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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr.

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Unter Runden, Komödianten und wilden Tieren

zusitzen, womit ich mich einverstanden erklärte. Die Harburger Polizei schien zu
der Einsicht gekommen zu sein, daß von mir kein Geld zu erlangen sei, und hatte
sich deshalb wohl dazu entschlossen, auf die zwanzig Mark zu verzichten und mich
meine Strafe absitzen zu lassen. Wie sehr ihr die ganze Angelegenheit am Herzen
gelegen hatte, konnte ich daraus merken, daß während der Zeit, wo Mutter Kitz¬
mann zur Pflege ihres Mannes in Harburg gewesen war, aller acht Tage ein
Polizist bei ihr vorgesprochen hatte, der sich danach erkundigte, wo sich das Geschäft
jetzt aufhielte. Ich wurde nun in das "Knechen" geführt, wo drei Kunden saßen,
die sehr erpicht auf meinen Kautabak waren, und deren jedem ich ein Stückchen
abgab. Am letzten Tage meiner Haft, einem Sonntage, platzte im Gefängnis das
Wasserleitungsrohr, wodurch eine Überschwemmung entstand. Ich half den Schaden
reparieren und wurde um sechs Uhr entlassen. Da mir der Lohn in der Fabrik
gar zu gering war, suchte ich meinen Verdienst durch Überstunden bis spät in die
Nacht zu erhöhen und entschloß mich eines Tages, im Kondor um Zulage zu bitten.
Man fragte mich dort, ob ich verheiratet wäre, und wieviel Kinder ich hätte,
worauf ich frischweg erwiderte, ich hätte eine Frau und zwei Kinder zu ernähren.
Das wirkte, und seitdem bekam ich für die Stunde zwei Pfennige mehr. In
Reichenbach blieb ich bis zum Frühjahr und besuchte dann noch einmal meine
Eltern in Lengenfeld. Inzwischen hatte ich von Mutter Kitzmann Reisegeld er¬
halten und begab mich nach Se. Ingbert. Auf der Reise machte ich in Saarbrücken
einen kurzen Aufenthalt und bemerkte dabei, daß viele der dortigen Einwohner eine
umflorte Kornblume im Knopfloch trugen. Es war nämlich gerade der Tag, wo
der alte Kaiser bestattet wurde.

In Se. Ingbert erhielten wir einen neuen Geschäftsführer namens Haselwcmger.
Sein Vorgänger bei uns heiratete die Witwe des Menageriebesitzers Böhme, der
einige Zeit vorher wahnsinnig gestorben war. Auch Anton Brunner, von dem ich
seinerzeit in Feindschaft geschieden war, fand sich wieder ein, und wir verkehrten
miteinander, als sei nie etwas zwischen uns vorgefallen. Dann reisten wir über
Zweibrücken, Germersheim, Kaiserslautern, Worms, Mannheim und Heidelberg nach
Pforzheim. Dort gab gerade, als wir beim Aufbauen waren, der Zirkus Hagen-
beck seine letzte Vorstellung, während der er schon mit dem Einladen begann. Die
neun Elefanten, worunter ein Zwergelefant war, wurden gleich, nachdem sie ihre
Nummer beendet hatten, aus der Manege auf die Bahn geführt. Wir beobachteten
noch eine Weile das Abbrechen des Zirkus, das mit erstaunlicher Schnelligkeit vor
sich ging, und wobei alles bis in die kleinsten Kleinigkeiten vorbereitet war. Die
Fuhrleute standen schon bereit und schafften die Wagen nach der Rampe, wo sie
auf die von Hagenbeck für die Saison gemieteten Waggons verladen wurden. Wir
erhielten zum Verladen unsers Geschäfts zwei ganz neue Loren mit Querbohlen,
worüber wir uns sehr freuten, da diese Wagen uns eine Garantie für die glück¬
liche Beförderung unsrer schweren Maschine waren. Wir blieben noch den Abend
in Pforzheim und fuhren am andern Tage weiter nach Heilbronn. Als wir in
Mühlacker zufällig zum Fenster hinaussahen, bemerkten wir an der Rampe unsre
Maschine, die merkwürdigerweise auf einer andern Lore stand. Die Angestellten
der Eisenbahn waren dabei beschäftigt, und wir ahnten gleich, daß hier ein Unfall
eingetreten sein müsse. So verhielt es sich denn auch: bei der neuen Lore hatten
sich die Lager heiß gelaufen, und man war deshalb gezwungen gewesen, die Maschine
auf eine andre umzuladen. Zum Unglück hatte man einen ganz alten Wogen ge¬
nommen, dessen Boden mit Längsbohleu versehen und überdies schon morsch war,
und so war die Maschine mit allen vier Rädern durchgebrochen. Wir sahen uns
den Schaden an und erklärten der Bahnverwaltung, wir müßten sie dafür verant¬
wortlich machen, wenn die Maschine nicht rechtzeitig in Heilbronn eintreffe. Am
Nachmittag, als wir in Heilbronn beschäftigt waren, den Wohnwagen auszuladen,
kam ein Personenzug an, der die Maschine mitbrachte.

