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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr.

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Die österreichisch-ungarische Reichskrise

Ein Plan, der gewiß der gründlichsten Erwägung bedürftig war. Die Ein¬
führung des allgemeinen gleichen Wahlrechts in einem Lande, das durch eine jahr¬
zehntelange Mißwirtschaft für agrarrevolutionäre Ideen sehr empfänglich gemacht
worden war, hatte gewiß sein bedenkliches, aber einerseits hätte diese Reform
sehr wohl mit konservativen Garantien umgeben werden können (Bindung des
aktiven Wahlrechts an das zurückgelegte dreißigste Lebensjahr, fünfjährigeSeß-
haftigkeit und Wahlpflicht), andrerseits aber bot diese Reform das einzige Mittel,
der friedlichen Revolution des Parlaments auf friedlichem Wege Herr zu werden,
nachdem man bei Hofe Mittel der Gewalt schon längst abgelehnt hatte.

Jedenfalls hatte das Ministerium Fejervary durch seine Vorschlüge eine
Situation geschaffen, die den Ratgebern der Krone die Pflicht auferlegte, nach
bestem Wissen und Gewissen und ohne Rücksicht auf ihre persönlichen Bedürf¬
nisse dem Kaiser zu raten. Wie klein, wie kleinlich haben sich aber diese
Männer in der Tat erwiesen. Zuerst bestimmte man den Kaiser, sich gegen
die Oktroyierung eines neuen Wahlgesetzes in Ungarn auszusprechen. Als ob
jemals dieselben Leute und Parteien ein Wahlgesetz zugestehn würden, durch
das eben ihre Herrschaft gebrochen werden soll! Aber nicht genug damit:
bald tauchte auch das Bedenken auf, daß die Einführung des allgemeinen
Wahlrechts in Ungarn dieselbe Reform auch in Osterreich unvermeidlich machen
würde. Mai: hatte freilich vergessen, daß Osterreich und Ungarn niemals das¬
selbe Wahlrecht gehabt hatten, und daß in Ungarn gar keine Bedenken laut
geworden waren, als in Osterreich das allgemeine Wahlrecht in der Form
einer vierten allgemeinen Kurie eingeführt worden war; aber alle Schrecken
der Revolution, mußten an die Wand gemalt werden, die Intervention des
Ministers des Äußern Grafen Goluchowski und des österreichischen Minister-
Präsidenten Freiherrn von Ganthas gegen den Plan des Kabinetts Fejervary
zu begründen, eine Intervention, die jedoch ausschließlich persönlichen Beweg¬
gründen entsprungen war.

Freiherr von Ganthas intervenierte, um den alten Parteien in Österreich
als Retter zu erscheinen und sie dadurch zu bewegen, alles, was immer mit
Ungarn abgemacht werden möchte, mit einem parlamentarischen Votum zu
decken und dadurch dem Ministerium Ganthas über den toten Punkt des un¬
garischen Ausgleichs hinwegzuhelfen. Graf Gvlnchowski kalkulierte ähnlich.
In Ungarn hatte man ihm längst seinen Sturz in der nächsten Delegations¬
tagung prophezeit, aber Graf Goluchowski hängt an seinem Amte, er, der der
Anwalt des Reichs, der Gemeinsamkeit von Amts wegen sein sollte, hat ja
alle die Gemeinsamkeit störenden Zugestündnisse an die Magyaren in den letzten
Jahren gebilligt, weil er in der großen Reichsfrage entweder keine eigne
Meinung hatte oder an sie nicht sein Amt setzen wollte. Graf Goluchowski
ist aber auch mit den Andrassys gut befreundet, und als nun die magyarische
Oligarchie durch das Gespenst des allgemeinen Wahlrechts plötzlich in Schrecken
gesetzt wurde, da glaubte Goluchowski den Augenblick gekommen, sich die Gunst
der Magyaren dadurch wieder zu erwerben und seine Stellung dadurch zu
sichern, daß er den Plan Fejervarys mit zu Falle brachte.

Nur Ruhe, Ruhe, keine Kämpfe, keine Störung im behaglichen gedanken¬
losen Hindämmern! So lange wir leben, hält der Staat noch aus, axrss
U0U8 is clvwAö. Das ist das politische Prinzip der Berater des Kaisers, der
militärischen wie der zivilem, und wenn der Kaiser vor den Magyaren in
der Armeefrage kapitulierte, so würde der Kriegsminister von Pittreich in
den Delegationen mit wahrer Befriedigung feststellen, daß nun endlich die
Quadratur des Zirkels gefunden und der unselige Streit zu einem für alle
ehrenvollen und das Ansehen und die Würde der Monarchie auf Menschen¬
alter hinaus festigenden Ende gekommen sei.

