Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Unter Kunden, Komödianten und wilden Tieren

könnten. Am Abend, bevor die Lichtmaschine in Betrieb gesetzt wurde, gab es ein
schweres Stück Arbeit. Ich mußte den Kessel so mit Wasser füllen, daß das
Wasserstandsglas den Wasserstand nicht mehr markierte, und so stark feuern, daß
sich kein Brennmaterial mehr in das Feuerloch schaffen ließ. So erreichte ich die
siebeneinhalb Atmosphären, was für die Anlage eigentlich zu viel war, da der Kessel
nur auf sieben Atmosphären eingerichtet war. Ich mußte deshalb unausgesetzt acht
geben, um Unheil zu verhüten. Da ich vorn der vollen Hitze der Feuerung, hinten
den sengenden Strahlen der Augustsonne ausgesetzt war, glaubte ich verschmachten
zu müssen und begrüßte es mit Freuden, als mir verschiedne Bekannte, die Mit¬
leid mit mir hatten, Bier brachten, dem ich denn auch fleißig zusprach. Am andern
Morgen fand ich unter der Orgel nicht weniger als zweiundzwanzig leere Gläser.
Außerdem hatte ich einen großen Krug schwarzen Kaffee getrunken.

In Würzen, wohin wir von Apolda zum Markte zogen, machten uns mehrere
Karusfells und elektrische Schaukeln starke Konkurrenz. Aus Neid schickten uns die
Besitzer dieser Geschäfte den Kesselrevisor auf den Hals, der gerade bei uns ein¬
traf, als ich beim Abschlacken war und somit viel zu tun hatte. Zum Überfluß
funktionierten die beiden Injektoren, die aus einem Wasferkcmcil gespeist wurden,
nicht, und ich hatte Mühe, das nötige Wasser für den Kessel zu beschaffen. Die
Injektoren hatten die Eigentümlichkeit, nur kaltes Wasser zu ziehn; das Wasser in
dem Bassin war aber Abends warm wegen des starken Zuflusses aus einer Brauerei.
Der Kesselrevisor ließ seinen Manometer an den Kessel schrauben, und ich bemerkte,
als ich gerade anderweit beschäftigt war, wie er den Hahn meines Manometers
abstellte, sodaß dieser nur sechs Atmosphären zeigte, während das Manometer des
Revisors auf sieben stieg. Er sagte mir: Ihr Manometer stimmt nicht, worauf
ich erwiderte, das könne auch nicht anders sein, da er ja den Hahn abgestellt habe.
Kurz entschlossen nahm ich den Schraubenschlüssel, schraubte seinen Manometer wieder
ab, gab ihm ihn in die Hand und machte ihm verständlich, wo der Weg ins Freie
ging. Mein Prinzipal, der dem Vorgange zugeschaut hatte, war auf das höchste
bestürzt und machte mir Vorwürfe. Ich erklärte aber, ich würde die Verantwortung
schon übernehmen. Der Revisor ließ sich aber nicht wieder bei uns sehen, und die
Angelegenheit hatte auch keine weitern Folgen.

Von Würzen reisten wir nach Schmölln in Sachsen-Altenburg. Dort ver¬
kehrte ich des Abends in der Gesellschaft eines Knopffabrikanten in einer Wirtschaft,
deren Besitzer zugleich eine Bäckerei betrieb. Ich bekam wieder Lust zu meinem
Metier und arbeitete eine Nacht als Bäcker. Ich bemerkte mit Freuden, daß ich
nicht allzuviel verlernt hatte, nur das Semmeldrehn machte mir anfangs einige
Mühe, aber nach einigen Minuten war ich mit dieser Tätigkeit wieder so vertraut,
als wenn ich in all den Jahren nichts andres getan hätte. Der Knopffabrikant
lud mich ein, seine Fabrik zu besuchen, und zeigte mir die Einrichtungen und die
Betriebsanlagen.

