiner Meisterhand zu finden ist, und wohin wir schauen, sehen wir die
Frucht seiner Arbeit, leben wir Leben von seinem Leben und spüren Geist von
seinem Geist. Es sind in der Tat von ihm Lebensströme ausgegangen, und
über der ganzen Arbeit zur Stillung und Heilung des sittlichen und des sozialen
Elends hören wir den Glockenton ans seiner tiefen Seele.




Holland und die Holländer
Adolf Mayer von(Schluß)

ir haben schon des großen Kolonialbesitzes Erwähnung getan, der
seit dem Herabsinken Hollands von einer Seemacht ersten Ranges
wohl geschmälert, aber immerhin noch so bedeutend ist, daß das
Land in dieser Beziehung, seine geringfügige Stammbevölkerung
in Rücksicht genommen, in der Welt an zweiter Stelle steht. Java
allein, nur eine, freilich die am stärksten bevölkerte der Großen Sundainseln, hat
eine Bevölkerung, die fünfmal so groß ist als die des Mutterlandes, und ist die
Trägerin von ergiebigen Kulturen, unter denen Zucker, Tabak, Kaffee, Chinin,
Tee gegenwärtig voranstehn. Ein Teil dieser Kulturen war zu der Zeit der
Ostindischen Kompagnie und noch lange nachher Staatsunternehmung, wozu
die Eingebornen unentgeltlich Frondienste zu verrichten hatten. Auf diese
Weise gelangten bis zur Mitte des vorigen Jahrhunderts große Einkünfte in
die Staatskasse des kleinen Mutterlandes. Aber auch seit durch die konsequente
Anwendung liberaler Regierungsgrundsütze die großen Härten dieser Art ge¬
mildert waren, blieb Java und wurde später Sumatra mit seinen vorzüglichen
Tabakfeldern und Petroleumquellen eine reich fließende Quelle privatwirtschaft¬
licher, manchmal äußerst lukrativer Unternehmungen. Weiter mußten die
Kolonien natürlich verwaltet werden, und dazu wcireu militärische und zivile
Beamte nötig, denen bei den Gefahren, die ein tropisches Klima für die weiße
und nicht zum wenigsten für die germanische Rasse birgt, hohe Gehalte und früh¬
zeitige Pensionen bewilligt werden mußten. Dies alles war eine Quelle des
Reichtums für die gebildeten Stände, während die niedrigen Stände wenig
daran teilnahmen, da sich des heißen Klimas wegen keine der Kolonien zum
Auswanderungsland eignete. Die weißen Bewohner von Java und von Sumatra
kehren nach zwanzig, dreißig Jahren in das Mutterland zurück, ja sie lassen


Holland und die Holländer

Verbrechens manche Punkte in der Behandlung der Gefangnen hervorgehoben,
die vor Wieherns Augen noch im Dunkel lagen oder minder bedeutend er¬
schienen. Aber in allen hauptsächlichen Fragen hat er klar gesehen und klare
Wege gezeigt. Ist sein Name sogar vielen, die im Gefängniswesen stehn, fast
verklungen, so steht seine hohe Bedeutung doch außer aller Frage, und der
neuerschienene Band seiner Schriften möge dazu dienen, sie wieder in ein Helles
Licht zu rücken. Wir bauen allenthalben mit Steinen, an denen der Meißel¬
schlag seiner Meisterhand zu finden ist, und wohin wir schauen, sehen wir die
Frucht seiner Arbeit, leben wir Leben von seinem Leben und spüren Geist von
seinem Geist. Es sind in der Tat von ihm Lebensströme ausgegangen, und
über der ganzen Arbeit zur Stillung und Heilung des sittlichen und des sozialen
Elends hören wir den Glockenton ans seiner tiefen Seele.




Holland und die Holländer
Adolf Mayer von(Schluß)