In einer solchen Umgebung, in der Mitte solcher Berater fand der greise
Kaiser keine Stütze, keinen Halt, und so ist die Situation zu erklären, in der
Dynastie und Reich sind. Was nun? Vergeblich mühte man sich ab, unter


Die österreichisch-ungarische Reichskrise

Ein Plan, der gewiß der gründlichsten Erwägung bedürftig war. Die Ein¬
führung des allgemeinen gleichen Wahlrechts in einem Lande, das durch eine jahr¬
zehntelange Mißwirtschaft für agrarrevolutionäre Ideen sehr empfänglich gemacht
worden war, hatte gewiß sein bedenkliches, aber einerseits hätte diese Reform
sehr wohl mit konservativen Garantien umgeben werden können (Bindung des
aktiven Wahlrechts an das zurückgelegte dreißigste Lebensjahr, fünfjährigeSeß-
haftigkeit und Wahlpflicht), andrerseits aber bot diese Reform das einzige Mittel,
der friedlichen Revolution des Parlaments auf friedlichem Wege Herr zu werden,
nachdem man bei Hofe Mittel der Gewalt schon längst abgelehnt hatte.

Jedenfalls hatte das Ministerium Fejervary durch seine Vorschlüge eine
Situation geschaffen, die den Ratgebern der Krone die Pflicht auferlegte, nach
bestem Wissen und Gewissen und ohne Rücksicht auf ihre persönlichen Bedürf¬
nisse dem Kaiser zu raten. Wie klein, wie kleinlich haben sich aber diese
Männer in der Tat erwiesen. Zuerst bestimmte man den Kaiser, sich gegen
die Oktroyierung eines neuen Wahlgesetzes in Ungarn auszusprechen. Als ob
jemals dieselben Leute und Parteien ein Wahlgesetz zugestehn würden, durch
das eben ihre Herrschaft gebrochen werden soll! Aber nicht genug damit:
bald tauchte auch das Bedenken auf, daß die Einführung des allgemeinen
Wahlrechts in Ungarn dieselbe Reform auch in Osterreich unvermeidlich machen
würde. Mai: hatte freilich vergessen, daß Osterreich und Ungarn niemals das¬
selbe Wahlrecht gehabt hatten, und daß in Ungarn gar keine Bedenken laut
geworden waren, als in Osterreich das allgemeine Wahlrecht in der Form
einer vierten allgemeinen Kurie eingeführt worden war; aber alle Schrecken
der Revolution, mußten an die Wand gemalt werden, die Intervention des
Ministers des Äußern Grafen Goluchowski und des österreichischen Minister-
Präsidenten Freiherrn von Ganthas gegen den Plan des Kabinetts Fejervary
zu begründen, eine Intervention, die jedoch ausschließlich persönlichen Beweg¬
gründen entsprungen war.

Freiherr von Ganthas intervenierte, um den alten Parteien in Österreich
als Retter zu erscheinen und sie dadurch zu bewegen, alles, was immer mit
Ungarn abgemacht werden möchte, mit einem parlamentarischen Votum zu
decken und dadurch dem Ministerium Ganthas über den toten Punkt des un¬
garischen Ausgleichs hinwegzuhelfen. Graf Gvlnchowski kalkulierte ähnlich.
In Ungarn hatte man ihm längst seinen Sturz in der nächsten Delegations¬
tagung prophezeit, aber Graf Goluchowski hängt an seinem Amte, er, der der
Anwalt des Reichs, der Gemeinsamkeit von Amts wegen sein sollte, hat ja
alle die Gemeinsamkeit störenden Zugestündnisse an die Magyaren in den letzten
Jahren gebilligt, weil er in der großen Reichsfrage entweder keine eigne
Meinung hatte oder an sie nicht sein Amt setzen wollte. Graf Goluchowski
ist aber auch mit den Andrassys gut befreundet, und als nun die magyarische
Oligarchie durch das Gespenst des allgemeinen Wahlrechts plötzlich in Schrecken
gesetzt wurde, da glaubte Goluchowski den Augenblick gekommen, sich die Gunst
der Magyaren dadurch wieder zu erwerben und seine Stellung dadurch zu
sichern, daß er den Plan Fejervarys mit zu Falle brachte.

Nur Ruhe, Ruhe, keine Kämpfe, keine Störung im behaglichen gedanken¬
losen Hindämmern! So lange wir leben, hält der Staat noch aus, axrss
U0U8 is clvwAö. Das ist das politische Prinzip der Berater des Kaisers, der
militärischen wie der zivilem, und wenn der Kaiser vor den Magyaren in
der Armeefrage kapitulierte, so würde der Kriegsminister von Pittreich in
den Delegationen mit wahrer Befriedigung feststellen, daß nun endlich die
Quadratur des Zirkels gefunden und der unselige Streit zu einem für alle
ehrenvollen und das Ansehen und die Würde der Monarchie auf Menschen¬
alter hinaus festigenden Ende gekommen sei.