Über Gablenz bei Chemnitz reisten wir zum Markte nach Klingenthal, einem
kleinen Orte mit lebhafter Musikinstrumentenindustrie, der dicht an der böhmischen
Grenze liegt. Wir standen im Hofe eines Gasthauses, machten aber ein sehr
schlechtes Geschäft, da das Wetter ungünstig, außerdem Konkurrenz am Platze war,
die uns den Fahrpreis verdarb. Wir mußten die Tour zuerst für fünf Pfennige
fahren lassen und später zwei und gar drei Touren mit fünf Pfennigen berechnen.
Dabei verdienten wir natürlich nicht das Brennmaterial. Wir wußten aber den
größten Teil unsrer freien Stunden nützlich auszufüllen, indem wir uns als Pascher
etablierten. Unser Prinzipal beabsichtigte im Winter zu heiraten und gedachte seine
Hochzeit in der großartigsten Weise zu feiern. Dazu brauchte er aber einen Vorrat
an Wein, Tabak und Weizenmehl, das nirgends so gut wie in Böhmen zu haben
ist. Wir gingen an jedem Vormittag zu fünf Personen drei oder viermal über
die Grenze und brachten jedesmal jeder vier Pfund Mehl mit zurück, das in diesem
Quantuni zollfrei ist. Abends nach Schluß des Geschäfts gingen wir wieder nach.


Unter Kunden, Komödianten und wilden Tieren

könnten. Am Abend, bevor die Lichtmaschine in Betrieb gesetzt wurde, gab es ein
schweres Stück Arbeit. Ich mußte den Kessel so mit Wasser füllen, daß das
Wasserstandsglas den Wasserstand nicht mehr markierte, und so stark feuern, daß
sich kein Brennmaterial mehr in das Feuerloch schaffen ließ. So erreichte ich die
siebeneinhalb Atmosphären, was für die Anlage eigentlich zu viel war, da der Kessel
nur auf sieben Atmosphären eingerichtet war. Ich mußte deshalb unausgesetzt acht
geben, um Unheil zu verhüten. Da ich vorn der vollen Hitze der Feuerung, hinten
den sengenden Strahlen der Augustsonne ausgesetzt war, glaubte ich verschmachten
zu müssen und begrüßte es mit Freuden, als mir verschiedne Bekannte, die Mit¬
leid mit mir hatten, Bier brachten, dem ich denn auch fleißig zusprach. Am andern
Morgen fand ich unter der Orgel nicht weniger als zweiundzwanzig leere Gläser.
Außerdem hatte ich einen großen Krug schwarzen Kaffee getrunken.

In Würzen, wohin wir von Apolda zum Markte zogen, machten uns mehrere
Karusfells und elektrische Schaukeln starke Konkurrenz. Aus Neid schickten uns die
Besitzer dieser Geschäfte den Kesselrevisor auf den Hals, der gerade bei uns ein¬
traf, als ich beim Abschlacken war und somit viel zu tun hatte. Zum Überfluß
funktionierten die beiden Injektoren, die aus einem Wasferkcmcil gespeist wurden,
nicht, und ich hatte Mühe, das nötige Wasser für den Kessel zu beschaffen. Die
Injektoren hatten die Eigentümlichkeit, nur kaltes Wasser zu ziehn; das Wasser in
dem Bassin war aber Abends warm wegen des starken Zuflusses aus einer Brauerei.
Der Kesselrevisor ließ seinen Manometer an den Kessel schrauben, und ich bemerkte,
als ich gerade anderweit beschäftigt war, wie er den Hahn meines Manometers
abstellte, sodaß dieser nur sechs Atmosphären zeigte, während das Manometer des
Revisors auf sieben stieg. Er sagte mir: Ihr Manometer stimmt nicht, worauf
ich erwiderte, das könne auch nicht anders sein, da er ja den Hahn abgestellt habe.
Kurz entschlossen nahm ich den Schraubenschlüssel, schraubte seinen Manometer wieder
ab, gab ihm ihn in die Hand und machte ihm verständlich, wo der Weg ins Freie
ging. Mein Prinzipal, der dem Vorgange zugeschaut hatte, war auf das höchste
bestürzt und machte mir Vorwürfe. Ich erklärte aber, ich würde die Verantwortung
schon übernehmen. Der Revisor ließ sich aber nicht wieder bei uns sehen, und die
Angelegenheit hatte auch keine weitern Folgen.

