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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

licher Deutlichkeit ausgesprochen, und ein Krieg Englands gegen Dentschlnnd würde das
Herannahen dieses Zeitpunkts wahrscheinlich wesentlich beschleunigen. Zieht man
hierzu noch die deutsch-britischen Handelsinteressen in Betracht, so kommt man
-- völlig abgesehen von der auch für die englische Übermacht zur See keineswegs
unbestrittnen Frage des militärischen Erfolges -- zu dem Ergebnis, daß ein
Angriffskrieg gegen Deutschland sogar für ein in der Nord- und der Ostsee sieg¬
reiches Britannien eine recht kostspielige Sache werden könnte, die zweimal zu über¬
legen England allen Anlaß hat. In Asien hat sich England gegen russische Diver¬
sionen durch den Vertrag mit Japan gedeckt. Aber dieser Vertrag ist hente schon
eine zweischneidige Waffe. Er hat für Japan die Achillesferse der britischen Politik
und Weltmachtstellung urkundlich festgelegt, und die Japaner sind klug genug, schon
heute zu wissen, daß sie in diesem Vertrage der stärkere Teil sind.

Die Siege Japans über eine europäische Militärmacht, die Englaud weit
überlegen ist, haben auf die gesamte gelbe Nasse einen tiefen Eindruck gemacht, lind
die Inder beginnen das Haupt zu erheben, da sie die Überzeugung gewonnen
haben, daß die europäische Herrschaft für die Asiaten keineswegs unverwundbar ist.
England hat durch den Bündnisvertrag die Suprematie Japans in Ostasien tatsächlich
anerkannt und Indien nnter den japanischen Schutz gestellt, um zu verhüten, daß
Japan die Anziehungskraft seiner Siege noch intensiver auf die Gemüter der Inder
wirken lasse, oder deutlicher gesagt: um einem von Japan herbeigeführten und
unterstützten indischen Aufstände vorzubeugen. Japan ist auf dieses Verhältnis ein¬
gegangen, weil es zum Antritt seiner Führerrolle in Asien zunächst noch weiterer
Kräftigung nach der militärischen wie nach der finanziellen Seite hin bedarf, und
weil der jetzt beendete Krieg auch den Sieger erschöpft hat. Es ist das eine
Übergangszeit von wahrscheinlich nicht sehr langer Dauer, die wesentlich davon ab¬
hängen wird, wie Japan sich mit Nußland, Frankreich und Amerika, vor allem:
in und mit China einrichtet. Aber mit der Vollziehung dieses Bündnisvertrages
hat England über seine Suprematie in Asien quittiert und hat sie an Japan ab¬
getreten, auch wenn es den Schein der bisherigen Vorherrschaft mit Hilfe Japans
noch zehn oder zwanzig Jahre aufrecht erhalten sollte. Die japanische Diplomatie
müßte große Fehler machen, das japanische Volk sich weit weniger leistungs-
und entwicklungsfähig erweisen, als nach dem bisherigen Laufe der Dinge anzu¬
nehmen ist, wenn der Gang dieser Entwicklung ein andrer als der hier skizzierte
werden sollte. Ein Volk, das in einem Menschenalter einen so wunderbaren
Aufschwung genommen, mich wenn darin manches nicht wurzelecht sein mag, ist
zu großen Erwartungen für seine Zukunft berechtigt. Die Japaner haben von
ieber europäischen Nation angenommen, was sie glaubten brauchen und sich geistig
aneignen zu können; sie haben den Krieg mit Hilfe englischer Rückendeckung geführt
und haben sich diese Rückendeckung auch für die friedliche Entwicklung des nächsten
Jahrzehnts gesichert. Aber sie werden das Jahrzehnt von 1905 bis 1915 noch
auf nutzbarere Weise umwenden, als sie es mit dem Jahrzehnt 1895 bis 1905
getan haben, und die europäischen Nationen werden sich hundert Jahre nach dem
Wiener Kongreß vor ganz andre Fragen gestellt sehen, als heute noch die europäische
Diplomatie und Presse beschäftigen. Heute kann es noch eine ernsthafte Erörterung
zwischen Deutschland und Frankreich sein, ob die Konferenz wegen Marokkos in
Tanger oder auf spanischem Boden abgehalten werden soll, und Frankreich sieht es
als question as äiZuitö an, sich den schon halb verschlungnen marokkanischen Bissen
wenigstens nicht auf marokkanischen Boden wieder entwinden zu lassen. Zehn
^ahre später werden die großen europäischen Nationen vielleicht über Existenzfragen
Zu beraten haben, hinter die alle innern europäischen Streitigkeiten weit zurück¬
treten. Neue große seemächtige Nationen sind dann an den Ufern des Atlantischen und
des Stillen Ozeans herangewachsen, die meerbeherrschende Stellung Englands und
keiner Flotte wird damit mehr und mehr eingeengt. England kann sich dann nur
noch im Anschluß an Amerika oder an Japan behaupten. Es hat jetzt das Bündnis


