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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr.

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Herrenmenschen

Walter des genannten Schlößchens festen Wohnsitz. Ob derselbe in Haft genommen
werden solle? Darauf lief natürlich die Antwort ein: Von einer Verhaftung sei
Abstand zu nehmen, vielmehr sei zu berichten . . . und so weiter.

Von dieser Verhandlung erhielt Heinemann Kenntnis, und nun stieg seine
Frechheit ins Abenteuerliche. Er prophezeite dem Doktor das Zuchthaus, versetzte
die Arbeiter, konspirierte mit den Mägden, vermied aber den Wirkungsbereich der
Hundepeitsche auf das sorgfältigste. Zugleich lief eine Klage Heinemanns gegen
den Doktor auf Zahlung seiner zehn Mark Diäten ein.

Das waren also vier Prozesse, die der Doktor zugleich auf dem Halse hatte.
Es gibt Leute, denen ein Prozeß ein gewisses dramatisches Vergnügen gewährt.
Sie spielen ihn wie ein Kartenspiel. Dem Doktor war das Prozessieren höchst
unangenehm. Er empfand diese Klagen und Klagebeantwortungen, diese Vor¬
ladungen und Vernehmungen als eine widerrechtliche Beschränkung seiner Selbst¬
bestimmung, ja als Feindseligkeiten, die ihm von einer gewissen bekannten Seite
aus erwiesen wurden. Um seinem Herzen Luft zu machen, besuchte er Schwechting.
Er komme sich vor, sagte er, wie eine Fliege, die in ein Spinnennetz geflogen sei.
Er bemühe sich, sich los zu machen, aber bei jeder Bewegung lege sich ihm eine
neue Schlinge um die Flügel. Und dagegen erlahme znlcht auch die rüstigste Kraft.
Und an dem allen sei dieser Tyrann Groppoff schuld, dessen Absicht, ihn weg¬
zudrängen und das Schlößchen zu ruinieren, offen zutage liege.

Schwechtiug hatte aufmerksam zugehört und dabei die Rauchringe betrachtet,
die von seiner Zigarre aufstiegen. Doktor, sagte er, Ihre Geschichte kommt mir
vor wie ein Jbsensches Drama, von dem man noch im dritten Akte nicht weiß,
ob es ein Lustspiel oder ein Trauerspiel werden will. -- Sagen Sie mal, ließe
sich da nicht eine Fortsetzung von Schillers Taucher malen oder dichten? Der
Jüngling ist mich das zweitemal mit dem Becher in seiner Linken ans Land ge¬
kommen. Da steht er um mit seinem blendenden Nacken und seiner rotgestreiften
Badehose, und des Königs Tochter, die eine gewisse Mütze mit Adlerfedern auf
dem Kopfe trägt, hat sich mutig eingehenkelt, und so treten sie vor und bitten um
etwas Krone. Aber dem König paßt dies gar nicht. Er reißt seine Krone vom
Haupte und wirft sie dein Jüngling um den Kopf. Sehen Sie, Doktor, das kann
nun je nachdem ein Lustspiel oder ein Trauerspiel werden. Ein Trauerspiel, wenn
der König dem Jüngling mit seiner Krone ein Loch in den Kopf schmeißt, und
ein Lustspiel, wenn der Jüngling die Krone auffängt und sie sich selber ans den
Kopf setzt oder sie mit eiuer eleganten Handbewegung zurückreicht. Was will dann
der Vater machen? Er muß sein Wort halten. Aber freilich hat jetzt der Jüng¬
ling zum Fangen nur eine Hand frei.

Der Doktor hatte mit Verwunderung zugehört und den Sinn der Geschichte
einigermaßen verstanden.. Was wollen Sie damit sagen? rief er. Woher wissen
Sie . . .?

Doktor, sagte Schwechting behaglich schmunzelnd, man ist doch nicht blind.
Man hat doch in einer gewissen Nacht nicht weit davon gestanden, wo ein gewisser
Schiffbrüchiger einer gewissen jungen Dame seine Rettung dankte.

Hier schwindelte jedoch Schwechting. Er hatte in jener Nacht gar nichts ge¬
merkt, sondern Tauenden hatte ihn in ihrer Seelenangst ins Vertrauen gezogen.
Und er hatte in längern Unterredungen Tauenden das Herz gestärkt mit der Ver¬
sicherung, es werde alles gut gehn. Der Doktor und Eva seien alle beide zu
verständige Menschenkinder, als daß sie sich nicht schließlich zurechtfinden sollten.
Und sie seien doch im Grunde wie füreinander geschaffen.

Der Doktor also gestand seine Verlobung ein, und Schwechting brachte seine
Glückwünsche an. Und dem Doktor war es nicht unwillkommen, einen Vertrauten
zu haben, mit dem er reden konnte, ohne mit Seufzen und Kopfschütteln bedacht
zu werden. Er nahm also die Glückwünsche dankbar an, und beide einigten sich
über die Moral der Geschichte: Gleichviel, ob ein Lust- oder ein Trauerspiel daraus


Grenzboten III 1903 6
Herrenmenschen

Walter des genannten Schlößchens festen Wohnsitz. Ob derselbe in Haft genommen
werden solle? Darauf lief natürlich die Antwort ein: Von einer Verhaftung sei
Abstand zu nehmen, vielmehr sei zu berichten . . . und so weiter.

