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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

nostra Maxims, oulpg,. Die bedrängte Lage der katholischen Kirche, deren Ur¬
sachen und Vorschläge zur Besserung. Von Anton Vogrinec, Pfarrer in Leifling,
Körnten. (Wien und Leipzig, Carl Fromme, 1904.) Der wackre Pfarrer meint,
den Teufel könne man unmöglich für das Elend der Kirche in Österreich verant¬
wortlich machen, denn den habe ja Christus besiegt, und die Schuld der Weltkinder
und sonstiger Kirchenfeinde zu erörtern habe keinen Zweck, denn über die habe ein
Pfarrer keine Gewalt; der Klerus habe nur nach seinem eignen Anteil an der
Schuld zu fragen und ihn durch Reformen zu beseitigen. Er schlägt nun eine
Reihe sehr vernünftiger Reformen vor und beschäftigt sich besonders mit der Reform
des Religionsunterrichts so ausführlich, daß man sein Buch beinahe ein Lehrbuch
der Katechetik nennen kann. Den Bischöfen spricht er auf Grund ihres Verhaltens
bei den Visitationen jedes pädagogische Verständnis ab und wagt überhaupt manches
kühne Wort gegen die stolzen, reichen und mächtigen Kirchenfürsten Österreich-
Ungarns, zum Beispiel, man möge ihnen wehren, mitten unter einem halbverhungerter
Volke, dem sie die Seligkeit der Armen predigen sollen, Paläste zu bewohnen und
in vierspännigen Prunkwagen herumzufahren. Wenn von Verschuldungen des öster¬
reichischen Klerus die Rede ist, kann billigerweise wohl nur die des hohen gemeint
sein; denn der Seelsorgklerus wird so jämmerlich bezahlt und lebt in so schmach¬
voller Abhängigkeit von den geistlichen und den weltlichen Behörden, daß in ihm
-- auch noch seine jämmerliche Vorbereitung in Betracht gezogen -- höhere Bil¬
dung, ideales Streben und männliche Gesinnung nicht aufkommen können. Ein
Mann wie Vogrinec, in dem trotz solcher Lage das Gefühl der Verantwortlichkeit
lebendig und stark bleibt, ist darum doppelter Ehren wert. -- Der Kirchenhistoriker
Friedrich Nippold gehört zu den eifrigen Förderern des Evangelischen Bundes
und klagt gleich seinen Gesinnungsgenossen darüber, daß die Regierung dem Ultra¬
montanismus zur Herrschaft verhelfe, die evangelische Kirche benachteilige und be¬
drücke. Besonders beschwert er sich darüber, daß die evangelische Heidenmission
hinter der katholischen zurückgesetzt und entweder ignoriert oder verleumdet werde,
wie dies namentlich in den chinesischen Händeln und im Hererokriege geschehen sei.
Und die liberale Presse, namentlich die Kölnische Zeitung, habe an dieser Ungerechtig¬
keit teilgenommen. Solche Beschwerden machen den Hauptinhalt eines Vortrags
aus, den er am 29. September 1903 in Görlitz gehalten hat über das Thema:
Aus welchen Bedürfnissen ging der Allgemeine evangelisch-protestantische Missions¬
verein hervor, und inwiefern hat er denselben entsprochen? Darin wird namentlich
über den unheilvollen Einfluß des Bischofs Unzer geklagt. Der Vortrag veran¬
laßte eine lebhafte Zeitungspolemik, und diese samt dem Vortrage selbst faßt er in
der (als Beigabe zu seinem Handbuche der neuesten Kirchengeschichte gedruckten)
Broschüre zusammen: Bischof von Unzer. die Berliner amtliche Politik
und die evangelische Mission (Berlin. C. A. Schwetschke und Sohn, 1905).
