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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr.

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Holland und die Holländer

Alles in allem dürfen wir uns wohl der Hoffnung hingeben, daß sich
die Ärzteschaft allmählich auf ihren wahren Vorteil besinnen und zu der Er¬
kenntnis kommen wird, daß die schon eröffnete Akademie in Köln und die
demnächst zu errichtende Akademie in Düsseldorf wertvolle Hilfsmittel für die
Fortbildung des Ärztestandes und für die Fortentwicklung der medizinischen
Wissenschaft sein werden, und daß sie von den Städten errichtet sind, nicht
um die Ärzte in ihrem Erwerb und ihrem Ansehen zu schädigen, sondern um
ihre Leistungsfähigkeit und damit ihre wirtschaftliche Selbständigkeit und ihre
Wertschätzung in der Öffentlichkeit zu erhöhen. Wir dürfen hoffen, daß die
Ärzte gegenüber dem gewaltigen Aufschwung, den die Errichtung der Akademien
für das Krankenhauswesen und die ärztliche Versorgung des hilfesuchenden
Publikums bedeutet, ihren Widerspruch fallen lassen und sich vielmehr freudig
in den Dienst dieser nicht weniger für sie als für die Allgemeinheit höchst
segensreichen Einrichtung stellen werden.




Holland und die Holländer
v Adolf Mayer on(Fortsetzung)

le sehr die Schiffahrt ein wesentlicher Bestandteil des holländischen
nationalen Lebens geworden ist, zeigt auch die Tatsache, daß wohl
die Hälfte aller Sprichwörter der Nation aus dem Beobachtungs¬
kreise dieses Gewerbes genommen ist. Auch noch andre, freilich
! weniger bedeutende, aber doch für die Charakteristik des Holländers
unentbehrliche Folgen hatte die Entwicklung zur schiffahrender Nation. Schiffer¬
gewohnheiten lassen sich bis ins kleinste in den Sitten der Nation nachweisen.
Auf den Gebrauch eines Überschwalls von reinigenden Wasser, das den Schiffern
zur Verfügung stand und auch auf dem Festlande nirgends fehlte, lassen sich
ohne Zweifel die Putz- und die Schrubbgewohnheiten des holländischen Volkes,
die sich manchmal bis zum lächerlichen Übermaße steigern, zurückführen. Dazu
die Sucht nach dem sich beinahe täglich wiederholenden Polieren aller im Be¬
reiche des Putzlappens liegenden glänzenden Holz- und Metallflächen, die auch
darauf zurückzuführen sein wird, daß auf dem Schiff in den kleinen Kajüten
diese Metallflächen beinahe den einzigen Zierat bilden, an dem sich ein an
Sauberkeit gewöhntes Auge erfreuen kann, während viel Zeit vorhanden ist,
sich diesem Kultus hinzugeben. Die Schifferfrauen übertrugen diese Leidenschaft
auf die Heimstätte des festen Landes, und so wurde auch da geputzt, geschrubbt,
poliert, und der steigende Wohlstand erlaubte es, dieser Sucht bis ins Un¬
gemessene zu frönen, wobei sie sich bis zu Dimensionen auswuchs, die so oft
die Lachlust des Auslandes erregten. Man muß also die holländische Reinlich¬
keit nicht von dem Standpunkt der Hygiene aus beurteilen -- was ja für uns
heutzutage als letzte eigentliche Ursache für diese Bestrebungen gilt --, sondern


Holland und die Holländer

Alles in allem dürfen wir uns wohl der Hoffnung hingeben, daß sich
die Ärzteschaft allmählich auf ihren wahren Vorteil besinnen und zu der Er¬
kenntnis kommen wird, daß die schon eröffnete Akademie in Köln und die
demnächst zu errichtende Akademie in Düsseldorf wertvolle Hilfsmittel für die
Fortbildung des Ärztestandes und für die Fortentwicklung der medizinischen
Wissenschaft sein werden, und daß sie von den Städten errichtet sind, nicht
um die Ärzte in ihrem Erwerb und ihrem Ansehen zu schädigen, sondern um
ihre Leistungsfähigkeit und damit ihre wirtschaftliche Selbständigkeit und ihre
Wertschätzung in der Öffentlichkeit zu erhöhen. Wir dürfen hoffen, daß die
Ärzte gegenüber dem gewaltigen Aufschwung, den die Errichtung der Akademien
für das Krankenhauswesen und die ärztliche Versorgung des hilfesuchenden
Publikums bedeutet, ihren Widerspruch fallen lassen und sich vielmehr freudig
in den Dienst dieser nicht weniger für sie als für die Allgemeinheit höchst
segensreichen Einrichtung stellen werden.