Von Würzen reisten wir nach Schmölln in Sachsen-Altenburg. Dort ver¬
kehrte ich des Abends in der Gesellschaft eines Knopffabrikanten in einer Wirtschaft,
deren Besitzer zugleich eine Bäckerei betrieb. Ich bekam wieder Lust zu meinem
Metier und arbeitete eine Nacht als Bäcker. Ich bemerkte mit Freuden, daß ich
nicht allzuviel verlernt hatte, nur das Semmeldrehn machte mir anfangs einige
Mühe, aber nach einigen Minuten war ich mit dieser Tätigkeit wieder so vertraut,
als wenn ich in all den Jahren nichts andres getan hätte. Der Knopffabrikant
lud mich ein, seine Fabrik zu besuchen, und zeigte mir die Einrichtungen und die
Betriebsanlagen.

Über Gablenz bei Chemnitz reisten wir zum Markte nach Klingenthal, einem
kleinen Orte mit lebhafter Musikinstrumentenindustrie, der dicht an der böhmischen
Grenze liegt. Wir standen im Hofe eines Gasthauses, machten aber ein sehr
schlechtes Geschäft, da das Wetter ungünstig, außerdem Konkurrenz am Platze war,
die uns den Fahrpreis verdarb. Wir mußten die Tour zuerst für fünf Pfennige
fahren lassen und später zwei und gar drei Touren mit fünf Pfennigen berechnen.
Dabei verdienten wir natürlich nicht das Brennmaterial. Wir wußten aber den
größten Teil unsrer freien Stunden nützlich auszufüllen, indem wir uns als Pascher
etablierten. Unser Prinzipal beabsichtigte im Winter zu heiraten und gedachte seine
Hochzeit in der großartigsten Weise zu feiern. Dazu brauchte er aber einen Vorrat
an Wein, Tabak und Weizenmehl, das nirgends so gut wie in Böhmen zu haben
ist. Wir gingen an jedem Vormittag zu fünf Personen drei oder viermal über
die Grenze und brachten jedesmal jeder vier Pfund Mehl mit zurück, das in diesem
Quantuni zollfrei ist. Abends nach Schluß des Geschäfts gingen wir wieder nach.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0615" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/298134"/>
          <fw type="header" place="top"> Unter Kunden, Komödianten und wilden Tieren</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_3121" prev="#ID_3120"> könnten. Am Abend, bevor die Lichtmaschine in Betrieb gesetzt wurde, gab es ein<lb/>
schweres Stück Arbeit. Ich mußte den Kessel so mit Wasser füllen, daß das<lb/>
Wasserstandsglas den Wasserstand nicht mehr markierte, und so stark feuern, daß<lb/>
sich kein Brennmaterial mehr in das Feuerloch schaffen ließ. So erreichte ich die<lb/>
siebeneinhalb Atmosphären, was für die Anlage eigentlich zu viel war, da der Kessel<lb/>
nur auf sieben Atmosphären eingerichtet war. Ich mußte deshalb unausgesetzt acht<lb/>
geben, um Unheil zu verhüten. Da ich vorn der vollen Hitze der Feuerung, hinten<lb/>
den sengenden Strahlen der Augustsonne ausgesetzt war, glaubte ich verschmachten<lb/>
zu müssen und begrüßte es mit Freuden, als mir verschiedne Bekannte, die Mit¬<lb/>
leid mit mir hatten, Bier brachten, dem ich denn auch fleißig zusprach. Am andern<lb/>
Morgen fand ich unter der Orgel nicht weniger als zweiundzwanzig leere Gläser.<lb/>
Außerdem hatte ich einen großen Krug schwarzen Kaffee getrunken.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_3122"> In Würzen, wohin wir von Apolda zum Markte zogen, machten uns mehrere<lb/>
Karusfells und elektrische Schaukeln starke Konkurrenz. Aus Neid schickten uns die<lb/>
Besitzer dieser Geschäfte den Kesselrevisor auf den Hals, der gerade bei uns ein¬<lb/>
traf, als ich beim Abschlacken war und somit viel zu tun hatte. Zum Überfluß<lb/>
funktionierten die beiden Injektoren, die aus einem Wasferkcmcil gespeist wurden,<lb/>
nicht, und ich hatte Mühe, das nötige Wasser für den Kessel zu beschaffen. Die<lb/>
Injektoren hatten die Eigentümlichkeit, nur kaltes Wasser zu ziehn; das Wasser in<lb/>