Von dieser Verhandlung erhielt Heinemann Kenntnis, und nun stieg seine
Frechheit ins Abenteuerliche. Er prophezeite dem Doktor das Zuchthaus, versetzte
die Arbeiter, konspirierte mit den Mägden, vermied aber den Wirkungsbereich der
Hundepeitsche auf das sorgfältigste. Zugleich lief eine Klage Heinemanns gegen
den Doktor auf Zahlung seiner zehn Mark Diäten ein.

Das waren also vier Prozesse, die der Doktor zugleich auf dem Halse hatte.
Es gibt Leute, denen ein Prozeß ein gewisses dramatisches Vergnügen gewährt.
Sie spielen ihn wie ein Kartenspiel. Dem Doktor war das Prozessieren höchst
unangenehm. Er empfand diese Klagen und Klagebeantwortungen, diese Vor¬
ladungen und Vernehmungen als eine widerrechtliche Beschränkung seiner Selbst¬
bestimmung, ja als Feindseligkeiten, die ihm von einer gewissen bekannten Seite
aus erwiesen wurden. Um seinem Herzen Luft zu machen, besuchte er Schwechting.
Er komme sich vor, sagte er, wie eine Fliege, die in ein Spinnennetz geflogen sei.
Er bemühe sich, sich los zu machen, aber bei jeder Bewegung lege sich ihm eine
neue Schlinge um die Flügel. Und dagegen erlahme znlcht auch die rüstigste Kraft.
Und an dem allen sei dieser Tyrann Groppoff schuld, dessen Absicht, ihn weg¬
zudrängen und das Schlößchen zu ruinieren, offen zutage liege.

Schwechtiug hatte aufmerksam zugehört und dabei die Rauchringe betrachtet,
die von seiner Zigarre aufstiegen. Doktor, sagte er, Ihre Geschichte kommt mir
vor wie ein Jbsensches Drama, von dem man noch im dritten Akte nicht weiß,
ob es ein Lustspiel oder ein Trauerspiel werden will. — Sagen Sie mal, ließe
sich da nicht eine Fortsetzung von Schillers Taucher malen oder dichten? Der
Jüngling ist mich das zweitemal mit dem Becher in seiner Linken ans Land ge¬
kommen. Da steht er um mit seinem blendenden Nacken und seiner rotgestreiften
Badehose, und des Königs Tochter, die eine gewisse Mütze mit Adlerfedern auf
dem Kopfe trägt, hat sich mutig eingehenkelt, und so treten sie vor und bitten um
etwas Krone. Aber dem König paßt dies gar nicht. Er reißt seine Krone vom
Haupte und wirft sie dein Jüngling um den Kopf. Sehen Sie, Doktor, das kann
nun je nachdem ein Lustspiel oder ein Trauerspiel werden. Ein Trauerspiel, wenn
der König dem Jüngling mit seiner Krone ein Loch in den Kopf schmeißt, und
ein Lustspiel, wenn der Jüngling die Krone auffängt und sie sich selber ans den
Kopf setzt oder sie mit eiuer eleganten Handbewegung zurückreicht. Was will dann
der Vater machen? Er muß sein Wort halten. Aber freilich hat jetzt der Jüng¬
ling zum Fangen nur eine Hand frei.

Der Doktor hatte mit Verwunderung zugehört und den Sinn der Geschichte
einigermaßen verstanden.. Was wollen Sie damit sagen? rief er. Woher wissen
Sie . . .?

Doktor, sagte Schwechting behaglich schmunzelnd, man ist doch nicht blind.
Man hat doch in einer gewissen Nacht nicht weit davon gestanden, wo ein gewisser
Schiffbrüchiger einer gewissen jungen Dame seine Rettung dankte.

Hier schwindelte jedoch Schwechting. Er hatte in jener Nacht gar nichts ge¬
merkt, sondern Tauenden hatte ihn in ihrer Seelenangst ins Vertrauen gezogen.
Und er hatte in längern Unterredungen Tauenden das Herz gestärkt mit der Ver¬
sicherung, es werde alles gut gehn. Der Doktor und Eva seien alle beide zu
verständige Menschenkinder, als daß sie sich nicht schließlich zurechtfinden sollten.
Und sie seien doch im Grunde wie füreinander geschaffen.