Er teilt darin zwei Aktenstücke mit, die den schlechten Charakter Anzers beweisen
sollen. Beide sind Aufzeichnungen eines or. H., der 1890 mit Unzer von Schanghai
nach Port Said gefahren ist. In der einen, die im altkatholischen Deutschen Merkur
veröffentlicht worden ist, wird berichtet, wie Unzer versichert hat, Döllinger habe
bis zu seinem Lebensende mit ihm im Briefwechsel gestanden und in seinen Briefen
die altkatholische Bewegung verurteilt; die Durchsicht der Papiere Döllingers aber
habe ergeben, daß Briefe von Unzer nicht darunter seien; dieser habe also gelogen.
Die zweite Aufzeichnung berichtet, wie Unzer im angetrunknen Zustande einen Mit¬
reisenden ohne jeden vernünftigen Grund ins Gesicht geschlagen habe und von
diesem geohrfeigt worden sei. Beide Urkunden seien dem preußischen Kultus¬
ministerium und dem Auswärtigen Amte eingereicht worden, hätten aber keine
Wirkung gehabt. Wir zweifeln nicht im mindesten an der Ehrlichkeit und Loyalität
des von uns hoch geschätzten Professors Nippold. Auch ist dieser kein fanatischer
Hasser des Katholizismus. Er erkennt zum Beispiel die Berechtigung des katho¬
lischen Missionswesens an. Er schreibt sehr schön: "Die katholischen Missionare
gehören fast ausnahmslos den Mönchsorden an, die evangelischen entstammten bis


Maßgebliches und Unmaßgebliches

nostra Maxims, oulpg,. Die bedrängte Lage der katholischen Kirche, deren Ur¬
sachen und Vorschläge zur Besserung. Von Anton Vogrinec, Pfarrer in Leifling,
Körnten. (Wien und Leipzig, Carl Fromme, 1904.) Der wackre Pfarrer meint,
den Teufel könne man unmöglich für das Elend der Kirche in Österreich verant¬
wortlich machen, denn den habe ja Christus besiegt, und die Schuld der Weltkinder
und sonstiger Kirchenfeinde zu erörtern habe keinen Zweck, denn über die habe ein
Pfarrer keine Gewalt; der Klerus habe nur nach seinem eignen Anteil an der
Schuld zu fragen und ihn durch Reformen zu beseitigen. Er schlägt nun eine
Reihe sehr vernünftiger Reformen vor und beschäftigt sich besonders mit der Reform
des Religionsunterrichts so ausführlich, daß man sein Buch beinahe ein Lehrbuch
der Katechetik nennen kann. Den Bischöfen spricht er auf Grund ihres Verhaltens
bei den Visitationen jedes pädagogische Verständnis ab und wagt überhaupt manches
kühne Wort gegen die stolzen, reichen und mächtigen Kirchenfürsten Österreich-
Ungarns, zum Beispiel, man möge ihnen wehren, mitten unter einem halbverhungerter
Volke, dem sie die Seligkeit der Armen predigen sollen, Paläste zu bewohnen und
in vierspännigen Prunkwagen herumzufahren. Wenn von Verschuldungen des öster¬
reichischen Klerus die Rede ist, kann billigerweise wohl nur die des hohen gemeint
sein; denn der Seelsorgklerus wird so jämmerlich bezahlt und lebt in so schmach¬
voller Abhängigkeit von den geistlichen und den weltlichen Behörden, daß in ihm
— auch noch seine jämmerliche Vorbereitung in Betracht gezogen — höhere Bil¬
dung, ideales Streben und männliche Gesinnung nicht aufkommen können. Ein
Mann wie Vogrinec, in dem trotz solcher Lage das Gefühl der Verantwortlichkeit
lebendig und stark bleibt, ist darum doppelter Ehren wert. — Der Kirchenhistoriker
Friedrich Nippold gehört zu den eifrigen Förderern des Evangelischen Bundes
und klagt gleich seinen Gesinnungsgenossen darüber, daß die Regierung dem Ultra¬
montanismus zur Herrschaft verhelfe, die evangelische Kirche benachteilige und be¬
drücke. Besonders beschwert er sich darüber, daß die evangelische Heidenmission
hinter der katholischen zurückgesetzt und entweder ignoriert oder verleumdet werde,
wie dies namentlich in den chinesischen Händeln und im Hererokriege geschehen sei.