dem Bassin war aber Abends warm wegen des starken Zuflusses aus einer Brauerei.<lb/>
Der Kesselrevisor ließ seinen Manometer an den Kessel schrauben, und ich bemerkte,<lb/>
als ich gerade anderweit beschäftigt war, wie er den Hahn meines Manometers<lb/>
abstellte, sodaß dieser nur sechs Atmosphären zeigte, während das Manometer des<lb/>
Revisors auf sieben stieg. Er sagte mir: Ihr Manometer stimmt nicht, worauf<lb/>
ich erwiderte, das könne auch nicht anders sein, da er ja den Hahn abgestellt habe.<lb/>
Kurz entschlossen nahm ich den Schraubenschlüssel, schraubte seinen Manometer wieder<lb/>
ab, gab ihm ihn in die Hand und machte ihm verständlich, wo der Weg ins Freie<lb/>
ging. Mein Prinzipal, der dem Vorgange zugeschaut hatte, war auf das höchste<lb/>
bestürzt und machte mir Vorwürfe. Ich erklärte aber, ich würde die Verantwortung<lb/>
schon übernehmen. Der Revisor ließ sich aber nicht wieder bei uns sehen, und die<lb/>
Angelegenheit hatte auch keine weitern Folgen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_3123"> Von Würzen reisten wir nach Schmölln in Sachsen-Altenburg. Dort ver¬<lb/>
kehrte ich des Abends in der Gesellschaft eines Knopffabrikanten in einer Wirtschaft,<lb/>
deren Besitzer zugleich eine Bäckerei betrieb. Ich bekam wieder Lust zu meinem<lb/>
Metier und arbeitete eine Nacht als Bäcker. Ich bemerkte mit Freuden, daß ich<lb/>
nicht allzuviel verlernt hatte, nur das Semmeldrehn machte mir anfangs einige<lb/>
Mühe, aber nach einigen Minuten war ich mit dieser Tätigkeit wieder so vertraut,<lb/>
als wenn ich in all den Jahren nichts andres getan hätte. Der Knopffabrikant<lb/>
lud mich ein, seine Fabrik zu besuchen, und zeigte mir die Einrichtungen und die<lb/>
Betriebsanlagen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_3124" next="#ID_3125"> Über Gablenz bei Chemnitz reisten wir zum Markte nach Klingenthal, einem<lb/>
kleinen Orte mit lebhafter Musikinstrumentenindustrie, der dicht an der böhmischen<lb/>
Grenze liegt. Wir standen im Hofe eines Gasthauses, machten aber ein sehr<lb/>
schlechtes Geschäft, da das Wetter ungünstig, außerdem Konkurrenz am Platze war,<lb/>
die uns den Fahrpreis verdarb. Wir mußten die Tour zuerst für fünf Pfennige<lb/>
fahren lassen und später zwei und gar drei Touren mit fünf Pfennigen berechnen.<lb/>
Dabei verdienten wir natürlich nicht das Brennmaterial. Wir wußten aber den<lb/>
größten Teil unsrer freien Stunden nützlich auszufüllen, indem wir uns als Pascher<lb/>
etablierten. Unser Prinzipal beabsichtigte im Winter zu heiraten und gedachte seine<lb/>
Hochzeit in der großartigsten Weise zu feiern. Dazu brauchte er aber einen Vorrat<lb/>
an Wein, Tabak und Weizenmehl, das nirgends so gut wie in Böhmen zu haben<lb/>
ist. Wir gingen an jedem Vormittag zu fünf Personen drei oder viermal über<lb/>
die Grenze und brachten jedesmal jeder vier Pfund Mehl mit zurück, das in diesem<lb/>
Quantuni zollfrei ist.  Abends nach Schluß des Geschäfts gingen wir wieder nach.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0615] Unter Kunden, Komödianten und wilden Tieren könnten. Am Abend, bevor die Lichtmaschine in Betrieb gesetzt wurde, gab es ein schweres Stück Arbeit. Ich mußte den Kessel so mit Wasser füllen, daß das Wasserstandsglas den Wasserstand nicht mehr markierte, und so stark feuern, daß sich kein Brennmaterial mehr in das Feuerloch schaffen ließ. So erreichte ich die siebeneinhalb Atmosphären, was für die Anlage eigentlich zu viel war, da der Kessel nur auf sieben Atmosphären eingerichtet war. Ich mußte deshalb unausgesetzt acht geben, um Unheil zu verhüten. Da ich vorn der vollen Hitze der Feuerung, hinten den sengenden Strahlen der Augustsonne ausgesetzt war, glaubte ich verschmachten zu müssen und begrüßte es mit