ir haben schon des großen Kolonialbesitzes Erwähnung getan, der
seit dem Herabsinken Hollands von einer Seemacht ersten Ranges
wohl geschmälert, aber immerhin noch so bedeutend ist, daß das
Land in dieser Beziehung, seine geringfügige Stammbevölkerung
in Rücksicht genommen, in der Welt an zweiter Stelle steht. Java
allein, nur eine, freilich die am stärksten bevölkerte der Großen Sundainseln, hat
eine Bevölkerung, die fünfmal so groß ist als die des Mutterlandes, und ist die
Trägerin von ergiebigen Kulturen, unter denen Zucker, Tabak, Kaffee, Chinin,
Tee gegenwärtig voranstehn. Ein Teil dieser Kulturen war zu der Zeit der
Ostindischen Kompagnie und noch lange nachher Staatsunternehmung, wozu
die Eingebornen unentgeltlich Frondienste zu verrichten hatten. Auf diese
Weise gelangten bis zur Mitte des vorigen Jahrhunderts große Einkünfte in
die Staatskasse des kleinen Mutterlandes. Aber auch seit durch die konsequente
Anwendung liberaler Regierungsgrundsütze die großen Härten dieser Art ge¬
mildert waren, blieb Java und wurde später Sumatra mit seinen vorzüglichen
Tabakfeldern und Petroleumquellen eine reich fließende Quelle privatwirtschaft¬
licher, manchmal äußerst lukrativer Unternehmungen. Weiter mußten die
Kolonien natürlich verwaltet werden, und dazu wcireu militärische und zivile
Beamte nötig, denen bei den Gefahren, die ein tropisches Klima für die weiße
und nicht zum wenigsten für die germanische Rasse birgt, hohe Gehalte und früh¬
zeitige Pensionen bewilligt werden mußten. Dies alles war eine Quelle des
Reichtums für die gebildeten Stände, während die niedrigen Stände wenig
daran teilnahmen, da sich des heißen Klimas wegen keine der Kolonien zum
Auswanderungsland eignete. Die weißen Bewohner von Java und von Sumatra
kehren nach zwanzig, dreißig Jahren in das Mutterland zurück, ja sie lassen


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[0702] Holland und die Holländer Verbrechens manche Punkte in der Behandlung der Gefangnen hervorgehoben, die vor Wieherns Augen noch im Dunkel lagen oder minder bedeutend er¬ schienen. Aber in allen hauptsächlichen Fragen hat er klar gesehen und klare Wege gezeigt. Ist sein Name sogar vielen, die im Gefängniswesen stehn, fast verklungen, so steht seine hohe Bedeutung doch außer aller Frage, und der neuerschienene Band seiner Schriften möge dazu dienen, sie wieder in ein Helles Licht zu rücken. Wir bauen allenthalben mit Steinen, an denen der Meißel¬ schlag seiner Meisterhand zu finden ist, und wohin wir schauen, sehen wir die Frucht seiner Arbeit, leben wir Leben von seinem Leben und spüren Geist von seinem Geist. Es sind in der Tat von ihm Lebensströme ausgegangen, und über der ganzen Arbeit zur Stillung und Heilung des sittlichen und des sozialen Elends hören wir den Glockenton ans seiner tiefen Seele. Holland und die Holländer Adolf Mayer von(Schluß) ir haben schon des großen Kolonialbesitzes Erwähnung getan, der seit dem Herabsinken Hollands von einer Seemacht ersten Ranges wohl geschmälert, aber immerhin noch so bedeutend ist, daß das Land in dieser Beziehung, seine geringfügige Stammbevölkerung in Rücksicht genommen, in der Welt an zweiter Stelle steht. Java allein, nur eine, freilich die am stärksten bevölkerte der Großen Sundainseln, hat eine Bevölkerung, die fünfmal so groß ist als die des Mutterlandes, und ist die Trägerin von ergiebigen Kulturen, unter denen Zucker, Tabak, Kaffee, Chinin, Tee gegenwärtig voranstehn. Ein Teil dieser Kulturen war zu der Zeit der Ostindischen Kompagnie und noch lange nachher Staatsunternehmung, wozu die Eingebornen unentgeltlich Frondienste zu verrichten hatten. Auf diese Weise gelangten bis zur Mitte des vorigen Jahrhunderts große Einkünfte in die Staatskasse des kleinen Mutterlandes. Aber auch seit durch die konsequente Anwendung liberaler Regierungsgrundsütze die großen Härten dieser Art ge¬ mildert waren, blieb Java und wurde später Sumatra mit seinen vorzüglichen Tabakfeldern und Petroleumquellen eine reich fließende Quelle privatwirtschaft¬ licher, manchmal äußerst lukrativer Unternehmungen. Weiter mußten die Kolonien natürlich verwaltet werden, und dazu wcireu militärische und zivile Beamte nötig, denen bei den Gefahren, die ein tropisches Klima für die weiße und nicht zum wenigsten für die germanische Rasse birgt, hohe Gehalte und früh¬ zeitige Pensionen bewilligt werden mußten. Dies alles war eine Quelle des Reichtums für die gebildeten Stände, während die niedrigen Stände wenig daran teilnahmen, da sich des heißen Klimas wegen keine der Kolonien zum Auswanderungsland eignete. Die weißen Bewohner von Java und von Sumatra kehren nach zwanzig, dreißig Jahren in das Mutterland zurück, ja sie lassen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_297518/702>, abgerufen am 27.09.2024.