Und die liberale Presse, namentlich die Kölnische Zeitung, habe an dieser Ungerechtig¬
keit teilgenommen. Solche Beschwerden machen den Hauptinhalt eines Vortrags
aus, den er am 29. September 1903 in Görlitz gehalten hat über das Thema:
Aus welchen Bedürfnissen ging der Allgemeine evangelisch-protestantische Missions¬
verein hervor, und inwiefern hat er denselben entsprochen? Darin wird namentlich
über den unheilvollen Einfluß des Bischofs Unzer geklagt. Der Vortrag veran¬
laßte eine lebhafte Zeitungspolemik, und diese samt dem Vortrage selbst faßt er in
der (als Beigabe zu seinem Handbuche der neuesten Kirchengeschichte gedruckten)
Broschüre zusammen: Bischof von Unzer. die Berliner amtliche Politik
und die evangelische Mission (Berlin. C. A. Schwetschke und Sohn, 1905).
Er teilt darin zwei Aktenstücke mit, die den schlechten Charakter Anzers beweisen
sollen. Beide sind Aufzeichnungen eines or. H., der 1890 mit Unzer von Schanghai
nach Port Said gefahren ist. In der einen, die im altkatholischen Deutschen Merkur
veröffentlicht worden ist, wird berichtet, wie Unzer versichert hat, Döllinger habe
bis zu seinem Lebensende mit ihm im Briefwechsel gestanden und in seinen Briefen
die altkatholische Bewegung verurteilt; die Durchsicht der Papiere Döllingers aber
habe ergeben, daß Briefe von Unzer nicht darunter seien; dieser habe also gelogen.
Die zweite Aufzeichnung berichtet, wie Unzer im angetrunknen Zustande einen Mit¬
reisenden ohne jeden vernünftigen Grund ins Gesicht geschlagen habe und von
diesem geohrfeigt worden sei. Beide Urkunden seien dem preußischen Kultus¬
ministerium und dem Auswärtigen Amte eingereicht worden, hätten aber keine
Wirkung gehabt. Wir zweifeln nicht im mindesten an der Ehrlichkeit und Loyalität
des von uns hoch geschätzten Professors Nippold. Auch ist dieser kein fanatischer
Hasser des Katholizismus. Er erkennt zum Beispiel die Berechtigung des katho¬
lischen Missionswesens an. Er schreibt sehr schön: „Die katholischen Missionare
gehören fast ausnahmslos den Mönchsorden an, die evangelischen entstammten bis


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[0398] Maßgebliches und Unmaßgebliches nostra Maxims, oulpg,. Die bedrängte Lage der katholischen Kirche, deren Ur¬ sachen und Vorschläge zur Besserung. Von Anton Vogrinec, Pfarrer in Leifling, Körnten. (Wien und Leipzig, Carl Fromme, 1904.) Der wackre Pfarrer meint, den Teufel könne man unmöglich für das Elend der Kirche in Österreich verant¬ wortlich machen, denn den habe ja Christus besiegt, und die Schuld der Weltkinder und sonstiger Kirchenfeinde zu erörtern habe keinen Zweck, denn über die habe ein Pfarrer keine Gewalt; der Klerus habe nur nach seinem eignen Anteil an der Schuld zu fragen und ihn durch Reformen zu beseitigen. Er schlägt nun eine Reihe sehr vernünftiger Reformen vor und beschäftigt sich besonders mit der Reform des Religionsunterrichts so ausführlich, daß man sein Buch beinahe ein Lehrbuch der Katechetik nennen kann. Den Bischöfen spricht er auf Grund ihres Verhaltens bei den Visitationen jedes pädagogische Verständnis ab und wagt überhaupt manches kühne Wort gegen die stolzen, reichen und mächtigen Kirchenfürsten Österreich- Ungarns, zum Beispiel, man möge ihnen wehren, mitten unter einem halbverhungerter Volke, dem sie die Seligkeit der Armen predigen