Der Doktor also gestand seine Verlobung ein, und Schwechting brachte seine
Glückwünsche an. Und dem Doktor war es nicht unwillkommen, einen Vertrauten
zu haben, mit dem er reden konnte, ohne mit Seufzen und Kopfschütteln bedacht
zu werden. Er nahm also die Glückwünsche dankbar an, und beide einigten sich
über die Moral der Geschichte: Gleichviel, ob ein Lust- oder ein Trauerspiel daraus


Grenzboten III 1903 6
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[0049] Herrenmenschen Walter des genannten Schlößchens festen Wohnsitz. Ob derselbe in Haft genommen werden solle? Darauf lief natürlich die Antwort ein: Von einer Verhaftung sei Abstand zu nehmen, vielmehr sei zu berichten . . . und so weiter. Von dieser Verhandlung erhielt Heinemann Kenntnis, und nun stieg seine Frechheit ins Abenteuerliche. Er prophezeite dem Doktor das Zuchthaus, versetzte die Arbeiter, konspirierte mit den Mägden, vermied aber den Wirkungsbereich der Hundepeitsche auf das sorgfältigste. Zugleich lief eine Klage Heinemanns gegen den Doktor auf Zahlung seiner zehn Mark Diäten ein. Das waren also vier Prozesse, die der Doktor zugleich auf dem Halse hatte. Es gibt Leute, denen ein Prozeß ein gewisses dramatisches Vergnügen gewährt. Sie spielen ihn wie ein Kartenspiel. Dem Doktor war das Prozessieren höchst unangenehm. Er empfand diese Klagen und Klagebeantwortungen, diese Vor¬ ladungen und Vernehmungen als eine widerrechtliche Beschränkung seiner Selbst¬ bestimmung, ja als Feindseligkeiten, die ihm von einer gewissen bekannten Seite aus erwiesen wurden. Um seinem Herzen Luft zu machen, besuchte er Schwechting. Er komme sich vor, sagte er, wie eine Fliege, die in ein Spinnennetz geflogen sei. Er bemühe sich, sich los zu machen, aber bei jeder Bewegung lege sich ihm eine neue Schlinge um die Flügel. Und dagegen erlahme znlcht auch die rüstigste Kraft. Und an dem allen sei dieser Tyrann Groppoff schuld, dessen Absicht, ihn weg¬ zudrängen und das Schlößchen zu ruinieren, offen zutage liege. Schwechtiug hatte aufmerksam zugehört und dabei die Rauchringe betrachtet, die von seiner Zigarre aufstiegen. Doktor, sagte er, Ihre Geschichte kommt mir vor wie ein Jbsensches Drama, von dem man noch im dritten Akte nicht weiß, ob es ein Lustspiel oder ein Trauerspiel werden will. — Sagen Sie mal, ließe sich da nicht eine Fortsetzung von Schillers Taucher malen oder dichten? Der Jüngling ist mich das zweitemal mit dem Becher in seiner Linken ans Land ge¬ kommen. Da steht er um mit seinem blendenden Nacken und seiner rotgestreiften Badehose, und des Königs Tochter, die eine gewisse Mütze mit Adlerfedern auf dem Kopfe trägt, hat sich mutig eingehenkelt, und so treten sie vor und bitten um etwas Krone. Aber dem König paßt dies gar nicht. Er reißt seine Krone vom Haupte und wirft sie dein Jüngling um den Kopf. Sehen Sie, Doktor, das kann nun je nachdem ein Lustspiel oder ein Trauerspiel werden. Ein Trauerspiel, wenn der König dem Jüngling mit seiner Krone ein Loch in den Kopf schmeißt, und ein Lustspiel, wenn der Jüngling die Krone auffängt und sie sich selber ans den Kopf setzt oder sie mit eiuer eleganten Handbewegung zurückreicht. Was will dann der Vater machen? Er muß sein Wort halten. Aber freilich hat jetzt der Jüng¬ ling zum Fangen nur eine Hand frei. Der Doktor hatte mit Verwunderung zugehört und den Sinn der Geschichte einigermaßen verstanden.. Was wollen Sie damit sagen? rief er. Woher wissen Sie . . .? Doktor, sagte Schwechting behaglich schmunzelnd, man ist doch nicht blind. Man hat doch in einer gewissen Nacht nicht weit davon gestanden, wo ein gewisser Schiffbrüchiger einer gewissen jungen Dame seine Rettung dankte. Hier schwindelte jedoch Schwechting. Er hatte in jener Nacht gar nichts ge¬ merkt, sondern Tauenden hatte ihn in ihrer Seelenangst ins Vertrauen gezogen. Und er hatte in längern Unterredungen Tauenden das Herz gestärkt mit der Ver¬ sicherung, es werde alles gut gehn. Der Doktor und Eva seien alle beide zu verständige Menschenkinder, als daß sie sich nicht schließlich zurechtfinden sollten. Und sie seien doch im Grunde wie füreinander geschaffen. Der Doktor also gestand seine Verlobung ein, und Schwechting brachte seine Glückwünsche an. Und dem Doktor war es nicht unwillkommen, einen Vertrauten zu haben, mit dem er reden konnte, ohne mit Seufzen und Kopfschütteln bedacht zu werden. Er nahm also die Glückwünsche dankbar an, und beide einigten sich über die Moral der Geschichte: Gleichviel, ob ein Lust- oder ein Trauerspiel daraus Grenzboten III 1903 6

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_297518/49>, abgerufen am 27.09.2024.