In einer solchen Umgebung, in der Mitte solcher Berater fand der greise
Kaiser keine Stütze, keinen Halt, und so ist die Situation zu erklären, in der
Dynastie und Reich sind. Was nun? Vergeblich mühte man sich ab, unter


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[0691] Die österreichisch-ungarische Reichskrise Ein Plan, der gewiß der gründlichsten Erwägung bedürftig war. Die Ein¬ führung des allgemeinen gleichen Wahlrechts in einem Lande, das durch eine jahr¬ zehntelange Mißwirtschaft für agrarrevolutionäre Ideen sehr empfänglich gemacht worden war, hatte gewiß sein bedenkliches, aber einerseits hätte diese Reform sehr wohl mit konservativen Garantien umgeben werden können (Bindung des aktiven Wahlrechts an das zurückgelegte dreißigste Lebensjahr, fünfjährigeSeß- haftigkeit und Wahlpflicht), andrerseits aber bot diese Reform das einzige Mittel, der friedlichen Revolution des Parlaments auf friedlichem Wege Herr zu werden, nachdem man bei Hofe Mittel der Gewalt schon längst abgelehnt hatte. Jedenfalls hatte das Ministerium Fejervary durch seine Vorschlüge eine Situation geschaffen, die den Ratgebern der Krone die Pflicht auferlegte, nach bestem Wissen und Gewissen und ohne Rücksicht auf ihre persönlichen Bedürf¬ nisse dem Kaiser zu raten. Wie klein, wie kleinlich haben sich aber diese Männer in der Tat erwiesen. Zuerst bestimmte man den Kaiser, sich gegen die Oktroyierung eines neuen Wahlgesetzes in Ungarn auszusprechen. Als ob jemals dieselben Leute und Parteien ein Wahlgesetz zugestehn würden, durch das eben ihre Herrschaft gebrochen werden soll! Aber nicht genug damit: bald tauchte auch das Bedenken auf, daß die Einführung des allgemeinen Wahlrechts in Ungarn dieselbe Reform auch in Osterreich unvermeidlich machen würde. Mai: hatte freilich vergessen, daß Osterreich und Ungarn niemals das¬ selbe Wahlrecht gehabt hatten, und daß in Ungarn gar keine Bedenken laut geworden waren, als in Osterreich das allgemeine Wahlrecht in der Form einer vierten allgemeinen Kurie eingeführt worden war; aber alle Schrecken der Revolution, mußten an die Wand gemalt werden, die Intervention des Ministers des Äußern Grafen Goluchowski und des österreichischen Minister- Präsidenten Freiherrn von Ganthas gegen den Plan des Kabinetts Fejervary zu begründen, eine Intervention, die jedoch ausschließlich persönlichen Beweg¬ gründen entsprungen war. Freiherr von Ganthas intervenierte, um den alten Parteien in Österreich als Retter zu erscheinen und sie dadurch zu bewegen, alles, was immer mit Ungarn abgemacht werden möchte, mit einem parlamentarischen Votum zu decken und dadurch dem Ministerium Ganthas über den toten Punkt des un¬ garischen Ausgleichs hinwegzuhelfen. Graf Gvlnchowski kalkulierte ähnlich. In Ungarn hatte man ihm längst seinen Sturz in der nächsten Delegations¬ tagung prophezeit, aber Graf Goluchowski hängt an seinem Amte, er, der der Anwalt des Reichs, der Gemeinsamkeit von Amts wegen sein sollte, hat ja alle die Gemeinsamkeit störenden Zugestündnisse an die Magyaren in den letzten Jahren gebilligt, weil er in der großen Reichsfrage entweder keine eigne Meinung hatte oder an sie nicht sein Amt setzen wollte. Graf Goluchowski ist aber auch mit den Andrassys gut befreundet, und als nun die magyarische Oligarchie durch das Gespenst des allgemeinen Wahlrechts plötzlich in Schrecken gesetzt wurde, da glaubte Goluchowski den Augenblick gekommen, sich die Gunst der Magyaren dadurch wieder zu erwerben und seine Stellung dadurch zu sichern, daß er den Plan Fejervarys mit zu Falle brachte. Nur Ruhe, Ruhe, keine Kämpfe, keine Störung im behaglichen gedanken¬ losen Hindämmern! So lange wir leben, hält der Staat noch aus, axrss U0U8 is clvwAö. Das ist das politische Prinzip der Berater des Kaisers, der militärischen wie der zivilem, und wenn der Kaiser vor den Magyaren in der Armeefrage kapitulierte, so würde der Kriegsminister von Pittreich in den Delegationen mit wahrer Befriedigung feststellen, daß nun endlich die Quadratur des Zirkels gefunden und der unselige Streit zu einem für alle ehrenvollen und das Ansehen und die Würde der Monarchie auf Menschen¬ alter hinaus festigenden Ende gekommen sei. In einer solchen Umgebung, in der Mitte solcher Berater fand der greise Kaiser keine Stütze, keinen Halt, und so ist die Situation zu erklären, in der Dynastie und Reich sind. Was nun? Vergeblich mühte man sich ab, unter

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_297518/691>, abgerufen am 27.09.2024.