sollen, Paläste zu bewohnen und in vierspännigen Prunkwagen herumzufahren. Wenn von Verschuldungen des öster¬ reichischen Klerus die Rede ist, kann billigerweise wohl nur die des hohen gemeint sein; denn der Seelsorgklerus wird so jämmerlich bezahlt und lebt in so schmach¬ voller Abhängigkeit von den geistlichen und den weltlichen Behörden, daß in ihm — auch noch seine jämmerliche Vorbereitung in Betracht gezogen — höhere Bil¬ dung, ideales Streben und männliche Gesinnung nicht aufkommen können. Ein Mann wie Vogrinec, in dem trotz solcher Lage das Gefühl der Verantwortlichkeit lebendig und stark bleibt, ist darum doppelter Ehren wert. — Der Kirchenhistoriker Friedrich Nippold gehört zu den eifrigen Förderern des Evangelischen Bundes und klagt gleich seinen Gesinnungsgenossen darüber, daß die Regierung dem Ultra¬ montanismus zur Herrschaft verhelfe, die evangelische Kirche benachteilige und be¬ drücke. Besonders beschwert er sich darüber, daß die evangelische Heidenmission hinter der katholischen zurückgesetzt und entweder ignoriert oder verleumdet werde, wie dies namentlich in den chinesischen Händeln und im Hererokriege geschehen sei. Und die liberale Presse, namentlich die Kölnische Zeitung, habe an dieser Ungerechtig¬ keit teilgenommen. Solche Beschwerden machen den Hauptinhalt eines Vortrags aus, den er am 29. September 1903 in Görlitz gehalten hat über das Thema: Aus welchen Bedürfnissen ging der Allgemeine evangelisch-protestantische Missions¬ verein hervor, und inwiefern hat er denselben entsprochen? Darin wird namentlich über den unheilvollen Einfluß des Bischofs Unzer geklagt. Der Vortrag veran¬ laßte eine lebhafte Zeitungspolemik, und diese samt dem Vortrage selbst faßt er in der (als Beigabe zu seinem Handbuche der neuesten Kirchengeschichte gedruckten) Broschüre zusammen: Bischof von Unzer. die Berliner amtliche Politik und die evangelische Mission (Berlin. C. A. Schwetschke und Sohn, 1905). Er teilt darin zwei Aktenstücke mit, die den schlechten Charakter Anzers beweisen sollen. Beide sind Aufzeichnungen eines or. H., der 1890 mit Unzer von Schanghai nach Port Said gefahren ist. In der einen, die im altkatholischen Deutschen Merkur veröffentlicht worden ist, wird berichtet, wie Unzer versichert hat, Döllinger habe bis zu seinem Lebensende mit ihm im Briefwechsel gestanden und in seinen Briefen die altkatholische Bewegung verurteilt; die Durchsicht der Papiere Döllingers aber habe ergeben, daß Briefe von Unzer nicht darunter seien; dieser habe also gelogen. Die zweite Aufzeichnung berichtet, wie Unzer im angetrunknen Zustande einen Mit¬ reisenden ohne jeden vernünftigen Grund ins Gesicht geschlagen habe und von diesem geohrfeigt worden sei. Beide Urkunden seien dem preußischen Kultus¬ ministerium und dem Auswärtigen Amte eingereicht worden, hätten aber keine Wirkung gehabt. Wir zweifeln nicht im mindesten an der Ehrlichkeit und Loyalität des von uns hoch geschätzten Professors Nippold. Auch ist dieser kein fanatischer Hasser des Katholizismus. Er erkennt zum Beispiel die Berechtigung des katho¬ lischen Missionswesens an. Er schreibt sehr schön: „Die katholischen Missionare gehören fast ausnahmslos den Mönchsorden an, die evangelischen entstammten bis

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_297518/398>, abgerufen am 27.09.2024.