Wir besuchten noch eine größere Anzahl Städte und beendeten in Alzey unsre
Tournee, verluden das Geschäft nach Harburg und wurden in der üblichen Weise


Unter Runden, Komödianten und wilden Tieren

zusitzen, womit ich mich einverstanden erklärte. Die Harburger Polizei schien zu
der Einsicht gekommen zu sein, daß von mir kein Geld zu erlangen sei, und hatte
sich deshalb wohl dazu entschlossen, auf die zwanzig Mark zu verzichten und mich
meine Strafe absitzen zu lassen. Wie sehr ihr die ganze Angelegenheit am Herzen
gelegen hatte, konnte ich daraus merken, daß während der Zeit, wo Mutter Kitz¬
mann zur Pflege ihres Mannes in Harburg gewesen war, aller acht Tage ein
Polizist bei ihr vorgesprochen hatte, der sich danach erkundigte, wo sich das Geschäft
jetzt aufhielte. Ich wurde nun in das „Knechen" geführt, wo drei Kunden saßen,
die sehr erpicht auf meinen Kautabak waren, und deren jedem ich ein Stückchen
abgab. Am letzten Tage meiner Haft, einem Sonntage, platzte im Gefängnis das
Wasserleitungsrohr, wodurch eine Überschwemmung entstand. Ich half den Schaden
reparieren und wurde um sechs Uhr entlassen. Da mir der Lohn in der Fabrik
gar zu gering war, suchte ich meinen Verdienst durch Überstunden bis spät in die
Nacht zu erhöhen und entschloß mich eines Tages, im Kondor um Zulage zu bitten.
Man fragte mich dort, ob ich verheiratet wäre, und wieviel Kinder ich hätte,
worauf ich frischweg erwiderte, ich hätte eine Frau und zwei Kinder zu ernähren.
Das wirkte, und seitdem bekam ich für die Stunde zwei Pfennige mehr. In
Reichenbach blieb ich bis zum Frühjahr und besuchte dann noch einmal meine
Eltern in Lengenfeld. Inzwischen hatte ich von Mutter Kitzmann Reisegeld er¬
halten und begab mich nach Se. Ingbert. Auf der Reise machte ich in Saarbrücken
einen kurzen Aufenthalt und bemerkte dabei, daß viele der dortigen Einwohner eine
umflorte Kornblume im Knopfloch trugen. Es war nämlich gerade der Tag, wo
der alte Kaiser bestattet wurde.