Maßgebliches und Unmaßgebliches

licher Deutlichkeit ausgesprochen, und ein Krieg Englands gegen Dentschlnnd würde das
Herannahen dieses Zeitpunkts wahrscheinlich wesentlich beschleunigen. Zieht man
hierzu noch die deutsch-britischen Handelsinteressen in Betracht, so kommt man
— völlig abgesehen von der auch für die englische Übermacht zur See keineswegs
unbestrittnen Frage des militärischen Erfolges — zu dem Ergebnis, daß ein
Angriffskrieg gegen Deutschland sogar für ein in der Nord- und der Ostsee sieg¬
reiches Britannien eine recht kostspielige Sache werden könnte, die zweimal zu über¬
legen England allen Anlaß hat. In Asien hat sich England gegen russische Diver¬
sionen durch den Vertrag mit Japan gedeckt. Aber dieser Vertrag ist hente schon
eine zweischneidige Waffe. Er hat für Japan die Achillesferse der britischen Politik
und Weltmachtstellung urkundlich festgelegt, und die Japaner sind klug genug, schon
heute zu wissen, daß sie in diesem Vertrage der stärkere Teil sind.

Die Siege Japans über eine europäische Militärmacht, die Englaud weit
überlegen ist, haben auf die gesamte gelbe Nasse einen tiefen Eindruck gemacht, lind
die Inder beginnen das Haupt zu erheben, da sie die Überzeugung gewonnen
haben, daß die europäische Herrschaft für die Asiaten keineswegs unverwundbar ist.
England hat durch den Bündnisvertrag die Suprematie Japans in Ostasien tatsächlich
anerkannt und Indien nnter den japanischen Schutz gestellt, um zu verhüten, daß
Japan die Anziehungskraft seiner Siege noch intensiver auf die Gemüter der Inder
wirken lasse, oder deutlicher gesagt: um einem von Japan herbeigeführten und
unterstützten indischen Aufstände vorzubeugen. Japan ist auf dieses Verhältnis ein¬
gegangen, weil es zum Antritt seiner Führerrolle in Asien zunächst noch weiterer
Kräftigung nach der militärischen wie nach der finanziellen Seite hin bedarf, und
weil der jetzt beendete Krieg auch den Sieger erschöpft hat. Es ist das eine
Übergangszeit von wahrscheinlich nicht sehr langer Dauer, die wesentlich davon ab¬
hängen wird, wie Japan sich mit Nußland, Frankreich und Amerika, vor allem:
in und mit China einrichtet. Aber mit der Vollziehung dieses Bündnisvertrages
hat England über seine Suprematie in Asien quittiert und hat sie an Japan ab¬
getreten, auch wenn es den Schein der bisherigen Vorherrschaft mit Hilfe Japans
noch zehn oder zwanzig Jahre aufrecht erhalten sollte. Die japanische Diplomatie
müßte große Fehler machen, das japanische Volk sich weit weniger leistungs-
und entwicklungsfähig erweisen, als nach dem bisherigen Laufe der Dinge anzu¬
nehmen ist, wenn der Gang dieser Entwicklung ein andrer als der hier skizzierte
werden sollte. Ein Volk, das in einem Menschenalter einen so wunderbaren
Aufschwung genommen, mich wenn darin manches nicht wurzelecht sein mag, ist
zu großen Erwartungen für seine Zukunft berechtigt. Die Japaner haben von
ieber europäischen Nation angenommen, was sie glaubten brauchen und sich geistig
aneignen zu können; sie haben den Krieg mit Hilfe englischer Rückendeckung geführt
und haben sich diese Rückendeckung auch für die friedliche Entwicklung des nächsten
Jahrzehnts gesichert. Aber sie werden das Jahrzehnt von 1905 bis 1915 noch
auf nutzbarere Weise umwenden, als sie es mit dem Jahrzehnt 1895 bis 1905
getan haben, und die europäischen Nationen werden sich hundert Jahre nach dem
Wiener Kongreß vor ganz andre Fragen gestellt sehen, als heute noch die europäische
Diplomatie und Presse beschäftigen. Heute kann es noch eine ernsthafte Erörterung
zwischen Deutschland und Frankreich sein, ob die Konferenz wegen Marokkos in
Tanger oder auf spanischem Boden abgehalten werden soll, und Frankreich sieht es
als question as äiZuitö an, sich den schon halb verschlungnen marokkanischen Bissen
wenigstens nicht auf marokkanischen Boden wieder entwinden zu lassen. Zehn
^ahre später werden die großen europäischen Nationen vielleicht über Existenzfragen
Zu beraten haben, hinter die alle innern europäischen Streitigkeiten weit zurück¬
treten. Neue große seemächtige Nationen sind dann an den Ufern des Atlantischen und
des Stillen Ozeans herangewachsen, die meerbeherrschende Stellung Englands und
keiner Flotte wird damit mehr und mehr eingeengt. England kann sich dann nur
noch im Anschluß an Amerika oder an Japan behaupten. Es hat jetzt das Bündnis