Freuden, als mir verschiedne Bekannte, die Mit¬ leid mit mir hatten, Bier brachten, dem ich denn auch fleißig zusprach. Am andern Morgen fand ich unter der Orgel nicht weniger als zweiundzwanzig leere Gläser. Außerdem hatte ich einen großen Krug schwarzen Kaffee getrunken. In Würzen, wohin wir von Apolda zum Markte zogen, machten uns mehrere Karusfells und elektrische Schaukeln starke Konkurrenz. Aus Neid schickten uns die Besitzer dieser Geschäfte den Kesselrevisor auf den Hals, der gerade bei uns ein¬ traf, als ich beim Abschlacken war und somit viel zu tun hatte. Zum Überfluß funktionierten die beiden Injektoren, die aus einem Wasferkcmcil gespeist wurden, nicht, und ich hatte Mühe, das nötige Wasser für den Kessel zu beschaffen. Die Injektoren hatten die Eigentümlichkeit, nur kaltes Wasser zu ziehn; das Wasser in dem Bassin war aber Abends warm wegen des starken Zuflusses aus einer Brauerei. Der Kesselrevisor ließ seinen Manometer an den Kessel schrauben, und ich bemerkte, als ich gerade anderweit beschäftigt war, wie er den Hahn meines Manometers abstellte, sodaß dieser nur sechs Atmosphären zeigte, während das Manometer des Revisors auf sieben stieg. Er sagte mir: Ihr Manometer stimmt nicht, worauf ich erwiderte, das könne auch nicht anders sein, da er ja den Hahn abgestellt habe. Kurz entschlossen nahm ich den Schraubenschlüssel, schraubte seinen Manometer wieder ab, gab ihm ihn in die Hand und machte ihm verständlich, wo der Weg ins Freie ging. Mein Prinzipal, der dem Vorgange zugeschaut hatte, war auf das höchste bestürzt und machte mir Vorwürfe. Ich erklärte aber, ich würde die Verantwortung schon übernehmen. Der Revisor ließ sich aber nicht wieder bei uns sehen, und die Angelegenheit hatte auch keine weitern Folgen. Von Würzen reisten wir nach Schmölln in Sachsen-Altenburg. Dort ver¬ kehrte ich des Abends in der Gesellschaft eines Knopffabrikanten in einer Wirtschaft, deren Besitzer zugleich eine Bäckerei betrieb. Ich bekam wieder Lust zu meinem Metier und arbeitete eine Nacht als Bäcker. Ich bemerkte mit Freuden, daß ich nicht allzuviel verlernt hatte, nur das Semmeldrehn machte mir anfangs einige Mühe, aber nach einigen Minuten war ich mit dieser Tätigkeit wieder so vertraut, als wenn ich in all den Jahren nichts andres getan hätte. Der Knopffabrikant lud mich ein, seine Fabrik zu besuchen, und zeigte mir die Einrichtungen und die Betriebsanlagen. Über Gablenz bei Chemnitz reisten wir zum Markte nach Klingenthal, einem kleinen Orte mit lebhafter Musikinstrumentenindustrie, der dicht an der böhmischen Grenze liegt. Wir standen im Hofe eines Gasthauses, machten aber ein sehr schlechtes Geschäft, da das Wetter ungünstig, außerdem Konkurrenz am Platze war, die uns den Fahrpreis verdarb. Wir mußten die Tour zuerst für fünf Pfennige fahren lassen und später zwei und gar drei Touren mit fünf Pfennigen berechnen. Dabei verdienten wir natürlich nicht das Brennmaterial. Wir wußten aber den größten Teil unsrer freien Stunden nützlich auszufüllen, indem wir uns als Pascher etablierten. Unser Prinzipal beabsichtigte im Winter zu heiraten und gedachte seine Hochzeit in der großartigsten Weise zu feiern. Dazu brauchte er aber einen Vorrat an Wein, Tabak und Weizenmehl, das nirgends so gut wie in Böhmen zu haben ist. Wir gingen an jedem Vormittag zu fünf Personen drei oder viermal über die Grenze und brachten jedesmal jeder vier Pfund Mehl mit zurück, das in diesem Quantuni zollfrei ist. Abends nach Schluß des Geschäfts gingen wir wieder nach.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_297518
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_297518/615
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_297518/615>, abgerufen am 27.09.2024.