In Se. Ingbert erhielten wir einen neuen Geschäftsführer namens Haselwcmger.
Sein Vorgänger bei uns heiratete die Witwe des Menageriebesitzers Böhme, der
einige Zeit vorher wahnsinnig gestorben war. Auch Anton Brunner, von dem ich
seinerzeit in Feindschaft geschieden war, fand sich wieder ein, und wir verkehrten
miteinander, als sei nie etwas zwischen uns vorgefallen. Dann reisten wir über
Zweibrücken, Germersheim, Kaiserslautern, Worms, Mannheim und Heidelberg nach
Pforzheim. Dort gab gerade, als wir beim Aufbauen waren, der Zirkus Hagen-
beck seine letzte Vorstellung, während der er schon mit dem Einladen begann. Die
neun Elefanten, worunter ein Zwergelefant war, wurden gleich, nachdem sie ihre
Nummer beendet hatten, aus der Manege auf die Bahn geführt. Wir beobachteten
noch eine Weile das Abbrechen des Zirkus, das mit erstaunlicher Schnelligkeit vor
sich ging, und wobei alles bis in die kleinsten Kleinigkeiten vorbereitet war. Die
Fuhrleute standen schon bereit und schafften die Wagen nach der Rampe, wo sie
auf die von Hagenbeck für die Saison gemieteten Waggons verladen wurden. Wir
erhielten zum Verladen unsers Geschäfts zwei ganz neue Loren mit Querbohlen,
worüber wir uns sehr freuten, da diese Wagen uns eine Garantie für die glück¬
liche Beförderung unsrer schweren Maschine waren. Wir blieben noch den Abend
in Pforzheim und fuhren am andern Tage weiter nach Heilbronn. Als wir in
Mühlacker zufällig zum Fenster hinaussahen, bemerkten wir an der Rampe unsre
Maschine, die merkwürdigerweise auf einer andern Lore stand. Die Angestellten
der Eisenbahn waren dabei beschäftigt, und wir ahnten gleich, daß hier ein Unfall
eingetreten sein müsse. So verhielt es sich denn auch: bei der neuen Lore hatten
sich die Lager heiß gelaufen, und man war deshalb gezwungen gewesen, die Maschine
auf eine andre umzuladen. Zum Unglück hatte man einen ganz alten Wogen ge¬
nommen, dessen Boden mit Längsbohleu versehen und überdies schon morsch war,
und so war die Maschine mit allen vier Rädern durchgebrochen. Wir sahen uns
den Schaden an und erklärten der Bahnverwaltung, wir müßten sie dafür verant¬
wortlich machen, wenn die Maschine nicht rechtzeitig in Heilbronn eintreffe. Am
Nachmittag, als wir in Heilbronn beschäftigt waren, den Wohnwagen auszuladen,
kam ein Personenzug an, der die Maschine mitbrachte.

Wir besuchten noch eine größere Anzahl Städte und beendeten in Alzey unsre
Tournee, verluden das Geschäft nach Harburg und wurden in der üblichen Weise