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[0687] Maßgebliches und Unmaßgebliches licher Deutlichkeit ausgesprochen, und ein Krieg Englands gegen Dentschlnnd würde das Herannahen dieses Zeitpunkts wahrscheinlich wesentlich beschleunigen. Zieht man hierzu noch die deutsch-britischen Handelsinteressen in Betracht, so kommt man — völlig abgesehen von der auch für die englische Übermacht zur See keineswegs unbestrittnen Frage des militärischen Erfolges — zu dem Ergebnis, daß ein Angriffskrieg gegen Deutschland sogar für ein in der Nord- und der Ostsee sieg¬ reiches Britannien eine recht kostspielige Sache werden könnte, die zweimal zu über¬ legen England allen Anlaß hat. In Asien hat sich England gegen russische Diver¬ sionen durch den Vertrag mit Japan gedeckt. Aber dieser Vertrag ist hente schon eine zweischneidige Waffe. Er hat für Japan die Achillesferse der britischen Politik und Weltmachtstellung urkundlich festgelegt, und die Japaner sind klug genug, schon heute zu wissen, daß sie in diesem Vertrage der stärkere Teil sind. Die Siege Japans über eine europäische Militärmacht, die Englaud weit überlegen ist, haben auf die gesamte gelbe Nasse einen tiefen Eindruck gemacht, lind die Inder beginnen das Haupt zu erheben, da sie die Überzeugung gewonnen haben, daß die europäische Herrschaft für die Asiaten keineswegs unverwundbar ist. England hat durch den Bündnisvertrag die Suprematie Japans in Ostasien tatsächlich anerkannt und Indien nnter den japanischen Schutz gestellt, um zu verhüten, daß Japan die Anziehungskraft seiner Siege noch intensiver auf die Gemüter der Inder wirken lasse, oder deutlicher gesagt: um einem von Japan herbeigeführten und unterstützten indischen Aufstände vorzubeugen. Japan ist auf dieses Verhältnis ein¬ gegangen, weil es zum Antritt seiner Führerrolle in Asien zunächst noch weiterer Kräftigung nach der militärischen wie nach der finanziellen Seite hin bedarf, und weil der jetzt beendete Krieg auch den Sieger erschöpft hat. Es ist das eine Übergangszeit von wahrscheinlich nicht sehr langer Dauer, die wesentlich davon ab¬ hängen wird, wie Japan sich mit Nußland, Frankreich und Amerika, vor allem: in und mit China einrichtet. Aber mit der Vollziehung dieses Bündnisvertrages hat England über seine Suprematie in Asien quittiert und hat sie an Japan ab¬ getreten, auch wenn es den Schein der bisherigen Vorherrschaft mit Hilfe Japans noch zehn oder zwanzig Jahre aufrecht erhalten sollte. Die japanische Diplomatie müßte große Fehler machen, das japanische Volk sich weit weniger leistungs- und entwicklungsfähig erweisen, als nach dem bisherigen Laufe der Dinge anzu¬ nehmen ist, wenn der Gang dieser Entwicklung ein andrer als der hier skizzierte werden sollte. Ein Volk, das in einem Menschenalter einen so wunderbaren Aufschwung genommen, mich wenn darin manches nicht wurzelecht sein mag, ist zu großen Erwartungen für seine Zukunft berechtigt. Die Japaner haben von ieber europäischen Nation angenommen, was sie glaubten brauchen und sich geistig aneignen zu können; sie haben den Krieg mit Hilfe englischer Rückendeckung geführt und haben sich diese Rückendeckung auch für die friedliche Entwicklung des nächsten Jahrzehnts gesichert. Aber sie werden das Jahrzehnt von 1905 bis 1915 noch auf nutzbarere Weise umwenden, als sie es mit dem Jahrzehnt 1895 bis 1905 getan haben, und die europäischen Nationen werden sich hundert Jahre nach dem Wiener Kongreß vor ganz andre Fragen gestellt sehen, als heute noch die europäische Diplomatie und Presse beschäftigen. Heute kann es noch eine ernsthafte Erörterung zwischen Deutschland und Frankreich sein, ob die Konferenz wegen Marokkos in Tanger oder auf spanischem Boden abgehalten werden soll, und Frankreich sieht es als question as äiZuitö an, sich den schon halb verschlungnen marokkanischen Bissen wenigstens nicht auf marokkanischen Boden wieder entwinden zu lassen. Zehn ^ahre später werden die großen europäischen Nationen vielleicht über Existenzfragen Zu beraten haben, hinter die alle innern europäischen Streitigkeiten weit zurück¬ treten. Neue große seemächtige Nationen sind dann an den Ufern des Atlantischen und des Stillen Ozeans herangewachsen, die meerbeherrschende Stellung Englands und keiner Flotte wird damit mehr und mehr eingeengt. England kann sich dann nur noch im Anschluß an Amerika oder an Japan behaupten. Es hat jetzt das Bündnis

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

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Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_297518/687>, abgerufen am 27.09.2024.