Holland und die Holländer
v Adolf Mayer on(Fortsetzung)

le sehr die Schiffahrt ein wesentlicher Bestandteil des holländischen
nationalen Lebens geworden ist, zeigt auch die Tatsache, daß wohl
die Hälfte aller Sprichwörter der Nation aus dem Beobachtungs¬
kreise dieses Gewerbes genommen ist. Auch noch andre, freilich
! weniger bedeutende, aber doch für die Charakteristik des Holländers
unentbehrliche Folgen hatte die Entwicklung zur schiffahrender Nation. Schiffer¬
gewohnheiten lassen sich bis ins kleinste in den Sitten der Nation nachweisen.
Auf den Gebrauch eines Überschwalls von reinigenden Wasser, das den Schiffern
zur Verfügung stand und auch auf dem Festlande nirgends fehlte, lassen sich
ohne Zweifel die Putz- und die Schrubbgewohnheiten des holländischen Volkes,
die sich manchmal bis zum lächerlichen Übermaße steigern, zurückführen. Dazu
die Sucht nach dem sich beinahe täglich wiederholenden Polieren aller im Be¬
reiche des Putzlappens liegenden glänzenden Holz- und Metallflächen, die auch
darauf zurückzuführen sein wird, daß auf dem Schiff in den kleinen Kajüten
diese Metallflächen beinahe den einzigen Zierat bilden, an dem sich ein an
Sauberkeit gewöhntes Auge erfreuen kann, während viel Zeit vorhanden ist,
sich diesem Kultus hinzugeben. Die Schifferfrauen übertrugen diese Leidenschaft
auf die Heimstätte des festen Landes, und so wurde auch da geputzt, geschrubbt,
poliert, und der steigende Wohlstand erlaubte es, dieser Sucht bis ins Un¬
gemessene zu frönen, wobei sie sich bis zu Dimensionen auswuchs, die so oft
die Lachlust des Auslandes erregten. Man muß also die holländische Reinlich¬
keit nicht von dem Standpunkt der Hygiene aus beurteilen — was ja für uns
heutzutage als letzte eigentliche Ursache für diese Bestrebungen gilt —, sondern


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[0586] Holland und die Holländer Alles in allem dürfen wir uns wohl der Hoffnung hingeben, daß sich die Ärzteschaft allmählich auf ihren wahren Vorteil besinnen und zu der Er¬ kenntnis kommen wird, daß die schon eröffnete Akademie in Köln und die demnächst zu errichtende Akademie in Düsseldorf wertvolle Hilfsmittel für die Fortbildung des Ärztestandes und für die Fortentwicklung der medizinischen Wissenschaft sein werden, und daß sie von den Städten errichtet sind, nicht um die Ärzte in ihrem Erwerb und ihrem Ansehen zu schädigen, sondern um ihre Leistungsfähigkeit und damit ihre wirtschaftliche Selbständigkeit und ihre Wertschätzung in der Öffentlichkeit zu erhöhen. Wir dürfen hoffen, daß die Ärzte gegenüber dem gewaltigen Aufschwung, den die Errichtung der Akademien für das Krankenhauswesen und die ärztliche Versorgung des hilfesuchenden Publikums bedeutet, ihren Widerspruch fallen lassen und sich vielmehr freudig in den Dienst dieser nicht weniger für sie als für die Allgemeinheit höchst segensreichen Einrichtung stellen werden. Holland und die Holländer v Adolf Mayer on(Fortsetzung) le sehr die Schiffahrt ein wesentlicher Bestandteil des holländischen nationalen Lebens geworden ist, zeigt auch die Tatsache, daß wohl die Hälfte aller Sprichwörter der Nation aus dem Beobachtungs¬ kreise dieses Gewerbes genommen ist. Auch noch andre, freilich ! weniger bedeutende, aber doch für die Charakteristik des Holländers unentbehrliche Folgen hatte die Entwicklung zur schiffahrender Nation. Schiffer¬ gewohnheiten lassen sich bis ins kleinste in den Sitten der Nation nachweisen. Auf den Gebrauch eines Überschwalls von reinigenden Wasser, das den Schiffern zur Verfügung stand und auch auf dem Festlande nirgends fehlte, lassen sich ohne Zweifel die Putz- und die Schrubbgewohnheiten des holländischen Volkes, die sich manchmal bis zum lächerlichen Übermaße steigern, zurückführen. Dazu die Sucht nach dem sich beinahe täglich wiederholenden Polieren aller im Be¬ reiche des Putzlappens liegenden glänzenden Holz- und Metallflächen, die auch darauf zurückzuführen sein wird, daß auf dem Schiff in den kleinen Kajüten diese Metallflächen beinahe den einzigen Zierat bilden, an dem sich ein an Sauberkeit gewöhntes Auge erfreuen kann, während viel Zeit vorhanden ist, sich diesem Kultus hinzugeben. Die Schifferfrauen übertrugen diese Leidenschaft auf die Heimstätte des festen Landes, und so wurde auch da geputzt, geschrubbt, poliert, und der steigende Wohlstand erlaubte es, dieser Sucht bis ins Un¬ gemessene zu frönen, wobei sie sich bis zu Dimensionen auswuchs, die so oft die Lachlust des Auslandes erregten. Man muß also die holländische Reinlich¬ keit nicht von dem Standpunkt der Hygiene aus beurteilen — was ja für uns heutzutage als letzte eigentliche Ursache für diese Bestrebungen gilt —, sondern

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_297518/586>, abgerufen am 27.09.2024.