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[0498] Unter Runden, Komödianten und wilden Tieren zusitzen, womit ich mich einverstanden erklärte. Die Harburger Polizei schien zu der Einsicht gekommen zu sein, daß von mir kein Geld zu erlangen sei, und hatte sich deshalb wohl dazu entschlossen, auf die zwanzig Mark zu verzichten und mich meine Strafe absitzen zu lassen. Wie sehr ihr die ganze Angelegenheit am Herzen gelegen hatte, konnte ich daraus merken, daß während der Zeit, wo Mutter Kitz¬ mann zur Pflege ihres Mannes in Harburg gewesen war, aller acht Tage ein Polizist bei ihr vorgesprochen hatte, der sich danach erkundigte, wo sich das Geschäft jetzt aufhielte. Ich wurde nun in das „Knechen" geführt, wo drei Kunden saßen, die sehr erpicht auf meinen Kautabak waren, und deren jedem ich ein Stückchen abgab. Am letzten Tage meiner Haft, einem Sonntage, platzte im Gefängnis das Wasserleitungsrohr, wodurch eine Überschwemmung entstand. Ich half den Schaden reparieren und wurde um sechs Uhr entlassen. Da mir der Lohn in der Fabrik gar zu gering war, suchte ich meinen Verdienst durch Überstunden bis spät in die Nacht zu erhöhen und entschloß mich eines Tages, im Kondor um Zulage zu bitten. Man fragte mich dort, ob ich verheiratet wäre, und wieviel Kinder ich hätte, worauf ich frischweg erwiderte, ich hätte eine Frau und zwei Kinder zu ernähren. Das wirkte, und seitdem bekam ich für die Stunde zwei Pfennige mehr. In Reichenbach blieb ich bis zum Frühjahr und besuchte dann noch einmal meine Eltern in Lengenfeld. Inzwischen hatte ich von Mutter Kitzmann Reisegeld er¬ halten und begab mich nach Se. Ingbert. Auf der Reise machte ich in Saarbrücken einen kurzen Aufenthalt und bemerkte dabei, daß viele der dortigen Einwohner eine umflorte Kornblume im Knopfloch trugen. Es war nämlich gerade der Tag, wo der alte Kaiser bestattet wurde. In Se. Ingbert erhielten wir einen neuen Geschäftsführer namens Haselwcmger. Sein Vorgänger bei uns heiratete die Witwe des Menageriebesitzers Böhme, der einige Zeit vorher wahnsinnig gestorben war. Auch Anton Brunner, von dem ich seinerzeit in Feindschaft geschieden war, fand sich wieder ein, und wir verkehrten miteinander, als sei nie etwas zwischen uns vorgefallen. Dann reisten wir über Zweibrücken, Germersheim, Kaiserslautern, Worms, Mannheim und Heidelberg nach Pforzheim. Dort gab gerade, als wir beim Aufbauen waren, der Zirkus Hagen- beck seine letzte Vorstellung, während der er schon mit dem Einladen begann. Die neun Elefanten, worunter ein Zwergelefant war, wurden gleich, nachdem sie ihre Nummer beendet hatten, aus der Manege auf die Bahn geführt. Wir beobachteten noch eine Weile das Abbrechen des Zirkus, das mit erstaunlicher Schnelligkeit vor sich ging, und wobei alles bis in die kleinsten Kleinigkeiten vorbereitet war. Die Fuhrleute standen schon bereit und schafften die Wagen nach der Rampe, wo sie auf die von Hagenbeck für die Saison gemieteten Waggons verladen wurden. Wir erhielten zum Verladen unsers Geschäfts zwei ganz neue Loren mit Querbohlen, worüber wir uns sehr freuten, da diese Wagen uns eine Garantie für die glück¬ liche Beförderung unsrer schweren Maschine waren. Wir blieben noch den Abend in Pforzheim und fuhren am andern Tage weiter nach Heilbronn. Als wir in Mühlacker zufällig zum Fenster hinaussahen, bemerkten wir an der Rampe unsre Maschine, die merkwürdigerweise auf einer andern Lore stand. Die Angestellten der Eisenbahn waren dabei beschäftigt, und wir ahnten gleich, daß hier ein Unfall eingetreten sein müsse. So verhielt es sich denn auch: bei der neuen Lore hatten sich die Lager heiß gelaufen, und man war deshalb gezwungen gewesen, die Maschine auf eine andre umzuladen. Zum Unglück hatte man einen ganz alten Wogen ge¬ nommen, dessen Boden mit Längsbohleu versehen und überdies schon morsch war, und so war die Maschine mit allen vier Rädern durchgebrochen. Wir sahen uns den Schaden an und erklärten der Bahnverwaltung, wir müßten sie dafür verant¬ wortlich machen, wenn die Maschine nicht rechtzeitig in Heilbronn eintreffe. Am Nachmittag, als wir in Heilbronn beschäftigt waren, den Wohnwagen auszuladen, kam ein Personenzug an, der die Maschine mitbrachte. Wir besuchten noch eine größere Anzahl Städte und beendeten in Alzey unsre Tournee, verluden das Geschäft nach Harburg und wurden in der üblichen Weise

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_297518/498>, abgerufen am 27.09.2024.